Zeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft.
XXVII. Band.
1875.
Mit vierundzwanzig Tafeln.
Berlin, 1875.
Bei Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung)
Marien -Strasse No. 10.
Inhalt.
A. Aufsätze. Seite
M. v. Tribolet. Geologie der Morgenberghornkette und der
angrenzenden Flysch - und Gypsregion am Thunersee.
(Hierzu Tafel I.) 1
C. Struckmann. Ueber die Schichtenfolge des oberen Jura bei
Ahlem unweit Hannover und über das Vorkommen der
Exogyra virgula im oberen Korallen -Oolith des weissen
Jura daselbst 30
A. Baltzer. Geognostisch- chemische Mittheilungen über die
neuesten Eruptionen auf Vulcano und die Producte der-
selben. (Hierzu Tafel II-IV.) 36
Ferd. Roemer. Ueber die Eisenerzlagerstätten von El Pedroso
in der Provinz Sevilla 63
O. Feistmantel. Ueber das Vorkommen von Nöggerathia
foliosa Stbg. in dem Steinkohlengebirge von Oberschle-
sien und über die Wichtigkeit desselben für eine Paral-
lelisirung dieser Schichten mit denen in Böhmen. (Hierzu
Tafel V.) 70
R. Lepsiüs. Ueber den bunten Sandstein in den Vogesen, seine
Zusammensetzung und Lagerung. (Hierzu Tafel VI.) . . 83
Herm. Credner. Die granitischen Gänge des sächsischen Gra-
nulitgebirges. (Hierzu Tafel VII.) 104
R. Richter. Aus dem thüringischen Schiefergebirge. (Hierzu
Tafel VIII.) 261
W. Reiss. Bericht über eine Reise nach dem Quilotoa und dem
Cerro hermoso in den ecuadorischen Cordilleren . . . 274
G. vom Rath. Beiträge zur Petrographie. (Hierzu Tafel IX. u. X.) 295
B. Stüder. Die Porphyre des Luganersee's 418
L. v. Fellenberg. Analysen zweier Porphyre aus dem Ma-
roggiatunnel im Tessin 422
Ferd. Roemer. Ueber C. E. v. Baer's Bos Pallasii aus dem
Diluvium von Danzig. (Hierzu Tafel XI.) 430
Klette. Ueber Anatas und Brookit von Wolfshau bei Schmiede-
berg in Schlesien 442
F. Hoppe-Seyler. Ueber die Bildung von Dolomit. (Hierzu
Tafel XII.) 495
IV
Seite
J. Lemberg. Ueber die Serpentine von Zöblitz, Greifendorf und
Waldheim 531
J. Roth. Ueber die neue Theorie des Vulcanismus des Herrn
R. Mallrt 550
H. Laspeyres. Ueber die Krystallform des Antimons. (Hierzu
Tafel XIII. u. XIV) 574
E. Kalkowsky. Rother Gneiss und Kalkstein im Wilischthal
im Erzgebirge 623
R. Hoernes. -Ein Beitrag zur Gliederung der österreichischen
Neogenablagerungen 631
W. C. Brögger und H. H. Reusch. Vorkommen des Apatit
in Norwegen. (Hierzu Tafel XV bis XIX.) 646
H. v. Dechen. Ueber den Quarzit von Greifenstein im Kr. Wetzlar 761
E. Kayseü. Ueber die BiLLiNGs'sche Gattung Pasceolvs und ihre
Verbreitung in paläoz. Ablagerungen (Hierzu Tafel XX.) 776
H. Loretz. Einige Petrefacten der alpinen Trias aus den
Südalpen. (Hierzu Tafel XXI. bis XXIII.) 784
H. 0. Lang. Ueber die Absonderung des Kalksteins von Ellie-
hausen bei Göttingen. (Hierzu Tafel XXIV.) .... 842
M. Neumayr. Die Ammoniten der Kreide und die Systematik
der Ammonitiden 854
B. Briefliche Mittheilungen
der Herren Hilgendorf und Gottsche 224
der Herren F. Sscmidt, F. Fouque, M. Scholz, v. Tribolet
F. Sandberger, K. A. Lossen, Des Cloizeaux, Ant.
D' Achiardi und N. St. Maskelyne 444
der Herren Traütschülü, v. Koenen und Fer^. Roemer . . . 703
der Herren Seguenza , O. Feistmantel , M. Bauer und Des
Cloizeaux 943
C. Verhandlungen der Gesellschaft.. . . 229. 465. 709. 958
| " "
Zeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft.
XXVII. Band.
h Heft.
Januar bis März 1875.
(Hierzu Tafel I— VII.)
Berlin, 1875.
Bei Wilhelm Hertz (Bessersohe Buchhandlung).
Marienstrasse No. 10.
Zeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft.
1. Heft (Januar, Februar und März 1875).
A. Aufsätze.
1. Geologie der Morgenberghornkette und der angren-
zenden Fh seh - und Ctypsregion am Thunersee.
Von Herrn Maurice von Tribolet in Neuchätel.
Hierzu Tafel I.
Die geologische Commission der schweizerischen natur-
forschendeD Gesellschaft übertrug mir letzten Frühling die
Bearbeitung der südlich vom Thuner- und Brienzersee, der
Aare, des Gadmenthales , Sustenpass und Meienthales gele-
genen Partieen des Blattes XIII des Dufour- Atlas (1:100).
Die Gegend davon, welche ich letzten Sommer auf Grundlage
der Karte 395 (Lauterbrunnen) des neuen topographischen
Atlas (1:50) untersucht habe, liegt auf der westlichen Seite,
am Thunersee. Es ist das grosse Massiv (eher die Kette) des
Morgenberghorn, sowie auch die Flysch - und Gypsregion,
weiche sich zwischen ihr, dem Thunersee und dem Suldthale,
erstreckt.
Diese Gegend nämlich ist geologisch um so interessanter,
als sie uns Erscheinungen bietet, wie sie seiner Zeit von
A. Escher von der Linth*) (auf den Beobachtungen seines
*) Gemälde des Kanton Glarus, 1839—42. — Studeu's Geologie der
Schweiz, II. pag. 46, 186-188. — Heek's Biographie Escheh's pag, 173,
186, 190,
Zeits. d. D. geol. Ges. XXVII. 1 . 1
2
Vaters weiter bauend) und neuerdings von Baltzer*) und
Heim**) so ausgezeichnet in den GJarneralpen nachgewiesen
und beschrieben wurden. Es sind dies grossartige, meilenweit
ausgedehnte Ueberstürzungen , infolge deren die ganze strati-
graphische Aufeinanderfolge der verschiedenen Terrains die
umgekehrte ist. Natürlich können nur ungeheure Umwälzungs-
phänomene damit in Verbindung gestanden haben. Wie auch
Studer richtig bemerkt***), lassen die hohen Terrassen, in
denen die Gebirge oberhalb Lauterbrunnen und Grindelwald
(Jungfrau und Wetterhorn) schroff gegen den Thuner- und
Brienzersee abfallen , auf ganz gewaltige Verwerfungen schlie-
ssen. Was aber die eigentlichen Ursachen davon gewesen
sind, bleibt noch vorbehalten. Nach der Besprechung der
stratigraphischen und palaeontologischen Verhältnisse dieser
Gegend werde ich dann versuchen , Einiges zur Erklärung
dieser merkwürdigen Verhältnisse beizufügen.
Bis noch vor wenigen Jahren war die Morgenberghorn-
kette allgemein als eine normale angesehen , d. h. als eine,
wo sich die verschiedenen Terrains, in ihren mächtigen Fels-
abstürzen, regelmässig aufeinander folgen. Es ist das Verdienst
von Th. Studer f) , die wirkliche Stratigraphie dieser Kette
zuerst erkannt und publicirt zu haben. In seiner kurz ge-
fassten Schrift (anlässlich einer von der Berner Universität
ausgeschriebenen Preisfrage) giebt uns Th. Stüder eine treff-
liche Beschreibung der Morgenberghornkette, begleitet von eini-
gen Profilen , welche den kurzen Text verdeutlichen sollen.
Der kurze diesem Studium gewidmete Aufenthalt erklärt
es, dass der Verfasser in seinem Eifer noch mehr Verwirrung
in diesem Gebirge erkennen will , als solche eigentlich vor-
handen ist. In drei seiner Schriften , aber besonders in der
Geologie der Schweiz II. berührt Prof. Stüder die Gegend
*) Der Glärisch, ein Problem alpinen Gebirgsbaues , Zürich 1S73.
— In dieser vortrefflichen und äusserst detaillirten Monographie schätzt
Baltzer die Länge dieser sogen. Glarner-Doppelschlinge auf 12 Stunden
und die Breite auf 5; daraus würde dann ein gesammter Flächenraum
von 60 Qnadratstunden erfolgen.
**) Vierteljahrschrift d. Zürcher naturforsch. Ges. pag. 243, 1871.
**») Erläuter. zur geol. Karte der Schweiz 1869.
f) Mittheil, der naturforsch. Ges. in Bern 186S.
die ich hier beschreibe.*) E. Favre**), Fischer- Ooster***)
und W. A. OoSTERf) behandeln noch in einigen Abhandlungen
einzelne Punkte daraus. Was noch die geologische Karte der
Schweiz von Bachmann (zweite Auflage derjenigen von Studer
und Escher) betrifft, so kann ich sagen, dass sie für unsere
Gegend gänzlich verfehlt ist. Einzig und allein für die Gyps-
zone zwischen Leissigen und Faulensee ist sie richtig; sonst
aber setzt sie uns Kreide am See hin, wo keine Spur davon
zu finden ist (diese Angabe rührt wahrscheinlich davon her,
dass W. A. Ooster in seinen „Cephalopodes suisses"
cretacische Belemniten nnd Ammoniten [Bei. pistilliformis, Am.
Grasi, CornueliJ von oberhalb Leissigenbad beschreibt, welche
sich da nur in losen , vom Morgenberghorn heruntergestürzten
Blöcken haben finden können) und lässt die Kette von Morgen-
berghorn aus Flysch und Nummulitenbildung bestehen , was
gar nicht der Fall ist.
Die Morgenberghornkette , zwischen dem Bödeli (Ebene
von Interlaken) und den Thälern der Lütschine, von Saxeten
und der Suld gelegen, erhebt sich an der südlichen Ecke des
Thunersee. Auf einer Länge von 9£ Kim. erstreckt sie sich
in der Richtung von SW nach NO , vom Suldthale bis zum
Bödeli. Dieser mehr oder weniger scharfe Grat erniedrigt
sich allmälig von S nach N und besitzt als extreme Gipfel
das Morgenberghorn (2251 M.) und den kleinen Rügen (739 M.).
Dazwischen liegen das Schiffli (2171 M.) , Leissigengrat
(2035 M.), die Rothenegg (1900 M.) , das Därligengrat
(1822 M.), den Abendberg (1257 M.) und grossen Rügen
(1071 M.). Zwischen diesem Berge und dem kleinen Rügen
befindet sich das Querthal oder die Kluse von Wagneren,
welche die hier ziemlich enge Kette von der einen Seite zur
anderen durchbricht. Als directe Fortsetzung dieser Kette
kann im Süden das Massiv des Dreispitz gelten ff) (Littlihorn
*) Auch in seiner Geologie der westlichen Schweizeralpen, 1834,
pag. 48, 52, 82, 99, 139, 198.
**) Geologie der Ralligstöcke 187-2.
***) Mittheil, der naturforsch. Ges. in Bern 1862; foss. Fucoiden
der Schweiz 1858.
f) Cat. des Cephalop. des Alpes Suisses 1857 — 63.
ff) Der Grund zu dieser Annahme liegt in den stratigraphischen
Verhältnissen dieser Gruppe, welche gänzlich denjenigen des Morgenberg-
horn ähnlich sind. Das südliche starke Einfallen der Schichten dieses
1*
4
1974 M., Lattreienfirst 2131 M., First 2412 M. , Dreispitz
2522 M., Höchstfluh 2104 M.), welches in derselben Richtung
streicht und sich vom Suldthal nach dem Kienthal erstreckt,
in einer Entfernung von h\ Kim.
Auf der Nordseite verhält es sich anders. Unser Gebirgs-
zug kommt, mitten in der Ebene von Interlaken sein Ende
zu nehmen, indem derjenige, welcher als seine weitere Fort-
setzung angesehen werden könnte, am Anfange derselben, bei
Neuhaus anfängt, d. h. ungefähr 1000 M. oder eine halbe
Stunde weiter links. Es ist dies der Zug des Härder
(1654 M.), der Rothfluh (1735 M.) , Horetegg (1810 M.), des
Augstmatthorn (2140 M.) etc. An einen geographischen Zu-
sammenhang dieser beiden Ketten wäre nicht zu denken, wenn
nicht die stratigraphische Zusammensetzung dieser letzteren
gänzlich derjenigen des Morgenberghorn analog wäre. Schon
bei einem blossen Anblick aus der Ferne sieht man eine
ähnliche äussere Form, sowie auch ein gleiches Streichen und
Schichtenfallen. Man wird wohl nun verstehen , dass Prof.
Stüder zuerst diese Zusammengehörigkeit aussprach. Zu
seiner Erklärung aber setzt er eine ungeheure Faille voraus,
welche auf einer Länge von beinahe zwei Stunden durch die
Mitte des Bödeli und des oberen Tbunersee sich erstrecken
soll. Damit geht auch Hand in Hand eine auf die Richtung
dieses Gebirges mehr oder weniger senkrechte Verschiebung.
Wie dieser grosse Gelehrte es ferner sagt, ist die Annahme
zweier solcher Agentien nöthig, um die Formationen der bei-
den Seeufer in Verbindung zu setzen, eine Annahme, welche
sich durch die tbeilweise Faltung des Gebirges unterstützen
mag. ,,Die grossen Querthäler unserer Alpen , so fährt Prof.
Stüder fort, haben tiefere Bedeutung als man ihnen zuweilen
zuschreiben will. Es sind nicht einfache Spaltenthäler wie die
Klüsen des Jura und nicht weniger Erosionsthäler , erzeugt
durch das allmälige Eingraben der Ströme oder Gletscher."
Ein Jahr darauf schloss sich auch E. Favre die-
ser Meinung an. Er sagt auch, dass die Formationen der
letzteren oberhalb der Brunnialp und an der Schweinfluh, entspricht aus-
gezeichnet ihrer Lage am Littlihorn, wo noch eine kleine Ueberstürzung
und Biegung derselben sichtbar sind.
5
beiden Seeufer nicht mit einander correspondiren und dass
nur am Anfange der Hardergruppe , gegen das Habkerenthal,
eine Analogie mit der Structur der Morgenbergbornkette wahr-
zunehmen sei.
Bis jetzt haben wir nur die unmittelbare Fortsetzung der
Längsaxe unserer Kette betrachtet. Fassen wir nun jetzt die
seitliche ins Auge. Die Spitze des Morgenberghorn , welche
mit der Schweinfluh mehr oder weniger steil gegen das Suld-
thal abfällt, bildet einen dreikantigen Gipfel, dessen obere
Kante den Anfang des weiteren nördlichen Gebirges bildet.
An die westliche oder linke schliesst sich ein waldiger
Höhenzug an, welcher sich allmälig gegen die Hochebene von
Aeschi - Ried und Aeschi erniedrigt. Es sind die Brunnispitze
(1666 M.) , Hornegg (1600 M.) , der Birchenberg (1425 M.),
Ginacker (1410 M.) und die Aeschi- Allmend (1212 M.).
Zwischen diesem flacheren Höhenzug und der höheren Morgen-
berghornkette gelegen , haben wir eine dreieckförrnige Flysch-
region, welche vom See aus überall stark hinaufsteigt und
von zahlreichen Wildbächen (Kreuz-, Ried-, Spiessi-, Buch-
holz-, Holzenbach) durchzogen und zerfressen ist.
Die südliche Kante der Morgenberghornspitze erstreckt
sich noch in einer Entfernung von 1\ Kim. bis zum Passe
Tanzbödeli *) (1880 M.) , wo unser Massiv aufhört und das-
jenige ausgedehnte der Schwalmern (2785 M.) anfängt mit den
Vorhöhen von Auf dem Wasmi (2010 M.) und Schwalmern-
schiffli (2256 M.). Vom Passe Tanzbödeli hinunter fliesst der
sogen. Tanzbödelibach , welcher mit dem Saxetenbach, der im
Grunde des Saxetenthals fliesst, die westlichen Grenzen des
uns hier beschäftigenden Gebirges bildet. Rechts vom Saxeten-
thal befinden sich dann die Massive des Bellenhöchst (2091 M.),
der Sulegg (2412 M.) und der Lobhörner (2570 M.), welche
alle noch einer weiteren geologischen Bearbeitung bedürfen.
Nach diesen einigen geographischen und orographischen
Betrachtungen gehe ich nun über zur speciellen Behandlung
der verschiedenen in dieser Kette auftretenden Terrains und
*) Der meist gebrauchte Name von Rengglipass ist nur irriger-
weise in Anwendung gebracht worden ; denn Renggli heisst nur die Alp,
welche unterhalb des Passes gegen das Suldthal liegt.
6
beginne mit dem jüngsten, dem Flysch, um von da aufwärts
und mittelst dieser merkwürdigen Aufeinanderfolge zu den
ältesten zu gelangen.
Flysch, Stüder 1827.*)
Dieses in den Schweizeralpen so ausgedehnte Gebilde
erstreckt sich in unserem hier zu beschreibenden Gebiete von
Faulensee und Aeschi aus, längs des Thunersee und des Suld-
thales hoch hinauf zu den kalkigen Abstürzen der Morgen-
berghornkette. Prof. Stüder betrachtet diesen Flysch sowie
auch denjenigen des Härder im Habkehrenthaie und des Drei-
spitz (in dem von ihm westlich gelegenen Lande), als einen
wahren und typischen , entsprechend dem Macigno und Al-
berese des Apennins. Vom Seeufer (560 M.) aus finden wir
den Flysch bis zu einer Höhe von beinahe 1800 M. hinauf-
steigen, also in einer Mächtigkeit von 1240 M. , eine Zahl,
welche nicht erschrecken darf, wenn man bedenkt, dass sie in
der Niesenkette (bei Orcieres) und im Dauphine (n. Lory) zu
2000 M. wird. Dass diese grössere Mächtigkeit aber einer
etwaigen Fältelung dieses Schiefermaterials zuzuschreiben ist,
werden wir später sehen.
Wie alle Flyschgebiete, bildet unseres ein weit und breit
mit Matten und Weiden bedecktes Hügelland, so dass seine
Gesteine verhältnissmässig wenig an die Oberfläche treten.
So würde es einem wohl schlecht ergehen , der auf den
Ebenen von Faulensee und Aeschi -Ried nach Flysch forschen
würde: hie und da lose verwitterte Sandsteinblöcke**) , sonst
keine Spur von den ihn bezeichnenden Gesteinen.
*) Ann. Sc. nat. — Bekanntlich wurde diese Benennung als eine
rein petrographische zuerst auf ein schiefriges Gestein vom Simmenthai
angewandt. 1848 (Acta helvet. von Solothurn) liess Prof. Stüder diesen
petrographischen Werth fallen und schlug den Namen nur für die auf
die Nummulitenbildung liegenden Schiefer und Sandsteine vor, indem er
dann als gvaue Schiefer diejenigen von Doch unbestimmtem geologischen
Alter bezeichnete. Eine histoi-ische Entwickelung davon befindet sich in
seinem trefflichen Index der Petrogr. u. Stratigr. Bern 1872, sowie auch
in Fischer-Oostrr, die foss. Fuco'iden der Schweizeralpen, Bern 1858.
**) Diese finden sich manchmal von ungeheurer Grösse. So z. B.
derjenige von Längacker oberhalb Leissigenbad, welcher 7— SM, Länge
auf 3—4 M. Höhe beträgt.
Erst durch die Bauten der neuen Strasse von Leissigen
nach Aeschi, ist die echte Flyschnatur dieser Region mit
Sicherheit erkannt worden. Auch sein Vorkommen hie und da
auf der Aeschi-Allmend , den Ginacker- und Birchenbergalpen,
bestätigt dies. Erst von einer Linie aus, welche von Leissigen-
bad nach der Gräbernspitze und nach Osten gezogen würde,
hätte man dann die echte typische Entwickelung des Flysch
in unserer Gegend. Wir finden ihn hier besonders in den
zahlreichen Tobein auftreten, welche von der Morgenberghorn-
kette und den Brunni- und Gräbernspitzen gegen den See hin-
fliessen. Auf der Ramsernalp, am Quellengebiet des Buch-
holzbachs, kommt er am schönsten mächtig entwickelt vor;
so auch auf der Hornegg und unterhalb der Brunnispitze ; da-
neben noch mehr oder weniger in allen Tobein.
Was die unseren Flysch zusammensetzenden Gesteine an-
betrifft, so sind es bei Weitem die grauen Fucoidenschiefer,
welche am meisten verbreitet sind. Ueberall sind sie zu finden,
wo nur Flysch zu Tage kommt. Mehr untergeordnet sind die
dunklen quarzreichen Sandsteine, welche sich bei der Verwit-
terung infolge ihres grossen Eisenreichthums mit einer gelblich-
braunen Kruste überziehen. Wo sie auftreten (Krattiger Säge,
auf der Strasse zwischen Leissigenbad und Leissigen , am
Kreuzbach, Bachtenfall im Suldthal), finden sie sich in bis
1 M. mächtigen Schichten, welche immer mit dünneren Schiefer-
lagen regelmässig abwechseln. Am Kreuzbach (Curve 780 der
Karte) werden sie seit mehreren Jahren als Pflastersteine im
Kleinen ausgebeutet.
Unmittelbar an die Nummulitenbildung angrenzend und in
ihre analogen Gesteine übergehend, finden wir längs der ganzen
Morgenberghornkette gelblich-braune, schiefrige und leicht ver-
witternde Sandsteine, welche hauptsächlich am Brunni - Schaf-
berg und in den Telliweiden entwickelt sind. Die strati-
graphische Aufeinanderfolge der beiden vorher besprochenen
Gesteinsarten ist eine unregelmässige. Auch haben wir dazu
sehr wenige Aufschlüsse. Derjenige des Bachtenfalls (wenn
man von den Suldhäusern nach Lauenen geht) ist der deut-
lichste. Wir finden hier von unten nach oben:
I. gewöhnliche graue Fucoidenschiefer,
II. quarzreiche weissliche Sandsteine mit mehr oder
weniger feinem Korne,
8
III. gelblich - braune , glimmerreiche Sandsteine; ein
wenig schiefrig,
IV. gewöhnliche graue Fuco'idenschiefer.
Als letzte Gebirgsart unseres Flysch müssen wir noch ein
Conglomerat mit alpinen Gerollen anführen, welches am Ende
der Krattiger Halden gegen Leissigenbad, mitten unter Schie-
fern und Sandsteinen auftritt. Als ein im Flysch sehr häufig
vorkommendes Mineral sei hier des Schwefelkies erwähnt,
welcher darin entweder in kleineren eingesprengten Stücken
oder in grösseren nierenförmigen auftritt.
An Petrefacten ist bekanntlich der Flysch höchst arm und
enthält ausschliesslich niedere Pflanzen. Von Thieren ist bei
ihm keine Rede. Er muss also eine Bildung sein, welche sich
in tiefem und schlammigem Wasser abgesetzt hat, und das
unter Verhältnissen, welche das Leben von Thieren unmöglich
gemacht haben. Die häufigsten Fucoiden sind:
Caulerpites tenuis F.-O. — Hochlauenengraben ob Leissigen.
Taonurus Brianteus F.-O. — ßrunni-Schafberg.
Chondrites aequalis Brong. — Hochlauenengrab.
,, affinis Brong.
,, arbuscula F.-O.
,, expansus F.-O.
,, Fischeri Heer (aequalis F.-O.).
,, inclinatus Sternb. — Hochlauenengrab.
,, intricatus Sternb. — Fritzenbach ob Leissigenbad.
„ Targioni Sternb. — ,, ,, ,,
Herr v. Fischer-Ooster*) erwähnt noch als von den
Umgebungen von Leissigen stammend:
Münsteria Schneiden Göpp.
Cylindrites a?'teriaeformis Göpp.
.,, daedaleus Göpp.
Drei Arten, welche er der Kreide als unbestritten zuzu-
rechnen glaubt, weil sie von Göppert (Nov. Act. A. N. C.,
XIX.) zuerst aus dem Quadersandstein Schlesiens beschrieben
worden sind. Das ist aber keine Ursache, diejenigen Exem-
plare, welche in unseren Alpen gefunden wurden, auch aus
der Kreide stammen zu lassen. Man hat auch zahlreiche
*) Die fossilen Fucoiden der Schweizeralpen IS58.
9
Beispiele von Uebergängen fossiler Organismen aus der Kreide
in die Tertiärformation und das besonders von niederen Pflanzen
(Fucoi'den). So hat z. B. von der Marck*) die Chondrites
intricatus und Targioni aus der oberen Kreide Westfalens be-
schrieben. Dazu bestehen die Umgebungen von Leissigen
ausschliesslich aus Flysch. Im Allgemeinen möchte ich nicht
zweifeln , dass diese Exemplare in losen Blöcken gefunden
worden sind ; denn nach dem äusseren Facies des Gesteins
zu urtheilen, scheinen sie mehr unterjurassisch (Eisenstein) als
cretacisch oder tertiär. Uebrigens sagt Schimper**), dass diese
Arten „des formes tout-ä-fait indechiffrables" darstellen.
Im Ganzen und Crosse« ist dieses Flyschmassiv nach der
Morgenberghornkette orientirt (hör. 12| O.). Auf der Aeschi-
Allmend fangt aber eine Deviation nach Westen (13f- W.),
welche am See, bei Krattigen und Faulensee , NW orientirt
ist. Das Fallen variirt ungefähr von 40 — 50 °. Am stärksten
ist er unterhalb der kalkigen Abstürze des Morgenberghorns.
Streichen- und Fallanomalien, welche unzweifelhaft mit Erd-
rutschungen oder localen Einstürzungen (offenbar durch allmä-
liche Auslaugung des darunterliegenden Gypses) zusammen-
hängen und nicht näher zu untersuchen sind, befinden sich
auf der Strasse von Leissigen nach Aeschi, über dem Leissigen-
bad und am Abhang des Buchholzkopf, gegen den See. Am
ersteren Orte scheinen die Schiefer deutlich nach Norden zu
fallen; am letzteren sind sie 60 — 70° nach Süden geneigt.
Hand in., Hand mit dem Flysch haben wir noch den Gyps
zu behandeln, welcher in unserer Karte an zwei Orten darin
auftritt, an der Burgfluh bei Faulensee und in der ganzen
Gegend längs des Sees, zwischen diesem Dorfe, Krattigen,
Aeschi - Ried und Leissigenbad. Beide Vorkommnisse sind
ohne Zweifel eine Fortsetzung von einander, wie Profil 3,
Taf. I. zeigt. Wie Prof. Stüder ***) bemerkt, bilden sie höchst
wahrscheinlich einen Theil der langen eocänen Gypszone,
welche sich von Thones in Savoien aus, über Bexf), dem Col
*) Palaeontographica, Juli 1863.
**) Paleont. vegetale I. pag 200. Sapouta hat auch in der oberen
Kreide von Biarritz die Chondriten des Flysch erkannt.
***) Index etc. pag. 115.
f) Nach Chavannes scheint in der That der hier mit Steinsalz zu-
sammen und in unmittelbarer Nähe des Lias auftretende Gyps nicht
10
du Pillon, dem Engstlenthale, Mühlenen, den Ralligstöcken*),
dem fiiswylerstock, Stanz, Iberg, bis in den Vorarlberg (Um-
gebung von Dornbirn) erstreckt. Ein eocenes Alter kann in
der That, für ihr Auftreten auf unserer Karte, nicht in Zweifel
gesetzt werden. Wie aus den Profilen 1, 2, 3, Tafel I. leicht
zu erkennen ist, liegt dieser Gyps deutlich unter dem Flysch;
ist aber älter als dieser und würde zwischen ihm und der
Nummulitenbildung zu stehen kommen. Er bildet ein Ge-
wölbe unter diesem , welches im ersten Steinbruche der
Krattiger Halden (Profil 4, Tafel I.) sehr deutlich zu sehen
ist. In diesen Halden setzt er wohl 80 M. hohe Fels-
wände zusammen , deren Mächtigkeit uns dann durch diese
Gewölbestructur erklärlich wird. Dieses also bewiesene Alter
des Gypses am Thunersee würde die Beobachtungen von Ern.
Favre**) und Gillieron ***) bestätigen, welche Lager ähnlichen
Alters aus den Umgebungen von Iberg (Schwyz) und den
Waadtländer- und Freiburgeralpen beschrieben haben. Sein
ausschliessliches triassisches oder rhätisches Alter in den Alpen
(wie mehrere Geologen es noch glauben) ist also beseitigt.
Das grössere Gypsvorkommen am See bildet eine lange
und schmale Zone von durchschnittlich | Kim. Breite und
besitzt eine Länge von 4^ Kim. Sie erstreckt sich 3\ Kim.
weit längs des Sees, von Auf dem Schopf bei Faulensee bis
nach Leissigenbad. Da bildet sie eine plötzliche Krümmung
senkrecht auf ihre erste Erstreckung und geht noch über
Fritzenbach und Waldweid \\ Kim. weit hinauf bis nach
Hellweid (978 M.) , am Fusse der Aeschi- Allmend. Dieses
unerwartete Einschreiten des Gypses in das Flyschmassiv ist
mit zahlreichen Terrainstörungen verbunden, wie es überhaupt
in der Nähe von solchen Lagern in unseren Alpen zu sein
pflegt. So finden wir von Rothenbühl an bis nach Hellweid,
den Gyps mehr einem sehr grobkörnigen Conglomerate gleichen.
triasischen, wohl aber eocenen Alters zu sein (siehe: Note sur le gypse
et la Corgneule dans les Alpes Vaudoises 1873).
*) Ralligstöcke 1872.
**) Archives Biblioth univers. 1865; op. cit.
***) Archives 1872; Acta helvet. 1872; Beitr. zur geol. Karte der
Schweiz 12. Lief. — Gillieron hat sogar noch am unteren Theile des
Kimme'ridien der Freiburgeralpen einen neuen Gyp-horizont entdeckt und
darin beschrieben.
Alle Spuren der ursprünglichen Schichtung (Beweis von Absatz
aus Wasser*)), wie sie so schön am See zu beobachten ist,
sind verschwunden. Offenbar haben wir es hier mit einer
Reihe von kleineren Verwerfungen und anderen Störungen zu
thun, welche den Flysch vom Gypse trennen und diese Grenz-
profile so so sagen zur Unmöglichkeit machen.
Man kann wohl sagen , dass die Qualität dieses Gypses
mit seiner Farbe variirt und von derselben abhängt. So ist
er schön weiss und mehr oder weniger rein an den beiden
Extremitäten seines grösseren Auftretens, bei Auf dem Schopf
und Leissigenbad, sowie auch an der Burgfluh, wo er exploi-
tirt wird. In seiner Mitte, an den Krattigen Halden, wo er
in drei Steinbrüchen ebenso ausgebeutet wird, ist er sehr
unrein, graulich bis dunkelgrau, bröcklig und enthält ohne
Zweifel tbonige oder mergelige Beimengungen. Hie und da
(Fritzenbach, Hellweid) zeigt er ein gröberes Gefüge, welches
fast ausschliesslich aus einzelnen, mehr oder weniger ausge-
bildeten Krystalloiden besteht, die alle die charakteristische
vollkommene Spaltbarkeit nach den Längsflächen des Prismas
besitzen.**) An der Burgfluh und bei Auf dem Schopf scheint
er mit einer dünnen Schicht von grauer Corgneule (Rauhwacke)
bedeckt zu sein. Wie bei allen Gypsvorkommnissen findet sich
häufig in Drusenräumen oder Spalten Schwefel abgesetzt,
welcher durch die bekannte Reduction des schwefelsauren
Kalkes durch organische Substanzen zur Bildung gekommen
ist. Noch erwähnt Kenngott (Minerale der Schweiz pag. 37)
lückenhaft ausgebildete Quarzkrystalle.
Das Streichen und Fallen dieser Gypszone am See sind
die gleichen wie beim Flysch (40-50).***) Bei der vorhin ge-
nannten Krümmung nach Süden wird das Fallen immer steiler,
*) Trotz der neueren Untersuchungen von Cwavannes und anderen,
bin ich immer geneigt, den Gyps als Wasserabsatz zu betrachten; denn
obgleich er niemals oder nur selten Petrefacten enthält, so sprechen immer
dafür alle Verhältnisse seines Auftretens.
**) Diese Ausbildung des Gypses wird es wohl sein , die Kenngott
(Minerale der Schweiz pag. 336) als blättrige bis strahlige, zu stalak-
titischen Massen verwachsen, beschreibt.
***) In dem Krattiggraben allein scheinen die Schichten nach Norden
gelegen zu sein
12
sodass es bei Rothenbühl zwischen 60 — 70 (anomales Strei-
chen NO-SW) erreicht. Von da an verschwinden beide ver-
möge der Terrainstörungen, die ich weiter oben erwähnt habe.
Als eine Folge dieses grossen Gypsreichthums kann man
die Schwefelquellen ansehen , welche wir in dieser Gegend
finden. Wo sie vorkommen, am Leissigenbad (drei Quellen),
den Hochlauenenweiden und auf beiden Seiten der Rarnsernalp,
treten sie aus Flysch hervor und nicht unmittelbar aus Gyps:
eine Thatsache, welche nur vermuthen lässt, dass unser
Gypslager sich noch weit unter dem Flysch erstreckt. Nach
Urkunden ist zu urtheilen , dass die Quelle von Hochlauenen
schon gegen 1700 als sogen, Lämmelibad bekannt und benutzt
war. Jetzt ist sie gänzlich verfallen, sowie auch die Quellen
von Leissigenbad.
Nummulitenbildung, auct.
Wie der Flysch , so ist diese Formation auch zuerst in
unseren Alpen erkannt und festgestellt worden. A. Brongniart
gehört das Verdienst, zuerst auf ihre Aehnlichkeit mit den
Nummuliten - führenden Schichten des Pariser Beckens auf-
merksam gemacht zu haben. So wurde ihr wirkliches Alter
erkannt und folglich auch ihr stratigraphischer Horizont fest-
gestellt.
Die Nummulitenbildung bildet vom Suldthale aus bis nach
dem Bödeli, ein schmales, höchstens 10 — 15 M. mächtiges
Band (hie und da zu 4 — 6 M. zusammengeschrumpft), welches
zwischen dem Flysch und dem unteren Theile der kalkigen
Abstürze , dem Seewerkalk , liegt. Wie Profil 5 Tafel I. es
zeigt, bietet sie uns ob der Brunnialp interessante Biegungen
mit dem Seewerkalk, welche Th. Studer nicht beobachtet zu
haben scheint und die doch deutlich zu sehen sind.*) Eine Auf-
lagerung des Kalkes auf dem Sandstein (eigentlich Unter-
lagerung, wenn man bedenkt, dass wir es hier mit einer über-
worfenen Kette zu thun haben), wie sie von Studer angegeben
wird, ist wohl schwerlich zu beweisen wegen der zahlreichen
*) Ein Theil der Felsen, die an der Strasse von Leissigen nach Där-
ligen stehen, gehören der Numniulitenbildung an. Ihr vielfaches Schichten-
fallen, sowie auch ihre anomale Lage beweisen genug, dass sie nicht
anstehend sind.
Schuttmassen, die den unteren Theil der Felsabstürze gänzlich
bedecken. Damit ist aber nicht gesagt, dass diese Beobach-
tung falsch sei. Sandsteine und Kalk enthalten zahlreiche
Nummuliten nebst einigen seltenen Pelecypoden. Was ich
darin aufgelesen, ist:
Dentalium sp. ? — Därligen.
Fimbria sp.? — Därligen.
*,)Avicula fragilis Dfr. — Därligen.
* ,, transversa — Därligen.
* Sphenia cuneiformis — Därligen.
* Pecien escharoides — Därligen.
* ,, solea Dsh. — Därligen.
,, sp.? — Brunnischafberg.
* Ostrea cubitus Dsh. — Därligen.
* ,, cyathula Lk. — Därligen.
* Nummulina Biarritzensis Arch. — Därligen.
* ,, Ramondi Dfr. — Leissigengrat.
,, intermedia Arch. — Brunnischafberg.
nummularia Orr. — Brunnischafberg.
„ Fortisi Arch. — Brunnischafberg.
,, sella Arch. — Brunnischafberg.
,, striata Orr. — Brunnischafberg.
Orbitoides discus Rüt. — Brunnischafberg.
,, papyraceus Botjr. — Därligen, Leissigengrat,
Brunnischafberg.
Wohl aber ist diese Auflagerung auf der nördlicher Seite
des Sees zu sehen, bei den Felsen vom Bösen Rath*) und Wi-
deli von Oestrich, welche Leissigen gegenüberstehen und noch
auf unserer Karte verzeichnet sind. Bei dem Profile 1 t. 2.,
was ich der .Arbeit von E. Favre**) entnehme, sehen wir auf
der rechten Seite des Nasethaies , zwischen dem Urgon und
dem Nummulitensandstein , den zu dieser Formation gehörigen
Kalk anstehen, welcher sich noch eine Weile an den Felsen
am See nach Osten fortsetzt. Dieser ist wie derjenige der
Morgenberghornkette voll Nummuliten, Darauf lagert sehr
') Die mit einem * bezeichneten Arten befinden sich im Museum
zu Bern.
*) Siehe Rütimeyrr : Schweiz. Nummulitenterrain 1850 pag. 46.
**) Ralligstöcke etc. 1872.
14
regelmässig der Sandstein, welcher an der Basis mehr oder
weniger feinkörnig, gegen seinen oberen Theil ein immer
grösseres Korn besitzt, das ihm das Aussehen eines kleinkör-
nigen Conglomerats giebt. An Petrefacten ist er sehr reich,
besonders wenn er feinkörnig ist; mit der Grösse des Korns
verschwinden sie dann allmälig. Es finden sich darin haupt-
sächlich :
Dentalium strangulatum Dsh.
Spondylus subspinosus Auch.
Eschara cfr. chartacea Arch.
Nummulina intermedia AßCH.
„ exponeus Sow.
,, contorta Dsh.
,, striata Orb.
„ (Assilina) planospira Boub.
Seewerkalk (obere Kreide) Lüsser*) 1825.
Dieses Gebilde bildet den Anfang der hohen Felsabstürze,
welche die Morgenberghornkette gegen Norden charakterisiren
und vom See aus so schön und malerisch aussehen. Seine
Mächtigkeit kann wohl circa 20 M. erreichen. Unten finden
sich gewöhnlich dünngeschichtete, oft schiefrige Kalksteine und
Kalkmergel , welche äusserlich weiss und auf frischem Bruche
weisslichgrau erscheinen. Sie sind gänzlich petrefacteulos.
Drüber kommt der eigentliche Seewerkalk vor, d. h. mehr
oder weniger mächtige Bänke von compactem, weissgrauem
Kalk, der durch seinen Reichthum an Foraminiferen ausge-
zeichnet ist. Th. Stüder erwähnt daraus Lagenen, Nodosarien
und Nonioninen, sowie auch eine Gryphaea (Fuss vom Abend-
berg). Ausserdem fand ich darin eine Röhrenkoralle, Phyllo-
coenia striata (Mich.) Orb. am Brunnischafberge.
Die schiefrigen Kalkmergel finden sich schön entblösst
ob der Brunnialp (wo sie an den vorher genannten Biegungen
mit dem compacten Kalk und der Nummulitenbildung theii-
nehmen; siehe Profil 5 Taf. I.) und am Wege, welcher längs
*) Geognostische Forschung und Darstellung des Alpendurchschn.
vom St. Gotthard bis Arth am Zugersee. — Von MöUSSON wie in
Studku's Index angegeben.
der Bödelibahn gebt, von Därligen nach Wagneren und Wil-
derswyl. Der eigentliche Seewerkalk ist überall zu sehen und
ausser durch seine Facies, auch durch seine stratigraphische
Lage zwischen der Numuaulitenbildung und dem petrefacten-
reichen Gault leicht erkenntlich.
Gault de la Beche, Sow., Fitton.
Für den Stratigraphen ist der Gault eine vortreffliche
Bildung. Wo sie auch vorkommt, ist man immer sicher, Pe-
trefacten darin zu finden nnd sie als solche zu bestimmen.
Sie bietet uns also einen sehr guten und festen Anhaltspunkt
dar, zur weiteren Bestimmung der darüber und darunter lie-
genden Terrains. Man* kann auch sagen, dass sie für den
Palaeontologen eine der wenigen lohnenden Formationen unserer
Alpen ist. Wie Th. Studer richtig bemerkt, so bildet unser
Gault, vom Thunersee aus gesehen, ein röthliches Band, wel-
ches ungefähr in der Mitte der Felsabstürze der Morgenberg-
hornkette zu liegen kommt. Diese Farbe, welche nur eine
äussere ist, rührt ohne Zweifel von der Oxydation der Glau-
conitkörnchen her, welche bekanntlich dieses Gestein erfüllen;
daher nennt sie Studer nicht ohne Ursache eine Verwitte-
rungsrinde. Dieses Gaultband ist besonders zu oberst am
Brunnischafberge und bei der Aarbrücke unterhalb der Heim-
wehfluh zu sehen.*) An diesen zwei Stellen ist er sehr petre-
factenreich. Seine Mächtigkeit erreicht am ersteren Orte ge-
gen 15 Mm., am letzteren 7 bis 8.**) Hier findet sich fol-
gendes Profil der ihn zusammensetzenden Schichten (von unten
nach oben):
1. Compacter Seewerkalkstein.
2. Schiefriger Seewerkalk, 6 M.
III. Dunkler Kalk ohne oder mit sehr seltenen Petre-
facten, 1 M.
*) An der Schweinflah, ob Lauenen im Suldthale, kommt er wieder
deutlich zum Vorschein.
**) Zwischen dem eigentlichen Gault und der Seewerformation er-
wähnt Tu. Studer einen grünen, grobkörnigen Sandstein mit kohligen
Partieen, der weiter nach Osten nicht mehr nachzuweisen ist. Wo er
aber vorkommt, sagt er nicht. Für meinen Theil habe ich eine solche
Bildung nirgends angetroffen.
16
IV. Grünlicher Sandmergel, 5 Cm,
V. Dunkelgrüner Kalk mit zahlreichen Petrefacten, J M.
VI. Dunkelgrüner Kalk, ein wenig sandig und ohne Pe-
trefacten. Gegen oben wird er schwärzlich, sehr hart
und bröcklig, 6 M.
7. Grauer Kalk mit splittrigem Bruche und ohne Petre-
facten (Aptien?), 20 M.
8. Späthiger grauer Kalk mit zahlreichen Caprot. ammonia
(ürgon).
Es ist merkwürdig zu sehen , wie bei einer verhältniss-
mässig schönen Entwickelung des Terrains, die Petrefacten
so auf eine einzelne dünne Schicht beschränkt sind und sich
da in ungeheurer Menge vorfinden. ^Denn nicht nur an der
Aare habe ich diese Verhältnisse gefunden , sondern auch ob
dem Brunnischafberge , wo ich unter der Führung des be-
kannten Petrefactensammlers Gottl. Tschak von Merligen
auch diese Localität ausgebeutet habe.
Die Liste der Petrefacten, welche ich mit ihm sowohl au
der Aare als auch an diesem letzteren Orte aufgelesen, ist
folgende:
* 1 j Odontaspis gracilis Ag. — B.*)
* Lartina sp. ? — B.
* Serpula antiquata Sow. — B.
Belemnites minimus List. — D., B.
Nautilus bifurcatus Oost. — D.
,, Boucliardi Orb. — D., B.
* ,, Clementi Orb. — B.
Ammonites Agassizi Pict. — D.
,, Beudanti Orb. — D.
,, Bouchardi Orb. — D.
,, Deluci Brong. — B.
,, Denarius Sow. — D.
,, Dupini Orb. — B.
l) Die mit einem * bezeichneten Arten befinden sich im Museum
von Bern und sind mir dieselben von den Herren v. Fische r-Ooster und
Prof. Bachmann gütigst zur Ansicht vorgelegt worden, wofür ich ihnen
hier meinen Dank aussprechen möchte.
*) B. bezeichnet den Fundort von Brunnisehafberg, D. denjenigen an
der Aare und L. vereinzelte Funde am Leissigengrat.
17
Ammonites Emeriti Rasp. — B.
Hugardi Orb. — D.
inflatus Sow. — D.
,, latidorsatus Mich. — B.
mamülatus Sohl. — L.
,, May ort Orb. — D.
* „ Parandieri Orb. — B.
„ quercifolius Orb. — D.
* ,, splendens Sow. — B.
,, striatisulcatus Orb. — B., D.
„ varians Sow. — D.
varicosus Sow. — D.
* ,, Velledae Mich. — B.
* ,, Raulini Orb. — B.
Aptychus cfr. Studeri Oost. — D.
„ cfr. Didayi Gieb. — D.
Turrilites catenatus Orb. — D.
* Mayori Orb. — B.
Vibray ei Orb. — D.
Hamites attenuatus Sow. — D., B.
„ rotundus Sow. — D., B.
* „ Raulini Orb. — B.
Rostellaria Orbignyi Pict. — D.
„ Parkinsoni Mast. — D.
„ retusa Orb. — D., B., L-
Natica Dupini Leym. — D.
,, Gaultina Orb. — B.
* Turritella sp.? — B.
Solarium dentatum Orb. — D.
,, granosum Orb. — B.
* „ sp.?— B.
Turbo Rothomagensis Orb. — D.
* „ sp.? - B.
Trochus Marroti Orb. — D.
Pleurotomaria Gibbsi Orb. — D., L.
,, lima Orb. — B.
* „ Itieri Pict. u. Rx. — L.
* Rouxi Orb. — B.
* ,, Saussur ei Pict. u. Rx. — B.
* Acmea Gaultina Pict. u. Rx. — D.
Zeits.d.D.geol. Ges. XXVII. 1. 2
18
Dentalium Bhodani Pict. u. Rx.
Pholadomya sp. ? — B.
Astarte Brunneri — B.
Lucina Arduennensis Orb. — B.
* Lima Itieri Pict. u. Rx. — D.
Nueula pectinata Sow. — D.
,, bivirgata Fitt. — D.
* „ sp.? — L.
Inoceramus concentricus Park. — D., B.
,, Salomoni Orb.
sulcatus Park. — D.
* Plicatula sp. ? — L.
* Ostrea Paulini Orb. — B.
* terebratuli/ormis Coq. — B.
Terebratula biplicata Sow. — B.
„ Dutemplei Orb. — B.
„ Lemaniensis Pict. u. Rx. — B.
,, Moutoni Orb. — B.
PhyncJionella antidicTiotoma Orb. — B.
„ decipiens Orb. — B.
,, Gibbsi Dav. — B.
,, sulcata Orb. — B.
* Beptomulticapa sp. ? — B.
* Peptomultipora sp. ? — B.
* Semieschara? sp. ? — B.
Discoidea sp.?
* Pseudodiadema Brongniarti Ag. — B.
Cidaris gibberula.
Wie aus diesem Verzeichnisse leicht zu ersehen ist , sind
die zwei vorhergenannten Fundorte ziemlich reich an Arten
und Gattungen. Am Brunnischafberg sehen wir hauptsächlich
eine Menge von Brachiopoden , welche an der Aare gänzlich
fehlen. Hier sind aber die Cephalopoden und Gastropoden
weit häufiger.
Schrattenkalk*), Studer 1834.**)
(Aptian Mayer's***) 1872; Urg-Aptien CoQUAMD'sf) 1866).
Diese in den Alpen so charakteristisch und mächtig ent-
wickelte Formation lässt sich überall durch ihre Petrefacten
deutlich und leicht erkennen. Sie besteht aus mächtigen,
grauen bis dunkelgrauen Kalkbänken , welche meist von Be-
quienia ammonia dergestalt erfüllt sind, dass sich auf den
Schichtflächen oder Schichtenköpfen zahlreiche Durchschnitte
davon zeigen , welche eine gewisse Aehnlichkeit mit Hiero-
glyphen besitzen; daher der dieser Bildung gegebene Name
von Lüsser (Hieroglyphenkalk). Diese bilden die Hauptmasse
der nördlichen Felsabstürze der Morgenberghornkette, wohl in
einer Mächtigkeit von 50 — 60 M. Ausser der Beq. ammo-
nia Orb., welche besonders reichlich an den Felsen unterhalb
der Heimwehfluh, an der Aare, vorkommt, enthalten sie noch
wenige andere Petrefacten. Th. Stüder citirt Beq. Lonsdali
Orb. (carinata Math.), Badiolites sp. und Nerinea sp. Im
Museum zu Bern fand ich noch :
Serpula antiquata Sow.
Natica sp. ? — Brunnischafberg.
Nerinea Benauxi Orb. — Brunnischafberg, Därligengrat.
„ gigantea d'Homb. - Firm. — Därligengrat.
Monopleura Michaülense Pict u. Camp. — Därligengrat.
In einem kleineren, alten Steinbruche am Eintritt der
Wagnerenkluse gegen Interlaken fand ich obenan eine fuss-
dicke Schicht, welche von einer cylinderartigen , länglichen
Auster mit ziemlich dicker Schale erfüllt war, die ich 0. inter-
lacustris Trib. nenne.
*) Schratten oder lapiaz heissen bekanntlich unregelmässige
Vertiefungen und Erhöhungen, welche sich in Kalkgebirgen befinden, in
Höhen von 6 — 7000 Fuss, wo der Schnee lange liegt. Es ist ein offen-
bar auf chemischer Wirkung beruhendes Phänomen , wobei das stark
sauerstoffhaltige Schneewasser (21 pCt. Säuerst, in der Luft; 24 — 30 pCt.
im Schneewasser) mit dem Kohlenstoff des mehr oder weniger reinen
Kalksteins verbunden, das auflösende Princip bildet.
**) Leonh, Jahrb. pag. 512.
***) Tabl. synchron, terr. cretaces.
f) Bull. Soc. geologique de France, pag. 560.
2*
20
Was nun das Aptien oder die Orbitulinenschichten (0. len-
ticularis Orb.) anbetrifft, welche Th. Studer in seiner Be-
schreibung anführt, so habe ich kurz zu bemerken, dass ich
sie nirgends habe beobachten können , ausser im weiter
oben angeführten Profile des Gault, wo sie durch die grauen
Kalke mit splittrigem Bruche am Ende möchten vertreten
sein.*) Sie würden dann regelmässig an den oberen Theil des
Schrattenkalkes und unterhalb des Gault zu liegen kommen.
Wir hätten also hier eine Ausnahme von der Regel; denn in
den Alpen scheint im Allgemeinen das Aptien keine selbst-
ständige Stufe zu bilden. Es liegt nämlich meist zwischen
zwei Schrattenkalkhorizonten , von denen der untere durch
Beq. ammonia, der obere durch Beq. Lonsdali chararakterisirt
wird. So fasst Baltzer**) unter dem Namen Urgonien (Aptian
Mayer's), die drei folgenden Stufen zusammen:
Unterer Caprotinenkalk (Urgonien d'Orbigny's).
Orbitulinaschichten (Aptien Orb. ; Apt. inf. Trib.).
Oberer Caprotinenkalk (Lopperbergschichten Mayer's ;
Aptien sup. ***) Trib.).
Aus den Untersuchungen von LoRYf) und Kaufmann ff)
geht dasselbe ebenfalls hervor.
Dieses Verhältniss des Aptien in den Alpen ist sehr ver-
schieden von demjenigen des Jura, wo diese Stufe immer
selbstständig zwischen dem Urgonien und dem Albien (Gault)
*) In seinem Catalogue Cephalop. des Alpes Suisses 1861 p. 132,
citirt Ooster Am. Cornueli Orb., eine entschiedene Art aus dem Aptien,
von den Umgebungen von Leissigenbad, wo nichts von Schrattenkalk zu
finden ist. Sie rührt offenbar aus einem losen Blocke her, welcher
von den weiter oben anstehenden Felsen der Morgenberghornkette
heruntergekommen ist. — Dass aber die Orbitulinenschichten stellenweise
in unserer Kette vertreten sind, will ich nicht läugnen, denn ich fand
bei den Arbeiten an der Strasse von Leissigen nach Aeschi einen dunkel-
farbigen Block ganz erfüllt von Orbitulinen.
**) Der Glärnisch etc. pag. 27.
***) Diesen Unterschied zwischen unterem und oberem Aptien in den
Alpen glaube ich nur machen zu können, um eine Parallelisirung
der beiden (alpinen und jurassischen) Facies zu ermöglichen. Bei dieser
letzteren finden sich nämlich die Orbitulinen immer auf die untere Zone
(Rhodanien v. Renevikr) beschränkt.
f) Descript. geolog. du Dauphine, 1860, pag. 308.
ff) Beitr. z. geolog. Karte der Schweiz, 11. Lief. 1872.
auftritt. Ihr unterer mergeliger Theil ist hier ausser zahl-
reichen anderen Arten durch Orbitulina lenticularis charakte-
risirt; der obere sandige möchte vielleicht dem oberen Capro-
tinenkalk der Alpen entsprechen.
Neocom, Thürmann 1835.
Diese in den Alpen so weit verbreitete Bildung ist
bis jetzt noch nicht so genau untersucht und bekannt, wie sie
es ihrer stratigraphischen und paläontologischen Wichtigkeit
wegen sein sollte. Von Montmollin*) zuerst im Jura entdeckt
und, man kann sagen, heute da durch und durch studirt und
bekannt, ist sie fast gleichzeitig von dem scharfsinnigen Escher
von der Linth in den Alpen nachgewiesen worden, und bevor
man noch im Jura den Unterschied zwischen Valanginien
(Desor 1854) und eigentlichem Neocom festgestellt hatte, war
ihm der verschiedene Habitus des Kieselkalkes (und Altmann-
schichten **)) und der Drusbergschichten***) (Knollen» oder
Coulonischichten Kaüfmann's) schon aufgefallen. Diese Tren-
nung des Neocoms in zwei Stufen ist überall in den Alpen
auch leicht vorzunehmen, wo diese Bildung auftritt. Selbst in
den Freiburger Alpen , wo Gillieron f ) mit der grössten Ge-
wissenhaftigkeit fünf verschiedene Stufen darin unterscheidet,
ist sie leicht einzusehen.
Nächst der weiter zu besprechenden Eisensteinbildung ist
das Neocom die am besten entwickelte Stufe der Morgenberg-
hornkette. Sie reicht ununterbrochen vom Suldthale bis nach
dem Hotel Jungfraublick, am Nordfusse des kleinen Rügens.
Vom Morgenberghorn bis nach dem Abendberg, mehr oder
weniger auf eine schmalere Zone beschränkt, erweitert sie
sich allmälig über den Fuss des grossen Rügens, die Wagne-
ren und den kleinen Rügen.
Am Morgenberghorn bildet das Neocom einen grossen
Theil seiner mit Trümmern bedeckten Gehänge gegen Westen
und Südwesten. Unterhalb des Leissigengrat und des grossen
*) Mem. Soc. sc. natur. de Neuchätel I. pag. 49.
**) Nach dem Vorkommen am Altmann (ein Glied der Sentisgruppe),
im Canton Appenzell, so benannt.
***) Nach dem Vorkommen am Drusberg, im Canton Schwyz, so
benannt.
|) Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz.
22
Rügens ist es auch deutlich aufgeschlossen. Am besten ist
es aber zu sehen in der Wagneren , auf der Strasse, die auf
der Nordseite des kleinen Rügens geht, und in den Felsen,
welche sich im Walde zwischen dem Jungfraublick und der
Restauration Waldeck befinden.*)
Ueber die gesammte Mächtigkeit dieser Bildung kann ich
leider genauer nichts angeben; sie möchte jedoch wohl 20 bis
30 M. betragen.
Von den Unterabtheilungen des Neocoms finden sich allein
der Kieselkalk und die Drusbergschichten deutlich entwickelt.
Beide finden sich an den oben bezeichneten Orten; der erste
aber hauptsächlich an den Felsen am Jungfraublick. Was
nun die Altmannschichten anbetrifft, welche, wo sie vorkom-
men, diese zwei Stufen von einander trennen und durch ihre
seltenen Petrefacten (Collyrites Ovulum, Echinospatagus cordiformis
Breymus var., Sentisianus Desor) eher dem Valanginien entspre-
chen, also mehr oder weniger mit dem Kieselkalk zu vereinigen
sind, so habe ich sie nirgends antreffen können. Bei ihrer
geringen Mächtigkeit in den von uns nördlich gelegenen Lu-
zerneraipen (nach Kaufmann haben sie am Pilatus 1 — 3 M.) darf
es uns nicht wundern, wenn wir sie, in unserem sonst wenig
aufgeschlossenem Gebiete, nicht bemerkt haben. Wenn sie am
Altmann 100 — 200 M. (nach Escher) mächtig sind und am
Pilatus nur noch 1 — 3 M., so wird es sehr wahrscheinlich sein,
dass sie sich von da aus nach Süden allmälig ausgekeilt haben.
Ueberall ruht der Kieselkalk auf dem eigentlichen Neo-
com**), wie es Profil 9 Taf. I. zeigt. Er besteht aus dunklen,
sehr harten und kieselreichen Kalkbänken, welche eine Mäch-
tigkeit von 15 — 20 M. erreichen und ausschliesslich den Echi-
nospatagus cordiformis Breyn. ***) in grösserer Anzahl enthalten.
Die verwitterte Aussenfläche ist graugelb oder bräunlich, thonig
oder schwammig. Diese Kalksteine sind leicht mit ähnlichen
der Eisensteinbildung zu verwechseln , welche einen ganz ana-
logen Habitus besitzen.
Die Drusbergschichten besitzen an ihrem oberen Theile
*) Ein Theil der Felsen, die an der Strasse von Leissigen nach Där-
ligen stehen, sind entschieden Neocom. Ihre anomale Lage zeigt, dass
sie nicht anstehend sind.
**) Eine Folge dieser grossartigen Ueberstürzung ; sonst umgekehrt.
***) Siehe Stoder : Geol. d. westl. Alpen, pag. 83; Geol. d. Schweiz
II. pag. 67 u. 169.
23
(gegen den Schrattenkalk) eine gewisse Aehnlichkeit mit den
hydraulischen Kalkbänken der Effingerschichten (mittlerer Ox-
ford) des Jura, so z. B. am Morgenberghorn, Leissigengrat,
Rothenegg und Rothenfluh, am Nordfusse des kleinen Rügens.
Es sind dunkle , dünngeschichtete Kalke , welche mit grauen
Mergelbänken regelmässig abwechseln. Zwischen diesen und
dem Kieselkalk gelegen , finden sich dann ebenfalls dunkle,
sandigthonige und bröcklige Kalke , woraus Th. Stüder auch
den Echinospatagus coi'diformis citirt. *) In der Wagneren sind
sie sehr gut aufgeschlossen.
Eisensteinbildung**), Stüder 1867.***)
Mächtige, harte und dunkle Kalksteine und Schiefer ohne
Petrefacten bilden die Decke und den südlichen Abhang der
ganzen Morgenberghornkette. Nach ihrer Lage auf Neocom
schliesst Th. Stüder, dass es nur oberer Jura sein könne.
Diese im Berner Oberlande weit verbreitete Bildung (aus ihr
ist das ganze Gebirge zwischen Lauterbrunnen und Grindel-
wald zusammengesetzt, sowie auch die Scheidegg; sie findet
sich ferner am Schilthorn und im Engethal oberhalb Mürren
etc.) ist eigentlich sehr wenig studirt worden und , ich kann
sagen , noch nicht bekannt. Es ist ein Verdienst von Prof.
Stüder, auf sie zuerst aufmerksam gemacht und sie noch ferner
studirt zu haben. In seiner Geologie der Schweiz, II. pag. 96
fasst er diese Bildung als einen besonderen Habitus der
Nummulitenformation auf. Er sagt: ,,die mächtige Folge
*) In seinem Cat. Cephalop. Alpes Suisses, 1857 u. 1861, pag. 22
und 103, citirt Ooster Belemn. pistilliformis und Ammon. Grast aus den
Umgebungen von Leissigenbad und Därligen. Dass diese Exemplare aber
in anstehendem Gestein gefunden wurden, davon ist keine Rede ; denn an
diesen Localitäten kommt kein Neocom zum Vorschein. Es ist wahr-
scheinlich , dass sie von losen Blöcken herrühren, welche von den weiter
oben anstehenden Neocomschichten heruntergekommen sind. Nach der
Aussage von Prof. Stiider hat eben deswegen Bachmann in der neuen
Ausgabe der geologischen Karte der Schweiz die Gegend am südlichen
Ufer des Thunersees als Kreide bezeichnet. Ich habe am Anfange dieser
Arbeit diesen Irrthum schon besprochen.
**) Wegen der Festigkeit und schweren Zersprengbarkeit der sie
zusammensetzenden Gesteine im Lande so benannt
***) Erläuter. zur 2ten Ausgabe der geolog. Karte der Schweiz,
Wintertb. 1869; Bull. Soc. geolog. France, December 1867,
24
schwarzer , grauer und brauner Quarzite, Quarzsandsteine und
verwachsener Gemenge von Quarzit und schwarzem Thon-
schiefer, welche in muldenförmiger Auflagerung die oberste
Masse des Gebirges zwischen Lauterbrunnen und Grindelwald
bildet, wird wohl unserer Nummulitenformation beizuordnen
sein". Es waren hier hauptsächlich zwei Profile, bei Rosenlaui
und Murren (wo diese Eisenquarzite der Nummulitenbildung
aufgelagert zu sein scheinen), welche unsern grossen Gelehrten
zu diesem falschen , aber jedoch äusserst schweren Resultate
führten. Noch lange wurde die Eisensteinbildung als diesem
Horizonte angehörend angesehen. Endlich und nach mühe-
vollem Suchen gelang es K. v. Tscharner, einem Schüler
Studer's , ein Paar schlecht erhaltene Petrefacten {Amnion.
Murchisonae, Belemn. canaliculatus, Trigon. costata) am Scheidegg-
gasthofe darin zu entdecken. Nachher fand Prof. Stüder im
Engethal (am Schilthorn) noch Steinkerne von Anatina und am
Längenberg Astarten , welche ganz den Habitus von unter-
jurassischen Arten besitzen.
Somit war unsere Bildung vom Eocen*) zum unteren
Jura gewandert. Wie Stüder sagt, bieten die hieraus sich
ergebenden Lagerungsverhältnisse schwer zu lösende Räthsel
dar. „Die hohen Terrassen, in denen die Gebirge vom Wetter-
horn und der Jungfrau schroff nach dem Brienzer- und Thuner-
see abfallen, lassen auf gewaltige Verwerfungen schliessen."
Wie schon aus dem Vorigen zu ersehen ist, haben wir in
der Eisensteinbildung eine höchst petrefactenarme Formation,
ein Umstand, der die Feststellung ihres stratigraphischen Hori-
zontes bedeutend erschwert hat. An der Iseltenalp, unterhalb
der Scheinigen-Platte, treffen wir jedoch den einzigen bis jetzt
bekannten, typischen und ächten Fundort unserer Stufe. Von
Escher, meinem unvergesslichen Lehrer, entdeckt, wurde dieser
zuerst von Prof. Stüder als Lias beschrieben (Geol. Schweiz,
II. pag. 37), weil die darin häufig vorkommende Posidonomya
Alpina Gras mit der Pos. Bronni Voltz verwechselt worden
war. Von den Gebrüdern Meyrat dann ausgebeutet (wenn
ich nicht irre), wurden einige Cephalopoden von Ooster**)
*) In der ersten Ausgabe der geologischen Karte der Schweiz (1853)
ist sie folglich auch als Nummulitenbildung colorirt.
**) Cat. Cephal. Alpes Snisses 1861,
beschrieben und alle als den braunen Jura charakterisirend
anerkannt. Es sind:
ßelemnites giganteus Blv. — Humphreyi-Sch.
Ammonites ooliticus Orb. — Parkinsoni-Sch.
,, annularis Sohl. — Callovien.
,, coronatus Brug. — Callovien.
Verhindert, mir diese typische Localität näher aufzusuchen,
schickte ich letzten Sommer G. Tschan hin, welcher mir fol-
gende Fauna mitbrachte:
Belemnites giganteus Sohl. — Humphreyi-Sch.
Ammonites Garanti Orb. — Parkinsoni-Sch.
Gervillei Sow. — Humphreyi-Sch.
hecticus Hartm. — Callovien.
ooliticus Orb. — Parkinsoni-Sch.
Kudernatschi Hauer — Klaus-Sch.
Murchisonae $ow. — Murchisonae-Sch.
Avicula elegans Münst. — Murchisonae-Sch.
,, Münsteri Bronn — Murchisonae-Sch.
Posidonomya alpina Gras — Klaus-Sch.
Lima punctata Dsh. — Murchisonae-Sch.
Pecten demissus Phill. — Callovien.
Terebratula perovalis Sow. — Humphreyi-Sch.
,, ovoides Sow. — Murchisonae-Sch.
Rhynchonella concinna Orb. — Lagenalis- u. Digonasch.
Oxyrhina hastalis Ag. — Klaus-Sch.
Wenn man nun diese verschiedenen Arten ein wenig näher
ins Auge fasst, so wird man bald bemerken, dass wir hier
sowohl Species vom unteren braunen Jura haben (Am, Mur-
chisonae, Avic. elegans, Münsteri), als auch vom oberen {Am.
annularis, coronatus, hecticus). Die Horizonte der Am, Mur-
chisonae, Humphreyi, Parkinsoni (mit den Lagenalis- und Di-
Digonasch.) , sowie auch das Callovien, würden also in der
Eisensteinbildung des Berner Oberlandes paläontologisch ver-
treten sein. Da aber dieser Umstand schon seit einigen Jahren
theilweise in den von Hauer*) beschriebenen sogen. Klaus-
*) Das Zusammenvorkommen von Arten aus dem Horizonte des A.
Parkinsoni und des Callovien in den Klausschichten, scheint in den Alpen
eine allgemeine Thatsache zu sein. Die Untersuchungen von Bachmann,
Mösch und Baltzrr in unseren östlichen Alpen und diejenigen von
26
schichten der östlichen Alpen als Thatsache bekannt ist, so
kann ich nichts Anderes annehmen, als dass wir in dieser
Bildung der mittleren Schweizeralpen das mehr oder weniger
richtige Aequivalent dieser Schichten haben.*) Ebenso würde
es stehen mit den neuerdings von Gillieron beschriebenen
Schichten des Am. Humphreyi und von Klaus aus den Frei-
burgeralpen. In dieser meiner Parallelisirung darf man aber
nicht vergessen, dass schon Oppel**) 1863 die gleiche Mei-
nung ausgesprochen hat. Ebenso glaubt er, diese Eisenstein-
bildung entspräche den Muschelbreccien von Brentonico und
Füssen.
Eine mehr oder weniger scharfe Trennung dieser ver-
schiedenen Stufen , die in die Eisensteinbildung fallen , wäre
also bei uns unmöglich, und wir hätten so hier eine einfache,
mächtige Formation, welche dann weiter auswärts in sich meh-
rere mögliche paläontologische Horizonte erblicken Hesse.
Dieses seltene Verhältniss zeigt uns ein während der Ablage-
rung des braunen Jura mehr oder weniger abgeschlossenes
Meer, wo die älteren Formen neben dem allmaligen Erscheinen
der neueren ihr Leben fortgesetzt haben. So siud in einem
und demselben Meere eine Reihe von verschiedenen Typen-
gruppen hervorgegangen , während anderswo andere Verhält-
nisse dieses Zusammenleben nicht gestatteten und die getrennte
Aufeinanderfolge von Formengruppen forderten, welche heut-
zutage uns zur Unterscheidung von verschiedenen paläonto-
logischen Horizonten dienen.
Soweit bis jetzt unsere Kenntniss davon reicht, muss also
dieser gesammten Eisensteinbildung ein entschieden unter-
jurassisches Alter (brauner Jura) zugeschrieben werden. Ihre
Auflagerung auf Neocom in der ganzen Morgenberghornkette
Brünnkr, E. Favre und Gillieron in den westlichen, haben dies noch
ferner bestätigt; ebenso von Hauer, Kudernatsch, Schlönbach, Zittel,
Oppel, Gümbel, Neumayr , Benecke, Griesbach und Tietze in den öster-
reichischen; Gras, Louy, Dumortier, Velain und Hebert in den franzö-
sischen Alpen. — Für den unteren braunen Jura haben Studer, Fischer-
Ooster, E. Favre, Gillieron und Hebert aus den schweizerischen und
französischen Alpen das Zusammenvorkommen der A. Murchisonae und
Humphreyi in einem und demselben Horizonte beschrieben.
'") Brunner von Wattenwyl hat schon im Jahre 1857 (Geognost.
Beschr. d. Stockhorns) diese Ansicht ausgespiochen.
**) lieber das Vorkommen von jurassischen Posidonomiengest. in den
Alpen, in Zeitschr. d. d. geol. Ges. Bd. XV. pag. 189.
st bekanntlich eine anomale Erscheinung. Es ist auch wohl
begreiflich, dass Th. Stüder noch im Jahre 1868 sie als oberen
Jura ansehen wollte. Als ich die Gebiete südlich von unserer
Kette noch nicht studirt hatte, fing ich an zu glauben, es müsse
diese letztere Bildung irgendwie in der jetzt als brauner Jura
geltenden Schichtenfolge der Eisensteinbildung vertreten sein.
Dieser Zweifel verschwand aber, als ich im Massiv des Bellen-
höchst und auf der rechten Seite des Saxetenthales typischen
Hochgebirgskalk *) oder weissen Jura traf (siehe Tafel I.
Profil 6 und Profil 11), der sich zu unserem Gebilde ver-
halten mag, wie auf Profil 5 Taf. II. angegeben ist. Eine
allmälige Auskeilung dieser ganzen Stufe zwischen dem Eisen-
stein und Neocom geht also vor sich in der Erstreckung von
der Sumpffluh nach dem höchsten Punkt der Morgenberghorn-
kette, eine Auskeilung, welche evident durch die starke Bie-
gung im Grunde des unteren Saxetenthales noch mehr be-
günstigt wird. Somit wäre diese auf Neocom ruhende Eisen-
steinbildung keine so grosse anomale Erscheinung.
Nach dem Flysch ist die Eisensteinbildung ohne Zweifel
diejenige Stufe, welche im Massiv des Morgenberghorn am
meisten vertreten ist. Sie bildet zuerst alle Gipfel dieser Kette
und erstreckt sich sogar noch etwas weiter hinunter nach den
Abstürzen des nördlichen Abhangs. So sind die anderen Bil-
dungen durch sie gänzlich in diesen letzteren verdrängt. Sie
bildet den ganzen südlichen Abhang der Kette bis mitten im
Saxetenthale und zum Passe Tanzbödeli; sogar noch weiter
erstreckt sie sich gegen die Massive der Schwalmern und des
Bellenhöchst, indem sie dann in der Mitte des Thaies an den
oben erwähnten Hochgebirgskalk angrenzt.
Wo auch Eisenstein zu Tage tritt, kommt er in dünnen,
gewöhnlich^ — | M. dicken Schichten vor, welche öfter mannig-
fache Verbiegungen zeigen (Weg nach dem Abendberg, kleiner
Rügen etc.), die an diejenigen des Neocom der Axenstrasse
*) Konk. Escher von der Lintb brauchte zuerst diesen Namen zur
Bezeichnung der nicht näher bestimmbaren Kalke der höheren Alpen.
Wo in dem Liegenden derselben organische Reste vorkommen (wie in
unserer Gegend im Eisenstein), gehören sie dem braunen Jura an. Ueber
ihnen liegt dann an anderen Punkten Neocom ; so dass diese Bezeichnung
des Hochgebirgskalks als oberen oder weissen Jura nicht weit fehlgehen
kann (Stüder Index pag. 122.
28
vielfach erinnern. Es sind hellgraue bis dunkelgraue Kalk-
steine*), welche eine sehr bedeutende Härte besitzen. Sie
sind mit dem Messer kaum ritzbar und funkeln unter heftigem
Hammerschlage; an Kieselsäure müssen sie folglich auch
ziemlich reich sein. Von dem weiter oben besprochenen
Kieselkalk sind sie durch ihre dunklen eingeschlossenen Horn-
steinbänder leicht zu unterscheiden. Schön entwickelt kommen
sie hauptsächlich am kleinen Rügen , in der Wagneren und
am Morgenberghorn vor. Zuweilen treten hie und da Kalk-
schiefer auf, so z. B. am kleinen Rügen, auf dem Ausser-
berg und im Lauigraben ob Saxeten , auf der Ostseite des
Morgenberghorn. An diesen beiden letzteren Orten ist die
falsche Schieferung oder Clivage schön zu beobachten und
unterscheidet sich von der echten Schichtung durch ihre bank-
förmige Absonderung und ein ganz anderes Einfallen. Von
Petrefacten fand ich in diesen Schichten nichts, ausser dem
Abdruck einer vielgerippten Terebratula, welche vielleicht an
T. Dumortieri E. Desl. erinnern mag (ob Wilderswyl).
Nachdem wir nun die verschiedenen stratigraphischen
Stufen der Morgenberghornkette so gut wie möglich beschrie-
ben haben, wenden wir uns jetzt zu einigen allgemeinen Schluss-
betrachtungen, in welchen wir versuchen werden, einen Beitrag
zur Erklärung dieser grossartigen Ueberstürzung -zu geben. In
dem Fig. 11 vorhandenen Profile auf Taf. I. habe ich das Resultat
meiner Untersuchungen niedergelegt, soweit ich sie bis jetzt
nach Südosten verfolgt habe. Es geht vom Thunersee aus über
die Morgenberghornkette, das Saxetenthal und das Massiv
des Bellenhöchst bis in die Nähe von Isenfluh. Es ist die
einzige Region südöstlich von unserer Kette, welche ich zu
einer näheren Erklärung ihrer merkwürdigen Verhältnisse
habe studiren können. Die Gebirge der Schwalmern, Lob-
hörner und Sulegg warten noch auf ein weiteres Studium.
Wie aus diesem Durchschnitte zu sehen ist, erstreckt sich die
Ueberstürzung noch weiter nach Südosten und bleibt also nicht
*) Nicht Quarzite oder Quarzschiefer, wie Prof. Studer glauhen will,
denn mit Säuren brausen sie deutlich und ziemlich lange auf.
29
auf die Morgenberghornkette beschränkt. Weiter als das Massiv
des Bellenhöchst oder als eine durch dasselbe gezogene Linie
(parallel dem Streichen unserer Kette) geht sie noch höchst
wahrscheinlich. Wenn ich sagen würde, dass sie sogar bis
an die Grenze der krystallinischen Gesteine gehe, würde man
diese Meinung als übertrieben ansehen. Werfen wir aber einen
Blick auf die Karte und sehen wir uns die von der soge-
nannten Glarnerschlinge*) stundenweit innegehabten Gegend
an, welche einerseits bis an den Wallenstadtersee, andererseits
bis an das krystallinische Massiv des Finsteraarhorns (eine
Länge von ca. 12 Stunden) reicht, so wird man, glaube ich, es
nicht für allzu gewagt ansehen , wenn ich jetzt den Satz aus-
spreche , dass die an der Morgenberghorn kette vorkommende
Ueberstürzung bis an die krystallinischen Gesteine des Massivs
der Jungfrau reiche, das heisst auf eine Entfernung von
höchstens 6 — 7 Stunden. Hier an der Grenze der sedimen-
tären und krystallinischen Gebilde würde der andere Schenkel
des Gewölbes zu finden sein**); natürlich ist er aber durch
Verwerfung sowohl versunken als auch verschwunden und der
Beobachtung also gänzlich entzogen. Ob diese Meinung sich
später wird bestätigen lassen , ist Sache eines weiteren Stu-
diums. Ich hoffe jedoch, in der Folge neue Beiträge zur Lö-
sung dieser höchst interessanten , aber schwierigen Frage in
dieser Zeitschrift geben zu können. Mögen aber die Geologen
diesen meinen dahin ausgesprochenen Satz ruhig würdigen und
die Frage noch näher untersuchen, bevor sie mir antworten.
*) Baltzer, op. c!t. pag. 56 u. 57.
**) Wie Th. Stiider richtig bemerkt, hätten wir also hier ein sich
nach Süden öffnendes C (siehe Prof. Studer's: les couches en forme de
C dans les Alpes, Geneve 1860). — Inwiefern es aber eine östliche Fort-
setzung desjenigen der Dent du Midi (Bull. Soc. vaudoise sc. nat. 1855)
sei, lasse ich noch unentschieden.
30
2. Heber die Schichtenfolge des oberen Jura bei
Ahlem unweit Hannover und über das Vorkommen
der Exogyra virgula im oberen Korallen-Oolith
des weissen Jura daselbst.
Voq Herrn G. Struckmann in Hannover.
Durch die Eröffnung einiger neuer Steinbrüche beim Dorfe
Ahlem, etwa 4 bis 5 Kilometer westlich von Hannover, sind
nunmehr die sämmtlichen Glieder der oberen Juraformation
in vortrefflicher Weise auf einem kleinen Räume erschlossen.
Die verschiedenen Fundorte, die räumlich kaum 2 Kilometer
auseinander liegen , finden sich sämmtlicb an dem flachen
Höhenzuge, der sich in südwestlicher Richtung vom Dorfe
Ahlem bis zum Dorfe Harenberg erstreckt; der nördliche Ab-
hang dieses Höhenzuges zwischen der Chaussee nach Wunstorf
und dem Ahlemer Holze wird gewöhnlich mit dem Namen
„Mönkeberg" bezeichnet: hier liegen zwei Steinbrüche, ein
älterer bei dem halb verfallenen Kalkofen mit den unteren
Schichten des weissen Jura und ein erst seit einigen Jahren
erschlossener mit den Pteroceras-Schichten ; sodann folgt ein
Steinbruch unmittelbar am Ahlemer Holze mit den Schichten
des oberen Korallen-Oolith und den unteren Kimmeridge-Bil-
dungen; hart am Westende des Dorfes Ahlem an der Strasse
nach Wunstorf liegen sodann die ausgedehnten Steinbrüche
in den Pterocerasschichten, und endlich folgen südwestlich vom
Dorfe und südlich vom Ahlemer Holze die Ahlemer Asphalt-
gruben, in denen die mittleren und oberen Kimmeridge-Sehiehten
und die Portland-Schichten erschlossen sind.
Au diesen verschiedenen Stellen wird folgendes Profil
beobachtet:
1. Am Mönkeberge bei dem verfallenen Kalkofen lagern
unmittelbar über den Thonen der Kelloway-Gruppe (Or-
natenthonen ) mit Ammonites Lamberti und Ammonites
ornatus
31
die Oxfo rds chi chten oder Heersumer Schich-
ten in einer Mächtigkeit von etwa 7 M. , bestehend
zu unterst aus dunkelgrauen groboolithischen tho-
nigen Kalksteinen und Mergelkalken und zu oberst
aus gelblichen , grösstenteils oolithischen Kalkmer-
geln. Als charakterische Versteinerungen sind zu
erwähnen :
Echinobrissus scutatus Lam. sp.
Gryphaea dilatata Sow.
Exogyra lobata Roem.
Pecten subßbrosus d'Orb.
Trigonia triquetra v. Seeb.
Ammonites biplex A. Roem. (Sow.)
Ammonites mendax v. Seeb.
Bei derselben Stelle sind noch zu beobachten die un-
teren Schichten des Korallen - Ooliths , be-
stehend
a. aus einer 0,8 bis 1 M. mächtigen Korallenbank,
vorzugsweise zusammengesetzt aus der Isastraea he-
lianthoides Goldf. und
b. aus gelblichen in der Luft leicht zerfallenden, grössten-
teils oolithischen Kalkmergeln, etwa 2 M. mächtig.
In beiden Unterabtheilungen finden sich nicht
selten die Stacheln von Cidaris ßorigemma Phill.
Ausserdem sind charakteristisch: Chemnitzia Hed-
dingtonensis Sow. (mit Schale), Cerithium Struck-
manni de Loriol , Exogyra lobata Roem. , Pli-
catula longispina A. Roem., Echinobrissus scutatus
Lam.
Darüber lagern, zu beobachten im Steinbruche vor dem
Ahlemer Holze, die mittleren Schichten des Ko-
rallen-Ooliths, bestehend
aus einem ockergelben, dichten, knorrigen Kalksteine
mit mergeligen oolithischen Zwischenlagern, im Gan-
zen 2 bis 2,5 M. mächtig. Im dichten Kalksteine
finden sich unzählige Steinkerne einer kleinen Lucina,
ferner von Phasianella striata Sow. und Chemnitzia
Heddingtonensis ; ferner sind zu erwähnen Stacheln
von Cidaris ßorigemma Phill. (selten), Pecten va-
32
rians A. Roem., Pecten articulatus Schloth. , Phola-
domya decemcostata A. Roem. , Avicula pygmaea Der.
u. Koch.
4. Es folgen sodann an derselben Stelle die oberen
Schichten des K o rall en - 0 olith , nur 1 bis 1,5 M.
mächtig und grösstentheils aus grauen und hellgelben
dichten Kalksteinplatten bestehend, charakterisirt durch
das sehr häufige Vorkommen von Terebratula humeralis
A. Roem. , Terebratula bicanaliculata Ziet. , Rhynchonella
pinguis A. Roem. und unzähligen Exemplaren von Exo-
gyra reniformis Golde.
In dieser Schicht nun sind von mir mit völliger
Bestimmtheit einige Exemplare der Exogyra vir-
gula Goldf. neben der Exogyra reniformis aufge-
funden worden.
5. Darüberlagern ebendaselbst die unteren Kimmeridge-
Bildungen und zwar
a. 3,5 bis 4 M. hellgraue und hellgelbliche Kalkmergel
und Kalksteinplatten mit zahlreichen Steinkernen ver-
schiedener Natica- Arten (namentlich Natica globosa
A. J?oem., N. macrostoma A. Roem., N. Marcousana
d'Orb.), und Cyprina nuculaeformis A. Roem., Cyrena
rugosa de Loriol (Sow.) selten, Thracia incerta Thrm.
(kleine Form). Ausserdem ist Ostrea multiformis Der.
u. Koch in Schalenexemplaren ausserordentlich häufig.
b. 2,5 M. Bänke eines theils grauen, theils gelb-
lichen dichten Kalksteins , gesondert durch dünne
dunkelgrüne Thonschichten. Letztere sind verstei-
nerungsleer; die Kalksteine enthalten dagegen unzäh-
lige Steinkerne von Nerinea tuberculosa A. Roem.,
seltener von Nerinea Gosae A. Roem. und Chemnitzia
abbreviata A. Roem. sp.
c. Darüber lagert eine 0,5 M. starke schwärzliche Thon-
schicht, sehr reich an Versteinerungen, namentlich
kleinen Schnecken, darunter am häufigsten Nerinea
Mandelslohi Bronn neben den Nerineen und Chem-
nitzien der vorigen Schicht; ausserdem kommen am
zahlreichsten vor Cerithium septemplicatum A. Roem.,
Cerith. Umaeforme A. Roem., Helicocryptus pusillus
d'Orb.
33
6. Folgen die mittleren Kimmeridge- Schichten
und zwar
a. 2,5 bis 3 M. gelbe thonige Mergel, die am Ahlemer
Holze völlig versteinerungsleer sind, beim Dorfe Ahlem
dagegen Terebratula subsella in zahlreichen Exem-
plaren enthalten.
b. 5 M. theils graue oolithische Kalksteinbänke, theils
sehr thonhaltige, dünngeschichtete Kalksteine, am
Ahlemer Holze nur schwach angedeutet, während die-
selben in den Steinbrüchen am Dorfe Ahlem in
ihrer ganzen Mächtigkeit zu beobachten sind. Es sind
dies die Schichten der Nerinea obtusa nach Credner,
charakterisirt, abgesehen von dieser kleinen Nerinea,
durch :
Cyrena ruyosa de Loriol (Sow.) = Astarte scu-
tellata v. Seeb.
Cerithium astartinum v. Seeb.
Chemnüzia striatella v. Seeb.
Nerita ovata A. Roem.
und zahlreiche andere kleine Schnecken. Auch sind
Reste von Fischen (Pycnodonten) und Sauriern nicht
selten ; in dieser Schicht ist Homoeosaurus Maximi-
liani H. v. M. dreimal von mir gefunden.
c. 2,5 bis 3 M. theils dichte, theils feinkörnig oolithische
Kalksteine in 0,5 bis 1 M. mächtigen Bänken, meist
von heller Farbe, in den Asphaltbrüchen bei Ahlem
jedoch lederfarbig oder schwärzlich durch Bitumen
gefärbt. Es sind dies die eigentlichen Pteroceras-
Schichten, sehr reich an Versteinerungen, auch
vom Mönkeberge nördlich vom alten Kalkofen zu
beobachten , hier nur aber meist Steinkerne enthal-
tend, während bei Ahlem vielfach Schalenexemplare
gefunden werden. Als charakteristisch sind vorzugs-
weise zu erwähnen :
Terebratula subsella Leym.
Exogyra Bruntrutana Voltz
Exogyra virgula Goldf., seltener.
Trichites Saussurei Thurm.
Gervillia tetragona A. Roem.
Lucina sub striata A. Roem.
Zeits. d. D. geol. Ges. XXVII 1 . 3
34
Corbis subclathrata Thürm. sp.
Cyprina Brongniarti A. Roem. sp.
Bulla suprajurensis A. Roem.
Pter oceras Oceani Brongn.
Natica (Purpurina) subnodosa A. Roem.
und viele andere.
7. Darüber lagern bei Ahlem und in den Asphaltbrüchen
die oberen Kim m eridg e- Sch i chten (obere Ptero-
ceras-Schichten, Virgula-Schichten), bestehend aus
2 bis 3 M. grauen Thonmergeln und dichten, meist
dünngeschichteten Kalksteinen, charakteristisch durch:
Exogyra virgula Goldf. , Anomia Baulinea Buv.,
Corbula Mosensis Buv. und Corbicella Mo-
raeana Buv. Ausserdem ist Ostrea multiformis
Der. u. K. wiederum sehr häufig geworden.
8. Untere Portland-Schichten, bei Ahlem 2 bis 3,
in den Asphaltbrüchen bei Ahlem bis 5 M. mächtig,
bestehend aus geschichteten Thon- und Kalkmergeln,
ziemlich arm an Versteinerungen; jedoch sind Ostrea
multiformis, Cyprina Brongniarti und Cyrena rugosa nicht
selten; als charakteristisch ist ausserdem Pinna gra-
nulata Sow. anzuführen. Darüber folgt eine 2 bis 3 M.
mächtige Schicht eines dichten, zuweilen auch fein ooli-
thischen sehr harten Kalksteins, von weicheren Mergel-
schichten unterbrochen. Bei einer früheren Gelegenheit
(diese Zeitschr. Bd. XXVI. pag. 221) habe ich dieselbe
als versteinerungsleer angegeben; nach weiteren Beob-
achtungen sind jedoch stellenweise Versteinerungen nicht
selten und zwar kommen vor: Cyrena rugosa, Gervillia
lithodomus und Corbula alata Sow. (Nucula gregaria Der-
u. K.). Wahrscheinlich entspricht diese Schichtenfolge
den Schichten mit Ammonites gigas an anderen Orten ;
bisher ist freilich dieser Ammonit bei Hannover nicht
aufgefunden.
9. Folgen in den Asphaltgruben die oberen Portland-
Schichten oder Eimbeckhäuser Plattenkalke, etwa
3 M. mächtig, charakterisirt durch das massenhafte Vor-
kommen von Corbula inflexa A. Roem., von mir be-
schrieben in Bd. XXVI. dieser Zeitschr. pag. 220 ff.
35
10. Darüber lagert 0,5 bis 1 M. mächtig ein graues thoniges
Gestein, in welchem ich nur einige Spuren von fossilen
Pflanzen gefunden habe (Purbeckmergel?) und endlich
folgen
11. Blaue zähe Thone mit Belemnites subquadratus A. Roem.,
die einen grossen Raum bedecken und unzweifelhaft der
unteren Kreide (Hils) angehören.
Die ganze Schichtenfolge des Oberen Jura besitzt bei
Ahlem in den Schichten 1 bis 9 nur eine Mächtigkeit von
40 bis 46 Metern.
Das Auftreten der Exogyra virgula in einigen un-
zweifelhaften Exemplaren in Schicht 4, im Oberen Ko-
rall en - O o lith , zusammen mit Terebratula humeralis und
Ehynchonella pinguis erscheint mir höchst bemerkenswert!],
wenn ich auch eben keine auffallende Thatsache darin erblicken
kann. Denn ebenso gut, wie auch einige andere Fossilien
(z. B. Trigonia suprajurensis , Astarta suprajurensis) aus dem
Korallen-Oolith bis in die oberen Kimmeridge-Bildungen hinauf-
reichen, fällt die erste Entstehung der Exogyra virgula in eine
ältere Zeitperiode, während ihre massenhafte Entwicklung erst
später stattfand. Bis vor einigen Jahren kannte man dieselbe
bei Hannover überhaupt nicht, bis ich das Vorkommen im
oberen Kimmeridge und in den Pteroceras - Schichten von
Ahlem nachwies (diese Zeitschr. Jahrg. 1871 pag. 765 ff.).
Dr. Brauns führt dieselbe in seinem oberen Jura pag. 358
aus dem Kimmeridge von Uppen, Coppengraben , des Selters
und des Ith's an ; eine Notiz über ein tieferes Vorkommen ist
mir aber bislang nicht bekannt geworden, weshalb ich glaubte,
meinen Fund in weiteren Kreisen bekannt machen zu dürfen.
3
36
3. Geognostisch - chemische Mittheilungen Aber die
neuesten Eruptionen auf Vulcano und die Producte
derselben.
Von Herrn A. Baltzer in Zürich.
Hierzu Tafel II. bis IV.
Das vulkanische System der Liparen verdankt seine Ent-
stehung nach Hoffmann*) einer dreistrahligen vulcanischen
Spalte, deren einzelne ziemlich geradlinige Zweige ungefähr in
der Panariagruppe zusammenlaufen.
Auf diesen Spalten haben sich nun drei Reihen von Strato-
vulcanen gebildet. Die kürzeste dieser Spalten (ungefähr
Nordost streichend) hat nur einen Eruptionspunkt: Strom-
böli. Dieser permanent und intermittirend arbeitende Vulcan
gestattet der vulcanischen Thätigkeit sich allmälig zu ent-
laden, so dass sie nicht nothwendig hat, sich neue Eruptions-
wege in der Verlängerung dieser Spalte zu schaffen. Auf der
zweiten ungefähr Ost - West laufenden Spalte liegen Saline
und die schönen Kegel von Felicuri und Alicuri. Die
dritte Spalte hat Südrichtung. Auf ihr liegen die zu Lipari
gehörigen: Mte. Campo bianco, Mte. Angelo, Mte.
Guardia, ferner Mte. Vulcanello und der Hauptkrater
auf Vulcano. Noch in der Verlängerung dieser Spalte findet
sich am Cap. Calava der sicilianischen Küste eine Fumarole.
Die im Centrum des Systems liegenden Inseln der Panaria-
gruppe zeigen weder Lavaströme noch Kegelstructur. Ihre
Gesteine werden als Granit-, Gneiss - und Porphyr - ähnlich
bezeichnet. Diese in ihrer äusseren Erscheinung so abwei-
chenden, meist schroff nach Nordwest abstürzenden Inselfelsen
scheinen einem unentwickelt gebliebenen Centraikegel anzu-
gehören und sind älter als alle übrigen.
*) Pogg. Ann. Bd. 26. pag. 68 ff.
37
Das ganze vulcanische System der Liparen ist nach dieser An-
schauung ein Mittelglied zwischen Central- und Reihenvulcanen,
dessen Eigentümlichkeit darin besteht, das es keinen Strato-
vulcan als Centrum besitzt und dass sich die vulcanische Thä-
tigkeit ganz auf die Seitenspalten verlegt hat,
1. Die vulcanische Thätigkeit auf der Insel Vul-
cano vom August 1873 bis Ende December 1874.
Den Krater auf Vulcano war man seit längerer Zeit ge-
wohnt als fast erloschen zu betrachten, da die letzte Eruption
(wobei er nach Scrope*) seine jetzige Form erhielt) 1786
stattgefunden hatte. Kaum sah man bei reiner Luft sei-
ner Mündung Dämpfe entsteigen; er befand sich im Zustand
einer, mässige Fumarolenthätigkeit zeigenden, Solfatara. Ich
war daher überrascht , als ich bei einem Besuch der Liparen
im Anfang November 1873 vernahm, dass seit August der
Vulcanokrater eine intensive Thätigkeit entwickle. Authentische
Nachrichten erhielt ich erst von Herrn Picone, Betriebsdirector
der chemischen Fabrik auf der Insel.
Nach seinen Mittheilungen begann die erhöhte Thätigkeit
am 7. August 1873 zunächst mit stärkerem Ziehen der Fuma-
rolen. Am 7. September erfolgte eine Eruption , welche von
11 Uhr Vormittags bis 2 Uhr Nachmittags andauerte. Wäh-
rend derselben fiel auf der ganzen Insel eine schneeweisse
Asche, von welcher Herr Picone Proben sammelte. Andere
Aschenfälle , von vulkanischem Sand und Steinen begleitet,
folgten bis zum 19. October; so z. B. fielen graue Aschen am
14. und 15. September, von denen Herr Picone ebenfalls Pro-
ben nahm.
Einmal war der Aschenfall so dicht, dass man bei der
kleinen Fabrik auf 2 Meter Entfernung keinen Gegenstand
deutlich sah; man wünschte auf der Insel sehnlichst ein Ende
der Eruption, oder wenigstens Wind, um aus dem lästigen
Zustand herauszukommen. Ein oder einigemal wurden die
Aschen in der That bis nach Lipari und Saline getragen , wo
die Blätter der Bäume und Sträucher davon bedeckt waren.
Am 19. October erfolgte eine Eruption mit Auswurf von
vielen Projectilen.
*) Vergl. dessen Volcanos pag. 337.
38
Die 'Eruptionen fanden nach einem gewissen Rythmus
statt. Zuerst beobachtete man während 5 — 7 Minuten stei-
gende Fumarolenthätigkeit , indem unter heftigem Brausen
schneller und in grösserer Menge der weisse Dampf den
Spalten entquoll , gewaltige Rauchsäulen bildend. Dann sank
die Thätigkeit zurück, um nach kurzer Zeit sich wieder zu
steigern. Gewöhnlich beim dritten Anlauf wurden unter Knallen
und Rollen Steine ausgeschleudert. Von solchen Steinen fand
ich das Innere des Kraters (namentlich an der Nordostseite,
vergl. Tafel III.), sowie den sogen. Piano della Fossa ganz
übersäet.
Sie gefährdeten die Arbeiter, welche, etwa 30 an der
Zahl, das Rohmaterial zur Gewinnung von Borsäure, Salmiak,
Schwefel und „Balsamo di Zolfo" aus dem Krater heraufholten.
Es bedurfte der unermüdlichen Thätigkeit des Directors , um
ernstliche Unglücksfälle zu verhüten, nachdem einige Arbeiter
durch die fallenden Projectile leicht verwundet worden waren.
Nicht nur liess Herr Picone einen neuen Weg anlegen , der
den fallenden Bomben weniger ausgesetzt war, er überwachte
auch die Thätigkeit des Kraters und gab mit einer Glocke
den Arbeitern ein Zeichen, wenn der Rhythmus der Fumarolen-
thätigkeit einen Steinregen voraussehen liess.
Am 1. November fiel etwas Asche.
Am 3. November 1873, dem Tage meiner Anwesenheit
auf Vulcano, beobachtete ich heftige Fumarolenthätigkeit, aber
keine Steinwürfe.
Jene hielt an bis zum 22. Januar und es fanden auch
hin und wieder Bodenerschütterungen statt.
Am 22. Januar 1874 bemerkte Herr Picone um 11 \ Uhr
Abends zuerst eine undulatorische , dann eine subsultorische
Bodenbewegung, beide von kurzer Dauer.
Diese ungewöhnlichen Erschütterungen veranlassten ihn
am Morgen des 23. nach dem Krater emporzusteigen, um all-
fälligen Veränderungen nachzuforschen. In der That zeigte
sich Folgendes: Die Dampfausströmungeu waren so heftig,
dass das Athmen im Krater sehr erschwert war. Alle Fuma-
rolen waren am Rande mit Asche bedeckt. Von der Ostseite
des Kraters erscholl ein auffallendes Getöse als Anzeichen,
dass die unterirdischen Dämpfe sich eine neue Mündung er-
schlossen hatten.
Erst am 4. Februar gestatteten jedoch die dichten Dampf-
massen, die neue Mündung wahrzunehmen und sich ihr zu nähern.
Der Dampf entströmte ihr mit einem wahrhaft betäubenden Ge-
töse und Flammen brachen daraus hervor. Sie flackerten und zün-
gelten nicht, sondern waren wie angenagelt („come inchiodata").
Herr Picone beobachtete dieselben bei Nacht genauer. Sie
waren theils roth, mit charakteristisch grünem*) Saume, theils
weiss und röthlichgelb. Der Durchmesser der Fumarolen-
mündung betrug lj M, Das Brausen und die Flammen aller
übrigen Fumarolen zusammen waren nicht so heftig wie bei
dieser einen neuen.
In den folgenden Monaten verengte sich diese Mündung,
aber noch am 31. Juli waren Flammen an ihr bemerkbar.
Bis zum 4. Februar beobachtete Herr Picone häufig unter-
irdisches Getöse , dann verminderten sich die Thätigkeits-
äusserungen und zu Ende Juni 1874 schien der Krater wieder
in normaler Verfassung zu sein.
Am 1. Juli jedoch machte sich wieder heftiges, andauern-
des unterirdisches Geräusch bemerkbar. Am 15. Juli erfolgte
ein schrecklicher Schuss (,,una tirata spaventosa") und im
Laufe desselben Tages zählte Herr Picone nicht weniger wie
300 Stösse, die allmälig an Heftigkeit abnahmen und gegen
6| Uhr Abends kaum noch bemerkbar waren. Nach dieser
Kraftäusserung trat Ruhe ein; nur alle 2 — 3 Tage wurde
noch unterirdisches Geräusch gehört.
Ende Juli 1874 bemerkte Herr Picone im Krater nichts
Neues, nur am Abend war an den Flammen, welche früher
continuirlich und ruhig aus der grossen Bocca und den im
Osten neu eröffneten Fumarolenöffnungen hervorbrannten, ein
*) Borsäure, auf einem Platinblech in die bläuliche H2S - Flamrae
gebracht , verleiht derselben , wie ich mich überzeugte , einen grünen
Saum, jedoch nur so lange als die Säure nicht in Anhydrid übergegan-
gen ist. Hier sei noch bemerkt (was vielleicht noch nicht bekannt ist),
dass die Färbung einiger Salze in der H2S -Flamme kleine Abweichun-
gen zeigt von der Färbung, die dieselben Substanzen in der nicht leuch-
tenden Brennerflamme geben. Lithium macht die H2S- Flamme nur am
Rande roth. Unreines Strontiumsalz , welches die Leuchtgasflamme in-
tensiv roth dann gelb machte, erzeugte, in die H2S - Flamme gebracht,
nur eine gelbe Färbung,
40
intermittirendes Hervorpuffen (dreimal alle 5 — 10 Minuten)
bemerkbar, wobei sie ruckweise auf- und niederstiegen. Ob
auch Steine herausflogen, giebt Herr Picone nicht an, bemerkt
aber, es sei ein ähnliches Phänomen gewesen, wie auf Strom-
boli*), nur in gelinderer Weise. Diese Erscheinung findet
jetzt noch statt.
Vom 2. August an ertönte aufs Neue unterirdisches Ge-
räusch und von Zeit zu Zeit ein Stoss. Von Mitte October
1874 ab hörte man das Geräusch seltener; seit dem 23. No-
vember 1874 ist Alles ruhig. Vom April bis October 1874
war die Ausbeutung immer noch, wie früher, gehindert. Selbst
heute ist die Fumarolenthätigkeit noch nicht ganz auf ihr nor-
males Maass zurückgekehrt. Lava ist während der ganzen
Zeit nicht beobachtet worden.
Ein Freund des Herrn Picone berichtete ihm durch Schrei-
ben vom August, dass auf Stromboli ausser der grossen Bocca
sich neuerdings zwei andere in Südwest gebildet hätten, und
dass jene Stelle, von der aus man früher den Krater beob-
achtete, nicht mehr betreten werden könne. Genauer ausge-
drückt, habe sich eine Bocca unter dem „Faraglione" gebildet
und eine andere gegen Norden, circa 30 M. von der alten.
Soweit die mündlichen und brieflichen (im Auszug über-
setzten) Mittheilungen von Herrn Picone.**) Ich bin ihm
hierfür, sowie für die bereitwillige Zusendung von Aschen-
proben zur Untersuchung zu grossem Dank verpflichtet.
*) Dort erfolgt nach Abicit (Zeitschr. d. d. geol. Ges. 1857 p. 396)
und anderen Autoren alle b — 7 Minuten eine kleine Dampfexplosion,
verbunden mit Aufwallen der Lava und Auswurf von Projectilen.
**) Nachträglich theilte mir Herr Picone noch mit, dass er sich
fünfmal während der Eruption im Krater befand. Einmal trieb der
Nordwind die Dampfmasse nach Süden. Sie bedeckte den Krater wie
eine Mütze und man befand sich unten ganz im Dunkeln. Dabei wurde
so reichlich Asche ausgeworfen, dass man hernach von der Krampe eines
Strohhutes 1 Kilo sammelte. Ein andermal begann eine Eruption feiner
Asche während des Hinuntersteigens in dem Krater, die Herrn Picone
zwang, Mund und Nase zu verschliessen und sich zu entfernen. — Er
befürchtete einigemal eine Katastrophe ähnlich der von Pompeji.
2. Besuch des Kraters im November 1873.*)
Am 3. November begab ich mich von der kleinen, am
nordöstlichen Fuss des Kegels gelegenen, Fabrik nach diesem
selbst hinauf. Ich verfolgte den alten auf der Nordseite auf-
wärts führenden Weg; der neue zieht sich von Nordwesten
her aufwärts. Den bereits von Dolomieü erwähnten, in den
Abhang des Berges eingeschnittenen Adventivkrater bestimmte
ich zu 79,2 M. Meereshöhe. Derselbe ist ausgefüllt, flach
und hat ca. 100 Schritt Durchmesser. Etwas oberhalb des-
selben, auf einer etwas vorspringenden Ecke, zeichnete ich die
Ansicht III. Zu ihrem Verständniss ist zu bemerken , dass
unmittelbar neben und östlich vom jetzigen Hauptkegel (1 der
Zeichnung stellt seinen äusseren Abhang dar) sich ein halb-
mondförmig gekrümmter Rücken (6) bogenförmig herumzieht.
Er ist ca. 500 M. vom Centrum des Kraters entfernt, aber
nur auf der Ostseite entwickelt. Zwischen ihm und dem
Hauptkegel befindet' sich eine Schlucht (2). Man verwechsle
ihn nicht mit der — der Somma des Vesuvs vergleichbaren —
grossen äusseren Umwallung (mit dem Monte Luccia) , die
an 1500 M. vom jetzigen Krater entfernt ist.
Leider konnte ich weder die kleine Schlucht (2) , noch
die Lavabank näher untersuchen , um zu constatiren , ob die
Hügel (6) als alter Kraterrand oder neue Aufschüttung aufzu-
fassen sind. Die Schlucht schien durch spätere Aschenfälle
z. Th. ausgefüllt worden zu sein, da die Aschenlagen (unter-
halb 3 der Zeichnung) horizontal sind, dagegen discordant mit
der Bank 4. In diesen Aschenlagen vertiefte sich die Schlucht
durch Erosion. Gegen Spaltung spricht der Umstand, dass
die Schichten rechts und links der Schlucht einander ent-
sprechen, z. B. 3 links und 3 rechts. Eigentümlich erscheint
die discordante Lavabank 4.
Vom oben genannten Vorsprung biegt sich der Weg nach
Westen um. Man gelangt nach kurzer Zeit zu einer fast
ebenen oder sanft ansteigenden Fläche, dem sogen. Piano
della Fossa (vergl. Taf. II.) — 215,6 M. über dem Meer. Sie
umgiebt den Krater halbmondförmig auf der Nord- und Nord-
*) 1869 besuchte vom Rath Vulcano. Vergl. seinen interessanten
Tagebuchauszug im N. Jahrb. 1874 pag. 63.
42
Westseite. In ihr führt der Pfad zum Nordwestrand des
Kraters.
Ihre Breite beträgt wohl an 200 M. Am äusseren Rand
zeigt sie dampfende Fumarolen, reich an Schwefelkrusten und
Sublimationen. Sie ist übersät mit den Projectilen der jüng-
sten Eruption, die zu Hunderten den Boden bedecken.
Noch einige Hundert Schritt und wir stehen am Rande
des ungeheuren Trichters. Mit Recht nennt ihn Dolomieu den
schönsten und prächtigsten Krater, den er je gesehen; und
Hoffmann meint, es scheine unmöglich, das vollkommenere
und zierlichere Modell einer in sich abgeschlossenen Vulcan-
insel aufzufinden. *) Ein Blick auf Tafel II. und IV. wird
dies bestätigen. Jene zeigt einen Theil von Lipari und be-
sonders den Krater von Vulcano als Ganzes. Jenseits des
Kraters folgt, durch eine tiefe Schlucht getrennt, die Somma
von Vulcano. Daran schliesst sich eine Art Hochplateau,
offenbar ein ausgefüllter, grosser, älterer Krater, dessen erhal-
tenen Südrand Monte Aria und Somma dell' Felicichie bilden.
In West und Nordost gehören zu ihm Monte Saraceno und
Monte Molineddo, der Nordrand ist durch das jetzige Centrum,
welches demnach jünger ist, zerstört. Tafel IV. giebt die
Ostseite des Kraters , wie ich sie vom nordwestlichen Rand
desselben sah.
Der Krater hat gegenwärtig die Gestalt eines ziemlich
runden Trichters. Der Durchmesser beträgt oben ca. 900 M.,
unten auf der Sohle ca. 80 M. Den Punkt des Kraterrandes,
wo ich zeichnete, bestimmte ich mit dem GoLDSCHMiDT'schen
Aneroid zu 245 M. Meereshöhe; für die Sohle des Kraters,
wie sie das Bild angiebt, fand ich 159 M. Daraus ergiebt
sich die Tiefe des Trichters zu 86 M. Der obere Rand des-
selben ist aber sehr ungleich hoch und gerade dort, wo ich
zeichnete, fast am niedrigsten. Nimmt man den auf Taf. IV.
mit 1 bezeichneten höchsten Punkt**) des Randes als Aus-
gangspunkt, so mag die Tiefe des Kraters gut 150 M. be-
tragen.
Unter dem Rand folgen zunächst schräge Abdachungen
*) Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. XXVI., pag. 58.
**) Die Aufschüttung desselben geschah 1786, vergl, bei Spällaö-
rani pag. 163.
I
(3 u. 4) von ausgezeichnet geschichteten Aschen- und Tuff-
lagen , hie und da von kleineren Abstürzen unterbrochen.
Ihre Böschung nimmt nach unten zu. Dann stürzen schroffe,
an 150 Fuss hohe Wände (11) zur Kratersoble ab.
Sie bestehen, wo ich sie sah, aus compacter, massiger,
glasiger Lava, welche stark gerundete, klumpige Formen bildet.
Hie und da zeigen sich Löcher und Höhlungen oder von den
Fumarolengasen hervorgebrachte Färbungen und Verwitterungen.
Die Schichten derselben fallen dort, wo der Kraterrand
eine flache Einbiegung zeigt, deutlich gegen den Krater zu,
anstatt von ihm ab (bei 7). Die nach aufwärts gebogenen
Schichtenlinien zeigen keinen regelmässigen Zusammenhang
mit den Schichten weiter rechts. Nach Poülett Scrope*) ent-
steht bei manchen Vulcanen ein Fallen der Schichten nach
innen gegen den Krater zu dadurch, dass, besonders gegen das
Ende der Eruption, ausgeworfenes Material Lagen bildet, welche
parallel der inneren Böschung geneigt sind. Ob das hier der
Fall, ob Senkung anzunehmen, bedarf weiterer Untersuchung,
da mir diese Erscheinung erst nachträglich auf der Zeichnung
auffiel. Figur II. zeigt nichts davon.
In den weichen Lagen sind durch die wässerigen aus der
Atmosphäre und vom Krater selbst herstammenden Niederschläge
zierliche Erosionsrippen entwickelt.
Die Sohle des Kraters ist an der abgebildeten Ostseite
ganz eben und liegt daselbst am tiefsten. An der Nordwest-
und Westseite ist sie etwas erhöht und unregelmässiger.
Aus einer grossen Zahl von Furaarolen steigen Dampf-
säulen in die Höhe. Sie erheben sich weit über den Rand
des Kraters und vereinigen sich oben zu einer compacten
Wolke, in die der Wind wechselnde Formen bildet. Sie sind
auf Tafel IV. nur klein angegeben, um die Formen der Krater-
wandung nicht einzubüssen. Diese Dampfsäulen entquollen
ihren unregelmässig gestalteten Fumarolenöffnungen mit einem
zischenden Ton, wie wenn aus vielen Locomotiven der Dampf
ausströmt. Dieser Ton ist etwas verschieden, je nach der
Stärke des Dampfstroms, der Richtung der Oeffnung, der Be-
schaffenheit des Randes und der Mündung (glatt, eckig, porös,
rund, spaltenartig etc.).
*) Volcanos pag. 60.
44
Noch anziehender wurde das Bild vulkanischer Thätigkeit
durch das lebhafte Treiben der Arbeiter, die soeben den steilen
Pfad heraufstiegen, die mit dem Rohmaterial gefüllten Körbe
auf den Schultern tragend.
Die Gase der Fumarolen des Kraters bestehen vorzugsweise
aus H2S, H20 und HCl, welchen Borsäure und Salmiak beige-
mengt sind. Ob S02 z. Th. präexistirt oder ausschliesslich
bei der Verbrennung von H2S an der Luft entsteht, ist nicht
festgestellt. Auf HCl schlie&se ich aus dem Vorkommen von
Chloriden in den ausgeworfenen Aschen. Jedenfalls sind darin
noch andere Gase (C02? N ?) und gelöste feste Substanzen
enthalten, die theils von den Dämpfen mitgeführt, theils durch
Einwirkung derselben auf die Fumarolenwanduugen gebildet
wurden, allein es ist hierüber nichts bekannt.*)
Man gewinnt aus den Fumarolen Borsäure, Salmiak,
Schwefel. Die Alaungewinnung hat man gegenwärtig fallen
lassen, will aber dafür Schwefelsäure fabriciren.
Auf dem Absatz rechts (Fig. IV. 9) wurde, wie mir der
Aufseher sagte, besonders Schwefel gewonnen ; eine der Fuma-
rolen liefert ausschliesslich Alaun. Die links abgebildete Fu-
marole war besonders stark, sie erhob sich bedeutend über
den Rand des Kraters und es war nicht möglich, sich ihr zu
nähern.
Die Art der Gewinnung scheint, soviel ich beobachten
konnte, ungemein einfach zu sein. Man wirft lockeres Material
(vulkanische Asche) auf die Mündungen der kleineren Fuma-
rolen; die Dämpfe streichen hindurch und lagern ihre gelösten,
festen Bestandtheile darin ab. So entsteht eine Art cämen-
tirten Conglomerates. Dasselbe ist erfüllt mit faserigem Samiak,
gelbrothem Selenschwefel, Alaun und schön weisser seiden-
glänzender Borsäure. Dieses Rohmaterial wird , wenn es mit
den Fumarolenproducten genugsam beladen ist, in Gefässe
gefüllt und von den Arbeitern auf den Schultern zur Fabrik
am Nordfluss des Kegels befördert, um daselbst weiter ver-
*) Ich glaubte Jod, dessen Anwesenheit in den Sublimationen Borne-
mann und vom Rath erkannten, könne sich vielleicht in den bei der Fa-
brication übrig bleibenden Mutterlaugen finden; Herr Picone verneint
aber seine Anwesenheit. Nach Cü. Deville sollen in den Sublimations-
producten kleine Mengen von As u. P vorkommen.
45
arbeitet zu werden. Als Herr Trautschold *) den Krater be-
suchte, sah er, wie man die Dämpfe einer Borsäure haltenden
Fumarole auf eine sehr rohe Weise in einem Fass condensirte.
In neuerer Zeit machte Herr Pioone einige Bohrversuche
in der Hoffnung, reichere Ablagerungen anzutreffen. Eines
der Bohrlöcher wurde in der Sohle des Kraters niedergebracht.
Kaum war man in einer Tiefe von 7 M. angelangt, so erfolgte
eine Dampfexplosion, die den Bohrer in die Höhe schleuderte.
Eine mächtige Fumarole entstand im Bohrloch selbst. Darauf-
hin wurde von weiteren Versuchen Abstand genommen.
Die Industrie auf Vulcano hat wechselnde Schicksale ge-
habt. Die Schwefelgewinnung fand nach Spallanzani **) schon
Mitte des vorigen Jahrhunderts statt, wurde dann aber unter-
sagt, weil man glaubte die bei der Reinigung des Schwefels
entstehenden Dämpfe schadeten den Weinpflanzungen auf
Lipari. Ungefähr 1790 gab der König von Neapel die Er-
laubniss zur Wiederaufnahme der Arbeiten , sie standen aber
nach einiger Zeit wieder still, wahrscheinlich wegen mangel-
haftem Betrieb. Später gelangte die Fabrik in den Besitz des
Herrn Nunziante, der sie in neuester Zeit an Herrn Steven-
son, einen Engländer von Glascow verkaufte. Dieser übergab
die technische Leitung Herrn Picone, unter dessen tüchtiger
Direction die Fabrication ohne Zweifel einen neuen Aufschwung
nehmen wird. Der Borsäuregehalt der Fumarolen soll grösser
sein als der der toskanischen. Im Jahre 1860 wurden jährlich
etwa 2500 Kilo Borsäure gewonnen , gegenwärtig wird sich
die Production wohl gesteigert haben.
Ehe ich zu den Eruptionsproducten übergehe, möchte ich
noch einer Eigentümlichkeit der Kraterwandung Erwähnung
thun. Ich bemerkte beim Hinuntersteigen in den Krater an
den steilen unteren Abstürzen eine Kruste. Sie bedeckt die-
selben gleichsam mantelartig oder wie eine Tapete, die nicht
fest an der Wand ansitzt. Ihre Dicke betrug, wo ich sie
untersuchte, nicht mehr wie 1 — 3 Cm., ihre Höhe 40 — 50'
und mehr. Schlägt man daran, so fallen grosse Stücke herab
und es zeigt sich ein Hohlraum zwischen ihr und dem Lava-
fels. Der letztere war an der betreffenden Stelle nicht auf-
*) N. Jahrb. für Mineral, etc. 1874 pag. 63.
''*) „Voyages dans les deux Siciles" pag. 136.
46
fallend zersetzt; die Kruste ist also etwas Fremdartiges, nicht
die äussere zersetzte Lavaschicht.
Die Kruste ist grau oder weiss gefärbt und hat das Aus-
sehen zusammengebackener vulkanischer Asche. In der grauen
Masse sind viele Lavensplitter und dergl. bemerkbar, In den
Poren und Hohlräumen aussen und inwendig sitzen dicke
Büschel prismatischer gypsähnlicher Krystalle.
An kaltes Wasser giebt die lufttrockene Substanz 6,9 pCt.
ab. Der wässerige Auszug reagirt stark sauer und enthält
ziemlich viel H2S04 , aber nur Spuren von HCl. Beim Ver-
dunsten der Lösung bleiben Nadeln und Blättchen zurück, die
beim Erhitzen undurchsichtig werden. Sie enthalten Thonerde,
Magnesia, Kalk und eine Spur von Ammoniak, welche an die
genannten Säuren gebunden sind. Alkalien sind nicht vor-
handen. Der beim Ausziehen mit Wasser bleibende schlam-
mige Rückstand ist mit Gypskrystallen erfüllt.
Eine neue Probe mit Na2 C03 gekocht ergab reichliche
Mengen an Kalk und Schwefelsäure, ferner Strontium, aber
keinen Baryt, dann noch die schon beim wässerigen Auszug
genannten Basen mit Ausnahme des Ammoniaks. Der von
Na2 CO , - Lösung nicht angegriffene Rückstand lässt mit der
Loupe Stückchen dunkler Glaslava, Quarzkörner, sowie grün-
liche und röthliche Fragmente erkennen.
Quantitative Zusammensetzung einer Probe der Kruste:
55,34 pCt. Gyps,
34,7 pCt. Rückstand nach dem Kochen mit Na2 C03 und
Behandeln mit HCl,
6,9 pCt. in Wasser leicht lösliche Bestandtheile.
Der Gyps wurde aus der Kalkmenge berechnet, die man
durch Kochen mit Na., C03 etc. erhielt; die beiden ersteren
Bestimmungen beziehen sich auf bei 100° getrocknete, die
letztere auf lufttrockne Substanz.
Erhitzt man das Pulver der Kruste und rührt Wasser
hinzu, so erstarrt der Brei wie Gyps.
Nach dem Gesagten ist die Kruste wohl aus den Aschen-
schichten der oberen Partie der Kraterwandung (Taf. IV.) ent-
standen. Sie erweichten zu einem Schlamm, welcher über die
Lavaabstürze des Kraters herunterfloss. Beim Austrocknen
der Masse löste sie sich da und dort von der Wandung ab,
ohne indessen ihren Zusammenhang zu verlieren.
Die Entstehung von Gyps auf vulkanischem Wege ist
eine bekannte Thatsache. So beobachtete z. B. Hoffmann*)
dieselbe bei den Stufe di S. Calogero auf Lipari in grossem
Maassstab. Dort findet sich der Gyps theils wechsellagernd
mit vulkanischem Thon, theils in unregelmässigen Anhäufungen
in den Tuffschichten, theils hie und da in Krusten, die grösse-
ren Blöcke überziehend. Merkwürdig ist daher im vorliegenden
Falle nur, dass die den Gyps enthaltenden Krusten gleich einer
Draperie im Innern eines Kraters herunterhängen.
Wenn auch ein Theil des Calciumsulfats schon in der
breiigen Masse durch Einwirkung der schwefligen Säure und
des Schwefelwasserstoffs entstand, so ist es doch schwer zu
begreifen , wie sich der Gyps in dem kalkarmen Material
so anhäufen konnte, dass er alle Poren und Hohlräume ver-
stopfte. Vielleicht war es das herabrinnende und die poröse
Kruste durchsickernde Wasser, welches aus den oberen Sand-
und Aschenschichten (vergl. Taf. IV., 4) immer neue Quanti-
täten von Kalk**) mitbrachte und ihn so absetzte, wie die
ein Gradirwerk durchtröpfelnde Salzsoole ihren Kalkgehalt in
den Dornenwänden. Daher zeigt auch die Aussenfläche der
Kruste vom rinnenden Wasser herrührende Vertiefungen und
Furchen.
3. Untersuchung der jüngsten Eruptions-
p rod u cte.
Sie bestehen, soweit sie fest sind, theils aus von den Fu-
marolen ausgeschleuderten Projectilen , theils aus Aschen und
Sanden.
Erstere liegen in ungeheurer Anzahl auf dem Piano della
Fossa, dem inneren Kraterabfall (vergl. Taf. IV.), sowie auf
der Sohle des Kraters umher und sind leicht von anderen
Steinen unterscheidbar. Die meisten fielen gegen Norden zu.
Rundliche oder länglich-birnenförmige Gestalten, wie am Aetna
und Vesuv, sah ich nicht. Viele waren nicht grösser wie eine
*) Pogq. Ann. Bd. 2b. pag. 39 ff.
**) Die Aschen von 1873 enthalten merklich Kalk. In der Vesuv-
asche vom '28. April 1872, die in Neapel niederfiel, war von den bei-
gemengten Salzen Ca S04 vorwiegend (Scacchi, in Zeitschr. d. d. geol.
Ges. 1872).
48
Faust, die ansehnlichsten erreichten Kopfgrösse. Sie besitzen
keine eigentliche Kruste , sind aber mehr oder weniger von
sauren Dämpfen gebleicht. Im Folgenden beschreibe ich die
Haupttypen.
a. Grauer, unregelmässig weissgestreifter Liparit. Dichte
lithoidische, im Dünschliff krystallinisch-scbuppige Grundmasse,
mit reichlich eingebetteten Hornblendekrystallen (und Aggre-
gaten derselben), bis zu 1 Cm. lang. Die Handstücke sind
durchsetzt von theils unregelmässig zelligen , tbeils regel-
mässigeren, langgestreckten Hohlräumen, die durch ihre Aus-
füllung den Stücken das gestreifte Aussehen geben. Alle
Hohlräume sind mit weissem, krystallinischem Quarz (Tridy-
mit?) ausgekleidet, der dieselben aber häufig nicht ganz aus-
füllt. In den nicht erfüllten Drusen und Nestern finden sich
folgende Mineralindividuen:
Quarz,
Hornblende,
Eisenkies,
Magneteisen.
Der Quarz bildet bis 3 Mm. lange, vollkommen durch-
sichtige Krystalle (prismatische und tafelförmige). Einer der-
selben, 3 Mm. lang, gleicht vollkommen einem kleinen Berg-
krystall , er zeigt die Flächen von P und xP; letztere sind
gestreift. Durch alternirende Prismen- und Pyramidenflächen
verjüngt sich der Krystall nach unten. Als Einschluss enthält
er eine millimeterlange Amphibolnadel , während aussen klei-
nere Amphibole aufsitzen. Andere solcher Quarze sind von
vielen haarförmigen Amphibolen und Magneteisen filzartig
bedeckt.
Häufig sind die Hornblendenadeln in den zelligen Hohl-
räumen, wie sich kreuzende Fäden, von einer Wandung zur
anderen ausgespannt, wodurch manchmal eine Art Gewebe
entsteht. Die Oberfläche dieser Fäden ist in der Regel dicht
bedeckt von kleinen, messinggelben Pyritkryställchen. An
diesen sind bin und wieder die Oktaederflächen erkennbar.
Auf Platinblech erhitzt, verwandeln sie sich unter Erglühen in
dunkelbraune Kügelchen unter Entwicklung von SO.,. In
der Phosphorsalzperle und auf nassem Wege geben diese
Kügelchen Eiseureaction.
Die Analyse der grauen Grundmasse ergab, nach sorg-
fältiger Entfernung der Hornblende mit der Loupe, in 100 Theilen
geglühter Substanz:
Kieselsäure . . . . 73,79
Eisenoxyd . . 13,81 \ fi
Thonerde . . 3,78 I '
Kalk 1,43
Magnesia 0,05
Alkalien a. d. Differenz 7,04
Die drei ersten Bestandteile sind doppelt bestimmt. Von
der Anwesenheit beträchtlicher Mengen Kalis überzeugte ich
mich durch Platinchlorid. Glühverlust 0,72, davon 0,24 bei
100°; 0,48 zwischen 100° und Glühtemperatur.
Diese Analyse zeigt, dass das GesTein Liparit ist, was
auch die Betrachtung von Dünnschliffen bestätigt. Man be-
merkt viel Sanidin, aber keinen Feldspath mit Zwillingsstrei-
fung, ferner Magneteisen (auch haar- und drahtförmig) ; Tri-
dymit liess sich nicht mit Sicherheit erkennen.
b. Liparitische Auswürflinge, ohne Hohlräume, aber regel-
mässig gestreift und gebändert, wie manche Obsidiane. In
der Grundmasse kommen bis zu 4'" lange Hornblendekrystalle
vor, ausserdem Pyrit, der hie und da in Eisenoxyd verwandelt
ist. Die hellen Streifen oder Bänder bilden auf den Bruch-
flächen auch wohl scharf umschriebene Linsen; immer haben
sie in der Mitte eine krystallinische Ausfüllung, anscheinend
hauptsächlich aus Quarz bestehend. Aussen sind solche Pro-
jectile bis auf 5 Mm. Tiefe durch die sauren Dämpfe zersetzt,
wodurch eine gebleichte aber harte Oberfläche entsteht.
Ein Dünnschliff liess erkennen, dass die Streifen aus
amorpher, einfach brechender Glassubstanz bestehen , welche
mit doppelt brechender Substanz wechselt. Hin und wieder
finden sich Sanidine von der Glasmasse eingeschlossen.
c. Projectile, welche aus der analysirten Grundmasse
allein bestehen, keine hellen Streifen oder Linsen zeigen und
höchstens nur einige wenige Hornblendekrystalle enthalten.
d. Glasige Projectile, ähnlich der dunkeln glasigen Lava,
die man an der Kraterwandung beobachtet.
Von Aschen erhielt ich durch die Güte des Herrn Picoke
drei Sorten zugeschickt:
Zeits. a. D. geol. Ges. XXVII. 1 . 4
50
1. Asche vom 15. September 1873. Dauer der Eruption
2 Stunden. Sie ist rein grau gefärbt und besteht aus meistens
stecknadelkopfgrossen , etwas abgerundeten Fragmenten. Sel-
tener sind sie grösser und eckig.
Obgleich man bereits weiss, dass vulcanische Asche nichts
weiter ist als mechanisch zerkleinerte und durch die Gewalt
der explodirenden Dämpfe zerstäubte Lava, so wollte ich
mich doch nochmals überzeugen, wie sich der Kieselsäuregehalt
dieser Asche zu dem der obigen Grundmasse der Projectile
verhalte. Ich fand in der Asche 73,08 pCt. Si02, also den-
selben Gehalt, wie ihn die ausgeschleuderten Liparitbomben
besitzen. Auch das Aussehen der Körner verräth, dass diese
Asche und obiger Liparit wesentlich aus dem gleichen Material
bestehen.
Der Gewichtsverlust beim Glühen der Asche betrug 5,49 pCt.
2. Sand vom 14. September. Dauer der Eruption 3 Stun-
den. Er ist etwas dunkler gefärbt als die vorhergehende Asche ;
die einzelnen Partikel sind grösser, eckiger, daher dem Liparit
im Aussehen noch ähnlicher. Hin und wieder kommen Schwefel-
stückchen vor, auch von Eisenchlorid gelb gefärbte Partieen
und Eisenkies. Qualitativ wurde ausser Si02 noch Fe,2 03,
Al2 03, MgO, CaO, sowie auch deutliche Mengen von K.,0
und Na20 gefunden.
3. Weisse Asche vom 7. September 1873. Dauer der
Eruption 3 Stunden. Während diese Asche auf der ganzen
Insel Vulcano niederfiel, hatten die anwesenden Liparoten das
eigentümliche Schauspiel eiues nordischen Schneefalles, freilich
an einem Material von ganz anderer Natur.*) Sie ist von
den erwähnten Eruptionsproducten das interessanteste. Ihre
Farbe ist schneeweiss. Bei mikroskopischer Betrachtung über-
zeugt man sich leicht , dass man es hier nicht mit Laven-
partikeln zu thun hat, wie bei L und 2., sondern mit einem
krystaliinisch-körnigen, zu Klumpen zusammengeballten Pulver,
welches wesentlich nur aus einem Mineral besteht. Bestimmte
Krystallformen lassen sich zwar nicht wahrnehmen, aber die
*) Diese Asche fiel bei ruhiger Luft auf den Hauptkegel, auf die
Ebene bei der Fabrik und die südlich des Kegels gelegenen Hügel. Dieselben
waren davon ganz weiss (imhiancata). Die Dicke der Schicht betrug
3 bis i Cm.
weisse Substanz ist, weil doppelt brechend, zum grösse-
ren Theile krystalliniseh. Dies deutet nun schon darauf hin,
dass diese Asche etwas Anderes ist, wie eine bloss mechanisch
zerstückelte Lava.
Von unwesentlichen Beimengungen finden sich folgende:
Nächst grösseren, weissen, festeren Gesteinsbrocken kom-
men andere von grünlicher und röthlicher Färbung vor; ferner
kleine dunkle Partikelchen. Etliche davon sind mit dem
Magnet ausziehbares Magneteisen, andere sind Fragmente gla-
siger Lava, vielleicht auch Hornblende. Manchmal sind sie
so leicht, dass sie auf Wasser schwimmen. Ausserdem finden
sich noch Fragmente einer dunklen nicht glasigen Lava,
Schwefelstückchen und in der krystalliniseh - körnigen Haupt-
menge selten grössere abgerundete Brocken, anscheinend Quarz.
Der wässrige Auszug reagirt stark sauer und enthält
Schwefelsäure und Salzsäure, von letzterer anscheinend mehr (?).
Die Menge des durch Wasser Ausgezogenen betrug 1,37 pCt.
Der durch Eindampfung erhaltene Rückstand war dunkel ge-
färbt. Beim Erhitzen entfärbte er sich unter Entwickelung
eines bituminösen Geruchs. Es ist somit eine organische, in
verdünnten Säuren lösliche Substanz zugegen , die wegen
Mangel an Material noch nicht näher untersucht werden
konnte. Der erwähnte Rückstand enthielt ausserdem Eisen,
etwas Magnesia und namentlich auch Alkalien. Mit Platin-
chlorid entstand ein merklicher Niederschlag von K2Pt€l6.
Der Gewichtsverlust beim Erhitzen der lufttrockenen Asche
betrug bei einer Probe 4,53 pCt., bei einer anderen 5,95 pCt.
Derselbe kommt besonders auf Rechnung des Schwefels , da
beim Erhitzen ein intensiver Geruch von S02 auftritt und von
Schwefelkohlenstoff beträchtliche Mengen desselben extrahirt
werden.
Ein auffallendes Resultat gab die Kieselsäurebestimmung.
In einem Fall erhielt ich 95,8 pCt., im anderen Fall 93,2 pCt.
(berechnet auf geglühte Substanz). Bei ersterer Bestimmung
waren die beigemengten fremdartigen Partikel sorgfältiger aus-
gesucht worden.
Nach dem Gesagten ist die Asche vorwiegeed als Kiesel-
säure zu betrachten , ungleichförmig gemengt mit Schwefel,
Sulfaten and Chloriden von Alkalien, alkalischen Erden und
4*
52
Eisen; ferner mit kleinen Lava- und Schwefelpartikelchen
und verschiedenen Gesteinsbrocken.
Dass Kieselsäure als Aschenauswurf eines Vulkans auf-
treten kann, ist meines Wissens bisher noch nicht erkannt
worden. Dagegen wird von einigen Autoren weisse Asche
erwähnt.
So berichtet Dolomieü, dass bei dem Ausbruch auf Vul-
cano von 1775 (er wird als der letzte ausgegeben , während
nach Spallanzaki*) noch 1786 eine Eruption**) stattfand)
eine weissliche Asche auf Lipari niederfiel. Auch am Vesuv
sollen hellgefärbte Aschen, z. B. bei der Eruption von 1850
und 1872, gefallen sein , wobei es freilich fraglich bleibt , ob
sie weiss oder hellgrau waren. Die Vesuvasche vom 24. und
mehr noch vom 26. Juni 1794 war hellgrau und zuletzt bei-
nahe ganz weiss (Leopold v. Buch). Nach Fuchs***) pflegen
die Aschen beim Beginn der Eruption dunkel gefärbt zu sein
und das Erscheinen weiss gefärbter Aschen wird als ein Zei-
chen des herannahenden Endes der Eruption begrüsst. Che-
misch untersucht wurden solche Aschen meines Wissens bisher
noch nicht; es bleibt also unentschieden, ob sie die Zusammen-
setzung der weissen Vulcanoasche hatten. In weissen vulca-
nischen Aschen sollen nach Ehrenberg Diatomaceen vorkommen.
Wenn bisher die weisse Asche als vulkanische Asche
bezeichnet wurde, so geschah dies, weil sie nach dem Zeugniss
des Herrn Directors Picoke aus dem Krater ausgeworfen
wurde, weil sie während mehrerer Stunden auf der ganzen
Insel niederfiel und den Boden 3 Cm. hoch bedeckte (demnach
nicht wohl als ein nur zufälliges in kleiner Menge entstan-
denes Product betrachtet werden kann), und weil es nicht
unwahrscheinlich ist, dass ähnliche Aschen schon früher ge-
fallen, aber nicht weiter beachtet worden sind.f) Trotz der
*) Voyages dans les deux Siciles II., 163.
**) Hierbei wurde viel Sand ausgeworfen ; ein Verwandter des
Herrn Piconis theilte demselben mit, dass nach Aussage seines Vaters
man damals in Lipari Sand und Asche von den Dächern habe weg-
schaffen müssen.
***) Vulcan. Erscheinungen, pag. 217.
f) Bemerkenswerth ist es, dass der weisse x\schenfall noch ein
zweites Mal stattfand; die zweite Asche ist eine Spur weniger weiss.
Leider lässt sich nicht constatiren, ob dazwischen hinein graue, normale
Asche fiel oder nicht.
\
53
unzweifelhaften Aschennatur macht es einige Schwierigkeit,
den gewöhnlichen Begriff von vulcanischer Asche, wie man
ihn in den meisten Lehrbüchern*) findet, auf die vorliegende
anzuwenden.
Die vulkanische Asche besteht bekanntlich, wie Cordier
1815 nachwies, wesentlich aus denselben Elementen wie die Lava;
sie ist mechanisch veränderte Lava oder kurzweg Lavapulver.
Cordier erklärte sich die Bildung durch Friction, Menard und
Morioand nahmen eine Zerstäubung durch die explodirenden
Dämpfe an , gleichwie aus einem Gewehr abgeschossenes
Wasser in einen Sprühregen feiner Theilcben verwandelt wird.
Noch neuerdings wies Rammelsberg für Vesuvasche der
Eruption 1872 von la Cercola durch Analyse nach, dass sie
nichts anderes sei als Lavapulver.
Bei der weissen Asche dagegen ist wohl kaum an ein
mechanisches Vertheilungsphänomen zu denken; sie ist im
Wesentlichen ein chemisches Individuum, welches durch einen
besonderen chemischen Process entstand.
Ist nun vielleicht auch für andere Aschen eine solche be-
sondere chemische Entstehungsweise anzunehmen? Ich halte
sie für möglich , aber vorläufig nicht bestimmt zu erweisen,
da die gleich näher zu erwähnenden Falle sich auch durch
mechanische Sonderung, sei es im Schlot, sei es ausserhalb
desselben, erklären lassen. C. W. C. Fuchs**) führt an, dass
Lava auch aus kleinen Krystallen und Krystallbruchstücken
bestehen könne, ohne sich indessen näher über die Entste-
hungsweise solcher Laven zu äussern. Er erwähnt Asche von
Guadeloupe von 1837 , die aus 32 pCt. Labrador und aus
Sanidin bestanden habe; Asche vom Aetna, die hauptsächlich
aus feinem Labradorpulver bestand. Soacchi***) beobachtete
bei der Eruption des Vesuvs von 1872 leucitische Asche und
behauptet, dass viele Vesuvaschen vorwaltend aus Leucit be-
ständen. Dies wurde zwar von Rammelsberg f) für Asche der
gleichen Eruption von La Cercola (s. oben) widerlegt, allein
*) Vergl. Naümann's Geognosie I. pag. 129; Zirkels Petrographie
II. pag. 569.
**) Vergl. Vulcan. Erscheinungen pag. 217.
***) Im Auszug in Zeitschr. d, d. geol. Ges. 1872.
f) Ibidem.
54
wenn auch aus Leucit bestehende Aschen zu den Ausnahmen
gehören, so ist es doch nicht unmöglich, dass an einem Ort
vorwiegend leucitische , z. B. durch mechanische Sonderung
entstandene, an anderen Orten die normale Asche, wie sie
Rammelsberg analysirte, niederßel. Nach Scacchi*) ist es
bekannt, dass bisweilen (z. B. 1845 — 1849) Eruptionen von
Leucitkrystallen stattgefunden haben. Er betrachtet sie nicht
als Neubildungen, sondern als von alten Laven herstammend,
die bei späteren Eruptionen von Neuem geschmolzen wurden.
In all den genannten Fällen handelt es sich um Mine-
ralien, die auch in den Laven der betreffenden Vulcane häufig
sind (Labrador in Aetnalaven , Leucit in Vesuvlaven). Be-
kanntlich sondert sich nun beim Niederfallen einer Asche der
feinere Lavastab häufig mechanisch und fällt, vom Winde
weggeführt, erst in grösserer Enfernung nieder. Je nach Korn-
grösse und Gewicht der Theilchen können modificirte Aschen
entstehen, die mineralogisch ganz anders zusammengesetzt sind,
als sie es anfänglich nahe der Kratermündung waren. Die
Beschaffenheit einer Asche wie sie abgelagert wurde, ist also
durchaus nicht identisch mit derjenigen , in der sie aus dem
Krater ausgeschleudert wurde. An eine mechanische, bereits
im Schlot erfolgende Sonderung ist bei denjenigen Mineralien
zu denken, die (wie es für einen Theil der Leucite jetzt wohl
fest steht) im Magma präexistirten und von den Gasen
emporgerissen, schlackenartig angehäuft und ausgeschleudert
wurden. **)
Die schneeweisse Asche von Vulcano dagegen ist gewiss
nicht durch mechanische Scheidung aus einem zerstäubten
Lavapulver erklärbar. Dem widerspricht die ausserordentliche
Reinheit der Substanz; ferner der Umstand, dass sie auf der
ganzen Insel mit derselben Beschaffenheit niederfiel, in einer
Mächtigkeit von stellenweis 4 Cm. Namentlich ist aber der
Tridymit, aus dem die weisse Asche hauptsächlich besteht
(vergl. pag. 57), nicht als wesentlicher Bestandtheil von neue-
ren Laven bekannt; er findet sich in den Trachyten zwar ver-
breitet, doch nur in kleinen Mengen. In den ungefähr gleich-
*) Zeitschr. d. d. geol. Ges. 1872.
**) Vergl. Heim: „Der Vesuv im April 1872", in dieser Zeitschr.
1873, pag. 35.
55
zeitig mit der Asche ausgeschleuderten Projectilen konnte ich
ihn im Dünnschliff nicht erkennen.
Ich betrachte daher diese Asche als eine Neubildung aus
dem Lavamagma oder dem Gestein der Schlotwandung.
Wie die Laven sich nicht eintheilen lassen, so ist es wohl auch
mit den Aschen des Fall; die weisse Asche zeigt indessen so viel,
dass nicht jede vulkanische Asche als Lavapulver (oder daraus
durch mechanische Sonderung entstanden) betrachtet werden
kann. Es erscheint vielleicht am zweckmässigsten, den Begriff
der vulkanischen Asche dahin zu erweitern, dass man alles
das darunter begreift, was von einem Vulcan ausgeworfen
wird, und in kl e i n en , festen Partikeln zu Boden fällt. Weiter-
hin kann man dann unterscheiden :
1) Mechanisch aus Lava, hauptsächlich durch Reibung
und Zerstäubung entstandene, gewöhnliche oder nor-
male Aschen.
2) Aschen, welche durch mechanische Sonderling aus
den vorigen entstanden. Dieselbe kann ausserhalb des Kraters
durch das verschiedene Gewicht der Theilchen und durch Wind-
strömungen erfolgt sein, oder schon innerhalb des Schlotes:
M o d ifi cirt e Aschen — hierher muthmaasslich Labrador-
und Leucit-Aschen.
Zu diesen zwei bereits bekannten Gruppen käme nun
eine dritte neue:
3) Aschen, deren Eigentümlichkeit die Annahme eines
besonderen chemischen Vorganges wahrscheinlich macht, die
also als wirkliche Neubildungen, z. B. als Reactionsproducte
der vulcanischen Dämpfe und Gase auf das Gestein der Schlot-
wandung oder das Magma zu betrachten sind. Hierher wahr-
scheinlich die weisse Asche des 7. September.
Ueber den besonderen chemischen Vorgang, durch den
die weisse Asche entstand, lassen sich verschiedene schwer zu
erweisende Annahmen machen.
Wenn in den vulkanischen Gasen Si Fl , enthalten ist,
so wird, wenn dasselbe mit Wasserdampf zusammenkommt,
nach bekannten chemischen Erfahrungen Kieselsäure und
Kieselfluorwasserstoffsäure entstehen, welch letztere sich unter
Umständen in Kieselfluormetalle verwandeln kann.
3 Si Fl4 + 4 H2 O = 2 H, Si Flfl + H4 Si 04
H8SiFla + R20 = R2SiFl6 +H20.
56
Hierbei entsteht allerdings amorphe Kieselsäure, während
die weisse Asche grösstentheils krystallinisch ist , allein nach
St. Clair Deville wird erstere beim Ueberleiten eines Stroms
von HCl und Wasserdampf krystallinisch.*) Die Bildung von
Fluorkiesel setzt die Abwesenheit von Wasser oder den disso-
ziirten Zustand derselben voraus. Si Fl4 wurde in Fuma-
rolen selbst nicht nachgewiesen, dagegen fand Roth**) Fluor-
gehalt in gelben Krusten am Rande von Lavafumarolen des
Vesuv.
Ferner kann die weisse Asche einem natürlichen Auf-
schliessungsprocess ihre Entstehung verdanken. Bekanntlich
besteht eine Methode der Aufschliessung von Silikaten darin,
dass man sie in geschlossenen Röhren bei höherem Druck mit
verdünnter Salzsäure oder Schwefelsäure behandelt. Im Schlot
eines Vulcanes sind Säuredämpfe, Wasserdampf und höherer
Druck vorhanden, somit alle Bedingungen, um aus dem Ge-
stein der Schlotwandung oder vielleicht aus der Lava selbst
Kieselsäure zu bilden, die dann weiterhin, wie oben ange-
geben, in den krystallisirten Zustand übergehen kann.
Kaum denkbar ist die Annahme, dass die Kieselsäure
präexistirt hätte. Man müsste ein Tridymit- oder Quarz-
führendes Gestein oder alte Lava annehmen, aus welchen
durch eine Art von Aussaigerung die schmelzbaren Bestand-
teile herausschmolzen, während die Kieselsäure zurückblieb.
Solche massenhaft Tridymit - führende Gesteine sind indessen
nicht bekannt und, wenn der Tridymit aus Quarz entstanden
wäre, sollten noch beträchtliche Mengen des letzteren, na-
mentlich auch halb umgewandelte Stücken zu beobachten sein,
was nicht der Fall ist.
Die wahrscheinlichste von den so eben angeführten Hypo-
thesen scheint mir noch die zweite zu sein, welche einen na-
türlichen Aufscbliessungsprozess annimmt. Für sie spricht der
Umstand, dass in der weissen Asche halbzersetzte graue und
*) Ich leitete durch ein böhmisches Glasrohr, in welchem sich ein
mit amorpher Kieselsäure gefülltes Schiffchen befand, feuchtes HCl. Die
Röhre wurde von unten durch HF.iNz'sche Brenner erhitzt. Es zeigten
sich unter dem Polarisationsmikroskop nur Spuren von Umwandlung. Die
Temperatur war also ungenügend. Spuren doppelter Brechbarkeit zeigt
auch die bei der Analyse erhaltene, im Platintiegel geglühte Kieselsäure.
**) Vergl. dessen Monogr. des Vesuv pag. 265.
röthliche Gesteinspartikel vorkommen, welche wohl die Mutter-
substanz der Asche darstellen; ferner dass die Asche ursprüng-
lich amorph gewesen zu sein scheint , da noch circa 5 pCt.
amorphe Kieselsäure darin enthalten sind. Dass eine solche
Aufschliessung vom chemischen Standpunkt aus leicht denkbar
ist, wurde schon erwähnt. Man kann sich leicht vorstellen, dass
während der Ruheperiode von 1786 — 1873, durch die fort-
währende Einwirkung gespannter Dämpfe auf das Gestein der
Schlotwandung, ansehnliche Mengen von Kieselsäure entstan-
den.*) Die erste grosse Dampfexplosion schleuderte den
Pfropfen hinaus. Namentlich spricht hierfür noch der Um-
stand, dass die weisse Asche die erste war; die normalen
grauen Aschen kamen später. Wenn dies allgemein zutrifft, so
können die weissen Aschen des Vesuv nicht wohl Kieselsäure
sein , da sie für das Ende der Eruption charakteristisch
sind. Die Untersuchung solcher heller Aschen wäre daher
wünschenswerth.
Erstaunlich ist freilich das Quantum der weissen Asche,
da sie ja 3 — 4 Cm. hoch die Umgebung des Vulcans bedeckte,
und sicherlich noch viel davon ins Meer gefallen ist. Um
dies allenfalls zu begreifen, müsste man sich die vulkanischen
Verbindungswege sehr vervielfacht denken.
Man kann noch fragen , warum bei anderen Vulcanen die
Eruptionen nicht auch mit weisser Asche beginnen. Eine
solche Erscheinung wäre doch (z. B. am Vesuv) schwerlich der
Aufmerksamkeit entgangen. Der lange S olfatare nzustand,
die Eigenthümlichkeit des Materials, mögen dazu beigetragen
haben, die Erscheinung auf Vulcano möglich zu machen.
4. Tridymit als vulcanische Asche.
Bei weiterer Untersuchung der oben beschriebenen weissen
vulcanischen Asche kam ich zu dem interessanten Resultat,
dass dieselbe nicht gewöhnliche Kieselsäure, sondern den durch
vom Rath**) entdeckten Tridymit darstelle. Ich gelangte zu
*) Nach Da üb ree entsteht aus Glas schon durch Einwirkung ge-
spannter Wasserdämpfe bei höherer Temperatur krystallinische Kiesel-
säure.
**) Pogg. Ann. von 1868.
58
diesem unerwarteten Ergebniss, als ich das specifiscbe Gewicht
und die Löslichkeit in kohlensauren Alkalien bestimmte.
Da die Asche, wie oben angegeben, nicht rein ist, son-
dern Schwefel, Chloride und Sulfate enthält, so war es not-
wendig , dieselben zu entfernen. Nachdem ich die Asche
mechanisch sortirt, extrahirte ich sie nacheinander mit Schwefel-
kohlenstoff, Alkohol, Wasser und nochmals Alkohol. Hierauf
wurde bei einer Temperatur von 60 — 70° getrocknet. CS.,
zog ziemlich viel Schwefel aus.
Die Bestimmung des spezifischen Gewichts mit dem Pyk-
nometer ergab 2,208; G. Rose*) und vom Rath fanden für
den Tridymit 2,31.
Zur Löslichkeitsbestimmung wurde eine Auflösung von
1 Th. trocknem Natriumcarbonat in 3 Th. Wasser angewandt
und 20 Minuten lang im Kochen erhalten. Nach dem Filtriren
und Auswaschen ergab sich ein Gewichtsverlust von 6,23 pCt.
Der Tridymit ist nach Rose in Alkalien sehr schwer auflös-
lich**), die 6,23 pCt. mögen daher zum grösseren Theil auf
Rechnung von beigemengter amorpher Kieselsäure kommen.
Daher erklärt es sich auch, warum das gefundene specifiscbe
Gewicht für Tridymit etwas zu niedrig ist.
Auch deutet die Beimengung amorpher Säure darauf hin,
dass der Tridymit hier überhaupt aus der amorphen Modifi-
cation durch höhere Temperatur oder Einwirkung von Säure
und Wasserdämpfen entstanden ist.
Eine unlösliche Kieselsäure von so niedrigem specifischem
Gewicht kann nur Tridymit sein; es kam nur noch darauf an,
das Verhalten im polarisirten Licht zu untersuchen.
Herr Prof. Roth, dem ich eine Probe der weissen Asche
zuschickte, hatte die Güte, mich darauf aufmerksam zu machen,
dass die Asche doppelt Brechendes enthalte. Ich überzeugte
mich dann selbst, dass die Menge des Doppeltbrechenden sehr
bedeutend ist. Beobachtet man bei gekreuzten Nicols ver-
gleichsweise amorphe analytische Kieselsäure und den gerei-
nigten Tridymit, , so bleibt kein Zweifel über die Natur des
letzteren. Auch Farbenerscheinungen treten auf, die wohl von
Tridymit herrühren. Dagegen gelingt es nicht, in dem feinen
*) Berichte d. d. ehem. Ges. 1869, pag. 390.
**) Ibidem.
59
rer ausgebildete Krystalle oder auch nur deutlich begrenzte
Krystallflächen wahrzunehmen.
Bekanntlich ist der Tridymit durch vom Rath, Sandberger
u. a. an verschiedenen Orten aufgefunden worden, so z. B. in
Mexico, im Siebengebirge, im Trachyt der Euganeen bei Pa-
dua, aufSantorin, Als vulkanische Asche hatte man ihn aller-
dings noch nicht beobachtet. Fast immer war es aber trachy-
tisches Eruptivgestein, in welchem er sich vorfand. Begreiflich
wird es daher, dass ihn auch einmal ein Vulcan direct er-
zeugen und als Asche ausschleudern konnte , um so begreif-
licher, wenn man bedenkt, dass nach G. Rose*) Tridy-
mit besonders gern aus Schmelzflüssen sich bildet, dass er
aus Quarz wie aus amorpher Kieselsäure bei höherer Tempe-
ratur sich erzeugt. Wo anders sind diese Bedingungen besser
gegeben als bei Vulcanen und man muss sich nur wundern,
dass nicht auch andere Vulcane schon Tridymit lieferten.
Bemerkens werth ist noch die Massenhaftigkeit dieses Tri-
dymitvorkommens (siehe oben), wenn man bedenkt, in welch
kleinen Quantitäten (in Spalten und Drusen der Trachyte) bis-
her das Mineral auftrat. Besitzt doch manche Sammlung noch
kein gutes Handstück desselben!
Schliesslich noch eine allgemeine Bemerkung über die be-
handelten Producte und ihr Verhältniss zu den älteren Erzeug-
nissen des Vulcanokraters.
Herr Prof. J. Roth, der erfahrene Kenner der italienischen
Vulcane, machte mich gelegentlich darauf aufmerksam , dass
frühere Autoren von doleritischen Vorkommnissen auf Vulcano
sprechen. In der That beschreibt Hoffmann**) melaphyr-
ähnliche Laven vom Mte. Saraceno und säulen- und kugelförmig
abgesonderte Augitlabradorlaven von Vulcanello. Mit Bezug
auf Lipari bemerkt er, dass daselbst Feldspath- und Glaslaven
den augitführenden gefolgt seien.
Olfenbar gilt nun das Letztere auch für Vulcano. Die
neueren und neuesten Producte sind trachytischer Natur und
*) Berichte d. d. ehem. Ges. 1869 pag. 393., vergl. auch H. Rose :
Pogg. Ann. 108. pag. 7.
**) Pogg. Ann. Bd. XXVI. pag. 65.
60
reich an Kieselsäure; das beweisen die Auswürflinge und
Aschen von 1873 und 1874. Früher wurden also im unter-
irdischen Laboratorium von Vulcano kieselsäureärmere Laven
erzeugt; jetzt dagegen ist der Vulcan in einem sehr sauren
Stadium; er producirt kieselsäurereiche Producte, ja Kieselsäure
selbst. Noch für die neuere Zeit scheint sich eine Steigerung des
Kieselsäuregehalts zu ergeben, wenn man Abich's Analyse*)
des Gesteins der jetzigen Kraterwandung mit meinen Analysen
vergleicht. Er fand 70,50 pCt. Kieselsäure, während die
neuesten Projectile 73,8 pCt. enthielten. Freilich müssten die
Analysen vervielfältigt werden, um diesen Schluss sicher zu
stellen; es würde sich dann auch zeigen, ob die Steigerung
im Kieselsäuregehalt continuirlich oder sprungweise erfolgt
ist, ob auch Mittelstufen zwischen Basiten und Aciditen vor-
handen sind.
Ob jetzt der Kieselsäuregehalt sein Maximum erreicht
hat, lässt sich nicht vorhersagen ; es ist möglich , dass später
die Producte wieder kieselsäureärmer werden, dass also auf
eine Periode stark saurer Laven, wie die jetzige es ist, eine
solche von basischen Laven folgt und demnach der chemische
Process im Herd in umgekehrter Richtung verläuft wie bisher.
Ergebnisse.
Der Erregungszustand auf Vulcano begann im August 1873
und dauerte bis ungefähr Ende December 1874. Es lassen sich
zwei Phasen der Thätigkeit unterscheiden , die durch eine
Periode verhältnissmässiger Ruhe (von Mitte Februar 1874
bis Anfang Juli) von einander getrennt sind. Bemerkenswerth
ist die unter heftigen Bodenerschütterungen erfolgte Bildung
einer neuen Bocca an der Ostseite des Kraters; das Auftreten
grün gefärbter Flammen ; die intermittirende oder rytbmiscbe
Thätigkeit während der ersten Phase und am Ende der zweiten
Phase, ähnlich wie auf Stromboli. — Bildung zweier neuen
Boccen auf Stromboli.**)
*) Roth's Gesteinsanalysen pag. 11.
**) Wenn diese Boccen am 15. Juli sich bildeten, während Hr. Picone
auf Vulcano 300 Stösse verspürte, ohne dass es jedoch zur Entstehung
Die Producte der Thätigkeit auf Vulcano waren Projec«
tile , Sande und Aschen ; zur Entleerung von Lava kam es
nicht. Den Reiehthum an Aschen hat diese Eruption mit der
von 1786 gemein, von welcher gleichfalls keine Lava er-
wähnt wird.*)
Die ausgeschleuderten Projectile sind Liparite (kieselsäure-
reiche Sanidintrachyte mit Hornblende). In offenen und geschlos-
senen Hohlräumen derselben findet sich Quarz, Hornblende,
Eisenkies und Magneteisen. Von diesen hier zweifellos pyroge-
nen Mineralien scheint der Quarz (wie auch Roth**) für den der
Vesuvbomben annimmt) aus dem Magma, die übrigen durch
Sublimation entstanden zu sein. Letzteres ergiebt sich daraus,
dass sie theils auf einander, theils auf den Quarzkrystallen
aufsitzen.
Die Aschen und Sande zerfallen in zwei Gruppen: Nor-
male graue (aus vertheilter, zerstäubter Lava bestehend), und
Aschen besonderer Art von schneeweisser Farbe.
Letztere sind vorwaltend Kieselsäure (94 pCt.) mit bei-
gemengten Chloriden und Sulfaten von Alkalien, alkalischen
Erden, Eisen, nebst Schwefel, wenig Magneteisen und ein-
zelnen Gesteinspartikeln.
Diese Asche scheint eine Neubildung aus dem Lavamagma
oder dem Gestein der Schlotwandung zu sein. Sie ist viel-
leicht durch einen Aufschliessungsprocess derselben, vermittelt
durch die sauren Gase , bei höherer Temperatur und höherem
Druck entstanden.
Der gewöhnliche Begriff der vulkanischen Asche (Lava-
pulver) passt auf die weisse Asche nicht. Es wäre daher
vielleicht zweckmässig, unter Asche (Sand) alles das zu ver-
einer Bocca kam , so liesse sich daraus ein Zusammenhang zwischen den
beiden Ventilen der Liparengruppe folgern. Vulcano erfuhr dann wäh-
rend der zweiten Phase nur die Stösse; der eigentliche Ausbruch der
gespannten Dämpfe erfolgte auf Stromboli. Die vulcanische Thätigkeit
hätte dann nach Ablauf der ersten Phase (Mitte Februar 1874) von Vul-
cano nach Stromboli übergesetzt, d. h. vom Ende des südlichen Schen-
kels der dreistrahligen Liparen-Spalte zum nordöstlichen. Die erste Phase
hätte vorzugsweise auf Vulcano, die zweite auf Stromboli gespielt.
*) Spallanzani, Voyages dans les deux Siciles pag. 163. Die letzte
Lava (am Nordabhang) floss 1757.
**) Vergl. dessen Monographie des Vesuv pag, 387.
62
stehen, was von einem Vulcan in kleinen festen Partikeln
ausgeworfen wird, und dann zu den zwei bereits bekannten
Gruppen der Lavapulver und der mechanisch in- oder ausser-
halb des Schlotes gesonderten Aschen noch eine dritte Gruppe
hinzuzufügen, welche die chemischen Neubildungen (wie z. B.
die weisse Asche) in sich begreift.
Die Kieselsäure der weissen Asche ist grösstenteils nicht
die gewöhnliche, sondern Tridymit, was sich aus der Unlös-
lichkeit in Alkalicarbonaten, dem Verhalten im polarisirten Licht
und dem niedrigen specitischen Gewicht ergiebt.
Vielleicht bildete sich ursprünglich die amorphe Modifi-
cation, welche durch höhere Temperatur und saure Dämpfe
in Tridymit überging.
Da nach früheren Autoren auf Vulcano ältere kieselsäure-
ärmere Laven vorkommen, während jetzt die Producte kiesel-
säurereich sind, so scheint hier die Eigenthümlichkeit des vul-
canisch-chemischen Processes in einer Anreicherung bezüglich
des Kieselsäuregehalts zu bestehen. Aus Basiten sind Acidite
entstanden. Es ist möglich, dass in Zukunft der chemische
Process wieder in umgekehrter Richtung erfolgt.
Nachtrag.
In neuerer Zeit hat mir Herr Director Picone noch eine
Probe weisslicher Asche zugesendet, welche, wie er mir mit-
theilt, ebenfalls aus dem Krater von Vulcano ausgeschleudert
worden ist.
Die vorläufige Untersuchung ergab mir, dass diese Asche
vorwiegend aus Gyps besteht. Hier läge also wohl ein zweites
Beispiel jener oben aufgestellten neuen Gruppe vulcanischer
Aschen vor.
Solche Aschen könnte man vielleicht auch Solfataren-
aschen nennen, denn sie scheinen nur bei Solfataren möglich
zu sein, die nach langer Ruhezeit plötzlich wieder in Eruption
übergehen. Wahrscheinlich würde in einem solchen Falle auch
die Solfatara bei Neapel ähnliche Producte liefern.
Auch das Vorkommen der oben erwähnten Gypskrusten,
welche tapetenartig das Innere des Vulcanokraters überziehen,
erklärt sich nun besser wie vorher.
4. Ueber die Eisenerzlagerstätteii von El Pedroso
in der Provinz Sevilla,
Von Herrn Ferd. Roemer in Breslau.
El Pedroso ist der Name eines etwa acht geographische
Meilen nordöstlich von Sevilla in der Sierra Morena gelegenen
Städtchens oder Fleckens. Nach demselben hat sich eine
Gesellschaft benannt, welche sich die Ausbeutuug des in der
näheren und weiteren Umgebung des Ortes vorhandenen Eisen-
erzlagerstätten zur Aufgabe gestellt hat (Compania de minas
y fabrica de hierros del Pedroso). Ich hatte im Spätherbst
1872 und im Frühjahr 1873 Gelegenheit, diese Erzlagerstätten
in der angenehmen und kundigen Begleitung mehrerer Herren
aus Sevilla und Cadix und namentlich des Don Ajst.onio
Machado, Rektors der Universität Sevilla, dem ich für vielfache
wissenschaftliche Belehrung über das Land verpflichtet bin,
zweimal zu besuchen und die nachstehenden Beobachtungen
über die fraglichen Erzlagerstätten und die allgemeinen geogno-
stischen Verhältnisse zu sammeln.
Der Weg von Sevilla nach El Pedroso führt über die
Kohlengruben von Villanaeva del Rio. Um dahin zu gelangen,
fuhren wir zunächst einige Meilen auf der von Sevilla nach
Cordova führenden Eisenbahn bis zur Station Tocina. Von
hier setzten wir zu Pferde unsere Reise fort. Wir hatten zu-
nächst die fruchtbare Thalsohle des Guadalquivir quer zu
durchschneiden und gelangten , nachdem wir das Städtchen
Tocina hinter uns hatten, bald an den hier zwischen hohen
Lehmwänden in tief eingeschnittenem Bette rasch dahin fliessen-
den Strom, der mit seinem trüben gelben Wasser einen nicht
gerade schönen Anblick gewährt. Wir überschritten denselben
auf einer Fähre. Bald darauf näherten wir uns der Thalwand,
welche zugleich den südlichen Fuss der Sierra Morena bildet.
Kalkige Tertiär-Schichten setzen dieselbe hier, wie überhaupt
im unteren erweiterten Thale des Guadalquivirs zusammen.
64
Durch grosse Clypeaster*) (Clyp. gibbosus M. de Serres) Ostrea
crassissimahÄM. und andere Fossilien bestimmen sich dieselben
leicht als miocan. Das untere Thal des Guadalquivir bis
gegen Cordova hinauf war in der mittleren Tertiär - Zeit ein
von der alten Gebirgsmasse der Sierra Morena einerseits und
der Berge von Ronda und Jaen andererseits begrenzter Meer-
busen.
Noch eine kurze Strecke und wir befanden uns mitten
zwischen den Halden zahlreicher Steinkohlenscb'ächte. Es ist
das Kohlenbecken von Villanueva del Rio. Aechtes älteres
Steinkohlengebirge mit Calamiten , Lepidodendren und Farrn-
kräutern. Die groben Sandsteine und weissen Quarz-Conglo-
merate gleichen durchaus solchen von Waldenburg und anderen
deutschen Kohlenbecken. Das Becken ist von ganz beschränk-
tem Umfang. Es ist eins der ziemlich zahlreichen kleinen
Steinkohlenbecken, welche in dem Bereiche der älteren Schiefer-
gebirgsmasse der Sierra Morena vereinzelt und ohne Zu-
sammenhang untereinander auftreten. Ein anderes lernten wir
später nördlich von San Nicolas kennen. Hier sind die Kohlen
bisher nur durch Bohrungen nachgewiesen , aber bisher nicht
ausgebeutet. Das bedeutendste derselben ist dasjenige von
Beimez, nordwestlich von Cordova, welches neuerdings durch
eine Eisenbahn aufgeschlossen, einen grossen Bedarf an Kohlen
zu befriedigen im Stande sein soll. Das kleine Becken von
Villanueva del Rio liefert bisher nur ein geringes Quantum
von Kohlen. Bei einem regelmässigeren und planvolleren
Bergbau Hesse sich aber gewiss die Production bedeutend
steigern. Gleich nordwärts von den Kohlengruben treten wir
nach Ueberschreitung des schmalen Thaies der Huesna in das
Gebiet versteinerungsloser Schiefer — Glimmerschiefer und
halbkrystallinischer Thonschiefer ein. An Aufschlüssen des
Gesteins fehlte es nicht, denn wir folgten zum Theil der
fast vollendeten Eisenbahn, welche an mancher Stelle tief in
die schiefrigen Gesteine einschneidet. Es ist dies eine Eisen-
bahn, die das breite Gebirgsland der Sierra Morena quer durch-
*) Ein dort gesammeltes und in dem hiesigen Museum niedergelegtes
Exemplar misst 21 Cm. in der Länge, 19 Cm. in der Breite und 11^ Cm.
in der Höhe. Es ist das grösste mir bekannte Exemplar eines fossilen
oder lebenden Echiniden überhaupt.
65
schneidend, Andalusien mit Estremadura verbinden soll. Von
Tocina, wo sie in die Bahn von Sevilla nach Cordova ein-
mündet, bis zu dem Städtchen El Pedroso fanden wir diese
Bahn bereits nahezu vollendet, so dass ihre baldige Eröffnung
erwartet wurde.
Ein Ritt von fünf Stunden durch ein einsames, mit den
mehrere Fuss hohen Stauden von Cistus- Rosen bewachsenes
Bergland brachte uns zu der Fabrica, d. i. dem etwa 6 Kilo-
meter nordöstlich von El Pedroso gelegenen Hüttenwerke der
Gesellschaft. Hier nahmen wir für einige Tage unseren .Auf-
enthalt, um die in der Nähe gelegenen Erzlagerstätten zu be-
suchen. Einen bequemeren und angenehmeren Mittelpunkt für
diese Excursionen hätten wir nicht haben können. Das Hütteu-
werk ist nämlich am Fusse eines hohen bewaldeten Berg-
rückens im Thale der Huesna, eines wasserreichen klaren
Bergstroms, sehr anmuthig gelegen und bot in der weitläuf-
igen Beamtenwohnung alle Bequemlichkeiten des Lebens, die
man sonst in dem einsamen Berglande weit und breit ver-
gebens suchen würde.
Die in der Nähe gelegenen Erzlagerstätten sind theils
solche von Hämatit oder Rotheisenstein , theils von Magnet-
eisenstein.
Wir besichtigten zunächst die ersteren, die sich auf der
Höhe eines mit Korkeichen bestandenen, steil abfallenden
Bergrückens befinden. Es sind aufgerichtete Lager im Glimmer-
schiefer. Die erste Grube, zu welcher wir kamen, heist Juan
teniente. Es ist ein Tagebau auf der Spitze eines bewal-
deten Bergkegels. Das senkrecht stehende Erzlager ist hier
4 bis 5 Meter mächtig , in Glimmerschiefer eingelagert und
scharf durch denselben begrenzt, von Südost gegen Nordwest
streichend. Das Erz ist ein feinkörniger Eisenglanz in dichten
Rotheisenstein übergehend. Nur hin und wieder von kleinen
Quarzadern durchzogen und selten durch fein eingesprengten
Schwefelkies verunreinigt, erscheint das Erz in den grossen
durch die bisherige Förderung schon entstandenen Weitungen
fast ganz gleichartig Von diesem Hauptaufschlusspunkt lässt
sich das Erzlager an dem Abhänge des Berges in ungefähr
gleicher Mächtigkeit gegen 600 Meter weit verfolgen. Bei
dieser Ausdehnung und Mächtigkeit würde sich schon durch
Zeits. d. D. geol. Ges. XXVII. 1 . 5
66
blossen Tagebau ein ungeheures Quantum Erz aus diesem ein-
zigen Erzlager gewinnen lassen.
Nun sind aber in demselben Höhenzuge noch mehrere
ähnliche Lager vorhanden. Zwei derselben, Rosalina und
Monte agudo , hat man auch bereits auszubeuten angefangen,
aber die geringe Förderung steht in keinem Verhältniss zu der
Massenhaftigkeit des Erzvorraths. Die Lagerungsverhältnisse
und die Eigenschaften des Erzes sind deren von Juan teniente
ganz ähnlich. Bei der Grube Monte agudo kann man das Erz
an dem steilen Abhänge des Berges herabstürzen und wird es
leicht zur nahen Eisenbahn schaffen können.
Von nicht minderem Reichthum und von grösserem geolo-
gischen Interesse sind die Lagerstätten von Magneteisen. Die
Gesellschaft besitzt zwei Gruben dieses Erzes, Navalazaro und
Navalostrillos bei Pedroso. Die erstere ist etwa 3 Kilometer
südlich von dem Städtchen in einem flach hügeligem Land-
striche gelegen. An dem Fusse eines Hügels, wenige Fuss
über der Thalsohle ist hier ein grosser steinbruchsartiger Tage-
bau im dünngeschichteten Gneiss geöffnet, durch welchen das
Erz in einer Mächtigkeit von 6 bis 8 Meter aufgeschlossen ist.
Es ist ein aufgerichtetes Lager im Gneiss. Das Erz ist ein
krystallinisch-körniges bis dichtes Aggregat von Magneteisen.
Brauner Granat und grüner Pistazit (Epidot) sind häufige Be-
gleiter des Erzes. Das ganze Verhalten der Lagerstätte erinnert
lebhaft an dasjenige von Arendal in Norwegen. Kleine Schürfe
und natürliche Entblössungen schliessen das Erz an vielen
anderen Stellen auf den umgebenden Hügeln auf. Offenbar
sind hier mehrere Lager desselben vorhanden und es liesse sich
hier gewiss bei genügenden Aufschlüssen eine beliebig grosse
Quantität des vortrefflichsten Erzes durch blossen Tagebau
gewinnen.
Die andere Grube Navalostrillos , etwa 8 Kilometer
nördlich von Pedroso gelegen , zeigt weniger deutliche Auf-
schlüsse. Das Gestein, welchem das Erz hier untergeordnet
ist, ist stark zersetzter dünngeschichteter Gneiss. Gänge von
Pegmatit durchziehen denselben. Die handgrossen blättrigen
Partieen von schönem tombakbraunem Glimmer, welche man
an der Oberfläche antrifft, rühren aus solchen Gängen her.
Auch 3 Zoll dicke, plattenförmige Stücke von hellgrauem dich-
tem Feldspath, welche lose in der Oberfläche bemerkt wurden,
müssen von einem gangartigen Vorkommen im Gneiss her-
rühren. Ganz in der Nähe der Grube liegen grosse Blöcke
von grünschwarzer Hornblende umher. Ihr Aussehen erinnert
ganz an dasjenige der Magneteisenstein - Lager von Arendal.
Zum Theil sind diese Blöcke von Hornblende von feinen
Schnüren von Magneteisen durchzogen.
Besonders bemerkenswerth sind noch gewisse serpentin-
ähnliche und opalartige Massen , welche das Ausgehende des
Erzlagers bedecken. Kopfgrosse Stücke von gelbbraunem Halb-
opal, lebhaft an den Halbopal von Quegstein im Siebengebirge
erinnernd, sind nicht selten. Noch häufiger sind verschie-
dentlich gestaltete Knollen von dunkelgrauer Farbe und mit
ganz mattem Wachsglanz auf dem flachmuscheligen Bruch,
welche zuweilen durch die zusammengedrückte Gestalt an
Menilit-Knollen eriunern. Zuweilen uraschliessen diese Knollen
einen Kern vGn grünlichgrauem Serpentin. Der Serpentin
ist augenscheinlich ein Zersetzungsproduct der das Erzlager
begleitenden Hornblende und die Opale sind wieder aus jenem
hervorgegangen, wie auch in Schlesien bei Frankenstein und
in' der Umgegend des Zobten die Opale als Ausscheidungen
aus dem Serpentin den letzteren begleiten.
Augenblicklich ist die Erzgewinnung bei Navalostrillos
zwar nicht bedeutend, aber es ist nicht zu bezweifeln, dass
sich auch hier bei weiterer Aufdeckung des Erzlagers grosse
Massen von Erz durch blossen Tagebau würden gewinnen lassen.
Nun blieb uns noch die Besichtigung der Eisenglanz-
Gruben übrig. Diese liegen gegen 4 Meilen weiter nördlich
bei dem Dorfe San Nicolas. Wir brachen am folgenden Mor-
gen dahin auf. Der Weg dahin führt zuerst im Thale der
Huesna aufwärts und lenkt später in ein Nebenthal ab. Hier
wird das Ansteigen stärker und schliesslich gelangt man auf
ein Plateau, auf welchem ein isolirter Bergrücken sich erhebt.
Das ist der Cerro de chierro, der Eisenberg. Und in
der That, derselbe verdient seinen Namen. Denn sobald man
den mit Buschwerk bewachsenen Abhang des Berges hinanzu-
steigen beginnt, findet man schon den Boden überall mit faust-
bis kopfgrossen Stücken von einem metallisch - glänzenden
Eisenglanz bedeckt. Gelangt man aber auf die Höhe, so be-
kommt man erst die richtige Vorstellung von der Massen-
haftigkeit des Erzvorkommens.
5*
68
Es befindet sich hier ein grösserer steinbruchartiger Auf-
schluss, in welchem man den reinen lebhaft metallglänzenden
Eisenglanz in einer Mächtigkeit von 4 bis 6 Meter anstehen
sieht. Weisser krystallinisch-körniger Schwerspath , welchen
man auf den ersten Blick für krystallinischen Kalk oder Urkalk
halten köonte, begleitet das Erz und bildet zum Theil kleinere
Gänge in demselben. Das ist nun freilich wegen des Schwefel-
gehalts kein angenehmer Begleiter des Erzes. Allein eine
eigentliche Schwierigkeit kann er nicht bereiten, weil bei der
Massenhaftigkeit des Erzvorkommens reine Partieen des Erzes
sich leicht vollständig gesondert werden gewinnen lassen. Das
Erzlager geht steil nieder und streicht von Südost gegen Nord-
west. Das Nebengestein ist nicht deutlich aufgeschlossen, so
dass es nicht ganz klar, ob das Vorkommen als ein Gang oder
als ein aufgerichtetes Lager zu deuten ist. Die Begleitung
durch den Schwerspath spricht mehr für die erstere Annahme.
Der Rücken des Berges wird durch ein Haufwerk von lose
übereinander gestürzten , zum Theil hausgrossen Felsblöcken
gebildet. Bei näherer Untersuchung erweisen sich auch diese
Blöcke zum grossen Theil aus körnigem oder dichtem Eisen-
glanz bestehend. Wir ritten mehrere Kilometer weit dem Ab-
bange des Berges entlang und überall fanden wir den Boden
mit grösseren oder kleineren Stücken des Erzes bestreut.
Offenbar ist nicht ein einziges, sondern es sind mehrere mäch-
tige Lager vorhanden. In jedem Falle ist hier ein unerschöpf-
licher Erzvorrath vorhanden.
An vielen Punkten trifft man Spuren eines bedeutenden
ehemaligen Bergbaues an. Namentlich zahlreiche Pingen und
mächtige Schlackenhaufen. Durch einzelne Münzen und Werk-
zeuge, welche man gefunden, lassen sich diese Arbeiten auf
die Römer zurückführen. Es fragt sich nur, was die Römer
hier gegraben haben. Das Eisenerz kann es nicht gewesen
sein, denn dieses liegt überall zu Tage und es bedarf zu dieser
Gewinnung keiner schwierigen und kostbaren unterirdischen
Bauten. Wahrscheinlich sind es Kupfererze gewesen , welche
man in der Tiefe suchte. Wenigstens fand ich in einer der
alten Piugen ein kleines Stück Eisenglanz mit einem Anflug
von erdigem Malachit.
69
Das sind die verschiedenen Eisenerzlagerstätten , welche
der Pedroso Gesellschaft gehören. Wären dieselben in einem
der gewerbreichen Landstriche Mittel-Europas gelegen, so wür-
den sie längst eine grossartige Eisenindustrie hervorgerufen
haben. Hier sind sie kaum in Angriff genommen und nähren
nur eine einzige, wenig bedeutende Eisenhütte. Ist jedoch
einmal die vorher erwähnte Eisenbahn vollendet, so kann es
wohl nicht ausbleiben, dass dieser reiche Erzschatz gehoben
und für die Industrie nutzbar gemacht wird.
Uebrigens schliessen sich diese Eisenerzlager durch ihre
Massenhaftigkeit den anderen Erzlagerstätten auf dem Südabfalle
der Sierra Morena an, namentlich dem weltberühmten Zinnober-
Gange von Almaden und den unerschöpflichen Lagern von
kupferhaltigem Schwefelkies bei Rio Tinto und an anderen
Punkten in der Provinz Huelva. Nimmt man hinzu, dass
ausserdem zahlreiche grössere und kleinere Blei- und Kupfer-
erz-führende Gänge das Gebirge in allen Richtungen durch-
ziehen, so erscheint diese Gebirgsgegend in der Südwestecke
Spaniens als eines der metallreicbsten Gebiete Europas und
rechtfertigt den Ruf, den das südliche Spanien schon im Alter-
thum wegen seiner metallischen Reichthümer genoss.
70
5. lieber das Vorkommen von Nöggcrathia foliosa
Stbg. in dem Steinkohlengebirge von Obersehlesien
und über die Wichtigkeit desselben für eine Paralleli-
sirung dieser Schichten mit denen von Böhmen.
Von Herrn Ottokar Feistmantel in Breslau.
Hierzu Tafel V.
Es sei mir erlaubt , an dieser Stelle eines interessanten
Vorkommens einer Pflanzenart aus dem Ko hl e n g eb i r g e
von Ober Schlesien zu gedenken, die nicht nur interessant
als Pflanze selbst ist, da sie bis jetzt noch nicht mit Sicher-
heit in der lebenden Flora ihre analoge Form und ihre ganz
sichere systematische Stellung gefunden hat, sondern auch be-
sonders durch die Art und Weise ihres Auftretens. Da sie
nämlich in dem Bezirke ihres Vorkommens auf ganz bestimmte
Schichten sich beschränkt zeigte und immer unter denselben
Verhältnissen auf denselben Schichten auftrat , wurde sie für
diese bestimmten Schiebten , folgerichtig auch für die sie ent-
haltenden Flötzziige, charakteristisch und erwies sich bei der
Parallelisirung der einzelnen sie führenden Schichtengruppen
als maassgebend. Es ist dies nämlich die interessante Art
Nö gg er athia folio sa Stbg.
Bevor ich auf die Thatsache des Vorkommens in Ober-
schlesien übergehe, muss ich etwas weiter ausholen und vorerst
andere allgemeine Verhältnisse betreffs dieser Art erwähnen.
1) Vorkommen der N ö gg er athia foliosa Stbg.
in Böhmen.
Wie bekannt, ist die N ö g g er athia foliosa Stbg. bis
jetzt bloss aus dem böhmischen Kohlengebirge angeführt wor-
den und galt als eine speciell böhmische Art. Es ist also
um so interessanter, sie jetzt auch von einer anderen Stelle
kennen zu lernen.
Zuerst beschrieb sie Graf Sternberg in seinem grossen
Werke über die fossile Flora (Vers. d. Darst. einer Flora d.
Vorw.) und zwar Bd. I. fsc. 2. pag. 33.; ferner fasc. 4. pag. 36.
und bildete sie t. 20. ab.
Doch hat sie Sternberg wohl nicht selbst an Ort und
Stelle gesammelt, da die Fundortsangabe eine bloss ganz all-
gemeine und noch dazu unrichtige ist; denn er sagt betreffs
des Fundorts : „in schisto lithanthreucum in circulo Berau-
nensi." — Nun kann sich aber Jeder an dem Originalexem-
plare überzeugen, dass es dem Gesteine nach nur aus dem
Kladno-Rakonitzer Becken stammen kann, und es überhaupt in
der Umgegend von Beraun (südwestl. von Prag) keine Kohlen-
schichten giebt , in denen Nogg erathia foliosa Stbg. je
auch nur in einem Bruchstücke, gefunden worden wäre.
Diese allgemeine Fundortsangabe ging dann natürlich in
die folgenden allgemeinen Werke über fossile Flora über.
So finden wir dieselbe bei Göppert in seinen Gattungen
fossiler Pflanzen, wo er auf t. 12. f. 1. (Lief. 5 u, 6) aber-
mals ein Exemplar abbildet und in dem Texte Sternberg's
Fundortsangabe citirt. Doch scheint mir das Originalexemplar,
das Herrn Prof. Göppert vorlag und von mir in seiner jetzt
im mineralogischen Museum in Breslau deponirten Sammlung
besichtigt werden konnte, aus dem Radnitzer Kohlenterrain zu
stammen.
^Dieselbe unrichtige Fundortsangabe finden wir dann noch
bei Unger (Genera et species plant, foss. pag. 103) und auch
Schimper hat dieselbe in seinem Traite de pal. veget. II. p. 130
wieder citirt, noch dazu mit der Bemerkung „espece tres rare".
Dagegen war sie schon 1854 Ettingshausen aus dem
Radnitzer Kohlenterrain bekannt, und führt er sie in seiner
„Steinkohlenflora von Radnitz" (pag. 3. u. 58.) von Wrano-
witz im sogen. Braser Becken an. Doch fügt er nichts Nä-
heres über ihre Lagerung hinzu.
Im Jahre 1865 lieferte Prof. Geinitz (N. Jahrb. 1865 t. 3.)
abermals eine Abbildung des Blattes und eines dazu gehörigen
Fruchtstandes.
Doch erst etwas später erhielt sie ihre wahre Bedeutung.
Sie erwies sich nämlich bei näherem Studium und Vergleichen
72
der einzelnen Kohlenablagerungen in Böhmen für gewisse die-
ser Ablagerungen, d. h. für gewisse Schichten darin als cha-
rakteristisch, als bestimmend und ermöglichte auf diese Weise
eine Parallelisirung der einzelnen Kohlenablagerungen unter-
einander.
Zuerst wurde sie im Radnitzer Kohlenterrain häufig
gefunden, und hier wurde zuerst ihre Bedeutung erkannt.
Es stellte sich nämlich heraus, dass ihr Vorkommen da-
selbst auf ganz bestimmte Schichten beschränkt sei.
Dazu scheint es mir nothwendig, etwas über die Glie-
derung des Radnitzer Kohlen te rrai ns einzuschalten.
Das sogen. Radnitzer Kohlenterrain ist im SVV. von Prag,
näher jedoch an Pilsen, abgelagert und besteht aus einem
grösseren centralen Becken und aus mehreren kleineren , die
sich um das erstere gruppiren.
Die einzelnen Schichten, die dieses Kohlenterrain zu-
sammensetzen, ergeben sich folgendermaassen (von oben nach
unten) :
' 1. Eine bis 20' mächtige Schicht eines sehr kaolin-
reichen Sandsteins, der in der Gegend als Mörtel
gebraucht wird und den Localnamen „Moltyr"
führt. — Es ist eine ganz ständige, stets zu er-
kennende Schicht.
< 2. Thoniger Sandstein und Sandsteinschiefer, wenig
mächtig.
3. Schieferthon, meist weich und kohlenhaltig, bis 8'
mächtig; dies ist der Hangendschiefer des Ober-
flötzes und sehr petrefactenreich.
, 4. Das obere oder Hauptflötz, bis 6' mächtig.
' 5. Eine Reihe fester, feiner Schiefer, sogenannte
Schleifsteinschiefer; sie besitzen eine wechselnde
Mächtigkeit, die jedoch nie 8' übersteigt; aber-
mals eine sehr constante , stets zu erkennende
Schicht.
6. Eine gleichförmige körnige Sandsteinlage von circa
2' Mächtigkeit.
7. Das zweite oder untere Kohlen flötz, durch-
schnittlich 2' mächtig.
8. Eine Reihe Sandsteine, Conglomerathe und Schiefer-
thone ohne Kohlenfiötz.
73
Die Schichten 1. 2. 3. 4. bilden zusammen die sog. Ober-
flötzgruppe und ist dieselbe besonders charakterisirt durch
die „Moltyr"-Sandsteine und durch ein zweites Merkmal, das
ich alsbald ausführen werde.
Die Schichten 5- 6. u. 7 bilden zusammen die sog..Unter-
flötzgruppe und ist diese besonders charakterisirt durch
die Schleifsteinschiefer.
Die Schicht 8. endlich bildet die sog. kohlenflötz-
le ere Gruppe.
Das Vorkommen der N'öggerathia foliosa Stbg.
ist nun auf die Oberflötzgruppe beschränkt und zwar auf
das Bereich des Oberflötzes selbst. In diesem sind näm-
lich mehrere sogen. Zwischenmittel eingelagert, die sich im
Allgemeinen folgendermaassen gruppiren :
1. Obere Zwischemittel : Oberflötzchen und Firstenstein,
2. Mittlere Zwischenmittel : Flicka und Schrammflötz.
3. Untere Zwischenmittel: die sogen. Sohlendecken.
Nach den genauen Untersuchungen meines Vaters ist
nun iV ö g gerat hia foliosa Stbg. fast ausschliesslich
auf die oberen und mittleren Zwischenmittel be-
schränkt und hiermit für die Oberflötzgruppe
charakteristisch.
Auf Grund dieser Untersuchungen konnte nun dieses
Radnitzer Kohlenterrain auch mit dem Kladno-Rakonitzer
in Analogie gebracht werden.
Das Kladno-Rakonitzer Kohlenrevier, das im
Nordwesten von Prag abgelagert ist und das grösste Kohlen-
revier Böhmens darstellt, gliedert sich ähnlich wie däs Rad-
nitzer Kohlenterrain , nur dass hier noch ein Flötzzug hinzu-
kommt.
Die Gliederung desselben ist folgende:
L Hangendfl ötzzug — enthält ein Kohlenflötz,
das von der sogen. ,, Schwarte", einem Brandschiefer
überlagert wird , der permische Thierreste enthält.
Dieser Zug ist ohne Zweifel dem Rothliegenden zu-
zurechnen.
2. Liegend flötzzug. — Dieser enthält den Kohlen-
reichthum Böhmens und besitzt seiner ganzen Aus-
dehnung nach ein Kohlenflötz, das sog. Haupt-
74
flötz; dieses wird bis 5~f mächtig, variirt jedoch
in seiner Mächtigkeit bedeutend. Bis zum Hangend-
zuge wird es überlagert von einer Reihe von Sand-
steinen, Conglomeraten und Schiefern.
Unter dem Hauptflötze folgen nun noch Sandsteine und
sandige. Schieferthone , die zum grössten Theil direct auf dem
Grundgebirge auflagern, zum geringeren Theile aber noch ein
zweites Flötz einschliessen, das sogen. Grundflötz.
Das Haupt flötz enthält, ähnlich wie das Radnitzer
Oberflötz, einzelne constante Zwischenmittel, die charakte-
ristisch für dieses Flötz in seiner ganzen Ausdehnung sind.
Es sind dies vornehmlich zwei, neben welchen sich natürlich
immerhin noch andere loeale entwickeln können.
Diese Z w i s c h en m i 1 1 el führen nun namentlich
in der Gegend von Rakonitz, also im westlichen
Theile der ganzen Ablagerung, einen ziemlichen
Reichthum an P fl anz e np e tr e f ac t en , darunter auch
ziemlich zahlreiche Exemplare von N'öggerathia
foliosa Stbg., die auch nur auf diese Schichten des Haupt-
flötzes beschränkt bleibt.
Durch dieses Merkmal wird nun das Kladno-Rako-
nitzer HauptflÖtz mit der Radnitzer Hauptflötzgruppe
in gleiches Niveau gestellt; das Grundflötz, das einem
Theile des Kladno-Rakonitzer Terrains abgelagert ist, ist dann
wohl analog dem Radnitzer Unterflötz.
Die N ö g g erathia foliosa Stbg. vermittelt also zwischen
diesen beiden Ablagerungen die Parallelisirung.
Durch zwei andere Merkmale stellt sich dann die Rako-
nitz er Ober flötzgruppe analog dem Liegendflötzzug der
Pilsner Ablagerung.
Ich habe bei der Gliederung des Radnitzer Kohlengebirges
des M olt yrsandstei ns als einer ständigen Schicht erwähnt;
ausserdem ist von den Zwischenmitteln des Oberflötzes
eines derselben, nämlich das sogen. S c h ram m flötz , charak-
terisirt durch das Vorkommen gewisser kleiner, wurmförmiger
Körperchen, die dem Schieferthone ein gewisses körniges Aus-
sehen geben, das ganz charakteristisch ist.
Diese beiden Merkmale fanden sich nun jüngster Zeit
auch im Li eg e n d f 1 ö t z b er e i c h e der Pilsner Ablagerung,
wodurch dieses mit der Ober flötzgruppe bei Radnitz in
75
Analogie gestellt wird , jedoch zugleich auch mit dem Zuge
des Hauptflötzes bei Kl adno-Rakonitz, da ja letzteres
durch das Vorkommen der N ögg eratliia foliosa Stbg. mit
der Radnitzer O b e r f 1 ö tz g r u p p e auf gleiches Niveau
gebracht ist.
N ö g g er athia foliosa Stbg. erwies sich also für
die Parallelisirung der westlich von der Moldau
abgelagerten Kohlenbas sains als maassgebend.
2. Vorkommen der N Ö g g er athia foliosa Stbg. in
Oberschlesien.
Die Kenntniss von diesem interessanten Vorkommen in
Oberschlesien verdanke ich der Einsicht in die reichhal-
tige Sammlung des Herrn Göppebt, deren Einordnung in die
Sammlungen des mineralogischen Museums der Universität
Breslau unter Leitung des Herrn Roemer eine für mich sehr
lehrreiche und nutzbringende Aufgabe war.
Neben vielen anderen interessanten Petrefacten aus Ober-
schlesien fanden sich nun bis jetzt auch drei Exemplare
dieser interessanten Pflanzenart vor; sie tragen alle ziemlich
genaue Angaben betreffs des Fundortes und des Vorkommens.
Zwei tragen die Etiquette mit der Aufschrift (von Göppert's
Hand geschrieben): ,, Leopoldsgrube in Oberschlesien4'; das
dritte trägt die Angabe noch viel genauer und zwar (auch von
Göppert's Hand): „Vom Leopold flötz der Leopolds-
grube bei Ornontowitz in Oberschlesien".
Ich habe zwar bis jetzt nicht Gelegenheit gehabt, mich
näher über die Lagerungs- und Gliederungsverhältnisse des
Leopold fl ötzes der Leopoldsgrube zu orientiren , nur
soviel ist mir bekannt, dass dieselbe dem sogen. Nicolaier
Revier oder dem vierten Flötzzuge der oberschlesischen
Kohlenflötze oder den hängendsten Flötzen angehört. Es ist
überhaupt in Oberschlesien sehr schwer, sich in der grossen
Anzahl und der grossen Mächtigkeit der Kohlenflötze auszu-
kennen; doch genügt in der That die angeführte Angabe, wo-
durch also zunächst nur der vierte Flötzzug (Nicolaier Re-
vier) in Betracht gezogen werden kann.
Besonders bedauere ich , dass ich nicht angeben kann,
ob das Gestein , worauf diese Art aus Oberschlesien erhalten
ist, einem Zwischenmittel angehört oder nicht — aber ich
76
würde nach der Beschaffenheit des Gesteins sehr geneigt sein,
zu glauben, dass dasselbe in der That eine Zwischenmittelschicht
sei. Dies wird sich wohl später genauer feststellen lassen ;
es ist interessant genug, wenn das Vorkommen so genau con-
statirt werden kann.
N ö g g er athia foliosa Stbg. ist nun auch in Ober-
schlesien in dem Nicolaier Revier vorgekommen
und wird wohl in dem Kohlenbereiche Ober-
schlesiens, wenn sie noch von anderen Orten be-
kannt werden sollte, von ähnlicher Wichtigkeit für
diese Ablagerung sein, wie für die böhmischen. —
Ich habe eines dieser oberschlesischen Exemplare abgebildet
(siehe Tafel V.).
3. Folgerungen aus dem bisjetzt Angeführten.
Das Vorkommen der N'öggerathia foliosa Stbg. in
Oberschlesien ist nicht bloss ein local wichtiges, sondern auch
mit Bezug auf die Ablagerungen des benachbarten Böhmens.
Wenn wir nämlich berücksichtigen, dass diese Art sowohl
in dem ßadnitzer K o h 1 e n te r r a i n als auch in der
Klad no- Rako ni tz er Ablagerung einen bestimmten Horizont
eingenommen hat und eben dadurch charakteristisch für diese
Schichten und für die Parallelisirungen jener Ablagerungen,
in denen sie vorkommt, maassgebend wird, so kann man wohl
für die obersch lesis ch e Art, die mit der böhmischen
völlig ident ist, wohl dasselbe annehmen; es wird sich aus
dem Gesagten wohl ergeben, dass jener Antheil
des oberschlesischen Ko hl e n t err ai n s , welcher die
Schichten enthält, in denen die N'öggerathia foliosa
Stbg. erhalten vorkommt, mit den eben betrach-
teten K ohl e n a bl a g er u n ge n in Böhmen, die durch
diese Art charakterisirt werden, analoger Bildung
sein d ü r fte n.
Es ist daher das Vorkommen der N'öggerathia in Ober-
schlesien von einer nicht geringen Wichtigkeit.
Bevor ich noch zur näheren Besprechung der NÖgge-
rathia foliosa Stbg. aus Oberschlesien gelange, will ich
noch einige allgemeine Bemerkungen vorausschicken.
77
1. scheint mir die N'ögg. foliosa Stbg. neben der eng-
lischen Nögg. ßabellata L. u. H. die einzig gerechtfertigte
Art dieser Gattung. Alle die übrigen Exemplare mit den ein-
zelnen langen, parallel gestreiften Blättern, wie Nögg. palmae-
formis, Nögg. platynervia, Nögg. crassa etc. — würde ich eher
geneigt sein, zu der Gattung Cordaites zuziehen, die immerhin
mit Nöggerathia zu derselben Familie gehören mag; denn die
Stellung von Cordaites ist ebenso unentschieden , wie die der
Nöggerathia. Denn es hält wohl schwer zu entscheiden, welche
von den zwei in neuester Zeit vertretenen Ansichten: Nöggera-
thia sei eine nacktsamige Dicotyle (Geinitz, N. Jahrb. 1865)
oder sie sei eine Monocotyledone (Weiss 1870, Verhandl.
des naturhist. Vereins für d. preuss. Rbeinl. u. Westf. pag. 63),
die richtige sei.
Als das rationellste würde es mir scheinen , sie gleich
hinter den Sigillarien am Anfang der Cycadeen, in einer
eigenen Familie der NÖ g g erathi eae anzuführen, wo neben
Nöggerathia noch Cordaites zu stehen käme.
Im Anschluss an Cordaites werden dann die anderen
oben erwähnten ebenfalls als Nöggerathia beschriebenen Exem-
plare mit den langen Blattern als ,,species incertae44 anzu-
führen sein.
2. Hess die Gattung Nöggerathia (in dem wahren eigent-
lichen Sinne) einige Entwickelungsverhältnisse beobachten,
Die echte N ö ggerathia foliosa Stbg. hat nämlich keil-
förmige abgerundete Blätter , deren runder Rand höchstens
gezahnt ist; man beobachtet auch Exemplare mit ganzem
Rande, aber feine Zähnelung ist auch keine Abnormität.
Nun kam seiner Zeit bei Bras ein Exemplar vor, das
im Ganzen an Nöggerathia foliosa Stbg. erinnerte, aber
dessen Rand bis zum Drittel gespalten war. — Dies Exem-
plar kam nur einmal bei Bras vor, und zwar in derselben
Schicht, wie die Nögg. foliosa Stbg.; mein Vater, der dies
Exemplar aufgefunden hatte, nannte es Nöggerathia inter-
media K. Fstm., um anzudeuten, dass diese Art gleichsam in
der Mitte zwischen der nur gezähnten Nögg. foliosa Stbg.
und der ganz tief gespaltenen NÖgg. speciosa Ettgh. steht
(wenn letztere überhaupt eine Nöggerathia ist). —
Siehe Ettingshausen , Steinkohlenflora von Radnitz 1854.
pag. 58.
78
Später kamen dann bei Rakonitz ebenfalls nrit der Nögg.
foliosa Stbg. ziemlich zahlreiche Exemplare der sog. N'ögg.
intermedia vor, die deutlich zeigten, dass diese Art wohl
ebenfalls zu Nöggerathia gehöre; sie hat im Grossen und
Ganzen fast dieselbe Blattform, nur ist sie etwas länglicher;
die Stellung der Blatter ist dieselbe, aber der Rand ist bis
zum Drittel, und manchmal noch etwas weiter gespalten. —
Ich bilde ein gutes Exemplar von Rakonitz auf Tafel V. ab.
— Was diese Heste anbelangt, so ist es immerhin gestattet,
sie des Verständnisses wegen unter dem obigen Namen be-
stehen zu lassen; aber mir scheint nicht, dass sie eine ganz
selbstständige Art vorstellt ; ich würde sie eher als eine Va-
rietät, die durch irgend welche Verhältnisse bedingt wurde,
auffassen; denn es ist ja sehr leicht denkbar, dass sie unter
gewissen Bedingungen sich nur kümmerlich entwickeln konnte
und dass dann die Zähnelung der N ögg erat Iii a foliosa
^Stbg. zur tieferen Spaltung wurde, die dann unter der Form
auftritt, wie sie durch den Namen N'ögg. intermedia
K. Fstm. veranschaulicht werden soll.
Betreffs N'ögg. speciosa Ettgh. ist es sehr zweifelhaft,
ob sie zu Nöggerathia gehört.
Es würde daher Nöggerathia auch in morphologischer
Beziehung interessant sein , da sie wohl aus einer Grundform
(Nögg. foliosa Stbg.) infolge gewisser Bedingungen eine an-
dere Form entwickelte (Nögg. intermedia K. Fstm. , siehe Ab-
bildung).
Fam.: N Ögger athieae.
Nöggerathia foliosa Stbg. Taf. V. Fig. 1.
1822. Sternberg, Vers. I. fsc. 2. pag. 33.
1825. Sternberg, ibid. fsc. 4. pag. 36 t. 20.
1841. Göppert, Gattung, foss. Pfl. Heft 5. u. 6. t. 12. f. 1.
1850. Unger, genera et sp. plant, foss. pag. 57.
1854. Ettingshausen, Steinkohlenflora von Radnitz pag. 58.
1865. Geinitz, Steinkohlen Deutschlands und anderer Län-
der Europas pag. 315.
1865. Geinitz, N. Jahrb. t. 3. f. 2.
1869. Schimper, Traite de pal. veget. II. p. 130. und Abbild.
1869. K. Feistmantel, Archiv für naturhist. Durchforschung
von Böhmen, geolog. Sect. pag. 83. u. 89.
79
1870. Weiss, Verhandl. des naturhist. Vereins für Rheinl.
u. Westf. pag. 63.
1874. O. Feistmantel, Steinkohlen- u. Permablager. im NW
von Prag pag. 101. t. 2. f. 1.
Es lagen mir drei Exemplare von Oberschlesien vor,
worunter besonders zwei durch ihre Vollkommenheit sich aus-
zeichnen; das eine habe ich abgebildet.
Das eine Exemplar ist ziemlich gross; es lagen aber nur
auf der einen Gesteinsfläche diese Pflanzenreste, aber ziemlich
zahlreich zerstreut. Unter diesen zeichnen sich aber zwei
nebeneinander liegende Blattwedel durch ihre Länge aus; sie
sind 10-11 Cm. lang und zählen bis je 7 Blättchen auf einer
Seite. Die Blättchen haben ganz dieselbe Form, wie die in
Böhmen vorkommende Art , sind keilförmig mit gerundetem
Rande, der in diesem Falle etwas gezahnt ist; die Nerven
laufen gegen den Winkel zusammen. Die Blätter sitzen alle
alternirend.
Das zweite, kleinere Exemplar, das ich abbilde, stellt
ein . Blattwedelstück von 14 Cm. Länge dar; auf jeder Seite
sind 5 Blättchen in alternirender Stellung; das oberste (rechts)
ist zerrissen und es scheinen also zwei schmäler zu sein.
Die Form ist im Wesentlichen dieselbe, wie bei dem grösseren
Exemplare, nur sind sie etwas grösser und breiter, da das
ganze Stück entweder einer älteren Pflanze angehört, oder der
untere Theil von einem grösseren Blattwedel ist. Ausserdem
ist hier der Blattrand ganz deutlich ungezähnt.
An diesem Exemplare ist auch deutlicher die Anheftung
der Blätter zu sehen ; es scheint, dass sie nicht eine derartige,
dass die Blätter bestimmt geformte Narben nach dem Abfallen
zurückliessen.
Das Gestein , worauf diese Pflanzenreste sich erhalten
haben, ist ein weicher, thoniger Schiefer, von sehr geringer
Consistenz, so dass er, mit Wasser in Berührung gebracht,
bald zu einem Brei wird. — Er ist grau, mit einem Stich ins
grünlich-gelbe.
Es ist derselbe Schiefer, wie er auch von der Agnes-
Arn an da- Grube bekannt ist, wo er ebenfalls zahlreich Pe-
trefacte enthält. Allem Anschein nach ist es in beiden ge-
nannten Gruben dieselbe Schieferschicht, und scheint es mir
80
nach Allein eine Zwisehenmittelschicht zu sein. — Vielleicht
dürfte sie für die Parallelisirung nicht ohne Wichtigkeit sein.
Vorkommen: Leopoldflötz der Leopoldgrube bei
Ornontowitz in Oberschlesien, ausserdem im Radnitz er
und Kla dno-Rakonitzer Kohlengebiet in Böhmen.
Zu dieser Art dürfte dann als irgend ein Entwickelungs-
stadium gehören die
N ö g g er athia intermedia K. Fstm. Taf. V. Fig. 2.
1868. K. Feistmantel, Beobachtungen über einige fossile
Pflanzen aus dem Radnitzer Becken, in Abhandl.
der k. böhm. Gesellsch. der Wissensch, t. 1. f. H.
1874. O. Feistmantel, Steinkohlen- und Permablager. im
NW von Prag; Abhandl. der k. böhm. Ges. etc.
t. 2. f. 2. pag. 102.
Bhacopteris Raconicensis Stur, Samml. d. k. k. geol. Reichsanst.
Diese Art habe ich zum Vergleiche mit der vorigen her-
gezogen und abgebildet, da ich sie ja schon früher als ein
Entwickelungsstadium derselben erwähnte. Diese ist bis jetzt
nur auf Böhmen beschränkt, kam aber in denselben Schichten
und A blagerungen vor, wie die Nögg er athia foliosa Stbg.,
aber natürlich etwas seltener , namentlich bei Radnitz. Im
Kladuo - Rakonitzer Becken kam sie bis jetzt nur bei Rako-
nitz, aber immer in Gemeinschaft mit NÖgg. foliosa Stbg.
vor.; sie ist daselbst ziemlich häufig und in einigen schönen
Exemplaren aufgetreten. Ein grosser Blattwedel befindet sich
im Prager Nationalmuseum. Ich bilde auch einen ziemlich gut
erhaltenen ab und vervollständige dadurch meine Abbildung
in meiner letzten Arbeit (Steinkohlen- und Permablagerung
im NW. von Prag, 1. c. t. 2 f. 2.). Ich halte auch diese
Art für eine N ö g g er athia und nicht für eine Farre,
es sei denn, d a s s au c h Nö gg er athia folio sa Stbg.
eine solche sei, zu der ich die 2\ ögg. int er media
K. Fstm. als Entwickelungsstadium stelle. (Dafür,
dass es wohl keine Fairen sind, spricht der Umstand, dass
die Nerven an keiner Stelle sich theilen und Verästelungen
bilden.) Uebrigens inuss ich hier ganz ausdrücklich
bemerken, dass schon mein Vater diesen Namen
selbst diesem Pflanzen reste beilegte, und zwar in
seiner oben angeführten Arbeit auf pag. 11. Es ist
daher irrig, wenn Herr Stur behauptet, sie hätte von
meinem Vater keinen Namen erhalten. (Verhandl.
d. k. k. geol. Reichs ans t. 1874. Nr. 11. pag. 275.
Vorkommen: Selten im Radnitzer Kohlengebiet, häu-
figer bei Rakonitz mit N'ögg. foliosa Stbg.
Anmerkung. Die Kohlenflora von Ober Schlesien
bietet überhaupt verschiedenes Interessante. Hier will ich nur
noch ein zweites Petrefact anführen , das auch auf dieselben
Schichten hinweist, wie sie wenigstens dem Hauptflötze von
Kladno-Rakonitz entsprechen. Ich kenne nämlich auch
von der Leopoldgrube in Oberschlesien (also dem Fund-
orte der in Rede stehenden Nöggerathia) ein Petrefact,
das allen seinen Eigenschaften nach auf einen- Zapfen hinweist.
Aehnliche Petrefacten kamen auch nicht gerade selten in Böh-
men vor, und zwar abermals im Radnitzer und Kladno-
Rako nitzer Revier; auch Corda waren sie schon bekannt.
Derselbe beschreibt nämlich in einem unveröffentlichten Werke
zwei Arten von Petrefacten unter dem Gattungsnamen Embo-
lianthemum, eins mit sechseckigen und eins mit runden
Schuppen, deren jede mehrere Sporangien trägt. Lange war
ich über diese Dinge unklar, doch führten mich Goldberg's
und Schimper's Abbildungen von Sigillariaestrobus auf
den Gedanken, dass diese Petrefacten auch nur solche Sigilla-
riaestroben seien, wenn auch etwas grösser. — Ich stellte
sie geradezu (1871, Sitzungsber. d. k. böhm. Ges. der Wiss.:
Ueber Fruchtstadien fossiler Pflanzen der böhm. Steinkohlenf.)
als solche hin und bildete zwei Arten : Si gillariaestr. Cordai
O. Fstm. (Corda1 s Embolianthemum sexangulare) und Sigilla-
riaestr. Feis tmanteli 0. Fstm. (Embolianth. truncatum Corda
mit runden Schuppen). Beide kamen bei Bras vor; letzterer,
der mit runden Schuppen, auch im Kladno-Rakonitz er
Becken bei Rakonitz und Kladno.
In der letzteren Ablagerung kam dieses Petrefact nur in
denselben Schichten wie -Nogg. foliosa Stbg. und Nogg.
intermedia K. Fstm. vor, nämlich in den Zwischenmitteln
des Hauptflötzes.
Bei Radnitz bin ich über das Niveau dieses Petrefacts
nicht im Sicheren.
Zelts, d. D. geol. Ges. XXVII. 1 6
82
Aus Oberschlesien kenne ich nun dasselbe Petrefact
mit den runden Schuppen von derselben Grube und in dem-
selben Gestein, wo N'ögg. foliosa Stbg. vorkam, näm-
lich von der Leopold grübe. Es ist wohl nicht irrig, wenn
man auch dieses Merkmal als unterstützend annimmt, dass die
Schichten, worin diese beiden Petrefacten vorkamen, mit den
oben erwähnten böhmischen dem gleichen Horizont angehören.
Taf el erklär ung.
Tafel V.
Fig. 1. Nöggeratkia foliosa Stbg.; ein Exemplar mit ziemlich grossen
Blättern von der Leopoldsgrube in Obersehlesien.
Fig. 2. Nöggeratkia intermedia K. Fstm. ; eiu ziemlich vollkommenes
Exemplar, mit deutlich bis zum Drittel gespaltenen Blättern. Stellung
desselben wie bei Nögg. foliosa Stbg., ebenso Nervatur; wohl ein Ent-
wickelungsstadium derselben.
Fig. 3. Zwei Blättchen von einer Nögg. foliosa Stbg. von Rakonitz
in Böhmen, zum Vergleich mit der oberschlesischen Art.
6. Heber den bunten Sandstein in den Vogesen,
seine Zusammensetzung und Lagerung.
Von Herrn R. Lepsius in Berlin.
Hierzu Tafel VI.
Die Sandsteine der Vogesen sind deutscherseits stets als
ein Aequivalent des bunten Sandsteins angesehen worden.
Diese Ansicht wurde zuerst von P. Meriaü, Hausmann und
Keferstein*) vertreten und durch ihre Autorität in Deutsch-
land für immer gesichert. Die Conglomeratschichten an der
Basis der Sandsteine deutete man wegen ihres Reichthums an
Porphyrgeröllen und ihrer Verbindung mit Porphyren als Roth-
liegendes; da aber der Zechstein als Zwischenglied fehlte,
wiesen schon die Herren von Dechen, C. von Oeynhausen und
H. von LA Roche in den ,,geognostischen Umrissen der Rhein-
länder" 1825 auf die Schwierigkeit einer scharfen Trennung
des Rothliegenden und bunten Sandsteins in den Vogesen hin.
Wegen dieser schwierigen Trennung nämlich hatten die fran-
zösischen Autoren das Rothliegende und die unteren Sand-
steine, welche sie als ,,Vogesen-Sandsteinu (gres des Vosges,
gres vosgien) von den oberen, ihrem ,,gres bigarre", abschie-
den, zu einer Gruppe zusammengefasst: den Vogesen-Sandstein
sahen sie als eine dem Zechstein Deutschlands analoge Abla-
gerung an ; den gres bigarre dagegen betrachteten sie als ein-
zigen Repräsentanten des bunten Sandsteins. Diese Auffassung
der Sandsteine in den Vogesen war zuerst von Elie de Beau-
mont**) angegeben worden und hat trotz mancher Ein-
*) P. Merian, Beiträge zur Geognosie 1821. - Hausmann, Göttin-
ger gelehrte Anzeigen 1823. — Keferstein , in Band V. der Corresp.
des württemb, landwirthsch. Vereins 1824.
**) Elie dE Beaumont, Terrains secondaires du Systeme des Vosges.
Annales des Mines 1827.
6*
84
Sprüche*) ihren Platz in der französischen Literatur be-
hauptet. Die mindestens ebenso schwierige Trennung von
Vogesen-Sandstein und dem gres bigarre glaubte jener fran-
zösische Geologe aus stratigraphischen Gründen rechtfertigen
zu können; eine Untersuchung der Lagerung dieser Sandsteine
nämlich veranlasste ihn zu der Annahme, dass nach der Ab-
lagerung des Vogesen- Sandsteins die Hebung der Schwarz-
wald-Vogesen und die Entstehung der Rheinspalte eingetroffen
sei, eine Umwälzung, welche er in seiner Arbeit über die Erd-
revolutionen als diejenige des ,, Systeme du Rhin" bezeichnete.**)
Er entlehnte diesen Namen von L. v. Buch, welcher wenige
Jahre vorher die dritte Gruppe seiner Gebirgsrichtungen
Deutschlands ,, Rhein - System" benannt hatte.***) Elib de
Beaümont trat später an die Spitze der geologischen Karten-
aufnahme Frankreichs: die mustergültige Beschreibung des
Vogesen-Sandsteins, wie der ganze vortreffliche Abschnitt über
die Vogesen im Texte zur französischen Karte , in den vier-
ziger Jahren herausgegeben , flössen aus seiner Feder, f)
Seitdem wurde in allen französischen Werken ff) die Stellung
des Vogesen-Sandstein neben dem Rothliegenden als Endglied
*) Einspruch dagegen erheben z. B. : Voltz, Geognosie de TAlsace
1828 und Notice sur le gres bigarre de Soultzbad. Mem. de Strasbourg
1835. — Rüzet, Description geolog. de la partie meridionale de la chaine
des Vosges. Paris 1834. — Omalius d'Halloy, Bull, de la soc. geolog.
de France 1834, reunion extraord. a Strasbourg. — Von späteren Ar-
beiten ist in dieser Hinsicht nur zu erwähnen: Contejean, Descript.
geolog. de l'arrondissement de Montbeliard 1833.
**) Elie de Beaimont, Recherches sur quelques-unes des revolutions
de la surface du globe, Annal. des sciences naturelles 1 8*29.
***) L. v. Büch, Ueber die geognostischen Systeme von Deutsch-
land in v. Leonuard's Taschenbuch 1S24. Ein Schreiben an v. Leonhard.
f) Explication de la carte geologique de France par Dufrenoy et
Elie de Beaümont, Tome L pag. 2b7 ff. 1841.
-J-f) Aus der reichen französischen Literatur über die Vogesen sind
die wichtigsten Werke: Thirria, Statistique mineral. et geolog. du 64-
partement de la Hautc-Saöne 1S33. — Hogard, Description mineral. et
geol. du Systeme des Vosges 1837. — Delbos et Köchlin - Schlumbergeb,
Descript. geolog. et mineral. du depart. Haut - Rhin, 2 vol. 1867, carte
en 1 :80ÜO0. — De Billy, Carte geolog. du de'part. des Vosges 1850.
1 : 80000. — De Billy, Esquisse de la geologie du du dep. des Vosges.
— Jac^üot, Descript. mineral. et ge'ol. du depart. de la Moselle 18bS.
85
der paläozoischen Reihe festgehalten, während die mesozoische
Zeit mit dem gres bigarre begann.
Deutsche Arbeiten über die Vogesen liegen seit jenen
ersten obengenannten Werken noch nicht vor; selbst nah be-
nachbarte Geologen berücksichtigten wenig dieses Gebiet, ob-
wohl doch die Vogesen für die angrenzenden Gebirge interes-
sante Vergleichuugspunkte darbieten. Nur in einem Punkte
machte sich französischer Einfluss bemerkbar: die „revolution
du Systeme du Rhin'4 fand ihren Weg über den Rhein, sodass
wir der Annahme von der Hebung der Schwarzwald-Vogesen
nach der Ablagerung des Vogesen-Sandstein als einen letzten
Rest jener längst aufgegebenen BEAUMOWT'schen Theorie auch
in deutschen Werken zuweilen begegnen.*) Bei genauerer
Untersuchung des bunten Sandsteins im Schwarzwald wird
diese Annahme bald wegfallen, ebenso wie sie für die Vogesen
unhaltbar ist.
Anknüpfend an die Untersuchungen von Gümbel und
Weiss über die Sandsteine der Hardt und des Saar- und
Moselgebietes**) geben wir die folgende kurze Besprechung
der Zusammensetzung und Lagerung des bunten Sandsteins in
den Vogesen. Aus der Arbeit von Weiss entnehmen wir für
den oberen bunten Sandstein, den gres bigarre, die Bezeich-
nung „Voltzien-Sandstein", erinnernd an den Pflanzenreichthum
dieser Schichten; gerade im Elsass muss der Name des Man-
nes dem Andenken bewahrt werden, welcher durch seine um-
fassenden und eindringenden Beobachtungen die Berge deiner
Heimath der Wissenschaft erschloss.
Während die ganze Sandstein-Ablagerung in den Vogesen
unterhalb gegen das Rothliegende durch die constant auftre-
tenden Dolomit-Bänke, oben gegen den Muschelkalk durch die
fossilreichen Wellendolomite scharf begrenzt ist, finden wir in
carte en 1:80,000. — Daubree, Descript geolog. et mineral. du depart.
du Bas-Rhin 185v2. carte en 1 : 80000. — Parjsot, Esquisse geolog. des
envirous de Beifort. Mem. de la soc. d'emulation de Montbeliard 1863,
'2 serie, 1 vol.
*) Aus den Heften der „Beiträge zur Statistik der inneren Ver-
waltung des Grossherzogth. Baden"; z. B. IL Heft: Geologische Be-
schreibung der Gegend von Baden von Sandbergek 1861. pag. 20. ff.
**) Gümbel, Geognost. Verhältnisse der Pfalz 1865 - Weiss, Trias
an der Saar, Mosel etc. in dieser Zeitschr. Bd. XXI. pag. 836. 1869.
86
derselben nur einen Horizont, den des Vogesen - Conglome-
rats , wie wir eine im oberen Vogesen-Sandstein überall anzu-
treffende Zone von Conglomerat-Bänken nennen wollen. Durch
diesen Horizont können wir die Sandsteine in zwei Gruppen
trennen: den unteren bunten oder Vogesen-Sandstein unter
dem Conglomerat, und den oberen bunten oder den Voltzien-
Sandstein über demselben.
Das Rothliegende hat in den Vogesen Porphyre zur Basis,
deren Tuffe, Conglomerate und Breccien bedeckt werden von
grobkörnigen , unregelmässig geschichteten Sandsteinen. Es
erreicht eine Mächtigkeit von 100 bis 150 M. wie im Weiler-
Thal, auf dem Weslabhange des Gebirges bei St. Die und im
Süden bei Beifort. Muldenförmig gelagert keilen sich die
Rothliegenden - Schichten unter dem Vogesen-Sandstein aus, so
dass dieser als eine continuirliche Decke ebenso wie über die
Gneisse, Granite und Grauwacken auch über die Rothliegenden-
becken sich hinbreitet. Die Sandsteine des Rothliegenden
unterlagern den Vogesen - Sandstein concordant und könnten
von diesem kaum abgetrennt werden, wenn nicht ein constanter
Horizont von Dolomit-Bänken eine sichere, wenn auch künst-
liche Grenze darböte. Denn die Arcose - artigen Sandsteine
des Rothliegenden gehen meist ohne wesentliche Aenderung
noch über den Dolomit - Horizont fort*); sie enthalten unter
*) Eue de Beaumont, Explic. I. pag. 424: „le gres rouge est recou-
vevt par le gres des Vosges, dont il n1est qu'une modification". Auch
Daubree und die anderen französischen Geologen legen grosses Gewicht
auf diese innige lithologische und stratigrapliische Verbindung zwischen
Rothliegendem und Vogesen-Sandstein , da sie der erste Anstoss zu der
Annahme war, den Vogesen-Sandstein zur Dyas zu rechnen Wenn wir
nun den Vogesen-Sandstein als unteren bunten Sandstein ansehen, so
bleibt immer noch die schwierige Trennung zwischen Rotbliegendein und
Vogesen-Sandstein bestehen; oder vielmehr man muss einräumen, dass
die Sandsteine und Conglomerate des Rothliegenden hier nur eine Vor-
stufe, etwa die ersten zusammengeschwemmten Strandbildungen zu der
nachfolgenden mächtigen Sandsteinablagerung gewesen sind. Der Zech-
stein fehlt; wenn wir daher diese untersten Sandsteine über den Por-
phyren und Porphyr-Trümmergesteinen wegen ihrer Porphyrgerölle noch
bis zum Dolomit-Horizont als Rothliegendes ansehen wollen, müssen wir
nicht vergessen, dass dieses Rothlicgende der Vogesen eine viel jüngere
Bildung ist, als unser norddeutsches Rothliegendes, und vielleicht schon
in den Beginn der Trias-Zeit fällt.
dieser Zone freilich einen grösseren Reichthum an Porphyr-
Gerollen, sodass sie local zuweilen conglomeratisch werden;
doch findet man noch über den Dolomiten genug Stücke von
Porphyr, krystallinischem Schiefer , Gneiss und anderen Ge-
steinen im Sandstein eingelagert. Erst in der oberen Stufe
des Vogesen-Sandsteins, welche jedoch von der unteren durch
keine scharfe Grenze getrennt ist, herrschen die Quarzgerölle
allein. Trotz solcher Uebergänge zwischen den Sandsteinen
des Rothliegenden und des Vogesen-Sandstein müssen wir uns
daher an diesen Dolomit - Horizont als Grenze halten; man
findet ihn allenthalben im oberen Rothliegenden: im Becken
von Beifort haben die Bänke mit Dolomit-Knauern sogar eine
Mächtigkeit von 7,6 M. (siehe Parisot 1. c. pag. 8. u. Delbos
1. c. I. pag. 214.).
Doch ist es unmöglich, diese Dolomit - Ausscheidungen
etwa als Aequivalent des Zechsteins anzusehen, wie es von
manchen Geologen geschehen ist*), da niemals Versteinerungen
darin entdeckt wurden, noch der unmittelbare Zusammenbang
dieser Dolomite mit den charakterisirten Zechsteiubänken bei
Heidelberg wegen der zwischenliegenden Rheinspalte erwiesen
werden kann.
Ueber dem Dolomit-Horizonte beginnen wir den unteren
bunten oder Vogesen-Sandstein. Die tiefere Stufe desselben,
welche noch nicht mit den für den Vogesen-Sandstein charak-
teristischen glitzernden Quarzsandsteinen beginnt, sondern
thonreiche, dünngeschichtete Bänke enthält, ist nicht so gut
als die obere Schichtenfolge aufgeschlossen, weil sie, un-
brauchbar als Baumaterial, nicht in Steinbrüchen abgebaut
wird.
Am besten werden diese Schichten sichtbar in dem Hohl-
wege, welcher vom Bergstädtchen Saales bei St. Die den
Voymont hinaufführt, hart an den neuen Grenzsteinen entlang.
In der Thaleinsenkung zwischen dem Voymont und dem
Climont stehen Felsit- Porphyre und deren Tuffe an; darüber
lagern sich bis zur Spitze des Voymont folgende Schichten:
1. Grobkörnige Sandsteine des Rothliegenden ; darin zahl-
reiche Porphyr - Gerölle , auch Stücke von krystalliniscben
Schiefern, von Gneissen und anderen Gesteinen; starke Ein-
*) z. B. Glmbel. 1. c. pag. 43.
88
lagerungen von dünngeschichteten, dunkelrothen Thonschiefern.
Etwa 80 M. mächtig.
2. Dolomit - Horizont. Dieselben Sandsteine wie in 1.
Von Dolomit -Knauern und schwachen Dolomit- Bänken durch-
zogen; in den Hohlräumen Dolomit-Krystalle. Daneben viel
SiO^ angeschieden, meist als Chalcedon, zuweilen als Quarz.
4 bis 5 M. mächtig.
3. Die grobkörnigen Grusssandsteine von 1. setzen über
den Dolomit-Horizont noch etwa 70 M. im unteren bunten
Sandstein fort. Das Korn derselben besteht aus wenig abge-
rundeten Quarz- und Feldspathstückchen , welche durch ein
thoniges Bindemittel zu uuregelmässig geschichteten Bänken
lose vereinigt sind; dazwischen fügen sich häufig dünngeschich-
tete Thonschiefer ein. Häufig zeigen sich noch Porphyr und
Quarz in Gerollen und eckigen Stücken.
4. In den nächsten 50 Metern werden die Sandsteine
feinkörniger und fester, häufig sind sie durch dunkle Mangan-
flecke getiegert*); viel thoniges Bindemittel und Thonschiefer-
einlagerungen. Glimmer in grosser Menge, besonders auf den
Schichtflächen angehäuft. Porphyr-Einschlüsse werden selten,
meist Quarzgerölle. Diese Schichten gehen ohne bestimmte
Grenze über in die
5. obere Stufe, den typischen Vogesen-Sandstein. Glitzern-
des Quarzkorn, dickgeschichtete Bänke; nur Kieselgerölle. Etwa
120 M.
6. In den mächtigen Quadern auf der Spitze des Berges
häufen sich die Quarzgerölle zu einem conglomeratischen vSand-
stein , wie er an anderen Orten den Conglomerat- Horizont,
die Grenze gegen den Voltzien-Sandstein, beginnt.
Eine ähnliche Lagerung des Rothliegenden und des Vo-
gesen-Sandsteins zeigt sich in der Gegend südlich und westlich
des Champ du Feu überall: so im Weilerthale an den Ab-
hängen des Uagersberges und drüben im Becken von St. Die
in den Thaleinschnitten des Dormont.
Im nördlichen Theile des Gebirges ist diese untere Stufe
*) Die Manganflecke können aber nicht als Kennzeichen für diese
untere Stufe des Vogesen-Sandsteins gelten, da sie auch in höheren Ho-
rizonten verbreitet sind. Dasselbe gilt für die gleichen Schichten im
Schwarzwald, den sogen. Tiegersandsteinen,
89
des Vogesen - Sandsteins gut zu beobachten am Schlossberge
Windstein im Jägerthale bei Niederbronn. Am Eisenhammer
im Thale steht Syenit an. Darüber folgt:
1. Syenit-Gruss mit eingemischten Porphyrstücken. 1 M.
mächtig.
2. 1,5 M. rothliegender conglomeratischer Sandstein mit
vielen Gerollen.
3. 0,5 M. Dolomit - Bank , eine durch Dolomit und dolo-
mitischen Kalk cementirte Breccie von Porphyr-, Quarz - und
anderen kleinen Gesteinsstücken. In den Hohlräumen Dolo-
mit-Krystalle. Dolomitknollen bis kopfgross.
4. Unterer Vogesen-Sandstein , 100 M. Zuerst grobkör-
niger Sandstein mit vielen Manganflecken ; dann feinkornige
Thon- und Kaolin - reiche matte Sandsteine, dünngeschichtet
mit Thonschiefer-Zwischenlagen. '
In den Felsen der Ruine und in losen Blöcken am Ab-
hang treten neben den thonreichen Bänken schon glitzernde
Quarzsandsteine auf, den Beginn der oberen Stufe des Vo-
gesen-Sandsteins anzeigend. Erst weiter westlich ins Gebirge
hinein trifft man die höherliegende Conglomerat-Zone an.
Im Breuschthal, wo die oberen Sandsteine ihre bedeu-
tendste Mächtigkeit erlangen , tritt diese untere Stufe des Vo-
gesen - Sandsteins mehr als im Norden und Süden zurück.
Daselbst sieht man diese Schiebten etwa 50 M. oberhalb des
Porphyrkessels der Niedeck an der Strasse nahe dem Forst-
haus. Dann drüben am Kappelhof unterm Katzenberg; hier
zeigt der Quellenreichthum die Grenze zwischen beiden Stufen
an : denn durch die porösen Schichten des oberen Vogesen-
Sandsteins sickert das Wasser leicht hindurch bis auf die
thonreichen Bänke der unteren Abtheilung, auf denen es
hervorquillt.
Diese Stufe des Vogesen - Sandsteins schliesst sich also
in lithologischer Hinsicht mit ihren unteren Bänken an die
grobkörnigen, lose aufgeschütteten Sandsteine des Rothliegen-
den eng an; höher hinauf gewinneu feinkörnige, glimmerreiebe
Thonsandsteine die Oberhand, sodass die Schichten häufig dem
oberen bunten Sandstein petrographisch nicht unähnlich wer-
den. Endlich zeigen sich häufiger Kieselsäure-reiche Bänke
zwischen den matten Thonsandsteinen , andere als Quarzgerölle
werden sehr selten, bis schlisslich an verschiedenen Orten, in
90
verschiedener Höhe, in allmäligem Uebergange , die reinen
Quarzsandsteine des echten Vogesen-Sandstein vorherrschen
und die zweite Stufe des bunten Sandsteins beginnt.
Die besten Aufschlüsse für den typischen Vogesen-Sand-
stein finden wir in den grossen Steinbrüchen des Breusch-
thales ; in dem Bruche am Bergabhang, oberhalb Mutzig, gegen
Diensheim hin am linken Flussufer sind folgende Schichten
angebrochen, zu unterst:
1. 5 M. mächtig, Quarzsandsteine in dicken Schichten,
grobes krystallinisches Korn, sehr fest zusammengefügt, bei
Verwitterung in Sand zerfallend. Meist abgerundete Qarzkörner,
selten Glimmer; daneben kleine Stückchen von zersetztem Feld-
spath. Die Poren zwischen den Körnern secundär mit win-
zigen wasserhellen Quarzkrystallen ausgekleidet, sodass der
Sandstein in der Sonne stark glitzert. Daneben Körnchen von
zersetztem Feldspath ; selten ein weisses Glimmerblättchen.
Meist durch Eisenoxyd stark roth gefärbt. Auf den Schicht-
flachen schwache rothe Thonlagen, Kruste'4 oder „Leber-
stein'4 von den Arbeitern genannt. Häufig Thongallen, welche
stets weich und ohne Si O 2 - Ueberzug sind. Selten gerollte
Kiesel, mit' winzigen Quarzfacetten secundär überzogen.
2. 0,2 M. feinkörniger Sandstein; die Schichtfläche ist
mit „Wellenfurchen" bedeckt; nur wenig Thon in den Thälern
der vorspringenden Furchen,
3. 6 M. dünnschichtiger Sandstein, mit mehr oder we-
niger Thoncement; nur einzelne Bänke glitzernd durch die
secundären Quarzkrystalle. Helle dünne Thonlagen zwischen
den Schichten.
4. 0,1 M. der gleiche Sandstein wie in 3. Die Schicht-
fläche mit ,, Trockenleisten44 (,,bourrelets polygonaux44) bedeckt.
Es sind dies leistenförmige Wülste in unregelmässigen polygo-
nalen Figuren sich kreuzend, zwischen denen sich rother Thon
lagert.
5. 0,4 M. zweite Wellenfurchen-Schicht, thonreicher, hell-
gelber Sandstein.
6. 0,2 M. wie 4.
7. 0,05 M. wie 5.
8. 3 M. glitzernder Quarzsandstein; Kieselgerölle selten.
9. 0,15 M. locale Einlagerung von gerollten Kieseln, wo-
durch der Sandstein conglomeratisch wird.
91
10. 2 M. dünngeschichteter mürber Sandstein, viel Thon-
cement, ohne Kiesel.
11. 25 M. nicht mehr durch Steinbruch aufgeschlossener
Abhang. Der Quarzsandstein mit secundärem Kieselsäure-
absatz herrscht vor gegen die matten Thonsandsteine. Die
gerollten Kiesel werden gegen oben immer häufiger, bis
zu den
12. Conglomeratbänken. 10 M. wenig Sandsteinmasse
zwischen den angehäuften Rollkieseln ; die Kiesel bestehen
nur aus Quarz und dessen Varietäten. Die Kiesel und Sand-
steinkörner überzogen mit einer feinen Hülle von lichten
Quarzkrystallen.
Ueber diesem Conglomerat beginnt der weichere Voltzien-
sandstein; daher fällt die Kuppe des Berges allseitig flach ab,
während der Abhang unter dem Conglomerat wegen der
grösseren Härte der Schichten steil aufsteigt.
Dieses Profil zeigt, wenn es auch nur einen geringen
Theil des Vogesen - Sandsteins durchschneidet, genügend die
Natur dieser Ablagerung; nur die Wellenfurchen und Trocken-
leisten sind diesem Horizonte eigenthümlich , sie kommen in
den tieferen Schichten nicht vor.
Die Quarzsandsteine mit secundärem Kieselsäure-Absatz
charakterisiren diese obere Stufe des unteren bunten Sand-
steins; sie rechtfertigen den Localnamen „Vogesen-Sandstein".
Jedoch ersieht man aus dem Profil zugleich, dass diese eigen-
tümlichen Schichten nicht einzig und allein die obere Stufe
bilden, sondern nur vorwalten, da die feinkörnigen matten
Sandsteine mit thonigem Bindemittel, wie sie die Voltzien-
Sandsteine zusammensetzen, durchaus nicht fehlen, doch sind
reine Thonschichten nicht häufig, nur schwache „Krusten"
trennen die mächtigen Bänke.
Die Kieselsäure ist in den Poren des Sandsteins niemals
in so grosser Menge abgesetzt, dass derselbe seine Porosität
verlöre und ein Quarzit entstände; sondern die Quarzkryställ-
chen überkleiden nur die Oberfläche der Kiesel und Körner.
Das färbende Eisenoxyd liegt frei zwischen den Körnern und
die Sickergewässer circuliren ungehindert durch die Schichten.
Durch Verwitterung zerfällt der Sandstein leicht in Sand. Der
Kieselsäure- Absatz reichte nicht hin, Klüfte und Hohlräume
im Gestein auszufüllen, eher noch finden sich Adern von Baryt
92
und Pyrolusit , selten Kalkspath und Dolomit. Der Kiesel-
säure - Ueberzug kann nicht zugleich mit dem Sandstein ent-
standen sein, sondern ist erst secundär von den Tagesgewässern
abgesetzt worden.
Der gänzliche Mangel von Porphyrgeröllen unterscheidet
den Vogesen-vSandstein wesentlich von der unteren Stufe des
unteren bunten Sandsteins und vom Rothliegenden. Zersetzte
Gneiss- und Granitstücke kommen als Seltenheit vor.*)
Die Quarzgerölle sind meistens einzeln im Sandstein ein-
gebacken , local sammeln sie sich in vStrichen zu einem con-
glomeratischen Sandstein; doch häufen sie sich erst an der
Grenze zum Voltzien - Sandstein zu einem wahren Conglo-
merat an.
Der untere bunte Sandstein erreicht im Breusch - Gebiet
eine Mächtigkeit von 400 M. ; von diesem mittleren Theile
des Gebirges nimmt er nach Norden und Süden im Allge-
meinen an Höhe ab*, im Osten verschwindet er mit den jün-
geren Formationen unter der Tertiärdecke der Rheinebene,
bis er drüben am Abhänge des Schwarzwaldes wieder zu Tage
tritt; im Westen dagegen keilt er sich unter dem Voltzien-
Sandstein aus, wie dieser unter dem Muschelkalk und endlich
in noch weiterer Entfernung von den Vogesen der Muschel-
kalk unter dem Keuper sich auskeilt, sodass im Central-
plateau von Frankreich von den triasischen Ablagerungen der
Keuper allein dem Grundgebirge aufruht.
Die obere Grenze des Vogesen- gegen den Voltzien-
Sandstein oder — nach französischer Ansicht — der Dyas
gegen die Trias in den Vogesen war früher eine sehr unsichere,
ja willkürliche; denn man hatte kein anderes Merkmal als die
petrographische Umänderung des glitzerndes Quarzkorns des
Vogesen - Sandsteins in die matten, thonreichen Bänke des
Voltzien - Sandstein , Charaktere, nach denen keine bestimmte
Grenze, kein Horizont gezogen werden kann zwischen beiden
Ablagerungen , da die thonreichen Bänke des oberen bunten
Sandstein schon im Vogesen - Sandstein häufig sind , und die
Quarz-Sandsteine des letzteren in den Voltzien-Sandstein weit
*) Ich fand ein zersetztes Granit-Gerölle einmal am Fuss des Heiligen-
berges im Breuschthal mitten im Vogesen-Snndstein. Auch Daubkee 1. c.
pag. 86 erwähnt solche Stücke als Seltenheit.
93
hinaufgehen ; gerade in der unteren Stufe des Voltzien-Sand-
steins, d. h. in dem etwa 100 M. mächtigen Scbichtencomplex
über dem Conglomerat-Horizont ist es unmöglich, eine solche
Grenze festzuhalten. Daher wurde denn die Grenze zwischen
dem gres vosgien und dem gres bigarre auf den französischen
Karten und Profilen nach Bedürfniss bald höher bald tiefer
gelegt, während wir in den betreffenden Werken kein Wort
über bestimmte Grenzmarken hören.
Wenn man die Sandstein - Ablagerungen in den Vogesen
eingehender untersucht hätte, würde man erkannt haben , dass
jene mächtigen Conglomerat - Bänke , welche wir allenthalben
im Gebirge im oberen Vogesen-<:andstein begegnen, z. B. auf
der Spitze des Schneebergs, auf den Höhen über Mutzig, auf
dem Odilienberg und Mennelstein , auf dem Hohnack, in den
Felsen um Philippsburg, und an anderen Orten, nicht wie die
schwachen Striche von Quarzgeröllen in den unteren Schichten
nur locale Bedeutung haben , sondern einen durchgehenden
Horizont einhalten, welcher für die Eintheilung der Sandsteine
und für eine Vergleichung derselben an verschiedenen Punkten
des Gebirges von grosser Bedeutung ist.
Betrachten wir das angeführte Profil am Mutziger Stein,
so sehen wir, dass in den mächtigen, unteren Bänken nur
locale Einlagerungen von Quarzgeröllen eingeschaltet sind.
Erst oben auf der Höhe des Berges treffen wir Bänke, in
denen die Quarzgerölle dicht aufeinander gehäuft ein wahres
Conglomerat in einer Mächtigkeit von circa 10 M. bilden;
durch ihr reicheres Kieselsäure- Cement trotzen sie länger als
die Nachbarbänke den Atmosphärilien, so dass sie meist weit
aus dem Abhänge hervorragen, bis ihre eigene Last sie herab-
bricht. Ueber diesem Horizonte verschwinden die Quarzgerölle
fast ganz in den Uebergangsschichten zum Voltzien-Sandstein.
Am Heiligenberg, weiter hinauf im Thale der Breusch,
ist die obere Grenze der Conglomerat - Zone eine ebenso
scharfe; kaum zeigen sich Quarzgerölle über derselben am
flachabfallenden Hang unterhalb des Dorfes. Die gleiche
Beobachtung machen wir im Kronthal , an allen aufgeschlos-
senen Punkten im weiten Becken von Mutzig, und überall im
nordwestlichen Kamme. Wenn man eines der schönen Quer-
thäler dieses Kammes oder des Bitscher Landes hinaufsteigt,
so durchschneidet man Anfangs die groben Quarzbänke des
94
unteren Vogesen-Sandstein, welche nur selten Kiesel enthalten;
höber hinauf, westlicher vordringend, gelangt man zur Con-
glomerat- Zone, die sich oben auf den Höhen oft bis zum
Rande des Ostabhanges durchzieht. Endlich erreicht man die
Uebergangsschichten zum Voltzien-Sandstein, welche sich weit
auf dem Plateau des nordwestlichen Gebirgszuges ausbreiten.
Nach Westen und Süden nimmt mit der Mächtigkeit des
Vogesen-Sandsteins auch die der Conglomerat- Zone ab: man
kann diese auf dem Sandsteinzuge vom Donon südwärts über
die Hautes Chaumes bei Schirmeck, zum Climont und zum
Dormont bei St. Die gut verfolgen. Auf dem Massive der
Belchen (,, Systeme des ballons") bedecken nur noch Reste
des Vogesen-Sandstein die hohen Kuppen , wo dann meist die
Conglomerate , oft nur noch in mächtigen Blöcken übrig ge-
blieben, die höchste Spitze einnehmen: so liegt der Vogesen-
Sandstein auf dem Hohnack in einer Höhe von 980 M., dem
Thannichel in 970 M., dem Climont in 974 M., dem Haut
du Roc in 1016 M. und auf dem Ballon de Servance in
1140 M. , nur 286 M. tiefer als der höchste Gipfel des Ge-
birges, der Gebweiler Belchen.
Auch ist die Conglomerat-Zone gut zu beobachten in den
Hügelketten, welche dem nordöstlichen Fusse des Gebweiler
Belchen vorgelagert sind, auf der Höhe über den Weinbergen
von Sultz und Gebweiler, sowie in dem Thale, welches von
Winzfelden und Osenbach herab nach Ruffach die Berge
durchschneidet.
Als Horizont wurden diese Conglomerate in den betreffen-
den Werken noch nicht erkannt oder benutzt, wohl aber sind
sie an richtiger Stelle eingezeichnet worden in vielen Profilen
Elie de Beaumont's und späterer Bearbeiter, so z. B. in dem
Profil, welches Elie de Beaümont als Diagramm der Lagerung
für die Trias in den Vogesen giebt mit der Unterschrift: „coupe
figurant la disposition relative du gres des Vosges et du trias."
(Explic. I. pag. 391 f. 1.) und in dem Profil, welches Jacqüot
(1. c. pag. 121) für die Umgebung von Bitsch zeichnet
(f. 2.)*).
*) Dieser Conglomerat-Horizont findet sich ebenso im Schwarzwalde
zwischen dem unteren und oberen bunten Sandstein; allerdings sind
hier die Quarzgerölle nicht in der Masse als in den Vogesen angehäuft,
95
Ueber diesem Conglomerat beginnen wir den oberen
bunten oder Voltzien - Sandstein. Man kann denselben nach
der petrographischen Beschaffenheit in zwei Stufen eintheilen,
da Anfangs noch die Quarzsandsteine des Vogesen - Sandstein
neben den thonreichen Bänken auftreten, erst in der oberen
Abtheilung die hellen dünngeschichteten Thonsandsteine und
Thonschichten allein herrschen ; auch liegt der Pflanzenreich-
thum des Voltzien- Sandstein erst in der oberen Stufe, unten
sind Pflanzenreste noch nicht häufig.*)
Profile für die untere Stufe des Voltzien-Sandsteins finden
wir wieder am Besten im Becken von Mutzig; so in den durch
ihre fossile Flora berühmten Steinbrüchen von Sulzbad, von
deren Schichten Voltz folgende Uebersicht giebt**):
1. Muschelkalk, en haut de la carriere beaucoup de co-
quillages littoraux appartenant a ce calcaire, et point de
plantes.
2. Gres bigarre superieur 15 M. röche argileuse avec de
petits bancs de dolomie, sans coquillages, mais beaucoup de
plantes et un peu de crustaces.
3. Gres bigarre moyen 35 M. le passage du gres bigarre
au gres vosgien dans la carriere.
so dass diese Zone mehr einem conglomeratischen Sandstein als ein Con-
glomerat, wie wir es aus dem Breusch-Thale kennen, darstellt. Die mir
von Herrn Professor Eck aus Stuttgart freundlichst gemachten Mitthei-
lungen bestätigen meine aus eigener Anschauung gewonnene Ansicht,
dass die Bunt-Sandstein-Formation des Schwarzwaldes sowohl in ihrer
Gliederung wie in ihrer Lagerung völlig mit der gleichen Ablagerung in
den Vogesen übereinstimmt, was gerade in der Umgebung von Baden-
Baden am Besten wahrzunehmen ist. Erst die zur Tertiärzeit entstan-
dene Rheinspalte trennte was sich vorher als eine zusammende Decke
über das südwestliche Deutschland ausbreitete. Sandberger (1. c. pag. 18
bis '21) und die anderen Bearbeiter der Schwarzwald-Aufnahmen verthei-
digen noch die Elib de BEAUiwoNT'sche Trennung des Vogesen- und
Voltzien-Sandstein durch die Revolution des Systeme de Rhin.
*) Im Vogesen-Sandstein ist nie eine Spur eines Organismus entdeckt
worden, wenn man den Abdruck von Spirifer speciosus ausnimmt, welcher
sich in einem Quarzgeröll auf secundärer Lagerstätte gefunden hat.
**) In den Mem. de la soc. du Museum d'hist. nat. de Strasbourg,
tome 2 1835. Voltz, Notice sur la gres bigarre de Soultz- les- Bains,
wo er pag. 2 sagt: „le gres vosgien, pue je considere comme etaut le
gres bigarre inferieur.
96
4. Gres bigarre inferieur — gres vosgien.*) No. 3 und
4 stellen unsere untere Stufe des Voltzien - Sandstein dar,
da sie über dem Conglomerate liegen; es sind eben dies in
petrographischer Beziehung Uebefgangsschiebten von dem Quarz-
sandstein des unteren zum Thonsandstein des oberen bunten
Sandsteins.
Im gleichen Horizonte wird der Steinbruch am Berg-
abhange nördlich des Flecken Mutzig gebrochen; es sind
Schichten, welche über dem Conglomerat des Mutziger Steins
lagern und nur durch eine NS. -Verwerfung in eine tiefere Lage
versetzt sind. Zu unterst an der Strasse befindet sich:
1. 1 M. gelber Saudstein, mit Kieselsäure - Ausscheidun-
gen, besonders viel Karneol; kleine Quarzkry stalle allenthalben
in den Hohlräumen.**)
2. 0,15 M. Schlammsandschicht; grauer feiner Thonsand
mit kleinen Glimmerblättchen.
3. 2,4 M. sehr feinkörniger, mürber, rother Sandstein in
unregelmässig dünngeschichteten Bänken mit Zwischenlagen
von grauem Schlammsandstein.
4. 0,08 M. Schlammsandsteiu.
5. 0,1 M. rother Thonschiefer.
6. 1 M. grobkörniger Sandstein mit kleinen Quarzgeröllen,
etwas Kieselsäure-Cement.
7. 0,7 31. derselbe Sandstein ohne Gerolle.
8. 1,2 M. feinkörniger Quarzsandstein, zuweilen glitzernd
mit wenig Thoncement.
9. 0,4 M. rother Thonschiefer.
10. 1,3 M. dünngeschichteter, feinkörniger, mürber Thon-
sandstein mit viel weissem Glimmer auf den Schichtflächen.
11. 1,7 M. Quarzsandstein, jedoch feineres Korn als im
Vogesen-Sandstein die Regel ist, selten einige Quarzgerölle.
12. 1,2 3V1. wie No. 10.
*) Daubhee (1. e pag. W'2) reebnet No. 4 nuch zum gres bigarre',
jedoch als Uebergangsschichtcn zum gres vo gien ; er kennt eben keine
bestimmte Grenze zwischen beiden Formationen.
**) Diese Schicht mit Karneol hat nichts zu thun mit der Karneol-
schicht von Sandberger und Schalch; diese liegt im Schwarzwald tief
unten im Vogesen- Sandstein und ist vielleicht der Dolomitzone der Vo-
gesen. an der Grenze des Rothliegenden zum bunten Sandstein, an die
Seite zu stellen.
97
13. 1 M. feinkörniger Quarzsandstein; darüber folgen
unaufgeschlossen die Sandsteine und die dolomitischen Bänke
des oberen Voltzien-Sandsteins bis hinauf zum Muschelkalk.
Der Wechsel von Thon- und Kieselsäure -reichen Sand-
steinen charakterisirt die untere Stufe des Voltzien-Sandsteins
als Uebergangsschichten ; aber bald walten die feinkörnigen
Thonsandsteine vor; häufiger und mächtiger stellen sich reine
Thonschichten ein ; vor Allem sind die Bänke durchsäht mit
weissem Glimmer, welcher im Vogesen-Sandstein nur ein sel-
tener Gast war; dabei sind Quarzgerölle spärlich und nicht
mehr mit einem Kieselsäure-Ueberzuge bedeckt.
Die Mächtigkeit der einzelnen Sandsteinschichten ist oft
eine bedeutende, daher aus diesem Horizonte die besten Bau-
steine in zahlreichen Steinbrüchen gewonnen werden : der
Vogesen-Sandstein ist zu hart und spröde für feine archite-
ktonische Ausarbeitung, er wird nur in rohen Stücken für
Strassenbau und Fundamente, sowie für die Festungswälle ver-
wandt. Der obere Voltzien-Sandstein aber ist zu dünnschichtig,
zu thonreich, um brauchbare Steine zu geben.*)
Der obere Voltzien - Sandstein , welchen man dem Roth
Norddeutschlands gleichstellen kann , ist von den Sandsteinen
der Vogesen die am Besten charakterisirte Abtheilung: der
grosse Pflanzenreichthum seiner unteren Bänke gab ihm den
Namen, die darüberliegenden Wellendolomite vermitteln durch
ihre reiche Fauna den unmittelbaren Anschluss an die Muschel-
kalk - Formation. Der grosse Steinbruch oberhalb Diensheim
im Breuschthal entblösst wohl auf 25 M. Höhe die Schichten
des oberen bunten Sandsteins : der Mangel an glitzernden
Quarzsandsteinen, die zahlreichen Pflanzenreste, der Reich-
thum an Glimmer, die matten Thonsandsteine lassen erkennen,
dass wir uns schon bedeutend über den Conglomerat-Horizont
erhoben haben. Indess erst in der Höhe am oberen Rande
des Steinbruches finden wir die dünngeschichteten Thone des
*) Beim Bau des Strassburger Münsters gebrauchte man Anfangs für
die Fundamente und den romanischen Theil den spröden Vogesen-Sand-
stein ; die Gothik musste für ihre Ornamente zu zarterem Material grei-
fen; daher ist das Münster grösstentheils mit dem unteren Voltzien-
Sandstein erbaut worden, der am linken Ufer der Mossig oberhalb
Wasselnheim gebrochen wurde.
Zeits. d. D. geol. Ges. XXVII. 1 . 7
98
Roth , welche über den unteren mächtigen Bänken als un-
brauchbares Material weggeräumt werden; ein eben ange-
brochener Aufschluss zeigte hier folgende Schichten des Roth,
von unten beginnend :
1. Pflanzenführender gelblicher Thon , 0,3 M. wulstige,
dünne Lagen, wenig Glimmer.
2. 0,15 M. grauer, reiner, dünngeschichteter Thon,
graublau.
3. 0,3 M. rother Thon voller kleiner weisser Glimmer-
blättchen.
4. 0,3 M. gelblicher Thon, sandig.
5. 0,1 M. reiner grauer Thon.
6. 1,35 M. rother Thon mit thonreichen Sandsteineinla-
gerungen ; Pflanzenreste.
7. 0,6 M. Leller Thon mit einer harten , feinkörnigen
Sandsteinlage, glimmerreich.
8. 0,9 M. rother Thonsandstein mit viel Glimmer, mit
zwei 0,04 M. starken harten Sandsteinlagen.
9. 0,5 M. harter Thonsandstein, gelblich, mit vielem
Glimmer und kleinen braunen Flecken.
10. 0,6 M. wulstige Thonschicht, sandig, gelb.
11. 0,15 M. reiner dünngeschichteter Thon.
12. 0,5 M. unregelmässig geschichteter Thonsandstein,
allmählich in den mit Sandsteinstücken erfüllten Humus über-
gehend.
Die Wellendolomite sind hier über den Pflanzen-führenden
Thonen und Sandsteinen nicht mehr aufgeschlossen; erst höher
am Berge hinauf trifft man den Muschelkalk an, auf den in
regelmässiger Lagerung die Lettenkohle und der Keuper folgen.
Besser sind die Wellendolomite in den Steinbrüchen von
Sulzbad aufgeschlossen , wo die Schichten folgendes Profil
zeigen:
1. Unterer Voltzien - Sandstein , 12,5 M. ; Wechsel von
Thonsandstein-Bänken, 2 — 4 M. mächtig, und Thonschiefern,
0,3 — 0,5 M. ; die letzteren sind erfüllt mit Pflanzenresten.
2. Oberer Voltzien - Sandstein.
a. Roth , 15 M. Abwechselnd Thone und sandige
Schichten wie in dem Profil des Diensheimer Stein-
bruchs.
99
b. Wellendolomit, 5 M. Dolomitische wulstige Sand-
steine von 0,7 — 1,5 M. Mächtigkeit, dazwischen Thon-
schiefer und Thone, 0,3 — 0,5 M.
4. Muschelkalk.
Schon im Roth, besonders aber im Wellendolomit finden
sich hier zahlreiche Muschelkalk-Versteinerungen , deren Liste
Daubree (1. c. pag. 114 u. 115) angiebt.
Wenn wir die Reihe der vorgeführten Sandstein - Ablage-
rungen überblicken, so lenken wir die Aufmerksamkeit beson-
ders darauf, dass in petrographischer Hinsicht keine scharfe
Grenze zwischen dem Vogesen - und Voltzien - Sandstein ge-
zogen werden kann: der Uebergang aus dem einen in den an-
deren geschieht ganz allmählich in den unteren Höhen des
Voltzien - Sandsteins. Denn auch der Conglomerat - Horizont
bildet nur eine künstliche Grenze , da er ohne eine Umände-
rung in der ununterbrochenen Folge der Sandsteine zu be-
wirken sich accessorisch und fast zufällig gerade an dieser
Stelle einfügt. Trotzdem bedingte bisher nur der petrogra-
phische Umschwung des glitzernden Quarzkornes in die fein-
körnigen Thonsandsteine die Grenze zwischen beiden Sand-
steinen. Die Folge davon war, dass diese Grenze in einem
Spielraum von etwa 100 JVJ. Höhe hin und her schwankte und
im einzelnen Falle durch die stratigraphische Lagerung ent-
schieden wurde: so kam es, dass durch den Zeitpunkt der
Hebung der Schwarzwald - Vogesen die beiden petrographisch
untrennbaren Sandsteine getrennt, der Zeitpunkt der Hebung
aber durch die petrographische Grenze beider Ablagerungen
bestimmt werden sollte. Ohne diesen Cirkelschluss zu be-
merken, berief man sich bald auf die eine bald auf die andere
Ursache der Grenzbestimmung, obwohl doch die eine genau
ebenso unsicher war, als die andere, weil sie gegenseitig von
einander abhingen.
Ebensowenig wie die Lithologie giebt die Stratigraphie
der Sandsteine der Vogesen einen Grund für die Trennung
des Vogesen- und Voltzien-Sandsteins ab, obgleich gerade ihre
eigentümliche Lagerung die erste Ursache zur Aufstellung der
, Revolution du Systeme de Rhin4' war. Elie de Beaumont
erkannte nämlich als der erste die Existenz zweier grossen
Verwerfungen am Ostfusse der Vogesen und am Westfusse
des Schwarzwaldes. Er glaubte aber, diese Verwerfungen
7*
100
seien — zugleich mit der Hebung der Gebirge — entstanden
vor der Ablagerung des Voltzien-Sandsteins, weil der Vogesen-
Sandstein allein den Abhang der Gebirge, die jüngeren For-
mationen nur die Hügelketten am Fusse derselben consti-
tuirten.*) Ganz abgesehen davon, dass bei dieser Annahme
die Wirkungen der Denudation vernachlässigt werden — denn
die Atmosphärilien würden seit den Zeiten der Trias ver-
gebens an der Zerstörung des Vogesen - Sandsteins gearbeitet
haben**) — streitet augenfällig gegen diese Theorie der Um-
stand, dass die jüngeren Formationen den Vogesen-Sandstein
überall ccncordant überlagern und ferner auch auf der Höhe
des Gebirges bedecken.
Betrachten wir die (Fig. 3. 4. 5. 7. 8. 9. 10.) durch ver-
schiedene Gegenden der Vogesen gelegten Profile , so sehen
wir, dass der Voltzien-Sandstein und die folgenden Formationen
den Vogesen-Sandstein concordant überlagern. Dieselbe That-
sache beweisen alle in den betreffenden Werken gezeichneten
Profile sowohl der Vogesen wie des Schwarzwaldes. Wenn
wir dennoch vom Gegentheil sprechen hören, und sogar in
den Handbüchern von Naumann (Geognosie II. pag. 744) und
Alberti (Trias 1864 pag. 4) von der Discordanz des Voltzien-
auf dem Vogesen-Sandstein lesen, so ist dies nur dem Ein-
flüsse Elie de Beaumont's zuzuschreiben ; er brauchte diese
Discordanz zur Stütze seiner , Revolution du Systeme du Rhin",
deshalb war er der erste, welcher von ihr sprach: le gres
*) Elie de BbaumoiNT, Explic. tome I. pag. 398: ,,cette raerae falaise
(du bord oriental qui cötoie la plaine du Rhin) a domine de presque
toute sa hauteur actuelle la nappe d'eau sous laquelle se sont deposes le
gres bigarre (Voltzien-Sandstein) et le muschelkalk" und an anderen
Orten. Die französischen Geologen folgten ihm in dieser Ansicht ohne
Ausnahme; ebenso Sandbergek in seiner Beschreibung der Umgebung
von Baden-Baden.
**) Sandb erger (1, c. pag. 21 u. 22) vergisst auch die Wirkungen
der Denudation, wenn er nach seinem Profil vom Hardtberge sagt : „die
unterste Schicht an diesem Berge ist dieselbe, welche oben auf der Spitze
des gegenüberliegenden Fremcrsberges Hegt ; nach der Ablagerung dieser
Schicht geschah die grosse Hebung des Schwarzwaldes und mit ihm des
Fremersberges." — Daraus folgt, dass die oberste Scbicht des Fremers-
berges niemals seit der Triaszeit von den Atmosphärilien denudirt worden
ist, denn sie nimmt noch heutigen Tages dieselbe Stelle ein, welche sie
damals zur Zeit der Hebung des Schwarzwaldes erhalten hatte.
101
bigarre (Voltzien - Sandstein) parait reposer ä stratification
discordante sur le gres des Vosges" (Annal. des Mines 1827
pag. 435). Trotzdem beweisen alle Profile Elie de Beaümont's,
wie aller seiner Nachfolger, gerade das Gegentheil ; selbst in
seinem Diagramm der Lagerung der Trias (Fig. 1) liegen die
drei Formationen concordant übereinander.*) Wie sollte es
auch möglich sein , eine Discordanz nachzuweisen zwischen
zwei Ablagerungen, welche nicht durch eine bestimmte Grenze,
sondern durch ein mächtiges Schiebteusystem getrennt sind.
Nur ein einziges Mal zeichnet Elie de Beaümont ein discor-
dantes Profil (Fig. 6), das er im Chausseegraben zwischen
Forbach nnd Saargemünd aufgenommen hat.**) Abgesehen
davon , dass dieser Ort ausserhalb des Hebungssystems der
Schwarzwald- Vogesen liegt, und dass die Grenzbestimmung
zwischen Vogesen- und Voltzien - Sandstein hier wie überall
eine beliebige ist, darf der Thatsache gegenüber, dass im
übrigen südwestlichen Deutschland noch niemals eine solche
Discordanz nachgewiesen worden ist, auf diese einzelne Beob-
achtung kein Werth gelegt werden.
Die Concordanz der Lagerung aber von Vogesen- und
Voltzien-Sandstein spricht selbst am meisten dagegen, dass die
Hebung der Schwarzwald-Vogesen, die Entstehung der Rhein-
spalte und die Bildung der Verwerfungen zwischen beiden
Ablagerungen erfolgt sei.
Ferner überlagern die jüngeren Formationen in der That
den Vogesen - Sandstein auf der Höhe der Gebirge sowohl in
den Vogesen wie im Schwarzwalde: concordant ruhen sie über
dem Rothliegenden und dem Vogesen-Sandstein und fallen mit
derselben geringen Neigung, wie diese nach Westen vom
Kamme der Vogesen, nach Osten von dem des Schwarzwaldes
unter die Jurabildungen ein; sie sind also mit dem Vogesen-
*) Daher sagt Eue de Beaümont selbst einmal in der Explication
tom. 12 pag. 12: le gros bigarre repose, en general , sur le gres des
Vosges a stratification concordant e.
**) Dieses Profil hat Eme de Beaümont zuerst in den Ann. des Mines
18:<£7 pl. I. f. 5. abgebildet, dann wiederholt in der Explic. tom. II.
pag. 15. Die Zwischenschicht mit Dolomitknollen fehlt in den Vogesen;
tritt aber nach Jacqüot (1, c. pag. 126) überall im departem. de la
Moselle auf.
102
Sandstein gehoben , nicht nach dessen Hebung am Fusse des-
selben abgelagert.
Allerdings fehlt der Voltzien - Sandstein auf dem System
der Beleben, der höchsten Vogesen-Erhebung. Wenn man aber
sieht, wie schon der Vogesen - Sandstein auf diesem System
nur in kleinen Kuppen und Spitzen erhalten ist, so kann man
sich nicht wundern, dass der viel weichere und leichter zer-
störbare Voltzien- Sandstein durch die Wirkungen der Denu-
dation über demselben verschwunden ist. Werden doch auch
bald die wenigen Reste des Vogesen - Sandsteins auf dem
Belchen - System der Zerstörung erlegen sein, wie man schon
jetzt an den grossen Schutthalden, welche diese letzten Kup-
pen umlagern, die Stärke der Denudation ermessen kann.
Aber in den übrigen Theilen des Gebirges, wo auch die Decke
des Vogesen-Sandsteins zusammenhängender ist, breiten sich
die jüngeren Formationen überall concordant über denselben
aus. Au dem Profil Figur 5 , welches bis an den Fuss des
kleinen Gebweiler Belchen vordringt, kann man sehen, wie
selbst mitten im höchsten Theile des Gebirges noch Reste der
alten Bedeckung durch die jüngeren Formationen der zerstö-
renden Wirkung der Denudation entgangen sind: denn vom
Vogesen - Sandstein hinauf durch den Voltzien - Sandstein , den
Muschelkalk und Keuper bis zum Lias siud Schichten dieser
Formationen in regelmässiger concordanter Ueberlagerung auf
dem Granit des Grundgebirges zurückgeblieben.
Im nördlichen Theile der Vogesen (Profil Fig. 3) bedecken
die jüngeren Formationen über dem Vogeeen - Sandstein selbst
den Kamm des Gebirges: nach Westen fallen sie concordant
übereinander unter die Juraformation der lothringischen Hoch-
ebene ein , am Ostabhange sind sie an der Verwerfung her-
untergebrochen und bilden hier in dem Hügellande von Zabern
und Wörth in ebenso concordanter Ueberlagerung des Vogesen-
Sandsteins eine Vorstufe des Gebirges, dessen tiefster Absturz
erst weiter nach Osten in der Rheinebene auf der Linie
Barr-Weissenburg liegt.
Im mittleren Theile des Gebirges, im Gebiete der Breusch
(Profil Fig. 4), würde es wohl am schwierigsten sein, die Wir-
kungen einer Gebirgshebung nach der Ablagerung des Vogesen-
Sandsteins nachzuweisen. Denn trotz der vielen Verwerfungen
überlagern hier die jüngeren Formationen überall concordant
103
den Vogesen - Sandstein. Denselben Conglomerat - Horizont,
welchen wir auf der Spitze des Schneeberges in einer Höhe
von 963 M. antreffen , finden wir wieder am Fusse desselben
in den Vorbergen von Mutzig, concordant überlagert vom
Voltzien-Sandstein , Muschelkalk und Keuper.
Es dürfte demnach wohl aus allen angeführten Thatsacben
die Ansicht hervorgehen, dass sowohl die auf den äusseren
Abdachungen der Vogesen und des Schwarzwaldes, als die in
der Rheinebene liegenden Schichten der Trias und des Jura
nur Reste sind von den durch eine nachjurassische Hebung
der Schwarzwald-Vogeseu zerrissenen Formationen , und dass
vor diesem Zeitpunkte diese Ablagerungen über den ganzen
Raum des südwestlichen Deutschlands in concordanter Lage-
rung und in ununterbrochener Reihenfolge ausgebreitet lagen.
104
7. Die granitischcn Gänge des sächsischen Granulit-
gebirges.
Eine Studie auf dem Gebiete genetischer Geologie
von Herrn Hermann Credner in Leipzig.
Hierzu Tafel VII.
Dasjenige Areal, mit dessen Durchforschung und karto-
graphischer Aufnahrae sich die geologische Landesuntersuchung
von Sachsen seit etwa einem Jahre beschäftigt, ist das Gra-
nulitgebirge und seine Umgebung. Zahlreiche Touren
durch dieses hochinteressante Gebiet boten auch mir Gelegen-
heit, neben der Verfolgung meines auf allgemeine Orientirung
gerichteten Hauptzweckes eine Reihe von Beobachtungen an-
zustellen. Namentlich waren es die granitischen Gänge,
welche das Granulitgebirge in ausserordentlicher Anzahl durch-
schwärmen, die eine bedeutende Anziehungskraft auf mich aus-
übten. Die eingehende Schilderung dieser Ganggebilde ist das
Thema der folgenden Abhandlung.
Abgesehen von den Zügen des sogenannten Mittweida'er
Granites, setzen in den petrographisch zum Theil sehr verschie-
denartigen Gliedern der sächsischen Granulitformation auf :
1. Gänge vom Quarz, Kaligliinmer und Turmaliu im
Cordieritgueiss.
Die Thalgehänge der Mulde zwischen dem Göhrener Via-
duct und dem Städtchen Lunzenau werden von Tordieritgneiss
gebildet, welcher von seiner Oberfläche aus bis zu beträcht-
licher Tiefe verwittert und in seiner unveränderten Gestalt erst
neuerdings durch die Eisenbahneinschnitte der Muldethalbahn
blossgelegt worden ist. Der Cordierit ist in dem dort auf-
geschlossenen Gesteine so reichlich enthalten , dass die durch
Sprengungen neu geschaffenen Felswände und gewaltigen
105
Trümmerhalden schon von ferne durch ihre blaugraue Farbe
auffallen. Sie sind es, welche vielen Mitgliedern der Deutschen
geologischen Gesellschaft von unserer gemeinsamen Excursion
im Anfang September 1874 in Erinnerung geblieben sein
werden.
Der petrographische Charakter dieses Cordieritgneisses ist
bekannt, nur muss nochmals betont werden, dass der neben
Orthoklas, Cordierit und Quarz auftretende Glimmer in dem
frischen Gesteine stets schwarzer Magnesiaglimmer ist.
Die eingetretene Verwitterung hat das Gestein zerklüftet
und seine ursprünglich schön blaugraue Farbe mit einer
schmutzig braunen, grünlich gefleckten vertauscht, hat den
Feldspath mürbe und erdig gemacht, dadurch der ganzen ober-
flächlichen Gesteinsmasse ihre Festigkeit genommen, und den
Cordierit anscheinend ganz aufgezehrt, aus wel-
chem nun Glimm erschüppchen von weisser oder grün-
lichgrauer Farbe hervorgegangen sind, die das Gestein in dün-
nen Membranen durchziehen, schuppige Partieen oder blätte-
rige Trümer bilden oder endlich in einzelnen Blättchen wirr
zwischen den übrigen Gesteinsbestandtheilen eingelagert sind.
Ein zweites Zersetzungsproduct ist Eis en ox yd hy drat, wel-
ches sich überall in dem verwitterten Gesteine in Form zarter
Incrustate von gelber oder brauner Farbe ausgeschieden hat
und die bereits hervorgehobene schmutzigbraune Färbung des
aus der Verwitterung hervorgehenden Gesteins bedingt.
Nach einzelnen Individuen von Cordierit sind Pseudo-
morphosen von Glimmer längst bekannt. An den Lunzenauer
Cordieritgneissen aber sehen wir ganze Gebirgsmassen
von diesem Zersetzungs- und Neubildungsprozesse ergriffen,
sehen das Ausgehende stundenlanger Gesteinszüge im Zustande
dieser pseudomorphosirenden Verwitterung.*) Die Bildung des
Kaliglimmers geschieht dabei auf Kosten der beiden Haupt-
gemengtheile des Cordieritgneisses, indem die Zersetzung des
Orthoklases das kieselsaure Kali, diejenige des Cordierits die
kieselsaure Thonerde lieferte, welche zu Kaliglimmer zusammen-
traten. Eisenoxydul aber und Magnesia wurden gleichzeitig
als Carbonate weggeführt, von denen jedoch ersteres bald
wieder als Eisenoxydhydrat zur Ausscheidung gelangte.
*) Siehe auch v. La?aulx, N. Jahrb. IST^. pag. 834.
106
Recht interessant, wenn auch nur Bekanntes bestätigend,
sind die mikroskopischen Erscheinungen, welche der Spaltung
des Cordierits in Thonerdesilicat und Magnesiacarbonat , sowie
der Verbindung des ersteren mit Kalisilicat vorausgingen. Unter
dem Mikroskop erweisen sich die grossen wasserhellen Cor-
dieritkörner unseres Gneisses ausserordentlich reich an den farb-
losen, schlanksäulen- oder nadeiförmigen Mikrolithen, welche
Zirkel und y. Lasaulx*) eingehend beschrieben haben. Sie
bilden wirre, oft filzige Haufen oder stromartig sich windende
Nadelguirlanden in der Cordieritmasse. Unabhängig von ihnen
stellt sich nun jene von Zirkel, neuerdings von Wichmann
an Cordieriten von Haddam in Connecticut**) geschilderte
Aederung des klaren Minerals durch ein sich mehr und mehr
ausbreitendes Netzwerk von schmalen , sich kreuzenden Zer-
setzungszonen ein, welche sich auf Kosten der in ihren Maschen
liegenden frischen Cordieritbrocken immer mehr verbreitern
und zuletzt das gesammte Cordieritkorn in eine Substanz von
grünlichgelber Farbe, in C h 1 o ro p h yl Ii t, umwandeln. Diese
Pseudomorphose besteht in der Aufnahme von Wasser von
Seiten des Cordierits und repräsentirt eins seiner Uebergangs-
stadien in Kaliglimmer. In diesem Chloropbyllit stellen sich
nun ohne jede weitere Uebergänge als Endproduct des Um-
wandlungsprocesses lichte Tafeln von Glimmer ein. Auch
Wichmann , der zuletzt die Pseudomorphosen des Cordierits
mikroskopisch untersuchte, gelang es nicht, den allmäligen
Uebergang des Chlorophyllits in Glimmer zu beobachten.
Als Endresultat dieses ganzen schliesslich auf Erzeugung
von Glimmer gerichteten Vorganges sieht man das Ausgehende
des Cordieritgneisses bis zur Tiefe von mehreren Metern in
ein verworren-schuppiges, kurzflaseriges Gestein umgewandelt,
welches einem im Zustande der Verwitterung begriffenen
Glimmergneiss gleicht, und welchem der Nichteingeweihte kaum
seine Abstammung von Cordieritgneiss ansehen dürfte. Zu-
weilen erhalten sich grössere rundliche Blöcke in verhältniss-
mässig frischem Zustande innerhalb des glimmerreichen Zer-
*) Siehe Zirkel, Mikrosk. Beschaff, d. Min. pag. 209; v. Lasaulx,
N. Jahrb. 1872. 'pag. 831.
**) Diese Zeitschr. 1874. pag. 680. — Zihkkl, Mikrosk. Beschaff,
pag. 211.
107
setzungsproductes. Da nun dieses letztere durch vollständige
Verwesung des Orthoklases zu Grus zerfällt und von den
Tagewassern weggeführt wird , so entstehen , ähnlich wie bei
der Verwitterung des Granits, freiliegende aufeinander gethürmte,
wollsackartige Blöcke und felsenmeerartige Blockanhäufungen,
wie sie für die Cordieritgneiss - Regionen des sächsischen
Granulitgebietes, im Gegensatze zu den scharfkantigen, schroffen
Felsbildungen des Granulits so charakteristisch sind und z. B.
im Thale der Chemnitz bei Schweizerthal und in dem der
Mulde zwischen Rochsburg und Göhrener Brücke auftreten.
Kein Punkt aber des gesammten Granulitgebirges liefert eine
deutlichere Illustration der in Folge der Verwitterung eintre-
tenden Wollsackbildung des Cordieritgneisses als der Galgen-
berg bei Mitweida. Der Scheitel dieser flachen Erhebung ist
gekrönt von einem kühnen Haufwerk gewaltiger rundlicher
Blöcke von ausserordentlich festem und zähem Cordierit-
fels, an ihren Abhängen aber, da wo das stattliche Tech-
nicum sich erhebt, ist ein mürbes, ja mit der Hand zerreib-
liches Gestein aufgeschlossen , das sich durch seinen ganzen
Habitus, seinen geringen Zusammenhalt, seinen Reichthum an
ockerigem Eisenoxydhydrat direct als ein Zersetzungsproduct
ausweist. Es besteht aus sehr viel Glimmer, sowie Schmitzen
und Körnern von Quarz und Eisenoxydhydrat, hat eine schief-
rige Structur und ist augenscheinlich die nämliche Masse, in
welche am Göhrener Viaduct der Cordieritgneiss an seiner
Oberfläche zersetzt ist. Und in der That liegen in ihr am
Fusse des Galgenberges kleine Knollen und grosse Blöcke
von noch unzersetztem festem Cordieritfels umschlossen. Wie
heut noch die Gehänge und der Fuss, so bestand früher auch
der Gipfel des Galgenberges aus solchen mulmigen Zersetzungs-
producten mit einzelnen noch frischen Blöcken. Durch die
mechanische Thätigkeit der atmosphärischen Wasser aber,
wurden erstere allmälig entfernt, während die Blöcke zurück-
blieben und nach Wegführung des sie bis dahin trennenden
losen Gruses und Mulmes zu jenen auffälligen Haufwerken
wurden.
Den erst besprochenen, z. Th. verwitterten Cordieritgneiss
von Lunzenau durchziehen regellos und in ziemlich weiten
Abständen Klüfte. In nehmlicher Weise nun wie in der ver-
witterten Gesteinsmasse selbst an Stelle, des durch Zersetzung
108
theilweise entfernten Cordierits und Orthoklases: Kaliglimmer,
Eisenocker und Quarz zur Ausbildung gelangten, haben sich
diese und andere Zersetzungsproducte des der Verwesung ver-
fallenen Gesteins in jenen Spalten angesiedelt, haben diese
ganz oder theilweise ausgefällt und zu M i n eral g ä n ge n um-
gestaltet, die eine weitläuftige wirre Durchäderung des Cor-
dieritgneisses bewirken und ohne an dessen vollkommen zer-
setztes Ausgehende gebunden zu sein , in das anscheinend
vollständig frische Gestein fortsetzen.
Diese Gänge besitzen der Natur ihrer Entstehung nach
einen sehr unregelmässigen Verlauf und eine sehr schwankende
Mächtigkeit. Es sind schmale Trümer von 2 — 5 Cm. Dicke,
welche sich zu 25 bis 35 Cm. Mächtigkeit aufblähen können,
sich auch wohl hier und da verzweigen und dort, wo sie sich
zu mehreren treffen, ein unregelmässiges Nest bilden.
Die Hauptausfüllungsmasse dieser Gänge ist Kaliglimmer
und Quarz, ihnen gesellt sich Eisenoxyd und Turmalin zu.
Die Vergesellschaftung, die Wachsthumsverhältnisse dieser
Mineralien bieten manches Interessante.
In vielen Fällen und zwar namentlich bei weniger mäch-
tigen Trümern bildet Kaliglimmer, ein blätteriges Aggregat
von wirren oder büschelig- strahlig verwachsenen Individuen,
das ausschliessliche Gangmineral , mit dessen weissen oder
gelblichen Blättern sich nur hier und da ein Bündel von Tur-
malinsäulen, oder einige Tafeln von schwarzem Magnesia-
glimmer, sowie Körner von Quarz verwachsen zeigen, in den
meisten Gängen aber gesellt sich Quarz und Eisenoxyd in
sehr beträchtlicher Menge dem Glimmer zu. In der Art und
Weise der Aggregation dieser drei Mineralien herrscht jedoch
wiederum sehr grosse Verschiedenheit. In manchen Fällen
liegen die hellen Glimmertafeln wirr und ungeordnet durch-
einander, so dass zwischen ihnen kleine eckige Hohlräume
offen bleiben und ein nur wenig compactes zelliges Aggregat
entsteht. Alle diese Hohlräume sind nun drusig ausgekleidet
oder fast vollständig ausgefüllt von einer Unzahl meist nur
einige Millimeter grosser, trüber, bräunlich rother Quarz-
kryställchen. Sie sind sämmtlich langsäulenrörmig ausgebildet,
tragen an beiden Enden Pyramidenflächen und liegen entweder
kreuz und quer durcheinander, wie auf einen Haufen geworfene
Scheite Holz, oder bilden stachelige Büschel und kettenförmige
109
Reihen. Turmalin in schwarzen Strahlenbündeln tritt zuweilen
mit Glimmer und Quarz in Vergesellschaftung. Sie alle sind
schliesslich bedeckt von einem Ueberzug von ockerigem Eisen-
oxyd. Dieses ist es zugleich, welches die nur lose verbun-
denen Gemengtheile des Quarz-Glimmer- Aggregats verkittet.
In anderen der dortigen Gänge waltet nicht der Kali-
glimmer, sondern der Quarz vor. Dieser ist dann grob-
splitterig, derb, glasig, milchweiss und umfasst in der Centrai-
zone des Ganges nicht selten parallel den Gangwandungen
gestellte Bündel von schwarzen Turmalinsäulen, während sich
an den Salbändern, oder wenigstens an einem derselben ein
schuppig-blätteriges Aggregat von weissem Kaliglimmer ein-
stellt. Diese symmetrische Anordnung der Gangmineralien
gestaltet sich in manchen, wenn auch weniger häufigen Fällen
fast so deutlich wie in den ähnlichen zinnsteinführenden Quarz-
Giimmergängen von Zinnwald. Wie dort sind auch an der
von uns besprochenen Localität die beiderseitigen Salband-
zonen zuweilen ausschliesslich von rechtwinklig auf den Gang-
grenzflächen stehenden lichtgrauen Glimmerblättern zusammen-
gesetzt, während der mittlere Theil des Ganges nur weissen
Quarz enthält.
Diesen sämmtlichen Gängen des Cordieritgneisses von
Lunzenau ist die Neigung zur Drusenbildung gemeinsam, eine
ganz naturgemässe Erscheinung, wenn man in Erwägung zieht,
dass sie ins Gesammt durch allmälige Auskrystallisirung ihrer
mineralischen Bestandtheile von den Salbändern aus zuge-
wachsen sind und dass an Stellen, wo die Spalten sich aus-
dehnen und der Stoff zur Ausfüllung nicht hinreichte, Hohl-
räume offen bleiben mussten, deren Wandungen die Krystall-
enden der im Wachsthum begriffenen Gangmineralien bildeten.
Wie aus Obigem hervorgeht, sind dies Quarz, Kaliglimmer
und Turmalin.
Vom Quarz dieser Drusen ist nichts weiter zu bemerken,
als dass er trübe, von einer röthlichen Eisenoxydhaut über-
zogen ist und nur die gewöhnlichsten Formen, aber keine
Rhomben- und Trapezflächen aufzuweisen hat. Seine Krystalle
stehen nicht alle senkrecht auf den Seitenwandungeu der
spaltenförmigen Drusen , sondern sitzen z. Th. in deren
Hintergründe fest und ziehen sich den seitlichen Wänden fast
parallel der Länge nach durch den Drusenraum. Dann ist die
HO
Pyramidenspitze gewöhnlich zu einer Kante verzogen , womit
eine tafelförmige Verzerruug Hand in Hand geht. Die brei-
teren Säulenflächen und die aus der Spitze hervorgehende
Kante stehen dann meist parallel der Längserstreckung der
Drusenspalte. Von allen drei Gangmineralien ist augenschein-
lich der Turmalin zuletzt zur Ausbildung gelangt, indem seine
säulig-büscheligen Aggregate die aus den Wandungen hervor-
ragenden Krystallenden verbinden.
Interessanter als diese offenen Drusenräume sind die
von losen Krystallen und Krystalls chutt ausge-
füllten, meterlangen Ausweitungen einzelner jener
Gänge. Auch sie sind früher nichts anderes gewesen als
grosse Drusenräume und deshalb wie diese ausgekleidet von
Glimmer und Quarzen, letztere im Vergleiche mit den übrigen
kaum zollgrossen Vorkommnissen von sehr bedeutenden Di-
mensionen; besassen doch manche der herausgebrochenen Indi-
viduen bei einer Breite von 15, eine Länge von 20 Cm.
x^uch ihre Krystallgestalt beschränkt sich auf die Ausbildung
von Säule und Pyramide, wobei sich ebenfalls die oben er-
wähnte tafelartige Verzerrung in der Richtuug der Drusenspalte
einstellen kann. Auffällig ist der ausserordentlich geringe
Zusammenhang dieser grossen Quarze mit den Drusenwan-
dungen und er erklärt es, dass die Krystalle bei fortgesetzter
Gewichtszunahme oder in Folge von Erschütterungen, denen
das Nebengestein ausgesetzt war, sich loslösen, herabstürzen
und sich auf dem Boden der Weitungen anhäufen konnten.
So ist denn der eigentliche Drusenraum innerhalb derartiger
linsenförmiger Erweiterungen der Quarz - Glimmer - Gänge zum
grossen Theil ausgefüllt von einem wirren , vollkommen losen
Haufwerk von Quarzen, Glimmertafeln, Turmalinfragmenten
und Eisenrahm, so lose, dass man es ohne Mühe mit der Hand
aus den Drusen auszuräumen vermochte.
Die Quarze walten in ihm vor. Unter ihnen muss man
unterscheiden 1) grosse, von den Wandungen herabgefallene,
wohlerhalteue Krystalle, 2) ganz frische und ältere aus deren
Lostrennung und Herabsturz entstandene Scherben, 3) kleine,
nur wenige Millimeter grosse, meist allseitig ausgebildete, erst
innerhalb des schüttigen Haufwerks selbst entstandene Kry-
ställchen. Die erstgenannten erreichen 5 — 10 Cm. Länge, sind
stets von Eisenrahm überzogen und haben deshalb zwar ebene,
aber matte Flächen, die sich natürlich wiederum auf diejenigen
von Säule und Pyramide beschränken. Die Combiuations-
kanten der beiden letzteren sind zuweilen durch eine spitzere
Pyramide abgestumpft. Die einzige Abwechselung besteht in
der nicht seltenen ungleichwerthigen Ausbildung der beiden
Rhomboeder oder in der tafelartigen Verzerrung der Säule.
Interessant ist eine auch von G. vom Rath von gewissen
Quarzen der Insel Elba beschriebene*) aulfallend topasartige
Gestaltung mancher Krystalle unseres Fundpunktes, welche
dadurch erzeugt wird, dass zwei parallele Flächen des Prismas
und die entsprechenden beiden Pyramidenflächen fast vollkom-
men verschwinden. An ihrem unteren Ende tragen die Quarz-
krystalie Glimmerpartieen und Turmalinfragmente, die sie von
den Drusenwandungen mit losgerissen haben; sind sie jedoch
geborsten und nur theilweise herabgebrochen, so sind die
Bruchflächen mit Neubildungen von Quarz versehen und zwar
entweder wie mit einem glänzenden Firniss überzogen , oder
bereits von deutlichen Anfängen neuer Krystallbildungen be-
deckt. Letztere haben sich dann parasitisch auf jedem kleinen
Vorsprung des muscheligen Bruches angesiedelt, dabei jedoch
eine gesetzmässige vStellung zu dem Mutterkrystall einnehmend.
Ist nämlich die Bruchfläche ungefähr paral'el oR, so trägt sie
mehr oder weniger verzogene Flächengruppen , welche solchen
der Pyramide entsprechen und bei fortgesetztem Wachsthum
augenscheinlich das den alten Krystallen fehlende Pyramiden-
Ende ersetzen würden. Ist jedoch die Richtung der Bruch-
fläche mehr der Hauptaxe parallel oder läuft unter spitzem
Winkel durch diese , so zeigen sich der Horizontalstreifung
der intakten Prismenflächen entsprechende, flachleistenförmige
Ansätze, welche sich wellig-treppenförmig übereinander wieder-
holen können und Combinationen einer Prismen- und einer
Pyramidenfläche sind. Nicht selten ist ferner die Erscheinung,
dass grosse zerbrochene Quarzkrystalle durch die beschrie-
benen Neubildungen wieder verwachsen, nachdem sich die
Bruchflächen durch einen mehrere Millimeter breiten Riss
gegeneinander verschoben haben.
Die neben solchen ziemlich vollständigen Quarzkrystallen
vorkommenden zahlreichen Quarzscherben und -Splitter sind
*) Diese Zeitschrift 1872. pag. 650.
112
z. Th. weiss, ja wasserhell und dann so frisch und scharfkantig,
als stammten sie von eben erst zerschlagenen Quarzen ab,
während andere, jedenfalls viel älteren Ursprungs, durch einen
Ueberzug von Eisenrahm braun gefärbt und mit parasitischen
Neubildungen von Quarz und Ansiedelungen von Glimmer-
blättchen versehen sind.
Hat man die grösseren Krystalle und die Scherben aus
dem Haufwerke entfernt, so bleibt ein feiner Schutt zurück,
aus welchem zwar die glänzenden Glimmerblättcheu am meisten
hervortreten, der jedoch vorwaltend von neu gebildeten
kleinen Quarzkryställchen zusammengesetzt wird, von denen
die grosse Mehrzahl nur wenige Millimeter misst und aus
regelmässigen dünnen Säulchen mit beiderseitiger Pyramide
besteht. Die bereits zu 1 — 2 Cm. Grösse herangewachsenen
Krystalle haben die Tendenz, sich durch Ausdehnung zweier
paralleler Prismenflächen zu flachen Tafeln zu gestalten.
Aus den oben beschriebenen Ansiedelungs - und Aushei-
lungserscheinungen an den grossen Quarzen, aus der Neubil-
dung der kleinen Quarzkryställchen geht hervor, dass eine
constante Zufuhr von Kieselsäuresolution stattgefunden hat.
Aus dieser werden sich gleichzeitig mit der in dem Haufwerke
vor sich gehenden Quarzausscheidung auch an den Wandungen
an Stelle der herabgebrochenen Krystalle neue Quarze abgesetzt
haben, die bei fortdauerndem Wachsthum wiederum herab-
stürzten und die Schuttansammlung auf dem Boden der Wei-
tung vergrösserten. Daraus erklärt sich auch das augenschein-
lich ganz verschiedene Alter der Krystallfragmente innerhalb
dieses Haufwerkes.
Dasselbe besteht neben Quarz aus Tafeln und Schuppen
von Kaliglimmer, aus Säulenbruchstücken und kleinen büsche-
ligen Aggregaten von schwarzem Turmalin und endlich sehr
beträchtlichen Mengen von schuppigem Eisenoxyd, also Eisen-
rahm. Zugleich aber füllt erdiges Eisenoxyd die dem Glimmer-
Quarz-Gang benachbarten Klüfte und Spalten aus und bildet
dann zinnoberrothe Bestege und Trümer, welche im Verein
mit den beschriebeneu Gängen den Cordieritgneiss des Mulde-
thales durchsetzen.
Sie alle aber sind Producte eines Zersetzungs- und Aus-
laugungsproeesses des Nebengesteins und stehen in demselben
Verhältnisse zu dem verwitterten Cordieritgneissgebirge , wie
113
die Glimme* äderchen, die einen aus Zersetzung eines Cordierit-
krystalls hervorgegangenen Pinit durchziehen , zu diesem Mi-
nerale. Es sind grossartige Wiederholungen des nämlichen
Vorganges, welchen Haidinger, Blüm und Bischof an den
Pseudomorphosen von Chlorophyllit, Pinit und Glimmer nach
Individuen des Cordierits kennen lehrten, und auf welchen wir
bei Besprechung derartiger Pseudomorphosen in den Pegma-
titen von Rochsburg zurückkommen werden.
An und für sich schon lehrreich, beweist das beschriebene
Gangvorkommen innerhalb eines in Zersetzung begriffenen
Gesteins mit Bezug auf unsere später anzustellenden Betrach-
tungen über die Genesis der echten granitischen Gänge im
Granulitgebirge, dass: Quarz, Kaliglimmer und Turma-
lin, drei wesentliche Bestandteile dieser grani-
tischen Gange aus durch Zersetzung einzelner Ge-
mengtheile des Nebengesteins entstehender mi-
neralischer Solution innerhalb Gesteinsspalten
zu krystal Ii nischer Ausscheidung gelangen, also
gangförmige Secretionen bilden können.
2. Gänge von l|uarz mit Orthoklas.
Am Wege von Penig nach der Fabrik Amerika, am rechten
Ufer der Mulde gegenüber der Carlseiche wird der dortige
typische Granulit von einigen Quarzgängen durchsetzt. Ihre
Mächtigkeit ist nur unbedeutend und beträgt kaum mehr als
8 Cm. Sie bestehen aus glasigem, sprödem, grobsplitterigem
Quarz von weisser bis rauchgrauer Farbe. Hier und da stellen
sich Drusenräume ein, deren Wandungen von den Pyramiden
der augenscheinlich von beiden Salbandflächen angeschossenen,
jetzt aber nicht mehr gesonderten, vielmehr zu einer homo-
genen Quarz-Gangmasse verschmolzenen Quarzkrystalle gebildet
werden. Innerhalb dieses glasigen Quarzes treten vereinzelte
Einsprenglinge von fleischrothem Orthoklas in körnigen
Aggregaten oder in Einzelindividuen mit ausgezeichnetem
Blätterdurchgang und in manchen von diesen wiederum kleine
Blättchen von weissem Kaliglimmer auf. Von ihrem
Nebengestein werden diese Gänge durch ein zartes Salband
von dunkelgrünen Chloritschuppen getrennt.
Auch bei Wolkenburg und Etzdorf treten im Granulit
Zeits.d.D.geol. Ges. XXVII. 1. 8
114
schmale Gänge von hornsteiuartigem Quarz mit hellröthlichen
Feldspatheinsprenglingen auf. Das schönste Vorkommen der
Art ist durch einen Bahneinschnitt direct oberhalb der Thier-
bacher Eisenbahnbrücke aufgeschlossen. Dieser Gang ist über
einen Meter mächtig und besteht aus prachtvoll glasigem,
schneeweissem , in dünneren Splittern wasserhellem Quarz mit
lauter isolirten Einsprenglingen von blassrothem Orthoklas
und vereinzelten Tafeln von schwarzem Magnesiaglimmer. Der
Quarz wird etwa f, der Orthoklas aber nur { der Gangmasse
betragen.
Ganz ähnliche und zwar ebenfalls im normalen Granulit
aufsetzende Gangbildungen sind an der Hängebrücke bei Krieb-
stein und im Bahneinschnitt nördlich von Waldheim aufge-
schlossen. An ersterem Orte bilden auf ihrem Bruche glän-
zend glasige, hellraucbgrane Quarze ein körnig-stengeliges
Aggregat, in welchem vereinzelte Tafeln von schwarzbraunem
Magnesiaglimmer und wohlausgebildete, vollkommen isolirte
weisse Orthoklaskrystalle inne liegen. Auf dem scharfum-
grenzten sechsseitigen Querbruche mancher dieser Krystalle
zeigt sich ihre Natur als Carlsbader Zwillinge. Der Quarz-
gang in dem erwähnten Bahneinschnit nördlich von Waldheim
ist ebenfalls durch innige Verwachsung und Verschmelzung
grosser Quarzindividuen entstanden, was sich darin ausspricht,
dass sich in der sonst compacten und homogenen Quarzmasse
zahlreiche eckige Hohlräume zwischen den gegeneinander ge-
wachsenen Quarzsäulen offen erhalten haben. Die Wandungen
derselben sind bedeckt von kleinen, wohlausgebildeten Quarzen
und von Gruppen zierlicher fleischrother Orthoklase , welche
von den Flächen oo P und o P begrenzt, flachen Rhomboedern
ähneln.
Bemerkt sei hier noch , dass in manchen Pegmatitgangen
local der Quarz so vorwaltet, dass sie als Quarzgänge mit
eingesprengten rothen Orthoklasen und schwarzen Turmalinen
bezeichnet werden könnten , innerhalb welcher | oder mehr
der Gangmasse auf Rechnung des Quarzes zu setzen ist.
Schliesslich sei noch einiger Feldspath - führender Quarz-
gänge gedacht, welche im Granulit direct oberhalb Rochsburg
durch die Erdarbeiten der Muldethalbahn aufgeschlossen wurden.
Dieselben sind so drusenreich , dass die Structur ihrer Aus-
füllungsmasse eine grosszellig-drusige genannt werden muss.
115
Aus den Drusenwandungen ragen bis zolllange , meist trübe
Quarzkrystalle hervor, deren gewöhnliche Gestalt zwar die
einfache Combination von Säule und Pyramide ist, von denen
aber einzelne Individuen die bereits oben beschriebene topas-
ähnliche Form durch Verkümmerung zweier paralleler Prismen-
und der entsprechenden Pyramidenflächen erhalten haben. Zu
Füssen dieser Krystalle treten aus den Drusenwandungen kurze
Orthoklase einfachster Form hervor, welche dem Drusenraum
die Flächen P und x zuwenden. Zwischen beiden Mineralien
stellt sich hier und da eine strahlig- blätterige Rosette von
weissem Kaliglimmer ein.
Die Erscheinungsweise der beiden Hauptbestandtheile dieser
Gänge ist jedoch nicht immer so einfach, vielmehr geben so-
wohl Quarz wie Feldspath Veranlassung zu complicirten Be-
obachtungen. Während letzterer der Ausgangspunkt einer
Reihe von interessanten Zersetzungsproducten geworden ist,
zeigen einzelne Individuen des Quarzes eine höchst unge-
wöhnliche Ausbildungsweise, welche durch das Auftreten einer
rauhen „basischen44 Fläche und eines in Verbindung damit
stehenden treppenförmigen Aufbaues bedingt wird. Auf die
Prismenflächen einer Anzahl dieser Krystalle sind nämlich
schmale Pyramidenflächen aufgesetzt. Diese werden von einer
rauhen, matten, „ b a s i s ch e n tt Fl äc h e abgestumpft,
ganz ähnlich wie 'dies M. Bauer von einem Rauchtopas aus
Wallis beschrieben hat.*) Ebensowenig jedoch wie an dem
Walliser Krystall ist dies die wirkliche Basis, da sie gegen
die Hauptaxe schwach geneigt ist. Einige etwa 2 Cm. lange
Krystalle schliessen mit dieser eigentümlichen Fläche ab, —
andere von 2 bis 3 Cm. Grösse tragen in der Mitte dieser
letzteren knopfartig eine verzogene Quarzpyramide mit kurzem
Prisma, — auf noch zwei anderen erheben sich in treppen-
förmiger Aufeinanderfolge vier kurze tafelförmige Prismen, von
denen jedes obere einen kleineren Durchmesser besitzt, als
das seine Basis bildende. Dieselben sind wie die untersten
Hauptkrystalle Combinationen einer kurzen Prismenfläche, einer
schmalen Pyramidenfläche und der rauhen basischen Fläche.
Von diesen liegen die einander entsprechenden Pyramiden-
flächen in einer Ebene, — denkt man sich dieselben über die
*) Diese Zeitschrift iS7i pag. 194.
8*
116
einspringenden Winkel des treppenförmigen Aufbaues verlängert,
so würden sie sich zu einer vollständigen Pyramide vereinen.
Endlich ist ein Exemplar von 2 Cm. Höhe in der Weise
thurmförmig aufgebaut, dass acht immer kleiner werdende
Prismen, jedes auf der rauhen basischen Fläche des vorigen
aufsitzen. Es entsteht also hier eine sechsseitige, oben grade
abgestumpfte, in diesem Falle jedoch sehr steile und hoch-
stufige Treppe. (Siehe Taf. VII. Fig. 29.)
Weniger auffällig als sie es auf den ersten Blick ist,
gestaltet sich diese Erscheinung, wenn wir andere benachbarte
Krystalle in Vergleich ziehen. An ihnen treten Flächen auf,
welche ganz ähnlich , wie die beschriebene „Basis", nur
schräg und zwar unter bald mehr, bald weniger spitzem
Winkel die Quarzprismen abschneiden. Auch auf ihnen erhebt
sich eine Anzahl nach oben zu jedesmal kleiner werdender
tafelförmiger Prismen, so dass schräge Treppen entstehen.
Es geht daraus hervor, dass diese Endflächen eine gesetz-
mässige krystallographische Lage nicht besitzen, sondern in
ihrer Richtung, wie in ihrem Auftreten überhaupt, durchaus
von Zufällen abhängig sind.
M. Bauer erklärt 1. c. die Entstehung der basischen Fläche
an dem von ihm beschriebenen Rauchtopas durch Anstossen
des im Wachsthum begriffenen Krystalls an eine ihm gegen-
über liegende Krystallfläche irgend eines Minerals, den treppen-
förmigen Aufbau aber des betreffenden Exemplars durch spä-
teres nach Auflösung des hemmenden Minerals eintretendes
Fortwachsen des Rauchtopases. Diese Deutung acceptiren wir
auch für unsere Treppenquarze mit dem Zusätze, dass es bei
letzteren Täfelchen von Kaliglimmer waren, welche sich an-
fänglich den wachsenden Quarzen als Hindernisse in den Weg
stellten , dann zersetzt und dadurch entführt wurden und als
einzige Merkzeichen ihrer einstigen Existenz die beschriebenen
Endflächen der Quarze hinterliessen. Dass dem so ist, wird
durch den Umstand bewiesen, dass in einem ganz analogen
Quarzvorkommen innerhalb granitischer Drusen bei Markers-
dorf, sowie in einzelnen solchen bei Penig Reste jener Kali-
glimmer-Tafeln innerhalb und an jenen Quarzen noch sichtbar
sind, während die Hauptmasse des zersetzten Kaliglimmers,
durch dessen Entfernung das unterbrochene Wacbsthum sich
fortsetzen konnte, verschwunden ist.
117
Nicht weniger interessant sind die Resultate gewisser
Zerstörungs- und Um w an d 1 u n g s v org än g e des Feld-
spaths eines dieser Gänge. Man denke sich zwischen den
Quarzgruppen einzelne Orthoklasindividuen nur so weit hervor-
ragen, dass P und x, sowie der in dem Winkel zwischen
beiden Flächen liegende Theil von M , seltener kleine Par-
tieen der Säule sichtbar sind. An die beiden KJinopinakoid-
flächen der meisten dieser Orthoklase unserer Handstücke legt
sich nun je ein tafelförmiger Albitzwilling in paralleler Axen-
stellung an. Sehr eigenthümliche Verhältnisse zeigt der zwi-
schen je zwei Albittafeln liegende Orthoklas. Statt wie ur-
sprünglich aus einer fleischrothen homogenen Masse , besteht
er aus lauter dünnen , eng nebeneinander stehenden wellig-
bauchigen Lamellen von bräunlicher Farbe, welche durch zarte
spaltenförmige Zwischenräume getrennt werden. Diese La-
mellen stehen senkrecht auf M, also auch auf den angrenzen-
den Albittafeln und ebenso auf P und x , liegen also parallel
der Hauptaxe und der Orthodiagonale. Basis und Hemidoma
sind demnach wie mit zarten , aber tiefen horizontal verlau-
fenden Einschnitten eng liniirt, während das Klinopinakoid ver-
tical gestreift erscheinen würde, wenn die darauf liegenden
Albittafeln entfernt werden könnten.
Nun ist ja einerseits der Process der Albitextraction aus
natronhaltigen Orthoklasen, andererseits die Thatsache bekannt,
dass gewisse Feldspäthe aus einer parallelen Verwachsung von
abwechselnden Orthoklas- und Albitlamelien bestehen, wie wir
dies auch von vielen Feldspäthen der granitischen und peg-
matitischen Gänge des Granulitgebiets nachweisen werden.
Dasselbe ist nun, nach diesen Analogien zu schliessen, auch
bei dem eben beschriebenen Vorkommniss ursprünglich der
Fall gewesen. Die leichter zerstörbaren Lamellen von Albit
wurden ausgelaugt , um sich anfänglich in Gestalt einzelner
Kryställchen auf den Klinopinakoidflächen des theilweise zer-
störten Mutterkrystalls anzusiedeln und bei anhaltender Sub-
stanzzuführung allmälig zu einem tafelförmigen Individuum zu
verwachsen, während von dem das Material liefernden Feld-
späthe nur die reinen Orthoklaslamellen zurückblieben.
G. vom Rath beschreibt aus den granitischen Gängen von
Elba*), auf deren Analogie mit den unseren wir noch öfters
*) Siehe diese Zeitschr. 1870 pag. 656.
118
zurückkommen werden, und zwar aus solchen von S. Piero in
ganz ähnlicher Weise zerstörte Feldspäthe, deren zerfressenes
Aussehen er ebenfalls nicht abgeneigt ist, aus ihrer ursprüng-
lichen , lamellaren Verwachsung von Orthoklas und Albit her-
zuleiten. Dass letzteres wirklich der Fall sei , hat später
Streng*) durch mikroskopische Untersuchung von Dünn-
schliffen nachgewiesen. Auch in Elba sitzen kleine Albit-
kryställchen in paralleler Stellung auf dem Orthoklas, so dass
sich dort, wie hier die nämlichen Erscheinungen wiederholen
und gleicher genetischer Deutung unterliegen müssen.
Mit der Albitextration war jedoch der Zerstörungsprocess
des Feldspaths der Gänge von Rochsburg noch nicht abge-
schlossen. Erhielten sich auch einige Orthoklas - Albit - Ver-
wachsungen in der beschriebenen Form, so verfiel doch schliess-
lich die Substanz mancher von der Albitauslaugung übrig blei-
benden blätterigen Orthoklase einer Zersetzung und Um-
wandlung in Kaliglimmer. Hat sich dieser bereits zwi-
schen den Lamellen der zerfressenen Orthoklase in einzelnen
silberglänzenden , punktartigen Schüppchen angesiedelt, so bil-
det er auf den Quarzen in der Umgebung derjenigen Feldspäthe,
die der Zersetzung fast vollkommen verfallen sind, und von
deren früherer Rrystallgestalt kaum irgend welche Andeutung
erhalten geblieben ist , zierliche radialschuppige oder rosetten-
förmige Gruppen von sehr kleinen gelblichweissen Blättchen.
Die bei der Glimmerbildung ausgeschiedene Kieselsäure hat
das Material zur Bildung einzelner Quarzkrystalle geliefert,
wrelche sich auf den Flächen älterer trüber Quarze, oft in
paralleler Axenstellung angelegt haben, sich von diesen durch
ihren grösseren Glanz unterscheiden und z. Th. mit Kali-
glimmer in einer Weise verwachsen sind, dass die Gleich-
zeitigkeit der Entstehung beider fraglos ist.
Nach allem dem spaltete sich der ursprünglich natron-
haltige Orthoklas in Folge fortgesetzter Zersetzungsvor-
gänge in Albit und Orthoklas und letzterer wiederum in
Kaliglimmer und Quarz, so dass wir folgenden Stamm-
baum erhalten:
*) Streng, N. Jahrb. 1871 pag. 720.
119
Kaliglimmer Quarz
Albit Orthoklas
Natronhaitiger Orthoklas
Im Laufe unserer späteren Betrachtungen werden wir auf
die an dieser Stelle kurz angedeutete Abstammung gewisser
Kaliglimmer und vieler Albite von perthitartigem Feldspath
noch ausführlicher einzugehen haben.
Auf unsere genetischen Betrachtungen über die
granitischen Gänge des G ranulitgebirges ist das Vor-
kommen orthoklasführender Quarzgänge von bedeutsamen Ein-
fluss. Vergesellschaftet mit Ganggebilden von vollkommen reinem,
derbem oder an Krystalldrusen reichem Quarz stellen sie selbst
nur Modifikationen derselben dar, die sich durch accessorisch
eingesprengte oder in Drusen auskrystallisirte Feldspäthe von
jenen unterscheiden, — gleichwertig denjenigen Quarzgängen,
welche local Schwefelkies- oder Flussspath - Einsprenglinge
führen, und deren Entstehung durch Absatz aus wässeriger
Lösung über jeden Zweifel erhaben ist. Das accessorische
Vorkommen von etwas Feldspath in ein oder dem anderen
derartigen Gange wird die Allgemeingültigkeit dieser gene-
tischen Anschauung nicht beschränken ; weiss man doch längst,
dass Feldspath so gut wie Quarz auf nassem Wege umkrystal-
lisirt, von einem Orte nach dem anderen umsiedelt, — ein
Vorgang, der so trefflich durch die Quarz-Orthoklas-Incrustate
auf den Porphyrgeröllen des Euba'er Kohlenconglomerates illu-
strirt wird.*)
Von den Feldspath- und oft auch etwas Glimmer- führenden
Quarzgängen des sächsischen Granulitgebietes unterscheiden
sich aber die granitischen Ganggebilde des genannten Ter-
ritorii allein durch das so wie so weder bei den einen,
noch bei den anderen constante Mischungsverhältniss ihrer
*) Knop, N. Jahrb. für Min. 1859 pag. 59f>. — Vülgkr, ebendort
1861 pag. 1 ff.
120
Gemengtheile. Es stehen somit keine minerogenetischen Ein-
würfe dem entgegen , die granitischen Gänge des Granulit-
gebirges, in denen der Quarz seine vorwaltende Rolle mit dem
Feldspath getauscht hat, für wässerigen Ursprungs zu
erklären, falls gewisse höchst charakteristische
St ructur Verhältnisse und Wachsthumserscheinun-
gen des granitischen Gangmaterials solches wün-
schenswerth machen sollten.
3. Gänge vom Albit, Kallglimmer und Quarz im Granulit.
Durch die bereits mehrmals erwähnten ausgedehnten Erd-
arbeiten der Muldethalbahn sind in dem normalen Granulit,
oberhalb der letzten Häuser von Rochsburg einige Gang-
trümmer von etwa 5 Cm. Mächtigkeit zum Aufschluss gelangt,
welche vorwaltend aus Albit und bald in grösserer, bald ge-
ringerer Menge beigemengtem Kaliglimmer bestehen.
Der Albit ist auf frischer Bruchfläche weiss mit einem
Stich ins Röthliche , an seiner Oberfläche jedoch durch Eisen-
oxydhydrat licht gelblichbraun gefärbt. Er bildet Krystalle
von 0,5 Mm. bis 1,5 Cm. Grösse, welche z. Th. allseitig aus-
gebildet sind , z. Th. nur einzelne Flächen tragen , während
noch andere Körner wie scharfkantige Fragmente zerborstener
Individuen aussehen. Der Habitus der Albitkrystalle ist ent-
weder durch Vorherrschen des Brachypinakoides ein tafelför-
miger, oder, wie es besonders bei den kleineren Kryställchen
der Fall ist, durch Zurücktreten dieser Fläche ein mehr pris-
matischer. Auf ihren P- Flächen finden sich die aus der ge-
wöhnlichen polysynthetischen Zwillingsverwachsung des Al-
bits resultirenden einspringenden Winkel, während die P ent-
sprechenden Spaltungsflächen der unregelmässig umgrenzten
Krystallkörner eine ausserordentlich zarte, vielfache Zwillings-
streifung erkennen lassen. Periklinartige Verwachsung wurde
nicht beobachtet. Nicht wenige dieser Albitkrystalle, und zwar
kleine sowohl wie grosse, sind hohl, dürfen jedoch nicht mit
jenen albitischen Incrustaten des St. Gotthardter Adulars ver-
glichen werden, sind vielmehr durch unvollkommene Raum-
erfüllung beim gegenseitigen Verwachsen von nebeneinander
stehenden kleineren Kryställchen entstanden,
Vergesellschaftet mit oft nur vereinzelt, zuweilen aber
121
auch sehr reichlich auftretenden, glänzenden, weisslichgrauen
Schuppen von Kaliglimmer, bilden derartige Albite ein
wirres Krystallaggregat, welches in Folge nur stellenweiser,
gegenseitiger Berührung und Verwachsung der einzelnen Indi-
viduen keinen sehr festen Zusammenhalt besitzt und deshalb
den Eindruck mancher künstlicher krystallinischer Niederschläge
aus wässerigen Lösungen macht. Local ist das Korn dieses
Albitaggregats ein so feines, dass man an ein locker-körniges
Dolomitgestein erinnert wird. Andere Handstücke dieses
Gangvorkommens bestehen aus einem Aggregat von vorwal-
tenden Albitkrystallen und Quarzen, während der Glimmer
zurücktritt.
Die Deutung der Entstehung dieser Albit - Kaliglimmer-
Quarz - Gänge fällt nicht schwer, wenn wir, ganz abge-
sehen von zahlreichen anderen wohlbekannten Albitvorkomm-
nissen auf Orthoklas und abgesehen von anderweitig beschrie-
benen Pseudomorphosen von Kaliglimmer nach Feldspath, nur
die von uns oben dargelegten und später noch eingehender
zu verfolgende Abstammung gewisser Albite, Kaliglimmer und
Quarze von albithaltigen Orthoklasen ins Auge fassen. Einem
ähnlichen Zersetzungs - und Auslaugungsprocess, wie er dort
im Kleinen innerhalb des engen Rahmens eines Drusenraumes
vor sich ging, verdanken auch die eben besprochenen Gänge
ihren Ursprung, nur waren es hier nicht einzelne perthitartig
verwachsene Albit-Orthoklase, sondern die gesammten Massen
des wesentlich aus natronhaltigem Orthoklas bestehenden nor-
malen Granulits , welche ganz entsprechend dem oben ent-
worfenen Stammbaume durch Auslaugung den Albit und durch
Zersetzung des Orthoklases den Kaliglimmer und Quarz lie-
ferten. Dass wir von ,, natronhaltigem Orthoklas" des granu-
litischen Nebengesteins jetzt und später sprechen dürfen, geht
einerseits aus Stelzner1 s und Zirkel's mikroskopischen Unter-
suchungen der Granulite*) hervor, nach denen der feldspathige
Gemengtheil jenes Gesteins ausschliesslich Orthoklas
ist, andererseits aus den von Scheerer veröffentlichten Ana-
lysen**), denen zufolge die sächsischen Granulite im Durch-
*) Stelzner, N. Jahrb. 1S71 pag. '246. — Zirkel, Mikroskop.
Beschaff, pag. 466.
**) N. Jahrb. 1873 pag. 5.
122
schnitt 2,5 pCt. Natron enthalten, welches demnach nur als
Vertreter des Kali im Orthoklas aufgefasst werden kann.
In den oben beschriebenen Gängen haben wir ein körnig«
krystallinisches Aggregat von Feldspath , Quarz und Glimmer,
also eine Art von Granit vor uns, welcher unbedingt eine
wässerige Entstehung zukommt, die ihr kein Geologe
abzustreiten willens oder im Stande sein wird.
4. Orauitische Gänge im Granulit.
Nebengestein und G a n g v e r h äl tn i s s e. Zu den
gewöhnlichsten Erscheinungen des sächsischen Granulitgebietes
gehören granitische Gänge vou röthlichem Orthoklas, grün-
lichem Oligoklas, grauem Quarz und schwarzem oder weissem
Glimmer, welche bald in grösserer Anzahl vergesellschaftet,
bald vereinzelt fast in jedem Aufschlüsse dem Beobachter
entgegen treten und noch mehr Mannigfaltigkeit in diese schon
an und für sich hochinteressante Gegend bringen. Erscheint
nun auch das gesammte Granulitterritorium von solchen Granit-
gängen durchschwärmt, so ergiebt doch eine etwas eingehen-
dere Beobachtung, dass sie sich wesentlich auf das Gebiet des
eigentlichen Granulits beschränken, in den letzterem eingela-
gerten Serpentin-, Eklogit-, Cordieritgneiss - und Granatfels-
partieen jedoch nur selten auftreten und ebensowenig in die
das Granulitgebirge aberlagernde Schieferzone hineinsetzen.
Das Nebengestein unserer granitischen Gänge ist demnach
in bei Weiten den meisten Fällen Granulit in allen seinen
durch Fehlen oder Erscheinen von Glimmer bedingten Varie-
täten, als deren extreme Glieder normaler, fast weisser, ferner
gneissartiger grauer, sowie granitischer röthlicher Granulit zu
nennen sind. Von ganz verschiedenem petrographischem Cha-
rakter sind diejenigen granitischen Gänge , welche in anderen
Gliedern des Granulitgebirges und zwar namentlich in ein-
zelnen Vorkommen des Hornblendeschiefers, des Augitschiefers
und Eklogits aufsetzen und deshalb in einem besonderen Ab-
schnitt behandelt werden sollen.
Die Form der zu besprechenden granitischen Gänge ist
eine ausserordentlich abwechslungsreiche. In vielen Fällen
sind ihre seitlichen Begrenzungsflächen so parallel und eben-
flächig wie nur denkbar, in anderen nähern sich dieselben
123
allseitig allraälig , bis sie sich schneiden, so dass sie linsen-
förmige, jedoch die Granulitschichten durchsetzende Nester
umschliessen. Hier bilden sie wellig - zackig gewundene
Schmitze, welche sich stellenweise bei unbedeutender Längen-
ausdehnüng zu unverhältnissmässiger Dicke aufblähen, dort
raachen sie treppenförmige Sprünge, indem sie den sich kreu-
zenden Klüften des Gesteins folgen, schneiden auch wohl an
diesen plötzlich ab oder zersplittern sich in zahlreiche Trümer.
Ihre Mächtigkeit ist eine sehr schwankende, jedoch
im Durchschnitt unbedeutende; in bei Weiten den meisten
Fällen beträgt sie nur 3 bis 15 Cm. , zuweilen noch weniger,
oft aber auch 15 bis 30, selten 30 bis 60 Cm, , während mir
kaum ein Fall einer | M. mächtigen granitischen Gangsecretion
bekannt ist, obwohl ich mehrere Hundert derartiger Vorkom-
men an Ort und Stelle besichtigt habe.
Auch das Anhalten, also die Längenerstreckung dieser
Gänge ist kein beträchtliches; als sein Maximum konnten
20 M. festgestellt werden , jedoch ist die Gelegenheit zur Ver-
folgung der Gänge in ihrer Horizontalausdehnung so selten
geboten, dass die Existenz längerer Gänge nicht unwahr-
scheinlich ist.
Die beiderseitige Begrenzung zwischen Gängen und Neben-
gestein ist in vielen Fällen eine sehr scharfe, z. Th. wie mit
der Feder gezogene, und erhält oft durch Ablösungsflächen
oder durch chloritisch - glimmerige Salbänder einen noch
bestimmteren Ausdruck. Dann trennt, besonders bei eintre-
tender Verwitterung, ein Hammerschlag Gang und Neben-
gestein durch eine spiegelglatte Begrenzungsfläche, so dass es
bei gewissen Vorkommnissen schwer hält, beide in einem
Handstück zu erlangen. Oft freilich sind auch die Mineral-
individuen der Gangmasse unmittelbar auf denen des Neben-
gesteins so fest aufgewachsen , dass die Ganggrenze durch
nicht die geringste Discontinuität, sondern ausschliesslich durch
plötzlichen Wechsel der Structur und Farbe bezeichnet wird.
Fragmente des Nebengesteins sind in diesen gra-
nitischen Gängen eine ziemlich gewöhnliche Erscheinung. Nicht
selten lässt sich die Stelle, von der sie losgebrochen sind,
mit Sicherheit nachweisen, was namentlich dort der Fall ist,
wo durch Gabelung oder Zersplitterung des Ganges oder
durch Scharung mehrerer Gänge zungenförmig in die Gang-
124
spalte ragende Keile oder scharfe Ecken entstanden sind.
Bei der dem Gestein eigentümlichen Zerklüftung zum Ab-
brechen besonders geeignet, finden sich dieselben jetzt, leicht
erkennbar an ihren dreiseitigen Umrissen, inmitten der Gang-
masse durch einen Streifen der letzteren von der Stelle ihres
einstigen Zusammenhanges getrennt. Taf. VII. Fig 2 u. 3
illustriren dieses Vorkommen. Ferner kann der Fall eintreten,
dass sich eine Gangspalte im Verlaufe ihres Ausfüllungspro-
cesses durch locales Nachbrechen ihres klüftigen Nebengesteins
zu einer höhlenartigen Weitung ausbildet, in welcher sich jetzt
nach erfolgter Ausfüllung durch die Gangmineralien die nach-
gestürzten Trümmer als Einschlüsse in der Gangmasse prä-
sentiren, wie dies z. ß. Fig. 1 auf Taf. VII. zeigt. Die
Brüchigkeit des Nebengesteins und das Loslösen seitlicher
Schollen desselben kann auch zur Folge gehabt haben , dass
sich der Gang local in zahlreiche schwache Trümer zerschla-
gen oder ein breccienartiges Aussehen erhalten hat. Derartige
Vorkommen von Nebengesteinsbruchstücken mit einer eruptiven
Entstehungsweise granitischer Gänge in unbedingte Abhängig-
keit zu bringen, wie dies früher wohl geschehen, ist selbst-
verständlich unstatthaft, wiederholen sie sich doch u. A. und
ganz abgesehen von fast jedem Erzgange auf ähnliche Weise
in den das Granulitgebiet in grosser Zahl durchsetzenden
Schwerspathgängen.
Was die Schichtenlage des den granitischen Gängen
benachbarten Granulits betrifft, so ist dieselbe durch die Ge-
sammtheit der mechanischen Gangbildungsvorgänge unberührt
geblieben : die Granulitschicbten schneiden scharf an den Gang-
wänden ab, ohne ihre allgemeine Richtung zu verändern. Nur
selten machen sich Ausnahmen von dieser Regel in der Weise
geltend, dass die dem xeinen Salbande des Ganges zugewen-
deten Schichtenenden auf 6 — 8 Cm., sehr selten auf grössere
Entfernung in schön geschwungener Krümmung nach oben,
am anderen Salbande aber nach unten gebogen sind, wie
dies Fig. 5 Taf. VII. zeigt. Nicht die besonders mächtigen, son-
dern im Gegentheil nur wenige Centimeter starke Granitgänge
sind es, an denen diese Erscheinung zuweilen wahrgenommen
wurde. Und es entspricht solches der genetischen Deutung dieser
Schichtenstörungen. Sind diese doch nicht etwa eine, vielleicht
sogar als Beweismittel für Eruptivität zu betrachtende Folge
125
der Gangbildung, sondern derselben lange vorausgegangen
und waren bereits ermöglicht durch das Aufreissen der Spal-
ten. In Folge der Zerstörung ihres Zusammenhanges verloren
gewaltige Partieen des Granulits ihren Halt und rutschten auf
einer Kluftfläche langsam in ein etwas tieferes Niveau, wobei
durch die enorme Reibung die Schichtenenden der sich be-
wegenden Felsmasse nach oben, diejenigen des die festlie-
liegende Bahn abgebenden Gesteins nach unten geschleift
und gekrümmt wurden, — ein Vorgang, der sich besonders
deutlich dort verkörpert findet, wo, wie durch Fig. 10 Taf. VII.
illustrirt, Granitgang, Schichtenbiegung und Verwerfung com-
binirt sind. Letztere tritt in dem abgebildeten, mir von Herrn
Dr. Dathe mitgetheilten Profile dadurch so klar hervor , dass
sie die Schichtenenden einer Anzahl sehr glimmerreicher und
deshalb dunklerer Zwischenlagen des lichten Normalgranulits
verbogen und gegeneinander verschoben hat. Bei breit klaf-
fenden, ihre anfängliche Weite bis zu ihrer Ausfüllung beibe-
haltenden Spalten konnten derartige Reibungserscheinungen na-
türlicherweise nicht eintreten, und das ist der Grund, weshalb
die beschriebene Schichtenstörung, wo sie überhaupt beobachtet
wurde , meist an schmale Trümer gebunden , bei mächtigen
Gängen aber selten ist.
Dass, wie übrigens selbstverständlich, Verrückungen und
Rutschungen des durch die Spaltenbildung zerklüfteten Gra-
nulits stattgefunden, zeigt das in Fig. 4 Taf. VII. abgebildete
Gangprofil, welches einem Einschnitte der Muldethalbahn ober-
halb Rochsburg entnommen ist. Der dortige plattenförmige,
graue, glimmerführende Granulit wird von zwei einander etwa
rechtwinklig schneidenden Kluftsystemeu durchsetzt. Dem
einen derselben entspricht ein einige 20 Cm. mächtiger Granit-
gang a mit haarscharfen Salbändern und wunderbar eben-
flächiger Begrenzung. In das Liegende dieses Ganges läuft
von letzterem aus unter ungefähr rechtem Winkel ein 3 Cm.
mächtiges , dem zweiten Kluftsysteme entsprechendes Trum b
ab. Auf ihm ist nun dessen Hangendes c um einige Zoll
herabgerutsebt, so dass nicht nur eine Verwerfung seines
Nebengesteins, sondern zugleich auch eine sprungartige Er-
weiterung des Hauptganges a stattgefunden hat. Unterhalb
dieser Rutschuug misst letzterer 24, oberhalb derselben 29 Cm.
Weder nach ihrem Streichen, noch nach ihrem Fallen
126
halten die granitisehen Gänge des Granulitgebiets ein be-
stimmtes Gesetz ein, gehören vielmehr den verschiedenartigsten
Himmels- und Fallrichtungen an und schneiden sich deshalb
im Falle ihrer Vergesellschaftung sehr gewöhnlich. Abgesehen
von vielen anderen Beispielen war es eine jetzt leider durch
den Bau der Muldebahn verschüttete Felswand direct unterhalb
der Spinnerei Amerika bei Penig, wo das wirre Durcheinander
dieser Gänge in schönem Profil aufgeschlossen war. Ausser
vielen kleinen , oft wellig gebogenen Trümern kamen hier ein
auf dem Kopf stehender, zwei horizontale, ein unter 45 Grad
fallender und ein kuppeiförmig gewölbter Granitgang von 18
bis 50 Cm. Mächtigkeit zum gegenseitigen Durchschnitt. Jedoch
sind eigentliche Durchsetzungen oder wirkliche Verwerfun-
gen eines älteren Ganges durch einen jüngeren nur selten zu
beobachten. Ein solcher Fall ist mir von der Etzdorfer Mühle
im Striegis-Thale bekannt, wo ein 4 Cm. mächtiger Gang von
glasigem, sprödem Quarz mit röthlichen Feldspath-Einspreng-
lingen von einem echt granitischen Gange scharf durchsetzt
und um seine Mächtigkeit verworfen wird (siehe Taf. VII.
Fig. 6), so dass hier sicher eine ältere und eine jüngere Gang-
bildung vorliegt. Im Allgemeinen jedoch scheint die Ausfüllung
der verschiedener Richtung angehörigen Gänge in den nehm-
lichen Zeiträumen vor sich gegangen zu sein. Hierfür spricht
namentlich noch die Erscheinung, dass sich bei vorhandenem,
petrographisch von der Hauptgangmasse verschiedenem Sal-
band dieses ununterbrochen aus einem Gang in den ihn kreu-
zenden umbiegt und in ihm weiter forterstreckt. Mit wirk-
lichen Verwerfungen dürfen die kleinen Gangauslenkungen
nicht verwechselt werden, welche dadurch hervorgebracht wor-
den sind , dass entstehende Spalten bereits vorhandenen eine
Strecke weit folgten , ehe sie in ihrer alten Richtung weiter
fortsetzten.
Die wesentlichen mineralischen Gernengtheile
dieser Gänge sind Feldspath , Quarz und Glimmer.
Der Orthoklas kommt einerseits als Gemengtheil des
granitischen Aggregats, andererseits aus diesem in Drusen-
räume hineinragend in theilweise entwickelter Krystaliform
vor. In ersterem Falle ist er zuweilen schneeweiss, meist
aber lichtfleischroth oder hellröthlichgelb, seltener dunkelblut-
roth gefärbt. Zwillingsverwachsungen nach dem Carlsbader
127
Gesetz sind nicht selten. Seine in Drusen zur Entfaltung
gebrachte Krystallgestalt ist einförmig und flächenarm. Säule,
Klinopinakoid, Basis und Hemidoma sind bald zu tafelförmi-
gem, bald zu rectangulär säulenförmigem Habitus entwickelt.
Zuweilen tritt noch das Klinoprisma z, ferner das seltene
Orthopinakoid k als schmale Abstumpfungsflächen der verti-
calen Kanten hinzu, — bei anderen Krystallen hingegen fehlen
nicht nur diese, sondern auch das Klinopinakoid. Selten ist
das sonst so gewöhnliche Hemidoma y. Wie es in Elba der
Fall ist*), so wenden auch in unseren Gängen die aus dem
Granitaggregate in die Drusen ragenden Orthoklase die End-
fläche o P meist den Drusenwandungen zu, so dass sie häufig
ganz verdeckt wird, während die Hemidomen x und, wo vor-
handen, y die freie, der Beobachtung am besten zugängige
Seite des Krystallendes bilden. Eine fernere Uebereinstim-
mung mit den Orthoklasen von Elba zeigt sich darin , dass
der von G. VOM Rath**) beschriebene silberglänzende Schim-
mer auch an manchen unserer Orthoklase zu beobachten ist.
Er beschränkt sich hier auf die Kanten x:T und T : z, die
dann silberglänzend gesäumt sind. Dieser schöne Schimmer
scheint daher zu rühren , dass auf den der Verwitterung am
meisten ausgesetzten Kanten bereits ausserordentlich zarte
Schüppchen von Kaliglimmer zur Ausbildung gelangten, wäh-
rend der Rest der Flächen noch ganz frisch und deshalb glas-
glänzend ist.
Der Oligoklas kommt nur in wenig Gängen mit dem
Orthoklas grob-krystallinisch verwachsen vor. Er besitzt dann
eine lichtgrüne Farbe, einen ausgezeichneten Glasglanz, der
den des Orthoklases übertrifft, eine auffällig starke Durchsich-
tigkeit und endlich eine ausserordentlich zarte Zwillingsstrei-
fung. In einzelnen Gängen (z. B. im Muldethal, direct unter-
halb Amerika) wird der Orthoklas local durch Oligoklas voll-
kommen ersetzt, in anderen sind die Oligoklas - Individuen so
gestellt, dass sie augenscheinlich zuerst von allen Mineral-
bestandtheilen des dortigen Granits an den Salbändern an-
geschossen sind.
Der Albit spielt in den granitischen Gängen eine ebenso
*) vom Rath, diese Zeitschr. 1870. pag. 654.
**) 1. c. pag. 055.
128
wichtige wie interessante Rolle. Ursprünglich mit dem Ortho-
klas in dünnen Schwitzen und Lamellen perthitähnlich ver-
wachsen, kann er durch Auslaugung seiner ersten Heimath
entzogen werden und sich in wohlausgebildeten Krystallen in
Druseuräumen und zwar meist in regelmässiger Verwachsung
mit seinem Mutterminerale wieder ansiedeln, wie wir dies im
Verlaufe dieses und des folgenden Abschnittes nachweisen
wollen.
Der Quarz bietet als granitisches Gemengtheil keine
irgendwie auffällige Erscheinung dar, höchstens dass sein
Reichthum an Flüssigkeitseinschlüssen bemerkenswerth wäre.
Auch die in Drusenräumen auskrj^stallisirten Quarze sind
ausserordentlich einförmig. An allen sind ausschliesslich Prisma
und die beiden Rhomboeder vorhanden, Rhomben- und Trapez-
flächen hingegen nur in einem einzigen der eigentlich grani-
tischen Gänge beobachtet worden. Ausserdem sind auch die
gesammten Krystailflächen meist matt und trübe. Im Mulde-
thal unterhalb Penig sind an verschiedenen Aufschlusspunkten
Scepterquarze von grosser Zierlichkeit und Klarheit gefunden
worden.
Einiges Interesse erregt der Quarz eines Granitganges
unmittelbar oberhalb Markersdorf im Chemnitzthal durch sein
seltsam zerfressenes Aussehen. Sehr zarte durchscheinende
Quarzlamellen , deren obere Ränder oft sägeförmig gezahnt
sind, ziehen sich vollkommen parallel zu einander, getrennt
durch nur papierdünne Zwischenräume auf den Wandungen
der Drusenräume jenes Ganges hin. Ganz analoge Vorkomm-
nisse der Insel Elba haben Breithaupt und G. vom Rath mit
einem Stück Wachs verglichen, welches eine Näherin oft ge-
braucht und durch das häufige Durchziehen der Fäden mit
scharfen tiefen Einschnitten versehen hat. Unter ihnen ent-
deckte Breithaupt die beiden seltenen Mineralien Castor und
Pollux, welche nach G. vom Rath mit Bezug auf ihren äusseren
Habitus nur schwer von jenen Quarzen unterscheidbar sind und
mit diesen selbst von geübtem Auge verwechselt werden kön-
nen. Die auffallende A ehnlichkeit unserer und jener Elba'er
Quarze, die noch frappantere Analogie ihres Vorkommens
erregte die Hoffnung, die genannten seltenen Mineralien auch
in den Granitgängen des sächsischen Granulitgebiets nachzu-
weisen, — eine Hoffnung, die sich bis jetzt, als eitel erwies.
129
Der Magnesia gl immer, meist von glänzendem Braun-
schwarz, bildet fast stets unregelmässig sechsseitig conturirte
dünnblättrige Tafeln, welche in sehr vielen Granitgängen des
Cranulitgebirges eine höchst charakteristische Stellung und
zwar entweder parallel oder rechtwinklig zu den Salbändern
einnehmen, wie wir ausführlich schildern werden. In manchen
Gängen haben die Glimmertafeln in Folge einseitiger horizon-
taler Verzerrung eine langbandförmige Gestalt angenommen,
erreichen bei 0,5 bis 1 Cm. Breite eine Länge von 7 bis 10 Cm,
und durchschiessen , von den Salbändern ausgehend, quer die
granitische Gangmasse (so bei Rocbsburg, Carlseiche und
Wolkenburg im Muldethal).
Der Kaliglimmer in Blättchen und Tafeln von silber-
weisser, lichtgelblicher oder grauer Farbe vertritt zuweilen, so
in den Gängen an der Scheibe bei Penig, den Magnesiaglimmer
vollständig, — häufiger noch nehmen beide Glimmerarten ge-
meinschaftlich an der Zusammensetzung granitischer Gänge
Theil, jedoch ist dann häufig der Kaliglimmer auf die centralen,
der Magnesiaglimmer auf die seitlichen Zonen dieser Gänge
beschränkt.
Neben diesen sechs wesentlichen Gemengtheilen der gra-
nitischen Gangmasse kommen in letzterer noch folgende Mine-
ralien accessorisch vor :
Tur malin von ausnahmslos schwarzer Farbe in säulig-
strahligen Partieen und zwar fast stets auf die Centraizone der
Gänge beschränkt.
Granat in braunrothen, Stecknadelkopf- bis kleinerbsen-
grossen Ikositetraedern im Granit der Scheibe bei Penig und
in dem von Markersdorf.
Braunspath und Kalkspath. Die Wandungen der
schmalspaltenförmigen Centraidrusen eines granitischen Ganges
bei Amerika sind überzogen von einer Lage körnigen, licht-
gelblichen Braunspathes, oder eisenschüssigen, magnesiabaltigen
Kalkspathes, welcher in der Richtung nach der Centraispalte
zu in Folge von dort aus eindringender Oxydation des Eisen-
oxyduls eine immer dunklere und zuletzt intensiv braune Farbe
annimmt und sich dann zu erdigem Eisenoxydhydrat umge-
wandelt hat. Auf dieser Brauneisensteinkruste sitzen nun
einzelne bis centimetergrosse , weisse, durchscheinende Kalk-
spath-Rhomboeder und zwar — j R, und zwischen ihnen stellen-
Zeits.d, D.geol.Ges. XXVII. 1. 9
130
weise zahlreiche Kalkspäthchen von viel unbedeutenderen Di-
mensionen. Der hydrochemische Process der Spaltung eines
durch Beimengungen einer anderen Substanz verunreinigten
Minerals in diese seine zwei Bestandtheile liegt in dem eben
beschriebenen Falle ausserordentlich klar vor Augen. Durch
Einwirkung Kohlensäure- und Sauerstoff - haltigen Wassers,
welches die Drusenwände hinabrieselte, wurde dem Urminerale
das Kalk-, sowie das in geringen Mengen vorhandene Magnesia-
»carbonat entzogen , während sich aus dem gleichzeitig ent-
stechenden Eisenoxydulbicarbonat in Folge der Gegenwart von
Sauerstoff Brauneisenstein ausschied, auf welchem die dem
Muttermineral entführten erdigen Carbonate als schwach
magnesiahaltiger Kalkspath wieder auskrystailisirten.
Varietäten der Ganggranite. Besteht auch die
Ausfüllungsmasse der granitischen Gänge des Grauulitgebiets
in bei Weitem den meisten Fällen aus den Gemengtheilen des
normalen Granits, also aus viel Orthoklas, wenig Oligo-
klas, Quarz und Glimmer, so fehlt doch das zuletzt genannte
Mineral zuweilen vollkommen , oder wird durch ein anderes
ersetzt, so dass auf diesem Wege gewisse ziemlich hervor-
stechende Gesteinsmodificationen erzeugt werden. So entsteht
in gewissen Gangen bei Wolkenburg und Amerika durch
Zurücktreten des Glimmers ein feinkörniges, ausserordentlich
gleichmässiges und constantes Gemenge von Orthoklas und
Quarz, also Halbgranit, ferner durch theil weise oder gänz-
liche Stellvertretung des Glimmers von Seiten des Turmalins
eine Art Turmalingranit, ein grobkörniges Aggregat von
lichtfleischrothem Orthoklas , grossen Körnern von stark glän-
zendem Quarz und federkielstarken kürzeren oder längeren
Säulen von schwarzem Turmalin, welche alle in etwa gleicher
Menge vorhanden sind. Namentlich schön ist dieser Tur-
malingranit in einem Bahneinschnitte an der Nordseite von
Friedemannsklippe im Muldethal vorgekommen. Ferner könnte
man dort, wo die Gangausfüllungsmasse, wie unterhalb Ame-
rika, von sehr reichlichem , lichtgrünem Oligoklas , rothem
Orthoklas , wenig Quarz und schwärzlich braunem Magnesia-
glimmer gebildet wird, während Kaliglimmer fehlt, nebeu dem
normalen Granit- Aggregat einen Granitit unterscheiden, um
eine wenn auch sehr variable Modifikation der granitischen
Gänge zu bezeichnen. Endlich nehmen letztere auch voll-
w : -
I
kommen den Charakter des Pegmatits an; dann fällt ihre Be-
schreibung dem nächsten Abschnitte dieser Arbeit anheim.
Structurverhältnisse. Bei ihrer verhältnissmässigen
Armuth an accessorischen Bestandteilen und der Seltenheit
der Mehrzahl dieser letzteren, würde sich die Combination der
eben aufgezählten wesentlichen Cangmineralien an Hunderten
von Gängen in ermüdender Einförmigkeit wiederholen, wenn
nicht durch die Mannigfaltigkeit ihrer Aggregationsweise ab-
wechslungsreiche, genetisch hoch interessante Structurver-
hältnisse hervorgebracht würden, welche unseren Granit-
gängen den Stempel ihrer Entstehung auf das Unverkennbarste
aufdrücken und sie als von den Gängen der Eruptivgranite
anderer Gegenden durchaus verschiedene Gebilde kennzeichnen,
ohne bis jetzt hervorgehoben und geologisch ausgenutzt wor-
den zu sein.
An den granitischen Gängen des Granulitgebirges sind
folgende Structurformen beobachtet worden: 1) die massig-
granitische, 2) die stengelige, 3) die symmetrisch-lagenförmige,
4) die breccienartige, 5) die concentrisch-lagenförmige (cocar-
denartige), 6) die zellig- cavernöse , 7) die central - drusige
Structur.
1) Die massige, für echte Granitgänge so charak-
teristische Structur findet sich rein, also ohne wenigstens mit
Andeutungen einer der übrigen genannten Aggregationsformen
combinirt zu sein, an den in das Gebiet unserer Beobachtung
fallenden granitischen Gangbildungen nur selten. Als typisches
Beispiel mag die Beschreibung eines Ganges folgen, welcher
im Muldethal an der granulitischen Felswand direct unterhalb
Amerika nach seinem Streichen aufgeschlossen war. Seine
Längenerstreckung ist eine nur unbedeutende und beträgt nicht
mehr als 12 bis 13 M. , indem sich der Gang in beiden
Richtungen seines Streichens auskeilt. Im Querschnitte besitzt
er eine höchst unregelmässige Gestaltung. Bei einer vorwiegen-
den Mächtigkeit von 8 bis 10 Cm. bläht sich bald seine han-
gende, bald seine liegende Grenzfläche zu welligen oder kuppei-
förmigen Weitungen auf, wodurch eine Maximalmächtigkeit
von 15 bis 18 Cm. erreicht wird. Ausserdem sendet er nach
diesen beiden Richtungen einige sich nach kurzem Verlaufe
auskeilende Trümer ab, wird zu mehreren Malen aus seiner
tlauptrichtung von Klüften abgelenkt und umschliesst hier und
132
da ein von der Spaltenwandung losgebrochenes Fragment
seines Nebengesteins. Die Ausfüllungsmasse dieses Ganges
besteht aus einem granitischen, prachtvoll grobkrystallinischen
Gemenge von fleischfarbigem Orthoklas, viel lichtgrünem Oli-
goklas mit 1,5 bis 3 Cm. grossen, glänzenden, zart zwillings-
streifigen Spaltungsflächen , grauen , glasigen Quarzkörnern,
grossen z. Th. sechsseitigen Tafeln von glänzend schwarzem
Magnesiaglimmer, die oft bandartig verzerrt sind und endlich
selteneren kleinen Blättchen von silberweissem Kaliglimmer.
Die Orthoklasindividuen haben nicht selten Krystallgestalt und
geben je nach der Richtung des Gesteinsbrucbes breite sechs-
seitige oder schmalere leistenförmige Durchschnitte, nicht selten
mit Carlsbader Zwillingsverwachsung. Grössere Spaltungs-
individuen sind oft zart schriftgranitisch von Quarz durch-
wachsen. An besonders engen Partieeu des Ganges und in
den Nebentrümern desselben verschwindet der Orthoklas gänz-
lich oder fast vollkommen , so dass das Gestein eine durch
das Vorwalten des Oligoklas bedingte lichtgrüne Färbung
erhält; zugleich aber tritt dadurch, dass sich die Glimmer-
blätter rechtwinklig auf das Salband stellen , die Andeutung
einer stengeligen Structur ein.
Auch im Scheibenbruche oberhalb Penig sieht man
granitische Gänge von massiger Structur den Granulit durch-
setzen. Sie sind ebenfalls grobkrystallinisch und bestehen aus
vorwaltenden 2 bis 4 Cm. grossen Individuen und grossen
Körnern von diesmal s ch n eew ei s s e m Orthoklas und derben
Partieen von lichtgrauem Quarz, welche aus einem klein-
körnigen Gemenge von lichtgelblichem Oligoklas, Quarz-
körnern, zahlreichen aber kleinen Kaliglimmerschuppen und
einzelnen Granatikositetraedern porphyrartig hervortreten. Die
mikroskopische Untersuchung dieses wie des eben beschrie-
benen Ganggranits ergiebt ausser dem zu betonenden Reich-
thum des Quarzes an Flüssigkeitseiuschlüssen nichts Erwäh-
nenswerthes. Interessant ist die Erscheinung, dass die grossen
Orthoklasindividuen nicht selten geborsten sind, und dass sich
auf den Wandungen der entstandenen Risse kleine Gruppen
von Kaliglimmer, sowie klare Quarzkryställchen angesiedelt
haben. Häufiger noch sind die geborstenen Feldspäthe durch
glasige Quarzsubstanz, wie mit einem glänzenden Firniss
wieder verkittet. So vollkommen auch die massig-krystalli-
irische Structur dieser Gänge erscheint, so neigt sie doch be-
reits dadurch zu symmetrisch - lagenförmiger Ausbildung hin,
dass das Korn der granitischen Gangmasse nach den Sal-
bändern zu nicht selten bedeutend gröber ist, als in der
Centraizone.
2) Stengelige Structur nehmen die granitischen Gänge
dadurch an, dass sich ein oder mehrere ihrer Bestandtheile un-
gefähr rechtwinklig oder wenigstens quer auf die Salbänder
stellen. Namentlich häufig ist dies beim Magnesiaglimmer
der Fall (siehe Fig. 14, 15 u. 18), der ganz gewöhnlich von
den Gangwandungen aus nach der Mitte zu angeschossen und
dann fast stets in dieser Richtung bandförmig verlängert
ist. Bei Gängen von geringer Mächtigkeit erreichen und be-
gegnen sich die beiderseitigen Glimmerlamellen, wie dies
z. B. bei einem in Fig. 14 Taf. VII. wiedergegebenen Gange
des Chemnitzthaies unterhalb Diethensdorf der Fall ist, — bei
solchen von bedeutender Mächtigkeit hingegen beschränken sie
sich auf die randlichen , dem Salbande zunächst liegenden
Zonen , während die mittlere Gangzone echt granitisch-körnige
Structur besitzt. In allen diesen sehr häufigen Fällen haben
die Glimmertafeln eine zwar auf der Gangwandung ziemlich
rechtwinklige, aber unter sich ordnungslose und wirre Stellung
inne, — es zeigt sich jedoch auch die interessante Erschei-
nung, auf die mich zuerst Herr Dr. Lehmann aufmerksam
machte, dass dieselben nicht nur unter sich, sondern auch mit
den Glimmerschüppchen des benachbarten Gneiss - Granulits
parallel stehen , ja auf letzteren in der Weise aufgewachsen
sind, dass sie deren Fortsetzung bilden (siehe Fig. 15 Taf. VII.).
Man hat sich dies so zu erklären, dass die im Gneissgranulit
aufgerissene Spalte mit diesem auch die für ihn charakteristi-
schen, parallel gelagerten Glimmerblättchen durchsetzte, welche
nun im Querschnitte auf den Spaltenwandungen sichtbar wurden
und beim Eintritt von Mineralsolutionen den Impuls und die
Basis für eine neue Glimmerbildung gaben, mit anderen Worten
in der Richtung ihrer früheren Ausdehnung weiter fortwuchsen.
Diese Parallelität der Gangglimmertafeln sowohl untereinander,
wie mit dem Granulitglimmer hat zur Folge, dass man beim
Zerschlagen des Ganges in der Richtung der Nebengesteins-
schichten wie auf diesen letzteren lauter Glimmer, aber wenig
Feldspath und Quarz, hingegen auf dem Bruche rechtwinklig
134
darauf wie beim Nebengestein nur die zarten , linsenförmigen
Querschnitte der Glimmertafeln und zwischen ihnen viel Quarz
und Feldspath erblickt, wie dies in Fig. 15 Taf. VII. dar-
gestellt ist.
Bei vielen anderen nur wenige Centimeter mächtigen Gan-
gen, welche vorwaltend oder ausschliesslich aus Feldspath und
Quarz bestehen, sind diese in langen parallelen und deshalb
stengeligen Individuen unter ziemlich rechtem Winkel auf den
Spaltenwandungen angeschossen. Inmitten der Gangspalte
mussten sie gegeneinander stossen und bilden hier nicht* selten
eine so ausgesprochene, im Querschnitt schwach zickzackför-
mige Verwacbsungsfläche , dass solche Gänge leichter auf ihr
zerklüften, als sich auf den Salbändern vom Nebengestein los-
lösen. In einzelnen Fällen sind die in stengeliger Aggregation
gegeneinander wachsenden Quarz - und Orthoklas - Individuen
in der Symmetrie-Ebene zusammengestossen, ohne miteinander
zu verwachsen. Dann läuft die Mitte des Ganges entlang eine
Fläche vollkommener Discontinuität , durch welche der Gang
in zwei gleiche Hälften zerfällt, deren Mineralindividuen nach der
Centrainaht zu mehr oder weniger verdrückte Krystallenden
tragen. Solche Aggregate von ausgezeichnet stengeliger Structur
besitzen die auffälligste Aehnlichkeit mit den Quarz-Orthoklas-
Incrustaten auf den Porphyrgeröllen des Kohlenconglomerats
von Euba bei Chemnitz. Diese bestehen gleichfalls aus lauter
stengelig gestellten Orthoklas- und Quarz-Individuen und kön-
nen auf dem Querbruche nicht unterschieden werden von den
oben beschriebenen querstengeligen Granitgängen des Granulit-
gebietes. Sollten die Incrustate zweier einander zugewandter
Porphyrgeröll-Flächen in Folge fortgesetzten Wachsthums zu-
sammenstossen , so würde genau die eben geschilderte Gang-
erscbeinung (nämlich Quarz- Feldspath- Ausfüllung, stengelige
Structur und mittlere Zuwachsnaht) hervorgebracht werden.
An der bydrochemischen Entstehung der Euba'er Orthoklas-
Quarz-Aggregate zweifelt heute kein Sachverständiger mehr,
warum soll man zögern, die vollkommen analogen Verhältnisse
in den Spalten des Granulitgebirges in gleicher Weise zu
deuten? Wie dort die Porphyrgerölle, so lieferte hier das gra-
nulitische Nebengestein die Quarz- und Feldspath-Substanz.
Die gewöhnliche Zuwachsnaht der granitischen Gänge
wird dadurch noch viel auffälliger, dass ihr zuweilen eine
135
dünne Lage von oft über Quadratzoll grossen schwarzbraunen
Magnesiaglimmer-Tafeln entspricht, welche sich ununterbrochen,
parallel den Salbändern die Mitte des Ganges entlang zieht
(siehe Fig. 8 Taf. VII.). Im Querschnitt eine schwarze Linie
auf meist lichtgelblich - rothem Grunde, spaltet auf ihr der
Gang unter dem Schlage des Hammers und zeigt die glänzend-
schwarze Zusammenwachsungsfläche der beiden Gangzonen.
Nicht immer ist es dunkler Magnesiaglimmer, sondern zuweilen
auch heller Kaliglimmer, welcher sich als centrale Schluss-
bildung solcher stengeligen Gänge vorfindet. So riss neulich
ein Sprengschuss einen nur 4 Cm. mächtigen Granitgang auf
dieser Fläche seines geringsten Zusammenhaltes in zwei
symmetrische, natürlich an ihrem Salbande mit dem Neben-
gestein verwachsene Hälften auseinander, deren vollkommen
ebene Oberflächen bei einer Breite von 1 M. eine Länge von
1,5 M. besassen und dicht mit grossen, lichtgelben, metallglän-
zenden Tafeln von Kaliglimmer belegt waren , so dass sie,
obwohl im Querschnitt nur als zarte Linie erscheinend, wie
Schichtenflächen eines grossblätterigen Glimmerschiefers aus-
sahen. Neben Glimmer können in der Ebene der Centrainaht
auch noch Turmalinsäulen liegen, wie dies beispielsweise
Fig. 9 Taf. VII. zeigt.
Eine sehr häufige Erscheinung innerhalb unserer grani-
tischen Gänge ist die s c hr i f t gr a n it i s ch e Structur, wenn
sie auch in ihrer typischen Ausbildung auf die Pegmatite be-
schränkt ist. Wo vorwaltender Orthoklas in Vergesellschaf-
tung mit Quarz ausschliesslich einen Gang oder eine Gangzone
zusammensetzt, stellt sich sehr gewöhnlich eine schriftgra-
nitische Durchwachsung des ersteren von Seiten des letzteren
ein und zwar meist so, dass die Quarzprismen und Lamellen
quer auf den Gangflächen stehen.
Endlich können auch die gesammten mineralischen Be-
standteile der granitischen Gänge lamellare oder stengelige
Form besitzen und sämmtlich quer auf die Salbänder gerichtet
sein; es ist dies bei sehr vielen Orthoklas-, Oligoklas-, Quarz-,
Magnesia- und Kaliglimmmer - haltigen Gängen von geringer,
seltener bei solchen von grösserer Mächtigkeit zu beobachten.
Sehr instructive Beispiele der letzteren liefert der Bahneinschnitt
an der Carls -Eiche bei Penig. Hier wird der Granulit von
mehreren 8 bis 10 Cm. mächtigen Gängen durchsetzt, welche
136
vorwaltend aus sehr grosskrystallinischem, dunkelfleischrothem
Orthoklas bestehen , dessen Hauptblätterdurchgang sich quer
durch den Gang zieht und der von dünnen Quarzlamellen
durchschossen ist, welche ungefähr rechtwinklig auf den Sal-
bändern stehen. Namentlich deutlich tritt diese Structur an
den feinkörnigeren, schmalen, randlichen Zonen hervor. In
Folge derartiger Textur sind die Gänge quer auf ihre Haupt-
ausdehnung sehr leicht in säulige oder quaderartige Stücke zu
zerbrechen. Dazu kommt noch, dass das Ganze von den
Salbändern aus von zahlreichen 0,5 bis 1 Cm. breiten , aber
4 bis 8 Cm. langen, glänzendschwarzen, bandförmigen Glimmer-
streifen durchzogen ist. Letztere sind zuweilen geknickt und
an dieser Stelle in zwei Stücke zerbrochen , deren Zusammen-
hang vollständig aufgehoben ist. Diese Gänge besitzen aus-
gezeichnete , 3 bis 4 Mm. starke Salbänder von prachtvoll
dunkelgrünem, radialschuppigem Chlorit.
Recht schön ist die stengelige Structur auch an den in
grosser Zahl den Glimmer - führenden Granulit am Bahnhofe
von Wittgensdorf durchschwärmenden Trümern ausgeprägt und
wird hier wesentlich durch die auf den Salbändern rechtwink-
lige Stellung der silberglänzenden Kaliglimmerblättchen erzeugt.
Durch diese ward natürlich auch die Wachsthumsrichtung des
Quarzes und Feldspaths bedingt. In der Centraizone dieser
Gänge, aber nur in dieser, finden sich zuweilen kleine büsche-
lige Partieen und einzelne Säulen von Turmalin. — Diese
leicht zu vermehrenden Beispiele mögen genügen.
3) Symmetrisch -lagenförmige Structur kann
innerhalb der granitischen Gangausscheidungen des Granulit-
gebirges durch sehr verschiedene Mittel hervorgebracht werden.
Ein nicht seltener Fall ist es, dass sich gewisse Bestand-
teile des granitischen Ganges den Salbändern
parallel lagern. Seiner tafelartigen Form wegen ist hierzu
besonders der Glimmer geneigt. Es ist diese Erscheinung
bereits von Gängen mit stengeliger Structur beschrieben wor-
den, in denen unter sich und den Spaltenwandungen parallele
Glimmerblättchen die Centraizone einnehmen , sie kann sich
jedoch auch bei solchen von granitisch - körnigem Habitus
wiederholen und giebt Veranlassung , dass sich solche Gänge
symmetrisch in eine hangende und liegende oder rechte und
linke Zone gliedern. Aehnlich wie in der Mitte des Ganges
137
kann sich eine derartige Ansammlung parallel oder langflaserig
gelagerter Glimmerblätter auch beiderseitig nach den Salbän-
dern zu vollziehen.
Complicirter gestaltet sieb diejenige Structurform, wo sym-
metrische Gangzonen durch Wechsel der Textur, ver-
schiedene Korng rosse, Vorwalten bald des einen,
bald des anderen in den übrigen Lagen schwach
vertretenen Gemengtheils erzeugt werden. Der ein-
fachste Fall ist der bei Besprechung der granitisch - massigen
Gangstructur bereits erwähnte, wo sich in einem massigen
Gange schmale randliche Zonen mit stengeliger, durch die
Richtung der Glimmerblättchen bedingter Structur einstellen.
Nahe damit verwandt ist die Erscheinung, dass die seitlichen
Zonen vollkommen glimmerfrei sind und ausschliesslich aus
einem grobkrystallinischen Aggregat von röthlichem Feldspath
und etwas , oft sebriftgranitisch mit ihm verwachsenen Quarz
bestehen , wahrend die bei Weitem mächtigere Centraizone
einen echt granitischen Habitus besitzt und ausserordentlich
reich an schwarzem Glimmer ist. Von zahlreichen solchen
Vorkommnissen sei der Felswand unterhalb Amerika in Fig. 7
Taf. VII. ein Beispiel entnommen.
Während, wie gesagt, Gänge, bei denen die Anzahl der
in ihrer Structur verschiedenen parallelen Gangzonen auf drei
beschränkt ist, ziemlich häufig anzutreffen sind, kommen solche
von fünf- und selbst siebenfacher lagenförmiger Gliederung
seltener vor. So durchsetzt im Chemnitzthale , gegenüber der
Diethensdorfer Spinnerei ein granitischer Gang von 40 Cm.
Mächtigkeit den Granulit. Fällt seine haarscharfe, eben-
flächige Begrenzung bereits beim ersten Anblick auf, so zeigt
sorgfältige Untersuchung, dass er aus folgenden, freilich gegen-
einander nicht scharf begrenzten Gangzonen besteht: zwei
randlichen von 2 Cm. Dicke , reich an den Salbändern an-
nähernd parallel gelagerten schwarzen Glimmerblättchen; zwei
nach Innen zu darauf folgenden Zonen von äusserst feinkörni-
gem, röthlichem Granit und einer Centraizone von sehr grob-
krystalliniscbem , fleischrothem Orthoklas mit grossen schwar-
zen Glimmertafeln.
Siebenfache Zonenbildung weist ein fast einen halben
Meter mächtiger Gang im Granulit an der Strasse nach dem
Bahnhof von Wittgensdorf auf (siehe Fig. 21 Taf. VIT.). Seine
138
an die Salbänder grenzenden Zonen, also a, bestehen aus
einem mittelkörnigen granitischen Aggregat von weisslichem
Orthoklas, Quarz, weissem Kali- und schwarzem Magnesia-
glimmer. ■ Auf sie folgt (b) eine Zone von grossen schwarzen
Glimmertafeln in vorwaltendem röthlichem Orthoklas, welche
erstere strahlig nach Innen divergiren und augenscheinlich auf
der Oberfläche der älteren granitischen Lage a angeschossen
sind. Die dritten Zonen (c) zeichnen sich durch Gruppen von
radialstrahligen, weissen Kaliglimmertafeln aus, die ebenfalls
auf der Oberfläche der vorigen Lage wurzeln, während die
Centraizone d durch ein echt granitisch-körniges Gemenge von
Quarz , Feldspath und weissem Glimmer gebildet wird.
Kann mau schon bei den oben beschriebenen Fällen nicht
daran zweifeln, dass diese granitischen Gänge vollkommen
analog jedem Erzgange durch Auskrystallisiren der bis dahin
in Lösung befindlichen Mineralsubstanzen an den jeweiligen
Wandungen der allmälig zuwachsenden Spaltenräume entstanden
und nicht etwa aus Gluthfluss erstarrte Injectionen sind, so
erlaubt der Aufbau eines leider seit einiger Zeit der Beobach-
tung entzogenen granitischen Ganggebildes an der mehrfach
erwähnten Felswand, direct unterhalb Amerika, überhaupt kaum
einen Einwurf gegen die Behauptung seines hydrochemischen
Ursprungs. Ein Gangstück dieses interessanten Vorkomm-
nisses ist in Fig. 24 Taf. VII. dargestellt. Die hier gegebene
Zeichnung wurde etwa einen Monat nach ihrer Aufnahme einer
nochmaligen strengen Vergleichung mit dem Aufschlüsse unter-
worfen, ohne dass sich irgend welche wesentlichen Verände-
rungen nöthig gezeigt hätten. Der betreffende Gang durchsetzt
unter steilem Fallwinkel mit scharfen Salbändern in einer
Mächtigkeit von 45 bis 50 Cm. den lichtgraublauen, etwas
Glimmer führenden Granulit des Muldethals und gliedert sich
in 7, ja wenn man will, in 11, z. Th. scharf gegeneinander ab-
schneidende, z. Th. miteinander innig verwachsene, stellenweise
etwas verschwommene Gangzonen. Von den Gangwandungen
ausgehend sind es folgende: a) röthlich-gelblicher , grobkry-
stallinischer Orthoklas mit wenig Quarz , aber ziemlich viel
Glimmertafeln , welche annähernd rechtwinklig auf den Sal-
bändern stehen, etwa 2 Cm. mächtig; b) sehr feinkörniges
granitisches Aggregat, 1 bis 3 Cm. mächtig; c) grobkrystalli-
nischer, lichtrötblicher Orthoklas mit kleinen Quarzkörnern,
I
durchschossen von grossen schwarzen Glimraertafeln. Diese
beiderseitigen wesentlich aus Feldspath bestehenden symme-
trischen Zonen haben jedenfalls längere Zeit hindurch die
Wandungen eines spaltenförmigen Drusenraumes gebildet, denn
ihr Feldspathmaterial ist nach dem Innern zu in grossen Indi-
viduen auskrystallisirt, welche sich jetzt, nachdem die Drusen-
spalte von einem dunklen, feinkörnigen Granit ausgefüllt ist,
in hellen Flächen mit scharfen Conturen aus dem dunklen
Grunde hervorbeben Diese ihre Krystallenden der Centrai-
zone zuwendenden Orthoklaskrystalle besitzen ziemlich be-
trächtliche Dimensionen; so maass an einem derselben P im
Querbruch parallel dem Klinopinakoide 4 Cm. Die zwischen
den beiden Krystallwänden von c befindliche mittlere Gang-
zone d wird von einem düsteren , feinkörnig - granitischen
Aggregat von rötblichem Orthoklas, grauem Quarz und ver-
hältnissmässig viel schwarzem Glimmer gebildet. Die Täfel-
chen des letzteren zeigen zuweilen das Bestreben, sich in
Flächen anzuordnen, welche denen der hervorragenden Ortho-
klaskrystalle parallel liegen und deren P und x haubenförmig
überschirmen, wie solches in unserer Zeichnung im Quer-
schnitt wiedergegeben ist. Verwandt damit ist die Erschei-
nung, dass sich nahe jeder der beiderseitigen Grenzen dieser
granitischen Centraizone ein besonders glimmerreicher und
dadurch dunklerer Streifen hinzieht, dessen welliger Verlauf
den durch hervorspringende Orthoklaskrystalle bewirkten Un-
ebenheiten seiner Grenzflächen entspricht. Durch diese zwei
dunklen Streifen gliedert sich die Centraizone wiederum in
drei Felder, so dass sich auf dem Querbruche dieses interes-
santen Ganges im Ganzen 11 Zonen und zwar 4 sich jeder-
seits wiederholende paarige und eine centrale unpaarige unter-
scheiden lassen.
Während die bisher betrachteten Gangvorkommen symme-
trisch-lagenförmige Gangstructur nur der zonenförmigen Ver-
änderung der Textur und den wechselnden Mengungsverhält-
nissen des Gangmaterials verdanken, kann diese Structur-
erscheinung in noch deutlicherer Gestalt durch totale Sub-
stanzverschiedenheit einzelner Lagen hervorgebracht
werden.
Der einfachste der hierher gehörigen Fälle ist der, dass
die beiden randlichen Lagen aus Feldspath mit einzelnen Glim-
140
merschüppchen bestehen, während die Gangmitte von derbem,
glasigem Quarz eingenommen wird. Auch hier stellt sich die
bereits oben geschilderte Erscheinung ein, dass die nach innen
gerichteten haarscharfen Begrenzungsflächen der Feldspath-
zonen die Querschnitte von Krystallen zeigen (siehe Fig. 12
Taf. VII.), also einstigen Drusenwandungen entsprechen, so
dass wir hier innerhalb granitischer Gangbildungen auf eine
Wiederholung der in den Bleierzgängen des Oberharzes nicht
seltenen geschlossenen drusenförmigen Structur*)
stossen. Aehnlichen, jedoch etwas complicirteren Aufbau be-
sitzen gewisse Gänge aus dem Muldethal unterhalb Wolken-
burg (siehe Fig. 18 Taf. VII.). Bei einer Mächtigkeit von
4 bis 6 Cm. gliedern sie sich ebenfalls in je eine randliche
und eine mittlere, also in drei und zwar scharf von einander
getrennte Lagen. Die. ersteren bestehen aus lichtröthlichem
Orthoklas, hellgrünlichem Oligoklas, etwas Quarz und schwar-
zem Glimmer, dessen Tafeln von den Salbändern aus ange-
schossen sind und deshalb eine stengelige Structur der beiden
Zonen hervorbringen. Besonders dicht stehen sie direct an den
Ganggrenzen, sind aber dann sehr kurz, während sich einzelne
grössere Tafeln über deren Niveau erheben und bis an, ja bis
in die Centraizone ragen. Letztere aber wird -von reinem,
derbem, splittrigem Quarze gebildet. Ganz ähnliche Gang-
gebilde sind noch von anderen Fundpunkten aus dem Granulit-
gebiet bekannt. Bei einem derselben, ebenfalls von Wolken-
burg, geht die beiderseitige granitische Zone durch Ueberhand-
nehmen des Quarzes in eine rein quarzige Centraizone über.
Solche Vorkommnisse sprechen von selbst für ihre hydroche-
mische Genesis.
Dem Quarze ganz analog kann sich Turmalin in der
Gangmitte einstellen. Es ist dies eine sowohl bei Gängen mit
echt granitischer, wie bei solchen mit stengeliger Structur sehr
häufige Erscheinung. Dann bildet der stets schwarze Turmalin
einzelne Strahlen, strahlige Bündel oder büschelige Nester,
deren Hauptausdehnung der Gangfläche parallel läuft, wie wir
dies in ähnlicher Weise bereits früher von den Glimmertafeln
kennen gelernt haben. Seltener tritt auschliesslich schwarzer
Turmalin in Form einer selbstständigen Centraizone auf. Dann
*) v. Gu uDDiiCK, diese Zeitsehr. 1866. Bd. XVIII. pag. 744.
ereignet es sich wohl , dass diese durch eine Median ebene
wiederum in zwei Lagen getheilt wird, deren radialfaserige
Structur darauf hinweist, dass das Wachsthum der Turmalin-
individuen von der Drusenwandung aus nach der Mitte zu vor
sich ging, wo sie bei erfolgendem Zusammenstoss die erwähnte
Centrainaht erzeugten.
Nicht nur jedes für sich allein, auch vereint treten
Quarz und Turmalin inmitten zweier echt granitischen Rand-
lagen auf und bilden hier entweder eine zusammenhängende
parallelwandige Zone, in welcher der Turmalin wiederum auf
die Mitte beschränkt ist (z. B. Fig. 16 und 17 Taf. VII.),
oder sie bilden ein System von in der Symmetrie -Ebene des
langes liegenden isolirten , unregelmässig gestalteten Nestern
von Quarz mit Bündeln grosser schwarzer Turmalinsäulen,
nicht selten mit Drusenräumen und diese mit Krystallen ein-
fachster Form, — Vorkommnissen, welche durch Fig. 11 u. 13
Taf. VII. illustrirt werden. Häufig ist dann der röthliche Ortho-
klas und der graue Quarz der randlichen Zone schriftgranitisch
ausgebildet. Auch können letztere selbst wieder eine symme-
trisch-lagenförmige Structur besitzen , in denen sich am Sal-
bande stengelige, nach der Mitte zu massig-körnige und dann
schriftgranitische Structur einstellt, wie dies z. B. bei Gängen
im Granulit von Markersdorf und Rochsburg beobachtet wurde.
Endlich können sich zum weissen Quarz und schwarzen
Turmalin noch fleischrother Orthoklas und weisser Kaliglimmer
gesellen, um ein grosskörniges Aggregat von nuss- bis faust-
grossen Partieen, federkieldicken Säulen und über quadratzoll-
grossen Tafeln, also einen Pegmatit zu bilden und oft die
mittlere Hauptmächtigkeit des Ganges einzunehmen, während
die seitlichen Zonen von kleinkörnigem , stengeligem oder
lagenförmig gesondertem granitischem Material gebildet werden.
In Fig. 19 und 20 Taf. VII. sind solche Gänge dargestellt
und in den zugehörigen Erklärungen erläutert. Nur aus dem
Markersdorfer Gange (Fig. 20) sei noch folgende, in gene-
tischer Beziehung nicht uninteressante Erscheinung beschrieben:
In derselben treten Drusenräume auf, deren Wandungen von
Quarz und dunkelfleischrothem Orthoklas gebildet werden. Die
Oberfläche des letzteren ist z. Th. bedeckt von einer zusam-
menhängenden, mehrere Millimeter starken Kruste von Albit,
über welche sich wiederum ein noch jüngeres Incrustat von
142
jenen zu lauter dünnen Laraellen zerschnittenen Quarzen aus-
dehnt, welche bereits auf Seite 128 Erwähnung gefunden
haben. Die einzelnen Quarzlamelleu bestehen entweder aus
mehreren seitlich verwachsenen Individuen, die jedoch sämmt-
lich lamellar verzerrt sind, und erscheinen dann oben palli-
saden- oder zinnenartig gezackt, oder aber sie bestehen jedes-
mal aus nur einem Individuum , dessen Pyramidenspitze zu
einer unverhältnissmässig langen Kante ausgezogen ist. Die
Endflächen dieser Lamellen sind ausserordentlich glänzend und
scharf ausgebildet, die seitlichen zwar gleichfalls eben, aber
matt. Von diesen Quarzblättern läuft jedesmal eine Anzahl
parallel nebeneinander her, bis sie von einer anderen Gruppe
ähnlicher Lamellen geschnitten werden. Die trennenden
Zwischenräume zwischen je zwei Blättern sind oft nur papier-
düun , aber bis 4 oder 5 Cm. lang. Es lässt sich nicht ver-
kennen , dass sie früher von einer festen, in Blättern ange-
schossenen Substanz eingenommen wurden , dass dann die
Hohlräume zwischen diesen vom Drusengrunde aus durch in
die Höhe wachsenden Quarz ausgefüllt und dann die ursprüng-
lichen Blätter weggelaugt wurden, so dass statt ihrer tiefe
Einschnitte in der Ausfüllungsmasse zurückblieben, welche
letztere nun wie zersägt aussieht. Die verschwundenen Blätter
waren jedenfalls Glimmer. So erklärt sich auch der Umstand,
dass die einander zugewandten Seiten je zweier benachbarter
Quarzlamellen stets parallel sind, was bei der beiderseitigen
Begrenzung jeder einzelnen Lamelle nicht immer der Fall ist.
Diese Erscheinung erinnert uns an die Seite 115 beschriebene
Basisfläche gewisser Quarze von Rochsburg. An beiden Punkten
hat sich der nämliche Vorgang wiederholt, nur dass in dem
eben behandelten Falle die Quarze parallel den Glimmer-
blättern gewachsen sind und dadurch eine unnatürliche seit-
liche Begrenzung erhielten, während bei Rochsburg die
Quarze bei ihrem Wachsthum mit ihrer Spitze quer vor eine
Glimmertafel stiessen und eine unnatürliche Endfläche aus-
bildeten.
Andeutungen der oben beschriebenen symmetrisch - Iagen-
förmigen Structur dürfte man in den wenigsten granitischeu
Gängen des Granulitgebietes vermissen, doch ist sie auch von
G. vom Rath an den analogen Gängen von Elba*) und von
*) Diese Zeitschr. 1870. pag. 646.
143
Sterbt Hunt an denen der neuenglischen Staaten*) beschrie-
ben worden, also jedenfalls eine ziemlich allgemeine Erschei-
nung. Ist man gezwungen, dieselbe in Gemeinschaft mit der
stengeligen Structur als ein Criterium für hydrochemiscbe Ent-
stehungsweise aufzufassen, wie es z. B. bei Erzgängen ganz
allgemein geschieht, so wird die grosse Zahl der bisher als
Eruptivinjectionen betrachteten ' Granitgänge sehr beträchtlich
reducirt werden müssen.
4) Brec ci e n artig e Structur entsteht dadurch, dass
sich der granitische Gang in sehr zahlreiche, oft rechtwinklig
voneinander ablaufende Trümer zerschlägt, die wiederum durch
Quergeäder unter sich verbunden sind , so dass sie unregel-
mässig gestaltete, scharfkantige Fragmente des granulitischen
Nebengesteins umschliessen und miteinander verkitten. Eine
derartige Durchäderung des Granulits durch ausgezeichnet kör-
nigen Granit findet z. B. in dem Bruche an der Kriebethaler
Brücke über die Zschopau statt , wo ausserdem der Granit in
seiner Centraizone reich an Turmalinbündeln und kleinen
Drusenräumen ist.
5) Cocardenartige Gang structur geht aus der
Combination der breccienartigen und stengelig - lagenförmigen
Structur hervor. Sie ist selten, liess sich aber in besonderer
Schönheit in einem Steinbruche am Bahnhofe von Wittgensdorf
beobachten. Ein Handstück dieses Vorkommens ist in Fig. 22
Taf. VII, bildlich dargestellt. Ein granitischer Gang zerschlägt
sich hier in so zahlreiche Trümer, dass der dünn- und scharf-
geschichtete glimmerführende Granulit von granitischem Geäder
völlig durchschwärmt ist und eine breccienartige Ausbildung
erhalten hat. Jedes dieser Granulitfragmente sehen wir nun
rings umhüllt von einer schmalen 0,5 bis 1 Cm. breiten Zone
von deutlichst stengeligem Orthoklas , Quarz und Glimmer,
während die Centraizone jedes Granittrumes ein ausgezeichnet
körniges Gefüge besitzt. Dadurch entsteht eine im Querbruche
des Gesteins dem Ringelerze des Oberharzes**) nicht unähn-
liche, wenn auch bei Weitem nicht so scharf ausgeprägte
Cocardenstructur. Da diese Gesteinsfragmente allseitig von
*) Amer. Journ. 1871. I. pag. 89 u. 185.
**) v. Groddkck, diese Zeitschr. 1866. pag. 737 u. 743. Taf. XVI.
Fig. 7-19.
144
Gangmineralien umgeben sind, also vollkommen frei in der
Grundmasse schweben, so müssen sie ursprünglich nur in
losem Zusammenhang mit den Gangwandungen stehend, durch
die Krystallisationskraft der in zarten Klüften zwischen ihnen
und dem festen Nebengestein anschliessenden Gangmineralien
allmälig mehr und mehr in den Gangraum gehoben und hier
bis zu allseitiger Umhüllung festgehalten worden sein. Den
beschriebenen in vieler Beziehung ähnlich sind die Structur-
verhältnisse des bekannten Kohlenconglomerats von Euba bei
Chemnitz, dessen bis kopfgrosse Porphyrgerölle überall dort,
wo offene Lücken den nöthigen Raum boten, von einem radial-
stengeligen Incrustat von Orthoklas und Quarz überzogen sind.
6) Zell ig- c a v ern Öse Structur wurde nur an einem
einzigen granitischen Gange des Granulitgebiets beobachtet,
aber an diesem in so ausgeprägter Weise, dass der Begriff,
den man gewöhnlich mit dem Worte Granit verbindet, nämlich
der einer gleichmässig körnigen , massiven Gesteinsmasse,
durchaus verloren geht. Dieser Gang, auf welchen ich zuerst
von Herrn Dr. Lehmann aufmerksam gemacht wurde, ist in
nördlicher Richtung von Markersdorf bei Burgstädt durch einen
Steinbruch aufgeschlossen, welcher die Gewinnung eines den
Granulit durchsetzenden Granits zum Zweck hat. Letzterer
ist ein normales, festes, mittelkörniges Gemenge seiner ge-
wöhnlichen Bestandteile und besitzt in Folge seines Reich-
thums an kleinen Glimmerblättchen und der lichtgraulichweissen
Farbe seines Feldspaths eine graue Färbung. Ihn durchsetzt
jener granitische Gang, der wegen seiner zellig- cavernösen
Structur, sowie wegen einer Reihe anderer interessanter Er-
scheinungen unsere ganz besondere Aufmerksamkeit verdient.
Derselbe steht vertical , besitzt eine Mächtigkeit von
4 Decim., wird von vollkommen ebenflächigen, einander durch-
aus parallelen Salbändern begrenzt und hebt sich in Folge
dessen, sowie seiner fleischrothen Farbe auf das schärfste von
seinem grauen Nebengesteine ab, von dessen glatten, ebenen
Ppaltenwandungen er sich mit Leichtigkeit loslöst. Im Con-
tact mit ihm hat der benachbarte Granit seine Festigkeit ver-
loren und sich in einen mulmig - lockeren Gruss verwandelt.
Diese Zersetzung erstreckt sich von den Salbändern aus bis
zu einer Entfernung von 15 bis 18 Cm., wo jedoch horizontale
Klüfte das Nebengestein durchsetzen und bis zu dem grani-
145
tischen Gange reichen, wie dies in kurzen Zwischenräumen
übereinander der Fall ist, folgt ihnen die Zersetzung mehrere
Meter weit in das feste Gestein hinein. Unser granitischer
Gang kommt demnach mit dem frischen Nebengestein nirgends
in Berührung , sondern ist von ihm durch eine Zone von zer-
setztem Granit getrennt.
Der granitische Gang selbst repräsentirt ein mittel-
körniges Aggregat von vorwaltenden weissen bis lichtfleisch-
rothen Orthoklasindividuen, grauen Quarzkörnern und weissen
bis lichtgrünlichen Blättchen von Kaliglimmer. Schon als
Bestandtheile dieses Aggregats zeigen die Feldspäthe eine
ausserordentliche Neigung zur Ausbildung ihrer Krystallgestalt.
In Folge davon sind die einzelnen Gemengtheile weniger innig
mit einander verwachsen, wie es bei den echten Graniten der
Fall ist. Stellenweise liegen die Feldspathindividuen ähnlich
wie künstliche Praecipitate aus wässerigen Lösungen durch-
und nebeneinander, und sind nur locker verbunden, ohne dass
die kleinen, von den gegeneinander geneigten Flächen meh-
rerer benachbarter Krystalle gebildeten Lücken stets vollkom-
men ausgefüllt wären. Das Gestein besitzt deshalb einen
verhaltnissmässig nur geringen Zusammenhalt, und ist stellen-
weise so bröckelig, dass man Scherben desselben leicht zer-
brechen kann und dass unter dem Hammerschlage verhältniss-
mässig bedeutende Quantitäten von Grus abfallen. Dazu kommt
noch, dass die ganze Gesteinsmasse von isolirten oder mit-
einander in Zusammenhang stehenden, rundlichen oder un-
regelmässig verzerrten, kluftartigen oder aufgeblähten, sich
verzweigenden oder rings abgeschlossenen, millimetergrossen
bis decimeterlangen drusigen Hohlräumen durchzogen wird,
auf deren Rechnung l bis \ des vom Gestein eingenommenen
Raumes zu setzen ist. Das Gestein erhält dadurch eine aus-
gezeichnet zellig-drusige Structur. Die Wandungen dieser Hohl-
räume werden gebildet von den in ihnen zu freier Krystalli-
sation gelangten Gesteins - Bestandtheilen , so namentlich von
kleinen Orthoklasen schärfster Krystallgestalt, deren Anzahl
man an den vorliegenden Handstücken auf mehrere Tausend
veranschlagen kann. Zwischen ihnen , sie zwar an Grösse
überragend, aber an Zahl stark zurücktretend: Quarze, die
nicht selten — fast der einzige mir bekannte Fall in den
gesammten granitischen Gängen des Granulitgebirges, — ausser
Zeits. d. D. geol. Ges. XXVII. 1. 10
146
einem spitzen Rhomboeder, Rhomben- und Trapezflächen auf-
weisen; endlich Tafeln von Kaliglimmer. Sie besitzen na-
türlich gleiches Alter wie die Gesteinsmasse selbst, da sie
nichts sind , als dessen zu freier Krystallisation gelangte Ge-
mengtheile. Zu ihnen gesellen sich noch Turmalinkryställcben
und einem späteren Bildungsprocesse angehörige Albite. Diese
einzelnen Mineralien bieten jedoch so viele interessante Er-
scheinungen, dass wir sie specieller betrachten müssen.
Die Orthoklaskryställchen haben meist nur eine
Grösse von 0,3 bis 0,5, seltener eine solche von 1 Cm., sind
im Innern weiss, gewöhnlich mit einem Stich in's Röthliche,
oft aber auf ihrer Oberfläche von einem hauchartigen Ueberzug
von ziegelrothem Eisenoxyd bedeckt. Es sind flächenarme
Gestalten, gebildet von Prisma, Klinopinakoid , Basis, Ortho-
doma x, zuweilen auch y (in welchem Falle jedoch x stets
vorherrscht), seltener mit dem Klinodoma n. Diese höchst
zierlichen, ebenflächigen Krystalle erhalten durch starke Ent-
wickelung von M einen dicktafelförmigen Habitus, sind meist
einfache Individuen , häufig aber auch Zwillinge nach dem
Carlsbader Gesetz, seltener solche, deren Verwachsungsebene
die Basis bildet.
Eine an diesen Orthoklasen sehr gewöhnliche Erschei-
nung ist ihre aus gewissen Quarz-Orthoklas-Gängen (Seite 117)
bereits erwähnte und aus den Pegmatitgängen noch eingehend
zu beschreibende, mehr oder weniger weit fortgeschrittene
lamellare Zersetzung. Von der zartesten Horizontal-
streifung der Flächen P und x und den feinsten Verticallinien
auf T und M , lässt sie sich bis dahin verfolgen, wo von den
zierlichen Orthoklasen nur ein Skelet von lauter dünnen, unter
sich und dem Orthopinakoide parallelen , etwas welligen La-
mellen übrig geblieben ist. Besonders bei den Zwillingen giebt
dieser Vorgang Veranlassung zu einigen nicht uninteressan-
ten Beobachtungen: Au unseren Carlsbader Zwillingen kom-
men nur die schiefen Endflächen P und x, nicht aber y vor.
Ihre Verwachsungsnath fällt constant in die kliuodiagonale
Prismenkante und zerlegt deshalb den Krystall in zwei sym-
metrische Hälften, wobei P des einen Individuums und x des
anderen in einer Ebene zu liegen scheinen.*) Auf diese Weise
*) Aehnliches beschreibt vom Rath aus Elba, diese Zeitschr. 1870.
pag. 0;')5.
zerfällt das dachförmige Endflächenpaar in vier ganz gleiche
Felder, ein vorderes und ein hinteres P und x. Nun ist es
eine mehrfach gemachte Erfahrung, dass sich der Beginn lamel-
larer Zersetzung zuerst auf P zeigt, während alle übrigen
Flächen noch frisch und glänzend bleiben. Diese Beobachtung
erfährt an unseren Carlsbader Zwillingen eine höchst augen-
fällige Bestätigung, indem je eine P entsprechende Hälfte der
vorderen und hinteren Endfläche des Zwillingskrystalls mit
ziemlich tiefen Horizontalfurchungen versehen ist, während die
alternirenden Flächenhälften, also x, noch spiegelnden Glanz
besitzen. Durch die ausserordentlich scharfe Grenze zwischen
Furchung und Ebenflächigkeit hebt sich die Zwillingsnaht auf
jeder der Endflächen auf das Deutlichste hervor.
Ein anderer kleiner Zwillingskrystall besteht aus zwei mit
der sehr ausgedehnten Basis verwachsenen rectangulär-säulen-
förmigen Individuen. Da nun bei derartiger Zwillingsstellung
die Hauptaxe und somit das Orthopinakoid in jeder der beiden
verzwillingten Individuen unter einem Winkel von 63° 57'
gegen die P entsprechende Zwillingsnaht geneigt ist und die
aus der besprochenen Zersetzung hervorgehenden Lamellen
parallel dem Orthopinakoide sind, so zeigen die Flächen M
einzelner dieser Zwillinge fiederartig auf jeder Seite der Zwil-
lingsnaht stehende, nach oben mit etwa 127° divergirende
Furchen , die bei fortgesetzter Ausiaugung sich bis zur Aus-
bildung fiederartig gestellter Lamellen vertiefen können.
Wir werden später bei Besprechung ganz analoger Zer-
setzungsvorgänge an den Feldspäthen der Pegmatitgänge dar-
thun, dass die ihnen zu Grunde liegende Ursache in perthit-
artiger Verwachsung von Albit - und Orthoklaslamellen zu
suchen ist. Dass aber Gleiches von den gefurchten Ortho-
klasen unserer zelligen Granitgänge gilt , beweisen einige
Schliffe derselben. Einer von diesen schneidet einen Zwilling
von dem nämlichen Habitus wie das eben beschriebene Exem-
plar mit fiederartiger Furchung der in einer Ebene liegen-
den M-Flächen. In dem parallel M angefertigten Schliffe tritt
bei polarisirtem Licht eine diesen Auslaugungsfurchen voll-
kommen entsprechende, also gleichfalls fiederartig auf der
Zwillingsebene stehende bunte Streifung hervor, ganz analog
den perthitähnlich von Albitlamellen durchwachsenen grossen
Orthoklasen des Pegmatits. Dass diese zarten Albitquer-
10*
148
schnitte eine Zwillingsstreifung nicht aufzuweisen haben , be-
ruht darauf, dass die Schliffebene parallel M liegt , zugleich
aber auf bereits in geringem Grade sich geltend machender
Zersetzung.
Herr Dr. E. von Meyer hatte die Güte, durch Herrn
Schwartz eine Analyse dieser Orthoklase ausführen zu lassen.
Dieselbe ergab folgende Resultate*):
a. b. Mittel. Dividirt durch
SiO, 66,88 — 66,88 die Atomge-
A120, 19,78 19,45 19,61 wichte:
Cab 0,57 0,32 0,44 . . Ca = 0,314 . . . 0,0079
K20 — 9,95 9,95 . . K = 8,256 . . . 0,2117
Na,0 — 4,00 4,00 . . Na = 2,968 . . . 0,1290
100,88
Auch diese, wie die mikroskopischen Ergebnisse weisen
darauf hin, dass die vorliegenden Feldspäthe eine Verbindung
von Kalifeldspath mit kalkhaltigem Natronfeldspath sind , und
zwar kommen bei dem Verhältniss der Atomzahlen von
Ca : K : Na
0,0079 : 0,2117 : 0,1290
oder 1 : 26,8 : 16,3
auf 5 (17) Moleküle kalkhaltigen Natronfeldspaths 8 (27) Mole-
küle Kalifeldspath.
Die Resultate mikroskopischer und chemischer Unter-
suchung, sowie die Analogie mit anderen Feldspath-Vorkomm-
uissen im Pegmatit lassen es demnach zweifellos erscheinen,
dass der Natrongehalt des Orthoklases unseres zelligen Gra-
nits von Albitlamellen herrührt, welche ersterem in ortho-
pinakoidiscber Lage eingeschaltet sind, ferner dass die beob-
achtete Furchung und lamellare Zersetzung auf Auslaugung
der Albitsubstanz beruht.
Eine weite Wanderung hat letztere nicht unternommen,
*) Die Werthe unter a. wurden erhalten nach Aufsehluss des Feld-
spaths durch Schmelzen mit kohlensaurem Natron-Kali, die unter h. nach
Ausschluss durch Flusssäure. Zur Bestimmung von Kali und Natron
wurde die Summe der schwefelsauren Alkalien festgestellt , sodann
die Menge der Schwefelsäure durch Füllen mit Chlorbarium ermittelt
149
sich vielmehr z. Th. in den zarten Rissen, welche den Mutter-
krystall in unregelmässigem Verlaufe durchziehen , ausge-
schieden , namentlich aber in unmittelbarer Nähe ihrer alten
Heimath zwischen und auf den theilweise zerstörten Ortho-
klasen wieder angesiedelt.
Diese jungen AI bitkry ställch en haben' milchweisse
Farbe, Glasglanz und einen dünn tafelförmigen Habitus. Es
sind meist einfache Zwillinge mit flach einspringendem Winkel
auf oP oder von polysynthetischer Verwachsung, so dass die
Endfläche sehr zart und dicht liniirt erscheint. Endlich sind
zuweilen zwei Viellinge nach dem Carlsbader Gesetz ver-
wachsen, während Zwillingsbildung nach dem Periklingesetz,
also mit einspringendem Winkel auf M, nicht beobachtet
wurde. Die Flächen der von der Zersetzung ergriffenen Or-
thoklase sind nicht selten von Albit bedeckt, welcher sich in
Form zarter, weisser Lamellen an das Klinopinakoid M anlegt
oder die durch Zersetzung verletzten Ecken und Kanten wieder
ausheilt.
Auch die von der anfänglichen Auslaugung nicht berührten
Orthoklaslamellen verfallen später, wie auch anderwärts aus
den Gängen des sächsischen Granulitgebiets von uns beschrie-
ben, einer Zersetzung zu Kaliglimmer und Quarz. Die silber-
glänzenden Schüppchen des ersteren siedeln sich auf den zer-
fressenen Feldspathen und in deren Umgebung an und wachsen,
der Zersetzung folgend, schmarotzend in deren Inneres hinein.
Was den Quarz unseres drusigen Granits betrifft, so
bildet er bis 2 Cm. grosse , klare iichtrauchgraue Krystalle
von in unseren Gängen ungewöhnlich scharfer, gleichmässiger
Entwicklung der Flächen des Prismas und des Dihexaeders.
Zu ihnen gesellen sich sehr gewöhnlich diejenigen eines sehr
spitzen Rhomboeders und nicht selten Rhomben- und Trapez-
flächen. Es ist dies die flächenreichste Combination an allen
mir bekannt gewordenen Quarzen des sächsischen Granulit-
gebietes. Wir werden in dem Abschnitte über Pegmatitgänge
nochmals diesen Punkt zu berühren haben.
Von Werth mit Bezug auf die Deutung der bereits früher
(Seite 115) beschriebenen „basischen" Fläche gewisser Quarze
ist die Beobachtung, dass in den granitischen Drusen des
Markersdorfer Ganges nicht selten wachsende Quarzkrystalle
an eine Tafel von Kaliglimmer gestossen sind, an dieser ab-
150
schneiden und dann mit einer schrägen Endfläche abschliessen.
Nicht selten ist diese hindernde Glimmertafel später zerstört
worden und dann das unterbrochene Wachsthum weiter fort-
geschritten. Derartigen temporären Unterbrechungen ent-
sprechen dann mehr oder, weniger hervortretende treppenför-
mige Einspränge des Prismas. Manchmal aber sind auch
Theile des Glimmerblatts von dem Quarze vollständig über-
wuchert und eingeschlossen worden.
Von dem Kaliglimmer sei nur erwähnt, dass er centi-
metergrosse blätterige Tafeln von silberweisser oder weisslich-
grauer Farbe bildet, sich bei eintretender Zersetzung lebhaft
apfelgrün färbt, später matt zeisiggrün wird und sich zugleich
in ein erdiges Aggregat von kleinen Schüppchen auflöst. Letz-
tere dürften ein aus wasserhaltigem Thonerdesilicat bestehen-
des , dem Steinmark oder dem Gilbertit ähnliches Residuum
des sich zersetzenden Kaliglimmers repräsentiren.
7) D r u s enförm ig e Structur stellt sich in Folge un-
vollständiger, allmälig vor sich gehender Spaltenausfüllung ein,
und zeigt sich deshalb vorzüglich in Verbindung mit symme-
trisch lagenförmiger Aggregationsform des granitischen Gang-
materials. Da nun die Ausfüllung der Gangspalten, worauf
stengelige sowohl wie lagenförmige Structur hinweisen , von
beiden Salbändern zu nach der Mitte vorschritt, so ist es
naturgemäss, dass die Centraizone der Sitz der Drusen-
räume ist. Diese Erscheinung ist bei den granitischen Gängen
des Granulitgebirges so gewöhnlich , dass sich einzelne Bei-
spiele kaum hervorheben lassen. Meist freilich sind diese
Drusen nur klein und unregelmässig gestaltet , zuweilen aber
auch mehrere Decimeter lange Klüfte, deren grösste Ausdeh-
nung der Gangwandung parallel läuft. Sie werden gebildet
von den frei auskrystallisirten Enden der granitischen Gang-
mineralien, von einförmigen, grauen Quarzen, an welchen nur
Prisma und Dihexaeder, nie Rhomben- und Trapezflächen
beobachtet wurden, von Orthoklas in seiner gewöhnlichen Kry-
stallgestalt , hier und da auch von Glimmertafeln oder einigen
kurzen schwarzen Turmalinsäulen. Für die Genesis der gra-
nitischen Gänge am lehrreichsten sind jedoch die Fälle, wo
deren Centraizone überhaupt nicht zur Ausfüllung gelangt,
sondern in Form einer centralen, der S y m m e t ri e - Eb en e
entsprechenden Drusen spalte ganz offen geblie-
ben sind. Kein schöneres Beispiel ist mir hierfür bekannt,
als einer der zahlreichen Gänge an einem Promenadenwege
am Fusse des Schlossberges von Rochsburg. Hier läuft von
einem 0,3 M. mächtigen granitischen Gange ein liegendes
Trum horizontal ab. In directer Nähe des Hauptganges ist
dasselbe vollkommen und zwar seitlich (also bei der horizon-
talen Lage dieses Trums oben und unten) stengelig , in der
Mitte körnig-granitisch ausgefüllt; in seinem weiteren Verlaufe
jedoch verkümmert die centrale Ausfüllungsmasse und es blei-
ben nur die randlichen Zonen von quer auf den Salbändern
angeschossenem weissem Quarz, rothlichem Feldspath und
Glimmertafeln, welche nach der offenen Centraispalte zu, wenn
auch nur in der Grösse von 1 bis 1,5 Cm. und in einförmigen,
so doch sehr schönen und scharfen Gestalten auskrystallisirt
sind, so dass man tief in eine enge glitzernde Drusenspalte
hineinblickt. Wo sich die nicht ganz ebenen, sondern welligen
Krystallwandungen nähern, sind strahlige Partieen von schwar-
zem Turmalin als locale Ausfüllung des Spaltenraumes zur
Ausbildung gelangt.
In wie klaren Zügen ist hier die Entstehung der grani-
tischen Gänge des Granulitgebiets in den Fels geschrieben!
Sie bestätigen uns die aus den übrigen vStructurverhältnissen
gezogenen Schlüsse auf die h y dr och e m i s c h e Entstehung
dieser Gänge unwiderleglich und vergegenwärtigen unserem
Geist den langsamen Process der Spaltenausfüllung. Denken
wir uns die hier unterbrochene oder noch nicht abgeschlossene
Feldspath-Quarz-Bildung weiter nach der Mitte zu fortschreiten,
so erhalten wir beim Zusammenstoss beider Wachsthumsflächen
einen granitischen Gang von stengeliger Structur mit der zick-
zackförmigen centralen Zuwachsnaht, wie sie oben beschrieben
ist. Oder denken wir uns die bereits begonnene Turmalin-
bildung weiter fortgesetzt, oder zwischen den beiden Krystall-
wänden der Drusenspalte eine kleinkörnig - granitische Gang-
mitte zur Ausbildung gelangt, wie dies ja wirklich in einem
Theile unseres Ganges geschehen ist, so resultirt ein symme-
trischer, in drei Zonen gegliederter, in seiner Centraizone aus
Turmalin, oder aus körnigem Granit bestehender, auf beiden
Seiten stengelig- granitischer Gang, mit der bereits oben an
instructiven Beispielen erörterten „geschlossenen Drusen-
structuru.
152
Genesis der granitischen Gänge des Granulitgebiets und
analoge Ganggebilde ans anderen Gegenden. Ueber die Ge-
nesis unserer granitischen Gänge können nach allem dem
oben Gesagten Zweifel nicht mehr obwalten :
sie sind hydrochemischen Ursprungs, so gut
wie Kalkspath-, Baryt- und Quarzgänge, denn eines Theils
steht es fest, dass ihre mineralischen Bestandtheile unter Be-
theiligung des Wassers von einem Orte zum anderen wan-
dern und sich dort neu ansiedeln können, anderen Theils be-
sitzen unsere granitischen Gänge nicht nur die nämliche
Structur, wie die oben genannten Mineralgänge, sondern
haben sogar Reste ihres einstigen Lösungsmittels in Form von
Flüssigkeitseinschlüssen aufbewahrt, während von solchen eines
etwaigen gluthflüssigen Magmas (also Glaseiern, glasiger oder
entglaster Zwischendrängungsmasse) nicht die geringste Spur
vorhanden ist, ebensowenig wie von gewissen Structurerschei-
nungen innerhalb eruptiver Gesteinsarten (also von Mikroflu-
ctuation und spinnenförmigen oder farnwedelartigen Mikro-
lithen);
sie verdanken ihr Material der Auslaugung
ihres Nebengesteins, denn sie sind erstens an ganz be-
stimmte Gesteinsarten und zwar an den echten Granulit ge-
bunden, während andere Gesteine andere Gangausschei-
dungen erzeugen; und besitzen zweitens sehr gewöhnlich
nesterartige Gestaltung, keilen sich mit anderen Worten nach
allen Richtungen aus, können also in genetischer Beziehung
zu aus der Tiefe emporsteigenden Mineralquellen nicht ge-
standen haben ;
ihre Bildung ist von den Wandungen der Spal-
ten aus vor sich gegangen und zwar durch Aus-
kry stallisiren der in Lösung zu geführten Gang-
mineralien und deren nach der Mitte gerichtetes
Wachsthum, denn wir sehen alle Stadien dieses Ausfüllungs-
processes in Beispielen verkörpert.
Dass uns viele Einzelheiten dieser Vorgänge dunkel sind,
wie z. B. der Bildungsmodus der echt granitisch - körnigen
Aggregate, ist ebensowenig zu leugnen, wie der Mangel einer
klaren Vorstellung von der Entstehungsweise lachtermächtiger,
grobkrystallinischer Baryt- oder Kalkspatbgänge, deren wässe-
153
rigen Ursprung trotzdem kein Geologe zu bezweifeln wagen
dürfte.
Den unseren ähnliche Beobachtungen über granitische
Gänge sind bereits von anderen Geologen gemacht worden,
und haben diese zu ähnlichen genetischen Schlussfolgerungen
geführt.
Nach Lossen*) werden die Sericitgneisse und Schiefer
des linksrheinischen Taunus von Adern , Trümern und fuss-
mächtigen Gängen von Quarz, Albit und Glimmer, Sericit
oder Chlorit durchschwärmt. Ebenso die palaeozoischen
Schichten des Ostharzes**) von gangartigen Kluftausfüllungen
mit Feldspath, Quarz und sericitischem Glimmer, welche nicht
selten grössere Fragmente und Splitter des Nebengesteins
umschliessen, und welche Lossen naturgemässer Weise als
Ausscheidungsproducte aus wässeriger Lösung ansieht.
Sterry Hünt beschreibt in seinen „Notes on granitic
Rocks"***) zahlreiche, die laurentischen Gneisse der neueng-
lischen Staaten und Canadas durchsetzende Granitgänge z. Th.
mit ausgezeichnet symmetrisch-lagenförmiger Anordnung ihrer
Gemengtheile. Manche derselben bestehen aus reinem wasser-
hellem Quarz mit eingesprengten zollgrossen Orthoklaskrystallen,
andere an den Salbändern oder in der Centraizone aus Quarz,
während Orthoklas entweder eine mittlere oder zwei seitliche
Lagen bildet. In ähnlicher Weise kommt Perthit mit Quarz
vor. Sehr gewöhnlich ist die Combination von Orthoklas,
Quarz, Magnesiaglimmer und schwarzem Turmalin, denen sich
zuweilen Zirkon , Granat oder Chrysoberyll zugesesellen , —
ferner die von rothem Orthoklas und dunkelgrüner Hornblende
mit etwas Magneteisen. Feldspath, Quarz, Glimmer, Horn-
blende und Turmalin bilden fast überall die vorwaltende Gang-
masse, in dieser stellen sich jedoch mehr oder weniger häufig
noch folgende Mineralien ein: Amblygonit, Spodumen, Beryll,
Zirkon, Rutil, Columbit, Idokras, Granat, Apatit, Epidot, Ti-
tanit, Allanit, Sahlit, Yttrocerit u. a. Für die Quarze dieser
Gänge sind ihre abgerundeten Kanten und Ecken charak-
*) Diese Zeitschr. 1867. pag. 567, 578, 662.
**) Diese Zeitschr. 1869. pag. 312, 313, 314, 315, u. 1872. pag. 731.
***) Americ. Journ 3<i Series. 1871 Vol. I. pag- 82 u. 182; sowie
1872. Vol. III. pag. 115.
154
teristisch , eine Erscheinung, die sich in den analogen Gang-
gebilden Elbas wiederholt.
Als interessante Beispiele symmetrisch-lagenförmiger Glie-
derung der nordamerikanischen Gänge mögen neben dem be-
reits erwähnten zonenweisen Wechsel von Quarz und Orthoklas
hier folgende Vorkommnisse angeführt werden: Beiderseitige
Lagen von gelblichem Orthoklas mit quer auf den Wandungen
stehenden Bändern von schwarzem Glimmer^, Centraizone aus
Schriftgranit (Biddeford) ; — randliche Zonen von Apatit und
Kalkspath , Gangmitte rother Orthoklas und grüner Apatit
(Burgess); — Salbänder von Hornblende, mittlere Hauptzone
von Apatit, in dieser eine Centrailage von Orthoklas und
Quarz (Ontario). Apatit sowohl wie Glimmer sind oft an
den Salbändern angeschossen und reichen nicht selten durch
die randliche Gangzone bis in die Gangmitte, ähnlich wie wir
es vom Gangglimmer des sächsischen Granulitgebiets beob-
achtet haben. Centrale Drusenspalten sind gleichfalls nicht
selten.
Hunt kommt, wie bereits in der Geology of Canada*),
zu dem naturgemässen Schluss, dass diese granitischen Gänge
wässerigen Ursprungs und wie die Erzgänge in Spalten-
räumen durch allmälige Auskrystallisirung aus Lösungen zur
Entstehung gelangt seien. Zur Unterscheidung von den erupti-
ven Graniten nennt er sie ,, endogen".
Ebenso wie die nordamerikanischen, so ähneln die gra-
nitischen Gänge von San Piero auf der Insel Elba in vielen
Beziehungen denen des sächsischen Granulitgebiets. G. vom
B.ath beschreibt sie in seinen ,,geognostischen Fragmenten
aus Italien4'**) in gewohnt trefflicher Weise.
Diese nach Tausenden zählenden Gänge von Turmalin-
führendem Granit setzen in normalem Elbagranit auf, laufen
indessen zuweilen in die Schieferzone hinein , welche das
Granitmassiv umgürtet. So lange letzteres ihr Nebengestein
bildet, sind sie mit diesem fest verwachsen und zeigen nur in
ihrem Innern unregelmässig gestaltete Hohlräume, — von den
Schiefern jedoch sind sie z. Th. durch Klüfte getrennt, auf
deren Wänden Sphen , Albit und Turmalin auskrystallisirt
*) Geology of Canada 1863. pag. 476 u. 644.
**) Diese Zeitechr, 1870 pag. 644 ff.
155
erscheinen. Sie streichen bei steilem Fallen ziemlich constant
von N. nach S. oder von SSW. nach NNO. und bestehen im
Wesentlichen aus Orthoklas, Quarz, Magnesiaglimmer und
Lithionglimmer. Allen gemeinsam ist ihr Reichthum an Tur-
malin von den verschiedensten Farben. Eisenglanz, Granat,
Beryll, Zinnstein, Petalit, Castor , Pollux und Pyrrhit sind
die übrigen , mehr oder weniger seltenen Gangmineralien.
Worauf aber ihre Analogie mit den granitischen Gängen des
sächsischen Granulitgebiets beruht und was G. vom Rath zu
ähnlichen Schlüssen über die Genesis dieser Turmalingranit-
gänge von Elba führt, sind ihre Xtructurverhältnisse und die
Wachsthumserscheinungen der gangbildenden Mineralien. So
stellt sich gewöhnlich eine mehr oder weniger deutliche sym-
metrische Anordnung der Gemengtheile ein, welche Herrn vom
Rath an die Mineralgruppirung gewisser erzführender Gänge
erinnert, und welche sich darin ausspricht, dass an den Sal-
bändern gewöhnlich schwarzer Turmalin auftritt, auf welchen
nach der Mitte zu ein grobkörniges Gemenge von weissem
Orthoklas und Oligoklas mit Quarz, fast immer in schriftgranit-
artiger Verwachsung folgt, dem sich ebenfalls schwarzer Tur-
malin zugesellt. Ein 16 Cm, mächtiger Gang zeigte an beiden
Salbändern ein Gemenge von weissem Orthoklas, Quarz und
viel schwarzen Glimmerblättchen ; weiter gegen das Innere des
Ganges zu nimmt der Glimmer die Form linearer Bänder an,
welche quer gegen die Gangfläche gerichtet sind. Auf diese
randliche, 8 Cm. breite Lage folgt jederseits eine etwa 2 Cm.
dicke Zone von weissem Schriftgranit, den inneren 2 bis 5 Cm.
mächtigen Gangraum erfüllen ganz oder theilweise Krystalle
von Feldspath , Quarz, Turmalin und Lithion - Glimmer. Bei
grösserer Mächtigkeit der Gänge wiederholen sich derartige
Zonen symmetrisch zu mehreren Malen. Zeigen sich, wie
gewöhnlich, in der Centraizone des Ganges spaltenartige Klüfte
oder Höhlungen , so erscheinen die obengenannten Mineralien
in prachtvollen freien Krystallgebilden.
Nach G. vom Rath ist die Erklärung dieser Cranitgänge
von Elba als instantane Injectionsgebilde, als „Nachgeburten
derselben Granitformation, in derem Bereiche sie vorkommen4'
(Naumann) auf das Bestimmteste ausgeschlossen. Er deutet
sie vielmehr als Absätze aus Lösungen, welche aus
der Tiefe der Erde emporgeführt wurden , nicht aber aus dem
156
Nebengestein stammen sollen. G. vom Rath verhehlt sich
jedoch nicht die Bedenken , welche sich gegen eine Verallge-
meinerung der zweiten Hälfte dieses Schlusses z. B. an solchen
Punkten erheben, wo wir ringsgeschlossene, mit der
Erdtiefe also nicht in Zusammenhang stehende Nester und
Drusen von gleichem mineralogischen Charakter, wie die oben
beschriebenen antreffen.
Der Bonner Geologe bezeichnet die Granitgänge von
S. Piero, deren kurze Schilderung wir gegeben, als zu den
wichtigsten und schwierigsten Problemen der Geologie gehörig
und constatirt die grosse Analogie, welche zwischen ihnen
und gewissen Gängen von Chesterfield und Goshen in Massa-
chusetts, sowie solchen von Brevig und Gulsvik im südlichen
Norwegen herrscht. An letzt genannter Localität wird der
dort herrschende Gneiss von unzähligen Gängen des herr-
lichsten , grobkörnigen Granits durchsetzt. Dieselben haben
einen ausserordentlich unregelmässigen Verlauf, sie winden
sich bald hier, bald dorthin, schwellen an, schnüren sich zu-
sammen, umschliessen Fragmente des Nebengesteins und sen-
den Apopbysen in letzteres. Viele von ihneu erhalten dadurch
einen symmetrischen Bau, dass glimmerreiche Zonen mit
solchen von Schriftgranit abwechseln, während andere eine
sphärische Structur besitzen, indem sonnenartige Glimmer-
massen von kreisförmigen Zonen von Schriftgranit hofartig
umgeben werden.
Auf Grund rein theoretischer Betrachtungen, also auf
ganz anderem Wege wie vom Rath und Hunt, gelangt Pf äff
in seiner „Allgemeinen Geologie als exacte Wissenschaft" zu
gewissen die Granitentstehung betreffenden Schlüssen*), welche
einige Berührungspunkte mit den unsrigen haben. Nachdem
Pfaff in naturgemässem Anschluss au die Auffassung vieler
Geologen die sedimentären Lagergranite (Granitgneisse) der
laurentischen Schichtenreihe von den durchgreifenden Gang-
und Stockgraniten getrennt hat, macht er eine Anzahl Einwürfe
sowohl gegen die rein pyrogene, wie gegen die hydatopyro-
gene Entstehungsweise des Ganggranits geltend und unterzieht
die Auffassung dieses Gesteins als Spaltenausfüllung durch
Absatz aus wässerigen Lösungen einer Kritik, ohne jedoch
*) 1873 pag. 179.
157
mit den einschlägigen Arbeiten von Hunt (1863, 1864, 1871)
und vom Rath (1870) bekannt zu sein. Erstens habe diese
hydrochemische Theorie weder chemische noch physikalische
Bedenken, da es ein Factum sei, dass die Mineralgemenge des
Granits sich aus wässeriger Lösung bilden können, 2) die sonst
nicht erklärliche Granitbildung in feinsten Aederchen sei dann
sehr natürlich, 3) die bald vorhandene, bald fehlende der Ein-
wirkung des Granits zugeschriebene Contactmetamorphose be-
reite dieser Theorie nur geringe Schwierigkeiten, 4) wir seien
im Stande, die Bildung der vom Granit eingenommenen Spalten-
räume auf die wegführende Thätigkeit des Wassers zurückzu-
führen, während eine gluthflüssige Masse durch Druck sie nicht
erzeugen könne, — letzteres eine Theorie , gegen deren Zu-
muthung sich viele Geologen mit Recht verwahren werden.
Sind wir auch entfernt davon, uns den Ansichten Pfaff's
in dieser Verallgemeinerung anzuschliessen, so viel geht doch
aus Beobachtungen auf deutschem, italienischem, scandina-
vischem und amerikanischem Boden hervor, dass gewisse
Granitgänge wässerigen Ursprungs sind.
5. Gänge von Pegmatit.
In Vergesellschaftung mit den granitischen Gängen durch-
schwärmen solche von Pegmatit den normalen Granulit.
Obwohl nach der mineralischen Beschaffenheit ihrer wesent-
lichen Gemengtheile nichts anderes als grosskörnige Modifica-
tionen Kaliglimmer-führender Granite, bieten sie doch in ihrem
Reichthum an accessorischen Bestandteilen, in ihren Structur-
verhältnissen und Wachsthumserscheinungen Abweichungen von
den beschriebenen Graniten, welche es wünschenswerth machen,
sie gesondert von diesen zu behandeln.
Trotz ihrer Häufigkeit stehen sie doch an Zahl den gra-
nitischen Gängen stark nach, jedoch nur um sie an Mächtigkeit
bei Weitem zu übertreffen. Diese kann 2,5 bis 3 Meter er-
reichen, wenn sie sich auch meist auf etwa 0,5 bis 1 M.
beschränkt. In der Richtung ihres Streichens und Fallens
herrscht keine Gesetzmässigkeit, — ihre Längenausdehuung
scheint meistentheils keine sehr beträchtliche zu sein.
Die wesentlichen Gemengtheile dieser Pegmatitgänge sind
Orthoklas und Quarz, denen sich fast stets Turmalin, Kali-
glimmer und Albit zugesellen.
158
Orthoklas und Albit. Der Orthoklas als pegmati-
tischer Gemengtheil besitzt fast stets fleischrothe Farbe, ist
sehr gewöhnlich von Quarz schriftgranitisch durchwachsen und
bildet entweder unregelmässig gestaltete , dann bis kubikfuss-
grosse, oder dicktafelförmige bis 10 Cm. lange Individuen,
welche nicht selten nach dem Carlsbader Gesetze verwachsen
sind, und deren Form , ebensowenig wie die Spaltbarkeit der
unregelmässigen Orthoklasklumpen, durch die sie schriftgrani-
tisch durchschiessenden Quarze gestört wird. Die Formen der
Krystalle , in Gestalt welcher der Orthoklas aus der pegmati-
tischen Gesteinsmasse in die Drusenräume hineinragt, sind
ausserordentlich einfach; meist sind nur T, M, x und P ver-
treten, ähnlich wie es bei den Feldspathen der granitiscben
Gänge der Fall ist. Das Orthopinakoid tritt verhältnissmässig
ziemlich häufig auf. Die Endfläche y hingegen ist nur selten
neben x angedeutet, bei Carlsbader Zwillingen gar nicht ent-
wickelt. Von solchen nach dem Bavenoer Gesetz liegt nur
ein einziges etwa 7 Cm. hohes Exemplar vor, dessen eigen-
thümliche Oberflächenbeschaffenheit uns später beschäftigen
soll. Ebenso wie die als Bestandtheile des Pegmatits auftre-
tenden Orthoklaspartieen , sind auch die in Drusenräume ra-
genden und hier zur Krystallbildung gelangten Feldspäthe fast
ste's in ihrem Innern schriftgranitisch von Quarzlamellen
durchwachsen; jedoch reichen diese nur selten bis zur Ober-
fläche, beschränken sich vielmehr auf den Kern, so dass in
der Nähe der Flächen meist reine Feldspathsubstanz vorhanden
ist, — ganz ähnlich wie es z. B. Streng*) von Harzburger
Orthoklasen beschreibt.
Schon bei Besprechung der granitischen sowie der Ortho-
klas-Quarz-Gänge des Granulitgebietes haben wir (Seite 117,
128 u. 146) auf einen gewissen Zersetzungsprocess des Ortho-
klases aufmerksam gemacht , dem zu Folge der letztere sich
schliesslich in lauter der Hauptaxe und Orthodia-
donale parallele Lamellen trennt, während gleich-
zeitig Alb i tn e üb ild u ng en vor sich gehen. Die näm-
liche Erscheinung tritt uns noch viel deutlicher und häufiger
an den grossen Orthoklasen der Pegmatitdrusen entgegen.
Dann ist ihre Basis und ihr Hemidoma mit tiefen , der
*) N. Jahrb. für Miner. 1871. pag. 719.
159
Kante P:x parallelen, furchenartigen Einschnitten versehen,
ihre Seitenflächen erscheinen vertical gereift, kleine Schuppen
von Kaliglimmer, namentlich aber Kryställchen von Albit
wachsen zwischen den auf diese Weise entstehenden Lamellen
hervor und erheben sich kammförmig über die ursprünglichen
Flächen ihres Mutterkrystalls.
Um zu constatiren, ob diese mit Albitbildung verbundene
Jamellare Zersetzung des Feldspaths durch eine perthitähn-
liche Verwachsung von Orthoklas- und Albit-
lamellen und eine später eintretende Auslaugung
der letzteren bedingt sei, wurde u. a. aus einem der Basis
parallelen Spaltungsstück eines auf seiner Oberfläche bereits
tief gereiften Orthoklaskrystalls aus der Druse eines Pegmatits
von Göppersdorf ein Dünnschliff gefertigt und untersucht.
Bereits bei Betrachtung mit der Lupe zeigte dieser eine Zu-
sammensetzung aus abwechselnden zarten klaren und breiteren
trüben Streifen von schwach welligem, im Wesentlichen unter
sich und der Horizontalkante von oP parallelem Verlauf.
Unter dem Mikroskop ergab es sich, dass die Undurchsichtig-
keit des einen Theils dieser Lamellen davon herrührt, dass
sie eine Unzahl ausserordentlich kleiner, unregelmässig gestal-
teter Einschlüsse bergen, die in lauter der P : x-Kante parallele
Zonen angeordnet sind. Zirkel beschreibt*) streifige Ortho-
klase, deren anscheinend perthitartige Verwachsung mit Albit
sich bei mikroskopischer Untersuchung auf eine derartige
zonenvveise Trübung durch mikroskopische Poren und Läpp-
chen reducirte. Sind nun auch die abwechselnden Feldspath-
zonen unserer Schliffe durch solche fremde Einschlüsse ver-
unreinigt, so ergiebt sich doch bei Anwendung der Nicols
direct, dass die dazwischen liegenden klaren Feldspathzonen
anders gefärbt erscheinen als die getrübten. Da sie gegen
letztere an Breite zurücktreten , erblickt man das Gesichtsfeld
auf einfarbigem Grunde von zarten, schwach welligen, bald
kürzeren, bald längeren anders gefärbten Schmitzen und Bän-
dern gestreift. Wir haben es demnach hier mit einer Ver-
wachsung von verschiedenartigen Feldspathlamellen zu thun.
Dass es die klaren schmäleren Zonen sind, die aus Albit
bestehen, geht bei dem Mangel an deren Zwillingsstreifung
*) Mikroskop. Beschaffenh. d. Mineralien pag 131.
160
aus der Uebereinstimmung ihrer Gestalt und ihres Verlaufes
mit den oberflächlichen Auswitterungsfurchen des betreffenden
Feldspathkrystalls hervor.
Vollkommen sicher gestellt wird die Albitnatur der ein-
geschalteten zarten Lamellen durch einige andere Vorkomm-
nisse. Die Drusen innerhalb eines durch Bahnbauten auf-
geschlossenen metermächtigen Pegmatitganges an dem linken
Gehänge des Muldethals zwischen Friedemanns Klippe und
Rochsburg waren ausgekleidet von grossen Orthoklaskrystallen,
deren P:x- Kante 8 bis 12 Cm. maass. Sie ragten unter
spitzem Winkel aus den Drusenwandungen und zwar wiederum
in einer solchen Stellung, dass die Basis den letzteren, x hin-
gegen dem offenen Drusenraum zugewandt war, wie wir dies
bereits an den Orthoklasen der granitischen Gänge als Regel
kennen gelernt haben. Ausser den genannten beiden End-
flächen ist nur noch das Klinopinakoid und das Prisma aus-
gebildet, so dass wir Feldspäthe des einfachsten Habitus vor
uns sehen. Ihre Oberfläche bietet uns die Erscheinung lamel-
larer Auslaugung in einer aussergewöhnlichen, der Grosse der
Individuen proportionalen Deutlichkeit dar. Bis zur Höhe
von mehreren Millimetern ragen die stehengebliebenen Ortho-
klaslamellen über das Niveau, bis zu welchem die Zersetzung
der übrigen Substanz bereits vor sich gegangen ist, hervor,
so dass die 50 bis 100 Cm. grossen Flächen von einer tiefen
und dichten, schwachwelligen Furchung bedeckt sind, welche,
wie immer in solchen Fällen, in ihrer Hauptrichtung parallel
den Kanten des Orthopinakoids verläuft. Dünnschliffe von
Spaltungsstücken parallel oP zeigen zwischen den Orthoklas
in orthopinakoidischer Lage eingeschaltete, langgezogene, flach-
wellige Streifen, kurze Schmitzen und spitzkeilförmige Bänder
von Albit in überraschender Frische, welche zugleich die deut-
lichste Erhaltung deren Zwillingsstreifung bedingte. Natürlich
ist diese in rechtem Winkel auf die Längenerstreckuug der
einzelnen Lamellen - Querschnitte gerichtet, da jeder der letz-
teren einer schmalen, unverhältnissmässig in die Breite ge-
zogenen P-Fläche entspricht. Diese plagioklastische Streifung
tritt im Dünnschliff des oben beschriebenen kleineren Ortho-
klases von Göppersdorf augenscheinlich deshalb nicht hervor,
weil derselbe von seiner allseitig der Verwitterung exponirten
161
Oberfläche aus bereits bis in sein Inneres hinein von dieser
gelitten hat.
Herr Dr. von Meyer hatte die Gefälligkeit, durch Herrn
Schwartz eine Analyse des im Dünnschliff perthitartige Ver-
wachsung zeigenden Feldspaths von Rochsburg ausführen zu
lassen. Dieselbe ergab folgende Resultate:
SiO,
A1,03
CaO
K20
Na20
MgO
a.
64,65
19,82
0,41
Spur
b.
19,44
0,20
14,15
2,05
Mittel*)
64,65
19,63
0,30 .
14,15 .
2,05 .
Ca = 0,214 .
K = 11,72 .
Na = 1,52 .
Dividirt durch
die Atomge-
wichte
. . 0,0054
. . 0,3005
. . 0,0661
100,78.
Entsprechend dem Atomverhältniss
Ca : K
0,0054 : 0,3005
oder 1 : 55,6
Na
0,0661
12,2
würden mit 13 Molekülen kalkhaltigen Natronfeldspaths etwa
56 Moleküle Kalifeldspath verbunden sein.. Halten wir dies
Ergebniss zusammen mit den Resultaten der mikroskopischen
Unsersuchung, so geht daraus hervor, dass unser ,,Orthoklasu
aus einer perthitartigen Verwachsung von etwa 4 Theilen
Orthoklas und 1 Theil Albit besteht.
Ausser den beschriebenen Krystallen wurden noch Feld-
späthe aus dem Rochsburger Pegmatite selbst, also nicht
frei ausgebildete Individuen, sondern eigentliche Gemengtheile
dieses Gesteins mikroskopisch untersucht. Auch bei ihnen
zeigte sich eine perthitartige Verwachsung von Orthoklas und
Albit, sowie ebenfalls eine sehr deutliche Zwillingsstreifung
der Albitlamellen.
Eine weitere interessante Erscheinung, welche diese sämmt-
lichen Schliffe, jedoch nur stellenweise bieten, ist die der netz-
artigen Durchwachsung des Orthoklases von Seiten des Al-
bits in einer an die von Kreischer und Stelzner beschriebenen
Pegmatolithe von Arendal erinnernden Weise. An einzelnen
*) Siehe Anmerkung auf Seite 148.
Zeits. a.D. geol. Ges. XXVII. 1.
11
162
Stellen des Schliffs sieht man nämlich je zwei oder mehrere
flach wellig geschlängelt nebeneinander herlaufende Lamellen
des Albits durch rechtwinklig auf ihnen stehende, also dem
Klinopinakoid parallele Querriegel untereinander verbunden,
die sich in unbestimmten Zwischenräumen wiederholen, ja hier
und da machen die sonst dem Perthitgesetze folgenden Albit-
lamellen eine rechtwinklige Knickung und nehmen dann erst
ihre alte Richtung wieder an. In ganz vereinzelten Fällen
besitzen diese dem Klinopinakoide parallelen Albite viel be-
deutendere Dimensionen als die dem Orthopinakoide ent-
sprechenden Albitlamellen. Die Querstreifung der letzteren
setzt ohne Unterbrechung als Längsstreifung in die klinopina-
koidische Lage besitzenden Verbindungslamellen fort. Wir
haben es also hier mit einer im Querschnitt natürlicher Weise
netz- oder leiterförmig erscheinenden, höchst unregelmässig
bienenwabenartigen Durchwachsung des Orthoklases mit Albit
zu thun, wobei die verzwillingten Individuen des letzteren
unter sich, sowie mit den durch sie getrennten Orthoklas-
Lamellen und -Leisten durchweg eine parallele Stellung inne-
haben.
Rosesbüsch , Stelzner und Zirkel haben diese ebenso
interessante wie schöne Verwachsungserscheinung von einer
Reihe anderer Fundpunkte kennen gelehrt. *) Ueberraschend
aber ist die Uebereinstimmung unserer und der von Streng**)
geschilderten perthitartigen Albit - Orthoklase aus Drusen der
Schriftgranitgänge im Radauthale.
Aus Obigem, zusammengehalten mit der Häufigkeit der
beschriebenen Furchung der Feldspäthe geht hervor, dass die
lamellare Verwachsung von Orthoklas und mehr oder weniger
Albit eine in den Pegmatitgängen des sächsischen Granulit-
gebiets ganz gewöhnliche Erscheinung ist. Trotzdem darf sie
als eine neue Bestätigung der Feldspath-Theorie Tschermak's
nicht bezeichnet werden, da die natronhaltigen Kalifeldspäthe
des granulitischen Nebengesteins keine Spur lamellarer Ver-
wachsung zeigen, also isomorphe Mischungen sind.
Erst bei Auslaugung der Feldspathsubstanz aus
*) Siehe Zirkel, Mikrosk. Beschaffenh. der Min. pag. 130, und
Rosenbüsch, Mikrosk. Fhysiogr. pag. 3'29.
**) N. Jahrb. für Min. 1871. pag. 719.
163
dem Nebengestein tritt eine Spaltung und Iudivi-
dualisirung des kalkhaltigen Natronfeldspathes
und des Ka 1 if el ds p a th es u n d bei gleichzeitiger
Wiederausscheidung eine gegenseitige Durchwach-
sung beider ein. Ferner ergiebt es sich, dass die Furchung
auf der Oberfläche dieser Feldspäthe das Resultat beginnender
Auslaugung der lamellar zwischen den Orthoklas eingeschal-
teten Albitsubstanz ist. Noch muss hinzugefügt werden, dass
die sich einstellende Furchung zugleich die Zersetzung des
zurückbleibenden Orthoklases einleitet und beschleunigt, wes-
halb die ursprünglichen den A Ibitschmitzen entsprechenden
zarten Einschnitte sich auf Kosten der Orthoklassubstanz bald
verbreitern.
Derartige Auslaugungs- und Zersetzungsfurchen auf den
Flächen der Feldspathkrystalle geben vorzüglich bei Zwillings-
bildungen der letzteren Veranlassung zu recht auffälligen und
der Erwähnung werthen Erscheinungen. So sind an dem oben
erwähnten, etwa 7 Cm. langen Bavenoer Zwilling, wenn man
I die vier Flächen P und M vertical und zwar die beiden P
nach hinten stellt, die beiden letztgenannten Flächen horizontal
und die beiden vornliegenden M - Flächen schräg nach vorn
geneigt gereift , während das obere Ende des Krystalls da-
durch kastenartig aus lauter zarten Lamellen aufgebaut er-
scheint, dass die jeder Zwillingshälfte angehörigen , natürlich
rechtwinklig aufeinander stehenden Reifen auf x und T, in
der Zwillingsnath aneinander stossen.
Dass die zarten, fast linearen Flächen, welche die der
Basis eines einfachen Feldspaths zugehörigen Lamellen nach
oben begrenzen, mit dieser, also mit oP spiegeln, ist selbst-
verständlich, sind sie doch nichts als durch Einschnitte ge-
trennte Partieen dieser letzteren. Dahingegen fällt es im ersten
Augenblick sehr auf, dass die Lamellenendflächen, welche dem
Hemidoma x angehören, ebenfalls in der Richtung der Basis
oP liegen und gleichfalls mit dieser spiegeln, also keine stehen-
! gebliebenen von der Zersetzung verschonten Theile der Fläche x
i sind, wie man es hätte erwarten sollen. Es ergiebt sich viel-
i mehr, dass diese zarten glänzenden Flächen nur Spaltungs-
flächen und dadurch entstanden sind , dass die scharfen hori-
zontalen Endkanten der Lamellen, gebildet von der durch
Auslaugung des Albits hervorgebrachten Orthopinakoid- und
11*
164
der ursprünglichen Hemidomafläche x, auf dem Hauptblätter-
durchgang abbrachen. In Folge davon trat an Stelle ihrer
eigentlichen, nach hinten geneigten Endfläche x die nach vorn
geneigte Spaltungsfläche P. Sehr auffällig gestaltet sich diese
Erscheinung an zwei nach dem Carlsbader Gesetze verwach-
senen Orthoklasen, an welchen, wie meist in den Gängen des
Granulitgebiets, von Endflächen nur P und x, in diesem Falle
tief gefurcht, entwickelt sind. Von diesen beiden Krystallen
hält der eine grössere den anderen in der Weise umschlossen,
dass das Hemidoma x des kleineren in die Ebene der Basis
des grösseren fällt, was durch eine bekanntlich nicht unge-
wöhnliche Abweichung vom normalen Kantenwinkel ermög-
licht wird,*) Die Grenzlinien zwischen den beiden Individuen
treten auf der Fläche des grossen Krystalls dadurch so haar-
scharf hervor, dass die der letzteren entsprechenden Lamellen-
endflächen des grossen Feldspaths ausserordentlich glänzend
spiegeln, während diejenigen des kleineren Individuums, ob-
wohl eigentlich in derselben Ebene liegend, dunkel bleiben
und bei vorgenommener Drehung erst gleichzeitig mit dessen
Spaltungsflächen spiegeln. Sie besitzen also die Lage des
Hauptblätterdurchganges oP des kleinen Feldspathes, sind also
nach hinten geneigt. Wäre eine derartige Verletzung der ho-
rizontalen Lamellenkanten nicht eingetreten, so würden an dem
beschriebenen Zwilling die in einer Ebene liegenden Lamellen-
endflächen von x des einen Krystalls gleichzeitig mit P des
anderen spiegeln müssen.
Was übrigens die Albitn eubil d u ng auf Kosten gewisser
Bestandteile unserer perthitartigen Feldspäthe betrifft, so ist
dieselbe nicht auf die Oberfläche dieser letzteren beschränkt,
sondern zieht sich nicht selten auf Rissen in das Innere der
als eigentliche Gemengtheile des Pegmatits auftretenden Ortho-
klasmassen hinein , deren randliche Zonen dann noch frisch
und unzersetzt erscheinen;, während einzelne Stelleu ihres
Innern in Folge eintretender Verwitterung ein lockeres , kör-
niges Gefüge angenommen haben. In ihnen stellen sich un-
regelmässig löcherige Hohlräume ein , welche theilweise aus-
gefüllt sind von einem Haufwerke kleiner klarer Albite, von
erdigem Eisenoxydhydrat und von grünlichweissen Täfelchen
*) vom Rath, diese Zeitsehr. 1870. pag. 05 1 und 655.
165
von Kaliglimmer , welche sich ausserdem bereits in den von
diesen Hohlräumen ausgehenden Rissen angesiedelt haben.
Endlich kann auch die Albitsubstanz verhältnissmässig
grössere Wanderungen antreten und sich in Drusenräumen oder
Klüften ganz unabhängig von den das ursprüngliche Material
liefernden Feldspäthen in Form mehrerer Millimeter bis Centi-
meter dicker Krystallkrusten auf der Oberfläche von Quarzen
oder frischen Orthoklasen ansiedeln. Die auf solche Weise
gebildeten Krystalle übertreffen den parasitisch auf seinem
Muttermineral wuchernden Albit sehr beträchtlich an Grösse
und sind nicht selten mit Quarz schriftgranitisch verwachsen.
Aus der Nähe von Rochsburg liegen Albitkrystalle von 1,5
bis 2 Cm. Höhe und Breite vor, an welchen die Flächen oo P,
qüPoo, oP, Poe und P in grösster Schärfe entwickelt sind.
Die Zwillingsbildung hat immer nach dem Brachypinakoide
stattgefunden. — Zuweilen haben sich auf den frischen End-
flächen oP des Orthoklases kleine Albite angesiedelt. Die-
selben besitzen dann in Folge nnverhältnismässig starker Aus-
bildung von oP eine ausserordentlich flache Tafelform, deren
Umgrenzung von den sehr zarten Flächen des Prisma, Brachy-
pinakoid und der hinteren Endfläche x bewirkt wird. Diese
Täfelchen sitzen nun auf oP des Orthoklases in der Weise
dachziegelartig auf, dass die Px- Kante der kleinen Albite
derjenigen des grossen Orthoklaskrystalls parallel läuft, soweit
dies bei der Ungleichheit der Axenwinkel überhaupt mög-
lich ist.
Die Zersetzung des pegmatitischen Feldspaths kann jedoch
noch in einer anderen als ausschliesslich auf Extraction und
Neubildung der Albitsubstanz hinzielenden Richtung vor sich
gehen, indem sie auf eine Umwandlung des Ortho-
klases in Kali glimm er hinwirkt. Wir haben zwar bereits
diese beiden Vorgänge vereint an einzelnen Krystallen der
Orthoklas-Quarzgänge beobachtet (Seite 118), ja gesehen, dass
Albitextraction und Zersetzung des Orthoklasresiduums zu
Glimmer und Quarz Veranlassung zu selbstständigen Gangbil-
dungen gegeben hat (Seite 120); aus dem Pegmatit jedoch
liegen besonders instruetive Fälle vor, an denen man die
Pseudomorphosirung des Orthoklases zu Glimmer und Quarz
zu verfolgen im Stande ist. Das unserer Beschreibung zu
Grunde gelegte Orthoklasindividuum, durch Vorwalten von P
166
und M zu einer rectangulären Säule gestaltet, hat eine Länge
von gegen 6 und eine Breite und Dicke von 3 Cm. Der
Kern dieses ursprünglich in Pegmatit eingewachsenen Krystalls
besteht aus frischem, auf seinen Spaltungsflächen stark glän-
zenden, fleischrothem Orthoklas, nach aussen zu aber geht die
rothe Farbe in eine lichtgelbliche über, die Spaltbarkeit verliert
mehr und mehr an Schärfe, an ihre Stelle tritt ein feinkörniges,
poröses Gefüge, die Feldspathhärte des Centrums weicht einer
gewissen Mürbe, unter der Lupe wahrnehmbare silberglänzende
Punkte stellen sich ein , bis endlich als äusserste Grenzzone
des ursprünglichen Orthoklasindividuums ein schuppig-blumiges
Aggregat von im Durchschnitt 0,5 Cm. grossen, silberweissen
Glimmerblätteben erscheint, welches den ganzen Krystall rings
umkleidete. Die Grenzen zwischen mürber Feldspathsubstanz
und Glimmerüberzug sind keine scharfen, vielmehr drängen
sich Blättchen des letzteren in alle kleinen Risse und Kluft-
flächen des ersteren , vergleicblich den Wurzeln einer Rasen-
decke im Erdreich.
Vollkommen ähnliche z. Tb. auf Kosten des frischen
Kernes bereits noch weiter vorgeschrittene Pseudomorphosen
von Glimmer nach Orthoklas sind von Rose, namentlich aber
von G. vom Rath aus Lomnitz in Schlesien, von Blum aus
Warrensteinach im Fichtelgebirge und von Bischof beschrieben
und genetisch gedeutet worden.*) G. vom Rath analysirte die
einzelnen Zersetzungsproducte des in Pseudomorphosirung be-
griffenen schlesischen Feldspaths und zeigte, dass letzterem,
um zur Bildung von Glimmer zu gelangen, etwa 35 pCt.
Kieselsäure und 5,5 pCt. Kali und Natron entführt, dahingegen
in dem betreffenden Falle 4,91 pCt. Eisenoxyd und Wasser
zugeführt worden sind. Aehnliches wird von dem eben be-
schriebenen neuen Vorkommen gelten, — jedenfalls ist auch
hier ein Theil der Alkalisilikate des ursprünglichen Ortho-
klases in Lösung direct entführt, ein anderer zersetzt und in
Form von Carbonaten und Kieselsäure entfernt worden.
In gleicher Deutlichkeit ist die Umbildung zu Glimmer
an einem Orthoklaskrystall zu beobachten, welcher ganz isolirt
*) Rose, diese Zeitschr. II. pag. 10. — vom Rath, Pogg. Ann. XCVIII.
pag. 190. — Blum, Pseudom. I. Nachtr. pag. '25. — Bischof, Lehrb. d.
ehem. u. phys. Geol. II. pag. 4lv2u, 737.
167
auf dem oberen rhomboedrischen Ende eines 2,5 Cm. starken
und gegen 5 Cm. langen, schwarzen Turmalinprismas aufsitzt.
Erhalten ist nur wenig mehr als der in der Turmalinmasse
innesitzende Theil des Feldspaths, der Rest hingegen in Folge
zersetzender Einflüsse verschwunden. Letztere haben sich
selbst bis in die noch übrig gebliebene Partie des Orthoklases
hinein geltend gemacht, so dass diese ein zerfressenes, löche-
riges Aussehen erhalten hat. Die verschwundene Orthoklas-
substanz aber ist zu Kaliglimmer geworden. Dieser überzieht
die vollkommen unverletzten, stark glänzenden Turmalinfiächen
in einer so charakteristischen Weise, dass seine genetische
Abhängigkeit von dem Feldspathindividuum unverkennbar ist.
Der Kaliglimmer ist nämlich auf denjenigen Theil der Turmalin-
fiächen beschränkt, welcher den zerfressenen Orthoklas un-
mittelbar umgrenzt, zieht sich aber von hier aus noch in die-
jenigen durch Verwachsung mehrerer Prismen entstandenen
Vertikalrinnen hinab, welche auf den sich zersetzenden Feld-
spath treffen. Man kann sich hieran ganz deutlich vergegen-
wärtigen, wie der aus der Zersetzung hervorgehende mineralische
Saft, aus welchem sich der Kaliglimmer bildete, in jenen
Rinnen an dem Turmalin hinabgelaufen ist.
Derartige Glimmerbildungen auf Kosten der Orthoklas-
substanz stellen sich nun nicht nur bei frei ausgebildeten
Krystallen, sondern noch viel häufiger bei den uuregelmässig
umgrenzten Feldspathpartieen des pegmatitischen Aggregats
ein. Jede Spaltungs - und Kluftfläche solcher Orthoklase er-
scheint von einem Ueberzug zarter Kaliglimmerschüppchen wie
angehaucht, — auf den Sprüngen, von welchen jene durch-
zogen werden , haben sich lichtgraue glänzende Glimmerblätt-
chen und radialblättrige Rosetten dieses Minerals angesiedelt,
— die schmalen Klüfte haben sich gangartig mit blätterigem
Glimmer ausgefüllt. Von ihnen aus hat sich die Zersetzung
beiderseitig weiter ausgebreitet, so dass quer durch den Ortho-
klas oder bis tief in denselben zeitig - löcherige Zersetzungs-
zonen von Glimmerblättchen und mulmigem Eisenoxydhydrat,
dieses mit kleinen Körnchen und Kryställchen von jungem
Quarz hineinreichen. Hier finden wir demnach die den Alkali-
silikaten durch Zersetzung zu Carbonaten entführte Kieselsäure
als Quarz, sowie den Eisengehalt des Orthoklases als Eisen-
ocker wieder.
168
Von dem Quarz als eigentlichem Gemengtheil des Peg-
matits lässt sich nur erwähnen, dass er entweder milchweisse,
rauchgraue oder fast ganz wasserhelle Partieen von Nuss- bis
Kopfgrösse bildet, welche reich an mikroskopischen Flüssig-
keitseinschlüssen sind. Stellenweise kann er auch als bei
Weitem vorwaltende Ausfüllungsmasse der Gänge auftreten,
in welcher dann Orthoklas und Turmalin als isolirte Indivi-
duen eingesprengt sind. Seine Krystalle z. Th. tief rauchgrau,
z. Th. tief schwarz gefärbt, erreichen Centnerschwere und
mehr als Fusslänge, sind jedoch meist von ziemlich einför-
miger Gestalt und besitzen vorwiegend nur die Flächen von
Prisma und Dihexaeder, seltener ausser diesen noch diejenigen
eines sehr spitzen Dihexaeders. Sämmtliche Flächen sind
sehr häufig von Eiseuoxydhydrat oder jüngerem Quarz-, Feld-
spath- oder Glimmergebilden überzogen, oder sonst rauh
und matt.
Nicht ungewöhnlich und zwar dann fast stets in Combi-
nation mit den Flächen eines sehr spitzen Rhomboeders treten
grosse, matte und zwar bald linke, bald rechte Trapez-
flächen auf (so in den pegmatitischen Drusen von Waldheim,
Göppersdorf, Friedemanns Klippe, Wolkenburg, Penig), ja es
kann vorkommen, wie bei Göppersdorf, dass von zwei be-
nachbarten Quarzen der eine linke, der andere rechte Trapez-
flächen aufzuweisen hat. Gewöhnlich sind die beiden Rhorn-
boeder R ziemlich gleichmässig, sehr selten nur die Flächen
des einen entwickelt. In einem solchen Falle treten unter den
drei R- Flächen und den drei dazwischen liegenden Kanten
6 matte Flächen zweier sehr spitzer Rhomboeder und 6 grosse
rauhe Trapezflächen auf.
Das Vorkommen der letzteren am Quarze turmalinfüh-
render Pegmatitgänge ist keine besonders auffällige, ja voll-
kommen normale Erscheinung, wenn wir in Betracht ziehen,
dass die Paragenesis des Quarzes mit Turmalin , Kaliglimmer,
Apatit und Topas an vielen anderen Fundpunkten ganz regel-
mässig das Auftreten von Trapezflächen bedingt. Aus dieser
constanten Verknüpfung zog Stelzner*) den Schluss, dass
wenn Quarz in Gegenwart von fluor-, chlor- und borhaltigen
Verbindungen auskrystallisirte, diese letzteren die Veranlassung
*) N. Jahrb. f. Miner. 1871. pag. 45 u. 49.
169
zur Entwicklung des trapezoedrischen Habitus des Quarzes
gewesen seien, — eine Folgerung, welche ich um so freudiger
acceptirte, als ich durch Experimente dargethan hatte, dass
die Krystallgestalt des kohlensauren Kalkes durch gewisse
fremdartige Beimengungen zu ihrer ursprünglichen Lösung
beeinflusst werde.*) Nach den Beobachtungen Stelzner's an
analogen Quarzvorkommnissen war die Folgerung eine gerecht-
fertigte, dass auch die stets mit Fluor- und Borsäure - haltigem
Turmalin, mit Fluor-haltigem Kaliglimmer, zuweilen mit Topas
und Apatit vergesellschafteten Quarze der Pegmatitgänge des
sächsischen Granulitgebirges unter dem Einflüsse des Fluor-,
Bor- und Chlorgehalts der Mineralsolutionen , aus welchen
ausser dem Quarze die genannten Drusenmineralien auskrystal-
lisirten, ebenfalls Trapezflächen entwickelt hätten. Im Allge-
meinen betrachtet, entsprechen die Krystallverhältnisse der
Quarze innerhalb der beschriebenen und noch zu beschreiben-
den Gänge diesen Schlussfolgerungen. Die Quarze der Ortho-
klas-Quarz-Gänge zeigen keine Trapezflächen, ebensowenig
diejenigen der turmalinfreien Granite, dahingegen sind die
betreffenden Flächen vorhanden an dem Quarze des turmalin-
führenden zelligen Granits von Markersdorf, sowie an dem
Rauchtopas und lichten Quarz der turmalinreichen Pegmatite.
Fassen wir jedoch statt dieser Gruppen Einzelindividuen ins
Auge, so stellen sich Abweichungen von der anscheinenden
Regel ein. Es ergiebt sich nämlich , dass in den Pegmatit-
gängen neben den trapezoedrischen Quarzen solche ohne
Trapezflächen viel häufiger sind, ferner dass selbst an mit
Turmalinkrystallen verwachsenen und augenscheinlich mit ihnen
gleichalterigen Quarzen die betreffenden Flächen nicht immer,
vielmehr nur in vereinzelten Fällen zur Ausbildung gelangt sind.
Schliesslich sei noch einiger interessanter Wachsthums-
erscheinungen des Quarzes gedacht. So wuchsen eine Anzahl
von Quarzkrystallen von einer Drusenwandung aus auf die
gegenüberliegende zu und stiessen hier auf die Prismenfläche
eines grossen Orthoklases. Die Pyramiden der Quarze , in
ihrem Fortwachsen in der Richtung der Hauptaxe verhindert,
verwendeten nun die ihnen zuströmende Kieselsäure-Solution
zu ihrer allmäligen Ausdehnung in die Breite, indem sie zu
*) Journal für practische Chemie 1870 Bd. II. pag. t.
170
einer Säule anwuchsen , welche schräg an der Prismenfläche
des Orthoklases abschneidet. Diesen Vorgang sieht man sehr
deutlich an zwei in ihrem Wachsthum etwas zurückgebliebenen
Quarzen illustrirt, welche mit ihrer Spitze gerade gegen die
Feldspathfläche stossen und bereits begonnen haben, den Raum
zwischen ihren Pyramidenflächen und dem quer davorliegenden
Orthoklas auszufüllen und dadurch die Pyramide zur Säule zu
gestalten.
Ganz analog ist die Erscheinung, dass eine Anzahl Quarze
einen Orthoklaskrystall pallisadenartig umstanden haben und
dann seitlich zu einem einzigen Individuum miteinander ver-
schmolzen sind, dem die Spitze noch fehlt und dessen centrale
Axe von dem Feldspath eingenommen wurde. In Folge ein-
getretener Kaolinisirung ist letzterer fast vollständig ver-
schwunden, so dass man in eine seinen einstigen Umrissen
entsprechende Höhlung hinein blickt.
Von der Ansiedelung jüngerer Quarzgebilde auf älteren
Quarzkrystallen liefern einige grosse dunkele Rauchtopase
von Friedemanns Klippe instructive Beispiele: Durch Ver-
witterung des Orthoklases, auf dem sie früher festgesessen
hatten, waren Theile dieser ihrer A ufwachsfläche frei geworden,
auf welchen sich nun ein Incrustat von weissem , gelblich
irisirendem jungem Quarz ansiedelte. Obwohl nun dieses die
Form eines ununterbrochenen Ueberzuges von homogener
Quarzmasse besitzt, ist es doch an seiner Oberfläche zu lauter
unter sich parallel stehenden Krystallflächen und Flächen-
gruppen ausgebildet. Wo die unregelmässig verlaufende, jetzt
blossgelegte Aufwachsfläche zufälliger Weise fast senkrecht
steht, ist sie durch den Quarzüberzug zu einer Prismenfläche
ausgebildet; wo sie schräg zur Hauptaxe des alten Haupt-
krystalls verläuft, ist die incrustirende Lage von jungem Quarz
zu lauter gleichzeitig spiegelnden Pyramidenflächen oder Flächen-
paaren ausgebildet ; schneidet sie die Axe flach, so erheben
sich auf ihr treppenförmig oder dachziegelartig übereinander
emporragende Pyramidenspitzen, — kurz das Incrustat ist als
ein im Wachsthum begriffenes Quarzindividuum zu betrachten,
welches schliesslich einen normalen, von geschlossenen Flächen
begrenzten Krystall bilden würde, trotzdem es augenblicklich
in gegen hundert Krystallspitzen ausläuft. Die Abstammung
der jungen Krystallsubstanz ist offenbar in den durch Kohlen-
171
säure theilweise zu Carbonaten zersetzten benachbarten Ortho-
klasen zu suchen.
Der Tu r mal in besitzt als Gemengtheil des Pegmatits
stets eine schwarze Farbe. . In bleistift- bis zu mehreren
centimeter-, ja armdicken, glänzend schwarzen Säulen durch-
schiesst er den Quarz und Feldspath , ist also eher als beide
zur Auskrystallisirung gelangt und bildet fast stets radial-
strahlige Bündel. Zuweilen sind die Säulen gebogen, geknickt
oder in zahlreiche Querglieder gebrochen, welche durch weissen
Quarz wieder zusammengeheilt sind. In Drusenräumen ist der
Turmalin auskrystallisirt , zuweilen an beiden Enden frei aus-
gebildet und zeigt dann die gewöhnlichen, auch von Frenzel*)
aufgezählten Combinationen.
Die Kali glimm er mancher Pegmatite , sowie einiger
Turmalingranite und grobkrystallinischen Granite unseres Ge-
bietes sind nicht selten durch die eigenthümliche Feder-
streifung ausgezeichnet, welche bis dahin so gewöhnlich
als ein Beweis von Zwillingsbildung aufgefasst , erst von
M. Bauer als Wirkungen des Drucks , welchem sie innerhalb
der granitischen Gesteine ausgesetzt waren, richtig gedeutet
wurde.**) Die in unseren Gängen eingewachsenen Tafeln
von Kaliglimmer besitzen meist unregelmässige Umrisse, an
denen nur zwei sich unter spitzem oder unter stumpfem
Winkel schneidende Flächen des Prismas und eine solche des
Brachypinakoides zur Ausbildung gelangt sind. Von ihnen geht
in senkrechter Richtung die erwähnte zarte Streifung des ba-
sischen Blätterbruches aus, und zwar erstreckt sich die auf
00P0C' stehende, also makrodiagonale Streifung über die ganze
Fläche, während die vom Prisma ausgehenden Linien nur bis
zu dem eben beschriebenen Hauptsystem reichen, an ihm ab-
schneiden und so eine federartige Streifung der Spaltungsfläche
bewirken. Zuweilen fehlt jedoch die makrodiagonale Streifung,
dann erscheinen nur die beiden anderen Streifungssysteme,
werden jedoch mit ihrer Entfernung vom Rande undeutlich
und verlieren sich nach der Mitte zu ganz, so dass dieser ihre
ursprüngliche Glattheit erhalten bleibt. Also die nämlichen
Erscheinungen, wie sie Bauer von den uralischen Muscowiten
f) Min. Lex. von Sachsen, pag. 329.
**) Diese Zeitschr. 1874. pag. 159 ff.
172
1. c. beschreibt und Taf. II. Fig 8, 9 und 11 abbildet. Auf
den Werth , den diese Streifung für die krystallographische
Orientirung bei Glimmertafeln von regelloser Umgrenzung oder
unvollständiger Ausbildung haben, ist von Bauer 1. c. pag. 162
und 163 hingewiesen worden.
Arn zierlichsten gestaltet sich die beschriebene Erschei-
nung auf den Spaltungsflächen gewisser Glimmertafeln aus
dem Granit von Markersdorf, welche gewöhnlich nur von drei
Flächen, nämlich von zwei den stumpfen, seltener den spitzen
Prismenwinkel bildenden Säulenflächen und einer des Brachy-
pinakoids begrenzt werden. Diese äusseren Conturen unserer
Tafeln wiederholen sich nun im Abstände von 1 bis 2 Mm.
in einer tiefgrünen, zarten, aber haarscharfen Linie, bis zu
welcher die äussere Umgrenzungszone etwas dunkler gefärbt
erscheint als der centrale Kern ; sie ist es zugleich , welche
die rechtwinklig auf den Flächen stehende Streifung in solcher
Deutlichkeit und Dichtheit zeigt, dass diese wie eine asbest-
artige Faserung erscheint. In viel geringerem Grade setzt sie
in die lichte Partie der Spaltungsfläche fort, und hier ist es
namentlich die makrodiagonale Streifung, die sich durch ihre
Eigenschaft, quer über den ganzen Blätterbruch fortzusetzen,
kenntlich macht und zu sofortiger Orientirung dient. Diese
Faserung tritt besonders schön bei Anwendung des Polarisa-
tions-Apparats hervor. Zugleich ergiebt das Mikroskop, dass
zahlreiche sechsseitige Täfelchen von Eisenoxyd in den Glim-
mertafeln eingelagert sind, dass aber ausserdem auch noch
auf den Faserungsklüften Eisenoxyd eingewandert ist und sich
zwischen ihnen angesiedelt hat. Auch bei einigen zu Zwil-
lingen verwachsenen Individuen lässt sich eine derartige durch
Druck hervorgebrachte Streifung ziemlich deutlich beobachten.
So kommen bei Wolkenburg radialblätterige Gruppen von
Kaliglimmertafeln vor, deren schwalbenschwanzartig ausge-
zackte Zwillingsenden in das umgebende Quarz - Feldspath-
Aggregat hineinragen. Jede dieser verzwillingten Platten hat
drei Streifensysteme aufzuweisen und zwar je ein makro-
diagonales, welche von der gemeinsamen Spitze, unter 60 Grad
divergirend, ausgehen, und sich über jede der beiden ver-
wachsenen Glimmerindividuen bis in die beiden Spitzen des
Schwalbenschwanzes fortsetzen , — ferner die zwei recht-
winklig auf den Prismenkanten stehenden Systeme, so dass
173
jede Schwalbenschwanzspitze eine federartige Streifung be-
sitzt. Ausser Markersdorf und Wolkenburg boten die Eisen-
bahneinschnitte von Rochsburg und Amerika, ferner die Um-
gegend von Göppersdorf Fundpunkte streifiger Kaliglimmer-
tafeln.
Magnesiaglimmer kommt in schwarzbraunen Tafeln
an einigen Stellen als seltener Gemengtheil des Pegmatits vor.
Ganz eigenthümlich ist sein Auftreten in einem Pegmatitgange
direct oberhalb Waldheims. Hier bildet er dünne Lamellen
von grünlich-brauner Farbe, welche eine Länge und Breite von
12 bis 15 Cm. besitzen und den Gang in allen möglichen
Richtungen schräg durchsetzen, so dass ein unregelmässig
bienenwabenartiges Fachwerk von Glimmerlamellen entsteht.
Ausgefüllt ist dasselbe von röthlichem Orthoklas und glasigem
grauem Quarz, so dass bald die grossen Feldspäthe, bald
grosse Quarzpartien haarscharf und vollkommen ebenflächig
von den Glimmerlamellen abgeschnitten werden. Die Gang-
masse lässt sich demnach auf diesen Glimmerflächen in lauter
bis faustgrosse prismatische Stücke oder Tafeln trennen, welche
auf jeder Seite von einer Glimmertafel begrenzt sind und des-
halb auf der ganzen Oberfläche glänzend schwarz erscheinen,
während sie im Innern aus lauter rothem Orthoklas oder
grauem Quarz oder aus beiden bestehen. Es ist klar, dass
zuerst die Glimmerlamellen anschössen, und dann der Raum
zwischen ihnen von Feldspath und Quarz ausgefüllt wurde.
Neben Orthoklas, Quarz, Turmalin und Glimmer kommen
accessorisch in den Pegmatitgängen des Granulitgebiets
folgende Mineralien vor:
Andalusit, röthlicbgrau bis dunkelfleichroth in radial-
stengeligen Büscheln von 6 bis 10 Cm. Radius, deren Aus-
gangspunkte oft so nahe nebeneinander liegen, dass sich die
einzelnen Strahlenbündel gegenseitig abschneiden. In der Nähe
ihrer Ausgangspunkte ausschliesslich aus lauter eng aneinander
liegenden, quadratischen Andalusitprismen bestehend, werden
diese in ihrem späteren Verlaufe durch keilförmig zwischen
sie dringende Quarz - und Feldspathmasse voneinander ge-
trennt. Die Oberfläche dieser stengeligen A ndalusitindividuen
ist oft mit einem hauchartigen Ueberzug von lichtgelblichem
Kaliglimmer bedeckt und zwar namentlich dort, wo die Büschel
divergiren und Orthoklas sich zwischen sie drängt. Sind die
174
Glimmerschüppchen, wie es hier scheint, secundärer Entste-
hung, so dürfte sie richtiger einer Zersetzung des benach-
barten Kalifeldspaths, als einer Umbildung des Andalusits zu-
zuschreiben sein. Gümbel beschreibt*) Andalusite von Zwiesel
und Bodenmais, die in ganz ähnlicher Weise von lichten
Glimmerschuppen bedeckt sind und bestreitet mit einleuchten-
den Gründen die secundäre Entstehung der letzteren, die er
in diesem Falle vielmehr für dem Andalusit gleichzeitige Ge-
bilde hält.
Apatit von spargelgrüner Farbe in bis nussgrossen, kör-
nigen Aggregaten mit Orthoklas verwachsen, so im Eisenbahn-
einschnitt durch Friedemanns Klippe, unterhalb Amerika. Von
Aufschlüssen früherer Zeiten herstammend, kennt man aus der
Gegend von Penig, Chursdorf und Rochsburg Apatite von
weisser, grünlicher und indigoblauer Farbe und den gewöhn-
lichen einfachen Combinationen. **)
Topas in seltenen lichtgrünen, bis fingergiiedlangen,
prismatischen Einsprenglingen im schriflgranitisch vom Quarz
durchwachsenem Orthoklas an Friedemanns Klippe. Früher in
blassblauen und grünlichen Krystallen bei Limbach, Mylau,
Chursdorf, Hartmannsdorf und Arnsdorf gefunden. Ihre stark
entwickelte Basis ist gewöhnlich drusig.***) Im kiesigen Di-
luviallehm eines kleinen Thälchens bei Neugepülzig (in der
nördlichen Hälfte des Granulitgebiets) fand Herr Dr. Dathe
einen vollkommen klaren, blassgrünen Topaskrystall von 2,5 Cm.
makrodiagonaler Breite und gleicher Höhe. Die Kanten des
längsstreifigen Prismas oc P sind durch Rollung etwas abge-
rieben, weshalb man ooP2 nicht nachweisen kann, falls es
etwa angedeutet war. Die ausserdem erhaltene Endfläche o P
ist nur auf ihrer einen Hälfte spiegelglatt, während die andere
in zahlreiche parallele Krystallspitzen ausläuft. Da der ganze
Habitus dieses Geschiebes ganz derjenige des dem Pegmatite
des Granulitgebiets selbst entstammenden Topases ist, so kann
kaum bezweifelt werden , dass der beschriebene Krystall dem
Bereiche unserer Betrachtungen angehört.
Pinit habe ich in kurzsäulenförmigen Partieen von 4 Cm.
*) Ostbaier. Grenzgeb. B. 1. pag. 318.
**) Frenzkl, Mineral. Lex. von Sachs, pag. t7.
***) 1. c. pag. 323.
175
Durchmesser, eingewachsen in dem röthlichen Orthoklase eines
Pegmatitganges, eine Viertelstunde oberhalb Rochsburg aufge-
funden. Er besitzt grünlichgraue Farbe , ist sehr leicht zu
ritzen und zeigt eine ausgezeichnete, der Basis parallele blät-
terige Absonderung; die durch sie hervorgebrachten Flächen
sind von zarten Glimmersehüppchen belegt uud erhalten da-
durch Perlmutterglanz. In seinem ganzen Habitus ähnelt er
dem Gigantolith aus Finnland ausserordentlich. Wie bei ander-
weitigen Vorkommen dieser Mineralsubstanz (Aue, Schneeberg,
Penig, Pardoux)*) ist auch hier der Pinit aus einer Um-
wandlung des Cordierits hervorgegangen. Dafür spricht ausser
jenen Analogien namentlich mit den Piniten des benachbarten
Penig der kurzsäulenförmige Habitus dieser Pseudomorphosen,
deren Prismenwinkel, soweit Messungen an ihrer rauhen und
zerfressenen Oberfläche zulässig, mit dem des Cordierits über-
einstimmt. Mikroskopische Untersuchung lehrt, dass der Rochs-
burger Pinit, ganz ähnlich dem von Penig**), aus einem
filzigfaserigen, büscheligen, stellenweise radialstrahligen Aggre-
gate von Nädelehen besteht, aus welchem hie und da ein un-
regelmässig umgrenztes Fleckchen einer ziemlich lebhaft pola-
risirenden Substanz , augenscheinlich Reste des Cordierits
hervortreten. Dass aber die Pinitbildung nur ein Zwischen-
stadium in der fortschreitenden Umwandlung des Cordierits
vorstellt, dass diese jedoch auf Herstellung von Glimmer hin-
arbeitet, zeigt sich auch bei vorliegenden Handstücken. Nicht
nur die Absonderungsflächen, sondern auch die Aussenseite
unserer Pinite und zwar vorzugsweise diese, also lauter Punkte,
zu denen die umwandelnden Wasser den ersten und leichtesten
Zutritt hatten, sind von weissen Glimmersehüppchen bedeckt,
von wo aus sie einerseits auf Rissen in das Innere der Mineral-
masse eingedrungen sind , andererseits sich auf Klüftchen des
benachbarten Orthoklases angesiedelt haben. Zugleich hat eine
ziemlich reichliche Ausscheidung von Eisenoxydhydrat statt-
gefunden. Wir begegnen also hier im kleinsten Maassstabe
den nämlichen Erscheinungen, welche sich in grossen an den
früher (Seite 107) beschriebenen Glimmer - Quarz - Eisenoxyd-
hydratgängen im Cordieritgneiss von Lunzenau wiederholen.
*) Wichmann, diese Zeitschr. 1874. pag. 675.
**) 1. e. pag 698.
176
Was nun den Umwandlungsvorgang des Cordierits betrifft,
aus welchem Pinit und Kaliglimmer resultirten, so muss dieser
nach Bischof*) und Blüm**) darin bestanden haben, dass
dem ursprünglichen Thonerde - Magnesia - Eisensilicate durch
Kohlensäure und kieselsaure Alkalien - haltige Sickerwasser,
Magnesia als Carbonat entführt und Alkalien sowie Wasser
zugeführt wurden.
Amblygonit; dieses sehr seltene Mineral hat sich in
den neuerdings in grosser Anzahl aufgeschlossenen Pegmatit-
gängen nicht wiedergefunden, trotzdem dieselben in directer
Nachbarschaft der alten im ersten Drittel dieses Jahrhunderts
ausgebeuteten Fundstellen aufsetzen. Die aus jener Zeit stam-
menden Handstücke von Chursdorf, Arnsdorf und Friedemanns
Klippe (sämmtlich unweit Penig) zeigen den Amblygonit in
derben, unregelmässig umgrenzten Partieen oder rundlichen
Klumpen, zuweilen mit bräunlichrother Umgrenzung, ver-
wachsen mit typischem rechlichem Orthoklas , glasigem licht-
grauem Quarz, schwarzem Turmalin und lichtröthlichgrauem
Kali- und Lithionglimmer, denen sich zuweilen grünlichweisser
Topas und bläulichweisser Apatit zugesellen können. Eine der
vorliegenden A mblygonitpartieen is't selbst von einem Topas
durewachsen.
Die Structur der Pegmatitgänge kann zwar im Allge-
meinen mit Recht als eine ausserordentlich grosskörnige be-
zeichnet werden, jedoch erleidet sie fast ausnahmslos gewisse
Modificationen, welche an die besprochenen Structurverhältnisse
der granitischen Gänge erinnern und von der gleichen gene-
tischen Bedeutung sind. In Combination mit der erst erwähn-
ten m assig- grosskrystallinischen Structur findet sich
nämlich stets eine symmetrisch-lagenförmige , eine querstenge-
lige oder eine drusenförmige Aggregationsweise, und endlich
erhält die erstgenannte einen ganz bezeichnenden Habitus da-
durch , dass die Mehrzahl der pegmatitischen Gemengtheile
zu radialstrahliger Ausbildung gelangt sind. Schliesslich kann
der Quarz local in manchen Granitgängen eine so vorwaltende
Rolle spielen, dass er mehr als |- des gesammten Ganges ein-
nimmt. In dieser Grundmasse von glasigem Quarz treten dann
*) Lehrb der ehem. u. physik. Geologie II. pag. 576.
**) Pseudom. I. Nachtr. pag. 48.
lauter einzelne Einsprenglinge von Orthoklas, Turmalin und
Kaliglimmer auf.
Die Bezeichnung „grosskörnig" entspricht der Structur
der sächsischen Pegmatite nur dann , wenn man allein die
richtungslose Anordnung der grossen Quarz- und Orthoklas-
individuen in's Auge fasst. Zieht man jedoch die übrigen
ebenso constanten Gemengtheile, also Turmalin und Glimmer,
ferner die mit dem Feldspath schriftgranitisch durchwachsenen
Quarze, sowie die in gewissen Gängen häufigen Andalusite
mit in Betracht, so tritt uns die durchweg strahlige Aggre-
gationsweise dieser Gesteinselemente als höchst charakteristisch
für sämmtliche Pegmatitgänge des Granulitgebiets entgegen:
Turmalin durchschiesst in bis fusslangen Strahlenbündeln die
Gangmasse, Glimmer bildet blätterig-strahlige Partieen, Quarz-
nadeln und -lamellen durchziehen die Ortboklasindividuen in
radiären Bündeln und die Andalusitprismen sind zu radial-
strahligen Gruppen angeordnet. Da ausserdem Drusenräume
zu den gewöhnlichen Erscheinungen der besprochenen Peg-
matitgänge gehören, so kann man die Structur der letzteren
als combinirt grosskörnig, radialstrahlig und drusenreich be-
zeichnen.
Nur selten jedoch ist dieses Structurverhältniss der ge-
sammten Ausfüllungsmasse der Pegmatitgänge zu eigen,
meist stellt sich neben ihm eine sy m m etris ch - lag enf ö r -
mige Anordnung des Gangmaterials ein. Dann werden die
beiden Randzonen gewöhnlich von Schriftgranit , seltener von
einem stengeligen Aggregat von Orthoklas, Quarz und schwar-
zem, bandartig verzogenem Magnesiaglimmer gebildet, denen
sich zuweilen noch grünlicher Oligoklas zugesellt, während
die Haupt- und Centraizone entweder, und zwar meist, aus
echtem, grosskörnigem Pegmatit besteht, oder sich wiederum
symmetrisch in zwei seitliche Lagen von rothem grobkrystal-
linischem Orthoklas und eine mittlere Zone von schneeweissem
Quarz gliedert, der dann in manchen Gängen rein, meist aber
von Glimmer und Turmalin durchwachsen ist. Ein sehr
schönes Beispiel solcher symmetrisch-lagenförmiger Pegmatite
liefert ein 1,3 Meter mächtiger Andalusit - führender Gang,
welcher in einem kleinen Bruche im Muldethal direct oberhalb
Rochsburg aufgeschlossen war und in Fig. 25 Taf. VII. ab-
Zeits.d. D. geol. Ges. XXVII. 1 . 12
178
gebildet ist. Seine etwa 10 Cm. mächtigen Randzonen (a) be-
stehen aus einem sehr zähen Schriftgranit, dessen quer aut
den Salbändern stehende Quarzuadeln zwar ausserordentlich
zart sind, aber den röthlichen Orthoklas in sehr beträchtlicher
Anzahl durchziehen und ihm dadurch seine grosse Zähigkeit
verleihen. Auf diesen Schriftgranit folgt jederseits nach innen
zu (b) ein Aggregat von kopfgrossen , rothen Orthoklasen,
deren nach der Gangmitte gerichtete Begrenzungsfläche zwar
haarscharf ist, aber höchst unregelmässig in die Ceutralzone
eingreift. In ihrer Nähe ist der Feldspath durchwachsen von,
radialstrahligen Andalusitbüscheln, deren divergirende Enden
stets nach Innen gerichtet sind, die also auf die nämliche
Weise, wie die lagenförmig aufeinander abgesetzten Orthoklase
und Schriftgranite an den Wandungen der jeweiligen centralen
Drusenspalte auskrystallisirten. Letztere ist jetzt von schnee-
weissem Quarz (c) ausgefüllt. In diesem Pegmatitgange ist
also grosskörnige (beim Orthoklas), stengelige (beim Schrift-
granit), radialstrahlige (beim Andalusit) und lagenförmige
Structur combinirt; in jeder einzelnen derselben, wie in ihrer
Gesamrntheit ist der allmälig und von den Spaltenwandungen
aus vor sich gehende Krystallisationsprocess verkörpert. Wenn
der Augenschein und die Analogie mit den beschriebenen gra-
nitischen Gängen es nicht bereits lehrten, die Fl üs s i g k e i ts -
einschlüsse innerhalb ihres Hauptgemengtheils des Quarzes
beweisen, dass er aus wässeriger Lösung erfolgte.
Für viele Gesteine gelten Flüssigkeitseinschlüsse als Be-
weise dafür, dass erstere aus einem mit Wasser impräg-
nirten gluthflüssigen Gemenge hervorgegangen, also
hydatopyrogen seien. Und mit Recht, sobald sich neben
der durch die Flüssigkeitsporen erwiesenen dermaligen Gegen-
wart des Wassers, auch ihre frühere Gluthflüssigkeit , sei es
durch Glaseier, Fluctuationserscheinungen oder glasige Zvvischen-
drängungsmasse constatiren lässt. So liegt in dem gleichzei-
tigen Auftreten von Flüssigkeitseiuschlüssen und Glassubstanz
in den Quarzen der Felsitporphyre der Beweis, dass das
betreffende Mineral und somit auch das Gestein, als dessen
wesentlicher Bestandtheil es zu gelten hat, sich bei Gegen-
wart von Dämpfen oder überhitzten Wassern aus Glasfluss
ausschied. Nun sind aber in unseren Pegmatiten und in un-
179
seren granitischen Gängen (wie überhaupt in denen aller übri-
gen Länder) zwar überall zahllose Wasserporen, also eben-
soviel Beweise für Betheiligung des Wassers bei der Ent-
stehung jener Gesteine, aber noch nie einer oder mehrere
oer oben erwähnten und bei keinem echten Eruptivgestein
fegenden Kriterien früheren Schmelzflusses durch das
Mikroskop nachgewiesen. Muss sich da unbefangenes Urtheil
nicht dem von rein p e t r ograp h i s ch e m Standpunkte
vollkommen unberechtigten Herbeiziehen vulkanischer
oder plutonischer Gluthen*) widersetzen?
Aber weiter. Als wesentliches Gemengtheil des Pegmatits
und der früher besprochenen granitischen Gesteine findet sich
Alb it. Albit jedoch ist ein Mineral, welches sonst nur als
Auskleidung von Drusenräumen, als Inkrustat von Spalten-
wänden, eingesprengt in Quarztrümern, als parasitischer Ueber-
zug auf anderen 1 Mineralien , als Pseudomorphose an deren
Stelle, ferner als accessorischer Bestandtheil gewisser Kalk-
steine und Chloritschiefer, sowie als wesentliches Gemengtheil
einer Anzahl geschichteter Silicatgesteine**), nirgends aber als
solcher von Eruptivgesteinen bekannt ist. Albit repräsentirt
somit für die betreffende Mineralassociation, deren Theilnehmer
er ist, also für die betreffende Gangformation, ein ,, Leitmineral"
für wässerige Entstehung. Nun ist aber Albit mit dem Haupt-
bestandteile unserer Pegmatit- und Granitgänge, dem Ortho-
klas, auf innigste Weise verwachsen, — wie der eine, so
muss auch der andere dieser beiden Feldspäthe, zugleich aber
auch der sie schriftgranitisch durchschiessende Quarz, ent-
standen sein. Incrustiren nun gar Orthoklase von fast Zoll-
grösse die Gerolle benachbarter Conglomerate (z. B. bei Euba),
so ist kein anderer Schluss gerechtfertigt, als der, dass sich
diese Gänge von symmetrischem Bau und stengeliger Structur
auf hydrochemi schein Wege gebildet haben.
Eine ähnliche Regelmässigkeit, wie sie im Allgemeinen
die Anordnung der Gemeugtheile des Pegmatits im Granulit-
gebiet zu beherrschen pflegt, beobachtete Gümbel an den Peg-
matitgängen des ostbayerischen Grenzgebirges.***) Innerhalb
*) Siehe auch Zirkel, Mikrosk. Beschaffenh. d. Gest. pag. 3:20.
'*) Siehe auch Lossen, diese Zeitschr. 1867. pag. 684.
'*) Geogn. Bcsehr. des ostbayer. Grenzgeb. pag. 6 i3,
12*
180
dieser nehmen deren Bestandteile mit der Entfernung von den
Ganggrenzen, also in der Richtung nach der Mitte an Grösse
zu, während sich gleichzeitig eine zonenartige Sonderuug der
Gemengtheile in der Weise bemerklich macht , dass gegen
Aussen die feldspathigen Gemengtheile, dann der Glimmer mit
etwas Quarz, auf der Grenze zwischen beiden Zonen Turmalin,
Granat, Beryll, Andalusit, Zwieselit, Triplit, Triphylin , Co-
lumbit und Apatit und endlich als Centraizone Quarz mit ein-
zelnen grossen Feldspathkrystallen und Glimmerputzen auftritt.
Häufig stehen ausserdem die Krystallsäulen der Mineralien
senkrecht zu den Gangwänden, ebenso wie Drusenräume zu den
gewöhnlichsten Erscheinungen gehören. Ueberhaupt herrscht,
abgesehen von dem grösseren Mineralreichthum der bayerischen
Pegmatite eine auffallende Aehnlichkeit zwischen ihnen und
den sächsischen.
6. Gang von Turmalingranit mit bunten Turmalinen.
Dort, wo sich das schöne Thal der Mulde in kurzem
Bogen um den felsigen Berg schlingt, der das Wolkenburger
Schloss trägt, werden für die in Bau begriffene Eisenbahn
einige tiefe Felseinschnitte gesprengt. Dieselben übten von
Beginn der Arbeiten an eine besondere Anziehungskraft auf
mich aus, da sie eine hochinteressante Reihe von Granulit-
varietäten entblössten und in diesen eine so grosse Anzahl
von Quarz-, Granit- und Pegmatitgängen der verschiedensten
Structur und Mächtigkeit erschlossen, dass ich nie ohne Aus-
beute und Belehrung von dannen zog. So oft ich nun auch
gemeinschaftlich mit Herrn Dr. Lehmann, in dessen Kartirungs-
gebiet jene Gegend fällt, oder jeder von uns für sich diese
gewaltigen Schürfe besucht hatte, der seltenste, interessanteste
und das geologische Auge entzückendste Erfund wäre dennoch,
vielleicht bis auf einige Krystalle , unserer Kenntnissnahme
entgangen, hätten mich nicht die Herren Ingenieure Donath
und Josupeit davon unterrichtet, dass in den besprochenen
Einschnitten rosenfarbiger Turmalin gefunden worden sei. Ich
eilte an Ort und Stelle und fand statt der erwarteten einzelnen
Krystalle eine Vergesellschaftung Hunderter von Rosaturma-
linen ! Herr Dr. Lehmann löste mich am folgenden Tage ab
setzte die Beobachtung und Ausbeutung des Vorkommens
fort, dessen Beschreibung folgt:
Die z. Th. glimmerführenden, steilaufgerichteten Granu-
lite von Wolkenburg werden in einem der oben erwähnten
Einschnitte, abgesehen von einer grossen Anzahl schwacher.
granitischer Gangtrümer , durchsetzt von einigen Gängen von
Turm ali ngrani t. Derjenige, dem unsere Aufmerksamkeit
speciell gewidmet werden soll, besitzt eine Mächtigkeit von
durchschnittlich 2 Meter. Seine Salbänder sind z. Th. wellig,
stets aber scharf. Er selbst besteht aus einem grosskörnigeu,
grellfarbigen Gemenge von Orthoklas, Oligoklas, Quarz, Kali-
glimmer und viel Turmalin.
Der Orthoklas hat lichtfleischrothe Farbe, bildet bis
10 Cm. grosse , unregelmässig umgrenzte Individuen , welche
sehr gewöhnlich von fast wasserhellem Quarz schriftgranitisch
durchwachsen sind.
Der Oligoklas ist trübe weiss, mit einem Stich in's
Gelblichgrüne, bildet Aggregate von bedeutend geringerer
Individuengrösse , wie sie der Orthoklas erreicht. Dieselben
umfassen grössere Individuen des letzteren, welche dann por-
phyrartig aus dem Oligoklasaggregate hervortreten. Die
Zwillingsstreifung des Oligoklas ist eine ausserordentlich zarte
und dichte.
Der Quarz hat lichtgraue Farbe, tritt an Menge gegen
jeden der Feldspäthe zurück und bildet entweder unregelraässige,
bis erbsengrosse eingesprengte Körner oder langgezogene Sten-
gel, an denen hie und da pyramidale Endflächen wahrnehmbar
sind, ferner durchwächst er den Orthoklas weitläuftig schrift-
granitartig, und endlich ist er mit dem Turmalin in einer
Weise vergesellschaftet, welche wir weiter unten genauer in's
Auge fassen werden.
Der Kaliglimmer, der am meisten zurücktretende Ge-
mengtheil unseres Turmalingranits , tritt in diesem entweder
in einzelnen blätterigen Tafeln auf, oder bildet in Gemeinschaft
mit Quarz bis zu 10 Cm. grosse radialstrahlige Blätteraggre-
; gate, wrobei der Quarz in Form langer stengeliger Lamellen
zwischen den einzelnen Glimmerblättchen lagert und sie zu
einem festen Bündel vereint. Die Farbe des Kaliglimmers
ist in frischem Zustande ein reines Silberweiss, sein Glanz
ausgezeichnet perlmutterartig; bei eintretender Verwitterung
182
erhält erstere einen Stich iu's Goldgelbe , während sich der
Perlmutterglanz in einen Metallglanz verwandelt. Manche
dieser Glimmertafeln, aber nicht alle, schmelzen leicht vor
dem Löthrohr, sind also lithionhaltig und besitzen dann
einen rosigen Schein. Auf den Spaltungsflächen vieler dieser
schönen Kaliglimmertafeln ist die bei Beschreibung des peg-
matitischen Glimmers erwähnte, federartige, rechtwinklig auf
der ßracbydiagonale , sowie auf den Prismenflächen stehende
Streifung zu beobachten.
Einen besonders prachtvollen Anblick gewähren diese blät-
terigen Aggregate von zollgrossen Glimmertafeln dadurch, dass
diese letzteren mit Büscheln von lichtgrünem Turmalin
verwachsen sind. Dieselben liegen in parallelfaserigen oder
radialstrahligen Säulenbündeln in der Masse der Glimmer-
tafeln selbst und zwar mit ihrer Längenaxe in der basischen
Spaltungsfläche des Glimmers, so dass jeder Blätterbruch des
letzteren die grasgrünen Tnrmalinbündel auf weissem, atlas-
glänzendem Untergrunde erblicken lässt. Manche derselben
liegen in der Makrodiagonale des Glimmers, also parallel
dessen durchgehender Streifung und reichen ebenso wie diese
ganz durch die Tafel.
Der Turmalin besitzt, soweit er als Gemengtheil dieses
Ganggranits auftritt, also abgesehen von den eben beschrie-
benen grasgrünen Turmalineinschlüssen des Glimmers, constant
eine tief sammtschwarze Farbe und bildet bleistift- bis über
zollstarke sechsseitige Säulen von 10, 20, in einzelnen Fällen
bis gegen 40 Cm. Länge. Dieselben durchspicken die gra-
nitische Gangmasse in Einzelindividuen wirr und ordnungslos,
oder durchschiessen diese in radialstrahligen Büscheln.
Höchst auffällig ist die in diesem Turmalingranit sehr
gewöhnliche Erscheinung der gegenseitigen steten Vergesell-
schaftung und gesetzmässigen Verwachsung von Tur-
malin und Quarz. Dieselbe bethätigt sich darin , dass die
schwarzen Turmalinsäulen einen weissen Quarzkern von rund-
lichem oder sechsseitigem Querschnitt haben, dessen Prismen-
flächen in letzterem Falle denen des Turmalins entsprechen
(Fig. 28 Taf. VII.). Dann stellt letzterer einen hohlen sechs-
seitigen Cylinder mit bald schwächeren bald stärkeren Wan-
dungen vor, dessen Inneres mit Quarz, zuweilen aber auch
mit einem Gemenge von diesem und Feldspath, also mit fein-
183
körnigem Nebengestein ausgefüllt ist, ähnlich wie die Chiasto-
lithe mit Thonschiefermasse. Complicirter wird dieser Aufbau,
sobald sich in der Axe des Quarzkernes ein centraler Stengel
von Tormalin einstellt (Fig. 28 a. Taf. VII.) oder wenn eine
zartwandige, von Quarz und Feldspath ausgefüllte sechsseitige
Turmalinröhre wiederum von einer dünnen Quarzlage und
diese von einem zweiten Turmalincylinder umhüllt wird , so
dass auf dem Querbruche derartiger Säulen zwei schwarze
concentrische Sechsecke von Turmalinsubstanz auf weissem
Grunde hervortreten. Endlich ist die Erscheinung nicht selten,
dass solche Turmaline von mehrfach cylindrischem Bau um-
geben sind von einer im Querschnitt ebenfalls sechsseitigen
Zone, welche sich aus lauter der Hauptaxe der Zone paral-
lelen dünnen Stengeln von Quarz und Nadeln von schwarzem
Turmalin zusammensetzt (Fig. 28b. Taf. VII.). Turmalinsäulen
von solch complicirtem Aufbau durchschiessen in 0,5 bis 2 Cm.
starken und 10 bis 15 Cm. langen Strahlen das granitisch-
körnige Aggregat.
Dieselben gehören unter die Rubrik der „Perimorphosen"
oder besser der Kern k ry stalle Scheerer's, reihen sich also
den Feldspäthen mit Epidot - Quarz - Kalkspath - Kernen von
Arendal, dem Granat mit Epidot-Kalkspath-Kernen ebendaher,
dem Granat mit Epidot -Hornblende -Albit- Kalkspath -Quarz-
Kern von Auerbach an der Bergstrasse und anderen ähnlichen
Vorkommnissen an. Von letztgenanntem Fundorte hat Knop*)
zugleich Turmaline mit Quarz-Albit-Kern beschrieben, welche
den einfacheren unserer Kernkrystalle vollkommen entsprechen.
Man hat längst aufgehört, derartige Kernkrystalle als begin-
nende Pseudomorphosen aufzufassen, vielmehr ist es augen-
scheinlich, dass sich die Krystallisationskraft des anschiessen-
den Turmalins der sich zu gleicher Zeit ausscheidenden Quarz-
und Feldspathmolekule bemächtigte und sie in dessen Formen
zwang, — ein Vorgang, der seit Anwendung des Mikroskops
bei Gesteinsuntersuchungen zahlreiche Illustrationen gefunden
hat. Knop kam bereits bei Deutung der Auerbacher Granat-
und Turmalinkernkrystalle zu diesem Schlüsse. Er sagt: „Die
verschiedenen Stoffe zur Fortbildung der verschiedenartigen
mineralischen Individuen der Kernkrystalle müssen gleichzeitig
*) N. Jahrb. f. Mitter. 1858. pag. 33 ff.
184
in derselben Flüssigkeit in Lösung gewesen sein, um gleich-
zeitig jedes einzelne Individuum mit homogener Substanz näh-
reu zu können. Es gehören deshalb alle zu Kernkrystallen
verbundenen Mineralien derselben Bildungszeit an, in welcher
zugleich auch alle anderen Mineralkörper desselben Ganges
ausgeschieden wurden. Die Kernkrystalle aber sind Penetra-
tionen verschiedener Mineralkörper mit Behauptung je ihrer
Individualität durch den stetigen Zusammenhang ihrer in dem-
selben Sinne krystaliographisch orientirten Masse-Theilchen."
Unter den von Herrn Dr. Lehmann gesammelten Hand-
stücken befand sich eine Anzahl solcher, in denen der Tur-
malin in basisch - blätterigen Pinit umgewandelt war. Die-
selben stammen direct von den Salbändern des Turmalingranit-
ganges , auf welchen die atmosphärischen Wasser Gelegenheit
fanden , einzusickern und die erwähnte Pseudomorphosirung
vorzunehmen. Die aus ihr resultirenden Pinite haben einen
Durchmesser von 0,5 bis 3 Cm. und bilden meist lange Säulen,
welche das schriftgranitische oder körnige Aggregat von Or-
thoklas und Quarz kreuz und quer durchspicken. Die äusseren
Conturen sind diejenigen ihres Urminerals , des Turmalins,
geblieben. Dahingegen hat sich eine ausgezeichnete basische
Blätterung eingestellt, der zu Folge die Säulen aus lauter
horizontalen Tafeln aufgebaut erscheinen. Die Farbe dieser
Pinite ist ein trübes Oelgrün, welche auf den basischen Ab-
sonderungsflächen einer dunkelrauchgrünen Platz macht. Jede
dieser Flächen ist von einem zarten Glimmerhäutchen bedeckt,
wodurch sie den ausgezeichneten Glanz dieses Minerals erhält.
Der Querbruch des Pinits ist, seiner basischen Blätterung
wegen, treppenförmig, zwischen je zwei horizontalen Abson-
derungsflächen matt, aber geradflächig und zwar rechtwinklig
auf der Basis. Durch die Querschnitte der zwischengelagerteu
Glimmerhäutchen erscheint er wie von glänzenden Linien ho-
rizontal gestreift. Auch die benachbarten Feldspäthe sind
bereits in Zersetzung begriffen, denn das Gestein ist bröckelig,
der Orthoklas trübe und glanzlos und auf seinen Klüften von
Eisenoxydhydrat überzogen.
Die Umwandlung des Turmalins in Pinit ist keine häufige
Erscheinung , wenigstens führt Blüm in seinen Pseudomor-
phosen kein Beispiel derselben an , — Bischof erwähnt nur
185
ganz kurz, dass Tamnau*) die theilweise Zersetzung eines
grossen Turmalinkrystalls zu einer pinitartigen Masse beob-
achtet habe, — Frenzel giebt**) die kurze Notiz, dass bei
Penig Pinit als Pseudomorphose nach Cordierit, aber auch
nach Turmalin vorgekommen sei , dass ferner der sogenannte
Pinit eines Schriftgranits bei Neustadt-Stolpen als aus Tur-
malin hervorgegangener Glimmer aufzufassen sei , während
Wichmar in***) zeigte, dass der angebliche Turmalinkern nicht
aus diesem , sondern aus einem mit keinem anderen iden-
tificirbaren Minerale bestehe, der Neustädter Micarell deshalb
nicht aus der Umwandlung von Turmalin abgeleitet werden
dürfe. Dahingegen beschrieb Gümbel f ) gigantolithähnliche
Pinite mit ausgezeichneter basischer Spaltbarkeit , welche
stellenweise von Glimmerblättchen bedeckt sind und, wie die
genau stimmenden Winkel beweisen, als Pseudomorphosen nach
Turmalin aufgefasst werden müssen. Hier liegt also ein dem
Wolkenburger ganz ähnliches Vorkommniss vor.
Altersfolge der Gemengtheile des Turmalin-
granits. Wenn auch nicht bezweifelt werden kann, dass die
Ausscheidung der zum Turmalingranit aggregirten Gangmine-
ralien eine ziemlich gleichzeitige war, so ist doch andererseits
nicht zu verkennen , dass die Krystallisation des Turmalins
und des mit ihm verwachsenen Quarzes der Bildung der Feld-
späthe und Glimmer stets um einen Schritt voraus war, und
dass letztere, jenen im Wachsthum folgend, die von ihnen leer-
gelassenen Räume ausfüllten. Nur so lässt es sich erklären,
dass der Turmalin in fusslangen Strahlen die übrige Gang-
masse durchschiesst. Dieser Vorgang kann uns nicht über-
raschen, da wir ihn bei der Entstehung jedes Schriftgranits
sich vollziehen sehen. Hier sind es die Stengel und Lamellen
des Quarzes, welche vorauswachsen, während das Wachsthum
des sie umhüllenden Feldspaths direct nachrückt, jene an Zu-
nahme in die Breite hindert und sie zur Ausdehnung in der
Richtung der Längenaxe zwingt. In unserem Gange folgten
der Turmalin - und Quarzausscheidung diejenige des , wie er-
*) Diese Zeitschr. 1848. pag. 12.
**) Min. Lex. von Sachs, pag. £23"2.
***) Diese Zeitschr, 1874. pag. 698.
f) Ostbayev. Grenzgeb. I. pag. 319.
186
wähnt, ebenfalls oft mit Quarzlamellen verwachsenen Kali-
glimmers, dann diejenige des von Quarz durchschossenen Or-
thoklases und endlich die des wiederum mit Quarzkörnern
aggregirten Oligoklases. Aus dieser constanten Vergesellschaf-
tung des Quarzes mit dem Turmalin , dem Glimmer und den
beiden Feldspäthen geht hervor , dass gleichzeitig mit der
Krystallisation jedes dieser Gangmineralien im Ueberfluss vor-
handene und freiwerdende Kieselsäure sich ausschied.
Ga n g s truc tur. In dem bisher beschriebenen Gang-
material macht sich dadurch die Andeutung einer symmetriscb-
lagenförmigen Gangstructur bemerklich, dass die Turmalin-
säulen in den beiden den Salbändern benachbarten seitlichen
Gangzonen kreuz und quer das übrige grobkrystallinische
Mineralaggregat durchspicken , während sie sich nach der
Gangmitte zu in fächerartige Büschel gruppiren , welche von
beiden Seiten jedesmal in der Richtung nach der Centrainaht
divergiren (siehe Fig. 23 Taf. VII.) , also wie die Finger ge-
spreizter Hände gegeneinander gerichtet sind. Der Augen-
schein lehrt, wie hier eine von den Salbändern nach der Mitte
zu fortschreitende Krystallisation stattgefunden hat.
Nester von bunten Tur malinen und Lepidolitb.
Die ebengenannte Centrainaht ist nun nicht in ihrem ganzen
Verlaufe verwachsen, thut sich vielmehr stellenweise zu ur-
sprünglich spaltenförmigen Central-Drusenräumen auf, welche
jedoch durchweg von Mineralgebilden jüngeren Ursprungs aus-
gefüllt und dadurch zu Nestern von Lepidolith, jüngerem Quarz,
Orthoklas und farbigen Turraalinen umgestaltet wurden.
Es sind grobblätterige Aggregate von richtnngslos ver-
wachsenen, vorwaltenden, dicken, glänzenden, röthlichgrauen
bis pflrsichblüthrothen Li t h i o n gl im m er t af e 1 n und zwar
centimetergrosse und etwa halb so hohe Prismen mit geringer
Abstumpfung der scharfen Seitenkanten, ferner graulichweisser
Quarz in regelmässigen, nuss - bis eigrossen Partieen , bis
faustgrosse, lichtgraue oder blassröthliche Orthoklase und
endlich Turmalin von licht- bis dun kelro s enroth er,
selbst kirsch rother, aber auch grüner und gelb-
licher Farbe, in radialstrahligen Büscheln und einzelnen
säulenförmigen Individuen alle übrigen Gemengtheile durch-
schiessend. In Folge der auffällig leichten Zersetzbarkeit
dieses Orthoklases , sowie des verhältnissmässig geringen Zu-
187
sammenhaltes , welchen Aggregate von vorwaltenden Glimmer-
tafeln stets besitzen, zerbröckelt dieses Mineralaggregat ziem-
lich leicht.
Zwischen dem Lithionglimmer und dem Quarze stellen
sich nicht selten kleine Drusenräume ein, deren Wandungen
dann zuweilen bedeckt sind von den zierlichsten, freilich meist
nur 1 bis 3 Mm. grossen A p a ti tkr y s tä 1 1 ch e n. Dieselben
sind lichtweisslichgrau gefärbt, theilweise durchscheinend und
besitzen durch starke Entwicklung der Endfläche einen tafel-
oder kurzsäulenförmigen Habitus. Neben oP ist das kurze
sechsseitige Prisma mit durch die zweite Säule abgestumpften
Kanten vertreten, ferner die schmalen, oft nur linearen Flächen
der ersten und die ausgedehnteren der zweiten Pyramide.
Diese sehr scharfen glänzenden Kryställchen bilden trauben-
förmige Ansiedelungen auf Glimmer und Quarz.
Gewisse von den in früheren Jahren ausgebeuteten Fund-
stellen bei Penig stammende Handstücke von vorwaltendem
Lepidolith und Quarz gleichen den unserigen zum Verwechseln
und erhalten dadurch besonderes Interesse, dass sie Ambly-
gonit in unregelmässig conturirten, mit dem Glimmer innig
verwachsenen und von demselben durchzogene Partieen um-
fassen.
Die bekannte Neigung des Quarzes, sich in Krystallform
auszuscheiden, kommt auch hier zur Geltung. Er bildet trübe,
kurze Säulen mit Pyramide, welche jedoch nur selten frei
hervorragen, sondern meist in dem schuppigen Glimmer-
aggregat verborgen stecken. Im Innern lichtgrau und glasig,
besitzen sie dünne äussere Umhüllungen von milchweisser
Farbe und sind ausserdem stellenweise bedeckt von noch
jüngeren Quarzkryställchen , welche auch die mit den grossen
Quarzen verwachsenen Glimmertafeln und Turmaline mit einem
dichten Incrustate überziehen. Ein besonderes Interesse er-
halten diese Quarze dadurch , dass sie sehr gewöhnlich von
radialstrahligen Säulenbündeln eines dunkelrosa- bis car-
moisinrothen Turmalins durchwachsen sind , dessen dun-
kele Farbentöne für diese Art seines Vorkommens geradezu
charakteristisch sind. Zuweilen ragt das Ende eines solchen
Turmalins aus einem Quarze hervor, oder es liegt ein solcher
in einer Pyramidenfläche des letzteren. Dann hat er sich zu
dem herrlichsten Krystall entwickelt, dessen oberes Ende in
188
den vorliegenden Fällen von der glänzenden Endfläche oR
mit kleinen randlichen Abstumpfungen durch das Hauptrhom-
boeder gebildet wird. Spiegelnder Glanz der gesammten
Flächen, die Schönheit der Farbentöne und die Gleichmässig-
keit der intensiv rosarothen Färbung zeichnen derartige Tur-
maline aus. Einzelne ihrer im Quarz eingewachsenen Säulen
erreichen einen Durchmesser von 1,5 Cm.
Sind Turmaline von dunklerem Roth der Vergesellschaftung
mit Quarz eigen, so scheint die tief grüne Färbung des Tur-
malins an den Orthoklas gebunden zu sein. In dem Feld-
spath des eben beschriebenen Mineralaggregats, und zwar
ausschliesslich in ihm, treten nämlich Turmalinsäulen einge-
wachsen auf, welche sich von allen übrigen Varietäten dieses
Minerals , soweit sie in der Centraizone unseres granifischen
Ganges vorkommen, unterscheidet 1) durch ihre Grösse, indem
einzelne Individuen einen Säulendurchmesser von 2 Cm. er-
reichen ; 2) durch ihren meist ausgezeichnet trigonalen Quer-
schnitt; 3) durch ihre in's Schwärzliche übergehende, tiefgrüne
Farbe von so dunkeler Nüancirung, dass sie erst an Splittern
und an den Rändern der Krystalle ganz deutlich wird; 4) durch
ihre ausserordentliche Rissigkeit und Sprödigkeit, in Folge
deren die Krystalle bei geringer Erschütterung in zahlreiche
muschelige Scherben und Fragmente von starkem Pechglanze
zerbersten; 5) durch ihre nicht seltene Ausbildung zu Kern-
krystallen, wobei sie in ihrer Centralaxe ein scharfes sechs-
seitiges Prisma von schneeweissem Quarz umschliessen.
Zuweilen sind diese kurzen , dicken , schwärzlicbgrünen
Turmalinsäulen verwachsen mit stengeligen Aggregaten von
rothem Turmalin. Dann beginnt sowohl das dunkle Grün wie
das tiefe Roth jederseits in der Richtung nach der gemein-
samen Berührungsfläche lichteren Farbtönen zu weichen, so
dass sie sich nicht direct berühren, sondern eine schmale Zone
von blassem Lauchgrün und lichtem Roth zwischen sich haben.
Besitzt das bisher beschriebene, bunte Turmaline führende
Mineralaggregat in Folge des Vorwaltens des dunkelröthlich-
grauen Lithionglimmers eine etwas düstere Färbung, so zeichnet
sich eine andere Modification der nämlichen Mineralvergesell-
schaftung, so lange sie sich in frischem Zustande befindet,
durch die Lieblichkeit und Zartheit ihrer Farbtöne aus. Man
denke sich ein schuppiges Lepidolith- Aggregat von makellos
189
silberweisser Farbe und dem prächtigsten Perlrautterglanz,
durchsetzt von Büscheln zarter Nädelchen, von Strahlenbündeln
zolllanger Säulen und von schlanken Einzelprismen eines bald
lichtrosa, bald tiefrosenrothen oder carmoisinfarbigen Turma-
lins! Wo sich zwischen den silberweissen Blättchen des Le-
pidoliths ein kleiner Hohlraum zeigt, da ragt nicht selten das
Ende eines Turmalins hinein und trägt hier eine glänzende,
also obere Endfläche mit schmalen randlichen Abstumpfungen
durch das Hauptrhomboeder und — 2R, oder aber die glän-
zenden Flächen von R.
Eine dritte Varietät der Rosaturmalin führenden Gesteins-
bildung entsteht dadurch, dass Quarz, Feldspath und Litbion-
glimmer sehr stark in den Hintergrund treten, ja fast gänzlich
verschwinden. Dann setzt sich das Mineralaggregat fast aus-
schliesslich aus rothen Turmalinen zusammen, die in einer
Grundmasse eingebettet liegen , welche in frischem Zustande
aus einem feinkörnigen , innigem Gemenge von Quarz und
lichtgraulichweissem Orthoklas Desteht. Jedoch tritt dieselbe
meist in einem solchen Grade zurück, dass nur etwa ein
Drittel oder gar nur ein Fünftel des Volumens des gesammten
Mineralaggregats von ihr eingenommen wird. Man hat also
im Wesentlichen ein Aggregat von Rosaturmalinen vor sich,
von welchem eine Anzahl über faustgrosser Belegstücke, an
deren Oberfläche man Hunderte von Turmalinindividuen zählen
kann, diesen Beobachtungen zu Grunde liegen. Die betreffen-
den Turmaline sind nicht etwa, wie man es von ihnen als
Hauptbestandtheilen eines gesteinsartigen Aggregats erwarten
sollte, trübe und sich gegenseitig in ihrer Formausbildung
gehindert habende krystallinisehe Individuen, — vielmehr sind
es zum grossen Theile die klarsten , schönsten Krystalle mit
glänzenden Prismenflächen , sehr häufig auch mit Endflächen,
erreichen 4 bis 6 Cm. Länge bei einem Durchmesser von
einem Centimeter und liegen kreuz und quer übereinander,
jedoch ohne sich gegenseitig zu berühren , da die erwähnte
Quarz - Feldspath - Masse sie von einander trennt. Nicht etwa
aus Drusen, sondern fast allein aus diesem wenig festen Aggre-
gate stammen die später zu beschreibenden Krystalle und
konnten demselben mit ziemlicher Leichtigkeit entnommen
werden. Wir haben oben bereits betont, dass der junge Or-
thoklas dieser turmalinreichen Centraizone sehr leicht ver-
190
wittert; so auch hier. Es verwandelt sich deshalb das fein-
körnige Quarz - Feldspath - Cement unseres Aggregates in eine
erdige, kaolinartige Substanz, welche im Wasser ihren Zu-
sammenhalt verliert, so dass das ganze Turmalin - Aggregat
zerfällt. Leider bleiben dabei die Turmalinkrystalle nur selten
in ihrer ganzen Länge erhalten, lösen sich vielmehr, wie dies
die zahlreichen Querrisse bereits vcrher ahnen Messen, in eine
grössere oder geringere Anzahl von Quergliedern auf. Solche
zuweilen am oberen oder unteren Ende, seltener beiderseitig
ausgebildete Krystalle, namentlich aber bis zu mehreren Centi-
metern lange, z. Th. prachtvoll klare Säulenbruchstücke von
farbigen Turmalinen lagen uns über Tausend vor. Herrschten
unter diesen auch die rosarothen bei Weitem vor, so fanden
sich doch ueben ihnen auch solche von dunkelkirschrother,
gelblicher und lichtgrüner Farbe, sowie fast vollkommen
wasserhelle und andererseits mehrfarbige Krystalle.
An den rosa Turmalinen sind alle Farbtöne vom blassen
bis zum intensiven Rosenroth* vertreten. Die Länge der freien
Exemplare schwankt zwischen 0,5 und 2 , ihr Durchmesser
zwischen 0,1 und 1,5 Cm. , ein solcher von 0,5 Cm. ist sehr
gewöhnlich. Von mit oberen oder unteren Endflächen verse-
henen Krystallen liegen etwa 250, von beiderseitig ausgebil-
deten Individuen 12 Exemplare , ausserdem zahlreiche pris-
matische Bruchstücke vor. An allen ist die zweite Säule
oo P2 vorherrschend, deren alternirende Kanten durch das
mehr oder weniger entwickelte trigonale Prisma oo R abge-
stumpft werden. Zuweilen sind die Prismenflächen durch das
Auftreten dihexagonaler Säulen gewölbt, noch gewöhnlicher in
Folge prismatischer Parallelverwachsung gereift und nicht selten
von tiefen einspringenden Verticalrinnen unterbrochen.
Bei der grossen Mehrzahl der mit einseitiger Endfläche
versehenen Exemplare ist das untere Ende ausgebildet und
weist entweder ausschliesslich die matte Basis oR oder, und
das ist das Gewöhnliche, letztere vorwaltend und in Combi-
nation mit — jR, seltener auch noch mit R, in einem Falle
ausser mit diesen beiden Rhomboedern noch mit — 2 R auf.
Eine Anzahl dieser Krystalle wurde auf ihr thermoelectrisches
Verhalten geprüft und erwies sich bei sinkender Temperatur
als negativ.
Bei eiuigen 70 Exemplaren ist das obere, nach ther-
191
moelectrischer Prüfung positive Ende zur Ausbildung gelangt
und zwar meist in Form des glänzenden Rhomboeders R ;
dazu gesellen sich ziemlich häufig die schmalen, oft fast
linearen Flächen des Skalenoeders t, ebenso oft — 2R. Auch
kann die glänzende Basis oR ausschliesslich oder nebst R,
— 2R und — jR das obere Krystallende abschliessen. Bei
der rhomboedrischen Ausbildung des letzteren kommt die, wie
schon erwähnt, nicht seltene prismatische Parallelverwachsung
der Turmaline zu einem deutlicheren Ausdruck, als bei vor-
waltender Basis. Während nämlich die o R - Flächen sämmt-
licher verwachsenen Individuen natürlicher Weise in eine Ebene
fallen, befinden sich die Rhomboeder-Enden der Einzelprismen
zwar in paralleler Stellung, sind aber in einer Mehrzahl vor-
handen , so dass derartige Krystallenden den Eindruck des
Unfertigen, des noch im Wachsthum Begriffenen machen.
Die vorliegenden beiderseitig ausgebildeten Rosaturma-
line zeichnen sich sämmtlich durch scharfe, glatte und glän-
zende Prismenflächen aus, an denen die sonst so häufige ver-
ticale Reifung nicht vorhanden ist. Im einfachsten Falle ist
am oberen Ende das glänzende Rhomboeder, am unteren die
matte Basis, oder statt deren — jR entwickelt. Ein anderer
Krystall zeigt oben glänzend R, unten die matte Basis nebst
— ^R, noi'h ein anderer oben R und — 2 R, unten oR nebst
R, und die letzten zwei oben R und das Skalenoeder t, unten
die Basis nebst — \ R und R.
Turmaline von dunkelkirschrother Farbe, die dann
an den Kanten prachtvoll purpurn durchschimmern, sind selten,
von den fünf Exemplaren, welche vorlagen, erreichte der
grösste bei einem Durchmesser von 0,7 Cm. eine Höhe von
1,0 Cm. Sie waren sämmtlich mit dem oberen Ende und zwar
mit dem glänzenden Rhomboeder R, einer ausserdem mit dem
Skalenoeder t ausgebildet.
Häufiger ist die blassoliven grüne Färbung der Tur-
malinkrystalle. Dieselben sind bei einem Durchmesser von
0,3 bis 0,4 Cm. vollkommen klar und sehr scharf ausgebildet.
Durch Vorwalten des trigonalen Prismas ist der Habitus ihrer
Säulen ein mehr dreiseitiger; oben tragen sie glänzende Rhom-
boeder-, unten matte Basisflächen. Von zwei beiderseitig aus-
gebildeten Krystallen weist der eine am oberen Ende neben R
zarte Flächen des Skalenoeders t, das untere neben oR noch
192
— \ R auf. Nach den beiderseitigen Enden zu nehmen die
Krystalle einen Stich in's Röthliche an, der direct an den End-
flächen am intensivsten ist.
Eine Anzahl anderer Turmaline besitzt eine weingelbe
Farbe, welche jedoch durch Uebergänge mit der eben erwähnten
in Verknüpfung steht. Deshalb ist auch ihre krystallogra-
phische A usbildungsweise genau dieselbe. Einige licht-
n elkenbraune Krystalle sind an ihrem oberen Ende von
R begrenzt. Vollständig farblose, wasserhelle Turmaline
sind meist nur 0,5 Cm. lang, ausnahmsweise bis 0,4 Cm. dick,
zeichnen sich durch Schärfe ihrer Krystallform und Glanz ihrer
Flächen aus. Gewöhnlich ist das obere Ende von glänzendem
R, zuweilen mit den zarten Flächen des Skalenoeders t und
eines spitzen Rhomboeders, das untere durch mattes oR, zu-
weilen mit — ^R gebildet.
Mehrfarbige Turmaline gehören zu den Seltenheiten
des Wolkenburger Granitganges. Von den hierher zu zählen-
den Funden sind vier bis 1,5 Cm. lange Krystalle in ihrer
oberen in R auslaufenden Hälfte rosaroth , in ihrer unteren
weingelb oder fast farblos und werden hier sämmtlich von
der matten Basis begrenzt. Die Grenze beider Farbtöne liegt
in der Mitte der Krystalllänge. In ganz ähnlicher Weise ist
bei einem 1,3 Cm. langen, dreifarbigen Turmalin an die
matte Basis eine untere Schicht von weingelber Farbe ge-
bunden j welche nach der Mitte zu einer intensiv rosenrothen
Platz macht, welche nach dem oberen Pol zu wiederum einer
olivengrünen weicht. Ueberhaupt tritt an allen der vorliegen-
den , mehrfarbigen Turmaline mit lichtgelblicher Endschicht
diese an dem negativen Ende auf und hat die Bildung eines
matten o R im Gefolge. Ein anderes 0,6 Crn. starkes Prisma
ist rosafarbig, nur eine oberste scharfabselzende, haubenartige
Schicht ist dunkelcarmoisinroth gefärbt und zu einem glän-
zenden Rhomboeder ausgebildet. Endlich ist die Erscheinung
nicht selten , dass der Kern der Turmalinsäulen eine andere
Farbe besitzt als deren äussese Zonen. So kommen licht-
kirschrothe Kerne mit rosenrother Umhüllung, hyacinthrothe
Kerne mit lichtcarmoisinrother Umhüllung, rosafarbige Kerne
mit gelblichgrüner Umhüllung, lichtrosarothe Kerne mit na-
mentlich an den prismatischen Kanten intensiv hyacinthrother
Umhüllung vor.
193
Die mineralischen Schätze der alten , jetzt längst ausge-
beuteten und verschütteten Chursdorfer, Peniger und Lim-
bacber Fundpunkte bunter Turmaline sind das Object vielfäl-
tiger mineralogischer, physikalischer und chemischer Unter-
suchungen gewesen.*) Mit Bezug aber auf ihr geologisches
Auftreten gestattet die Analogie mit dem eben beschriebenen
Mineralvorkommen den Schluss auf ganz ähnliche Verhältnisse.
Genetische Betrachtungen. Nachdem wir an un-
zweideutigen , dem sächsischen Granulitgebirge entnommenen
Beispielen dargethan, dass sich Feldspäthe, Kaliglimmer, Quarz
und Turmalin, jedes für sich allein oder zu mehreren, ja
sämmtlich vergesellschaftet aus wässerigen Solutionen ausge-
schieden und, sobald dies in Spalten geschah , gangförmige
Mineralaggregate gebildet haben , ist die nämliche Möglichkeit
auch für den eben beschriebenen Turmalingranit gegeben. Diese
Möglichkeit gestaltet sich zur Wahrscheinlichkeit, wenn wir
folgende Erscheinungen in's Auge fassen:
1) Die symmetrische Structur des Ganges (beiderseitig
wirres Aggregat der Gemengtheile , dann beiderseitige Zonen
mit radial-strahligen schwarzen Turmalinen , Centraizone von
bunten Turmalinen und Lepidolith), eine Structur, die für
Bildung auf nassem Wege , also von beiden Seiten nach
Innen zu erfolgte Ausfüllung spricht. ,,Sie ist, um Bischof's
Worte**) zu gebrauchen, eine Schichtung, nicht aber eine ho-
rizontale, wie aus stehenden Gewässern auf ebenem Boden,
sondern eine solche in mehr oder weniger geneigter Lage, wie
sie statthaben muss, wenn Gewässer an Spaltenwandungen
langsam herabsickern und das Aufgelöste absetzen. u
2) Die eben erwähnte radial-strahlige Stellung der Tur-
maline, des Kaliglimmers und der Quarze zu Bündeln, deren
Individuen von beiden Seiten des Ganges aus nach der Mitte
zu divergiren, eine Aggregations form, welche voraussetzt, dass
der Centrairaum des Ganges offen war und einer mineralischen
Lösung den Zutritt verstattete, wodurch einerseits das An-
schiessen der Krystalle an den jeweiligen Gangwandungen,
andererseits ihr fortgesetztes Wachsthum ermöglicht wurde.
*) Frenzel, Min. Lexik, v. Sachsen pag. 328 ff. — Jentzsch, Min.
u. geol. Literatur v. Sachsen pag. 65 u. 66.
**) Bischof, Lehrbuch der ehem. u. phys. Geologie II. pag. 551.
Zeits. d. D. geol. Ges. XXVII. 1 13
194
3) Die mineralogische Verschiedenheit der äusseren Gang-
zonen und der local entwickelten Centraizone , welche in die-
sem gegebenen Falle darauf hinweist, dass das von beiden
Salbändern aus nach der Mitte zu wachsende und sich in einer
centralen Symmetrie -Naht treffende Gangmaterial hie und da
centrale Klüfte offen gelassen, also sich nicht vollständig ge-
schlossen hat und dass in späterer Zeit eine von der bishe-
rigen verschiedene Mineralsolution die schliessliche Ausfüllung
dieser Centraidrusen mit Rosaturroalin und Lepidolith be-
wirkt hat.
7. fränkische Clangausscheidungen im Augitschiefer von
Schweizerthal.
Am linken Ufer des Chemnitzflusses , eine kurze Strecke
unterhalb der grossen Garnspinnerei Schweizerthal tritt zwi-
schen den Granuliten, welche die dortigen Felsgehänge bilden,
eine 15 bis 20 Meter mächtige Einlagerung von im Zustande
bereits weit fortgeschrittener Verwitterung befindlichem, schwärz-
lichgrünem sogenanntem „Trappgran ulitu auf. Durch Anlage
einer Chausse , welche stromabwärts nach Stein und Cossen
führt, ist dieses Gestein ziemlich tief angeschnitten und in
einer steilen Wand biosgelegt worden , an deren weniger ver-
witterten Stellen in Folge regelmässig lagenweise abwechseln-
der hellerer und dunklerer Färbung eine deutliche, mit 45 Grad
gegen Süd geneigte Schichtung hervortritt.
Das Gestein besitzt eine grauschwarze Färbung mit einem
Stich in's Grüne, ist sehr zähe, höchst feinkörnig und besteht,
mit blossem Auge oder mit der Lupe betrachtet , aus einem
gleichmässigen Gemenge von glänzenden , hellen Feldspath-
pünktchen, dunkelgrünen Körnchen von Augit und fein ein-
gestreutem Magneteisenstein. Es ist eines der der Granulit-
formation untergeordneten Gesteine, für welche bisher der
Name ,,Trappgranulitu gebräuchlich war, von denen jedoch
durch einschlägige Arbeiten der geologischen Landesunter-
suchung von Sachsen gezeigt werden wird, dass sie einer
Anzahl von durchaus verschiedenen, nur durch ihre düstere
Färbung einander ähnlichen Gesteinsarten angehören.
Die mikroskopische Untersuchung der Dünnschliffe des
schweizerthaler Trappgranulits lehrt, dass das Hauptgeineng-
195
tfaeil dieses Gesteins Plagioklas ist. Derselbe bildet vollkom-
men klare, durchsichtige Partieen , welche durchaus frei von
Glas- und Flüssigkeitseinschlüssen sind und sich bei Anwen-
dung des Polarisationsapparats als sehr kleinkörnige Aggre-
gate von durchweg zwillingsstreifigen Individuen erweisen.
Zwischen diesen Feldspäthen tritt hier und da ein Körnchen
von Quarz auf, welches dann nicht selten von Flüssigkeits-
einschlüssen strotzt, deren Libellen sich mit grosser Leb-
haftigkeit bewegen. Nur wenig steht dem Plagioklas der
Augit an Menge nach und bildet unregelmässig rundliche Hau-
fen oder kettenartige Zonen kleiner , stark durchscheinender
Körner, welche eine vollkommen reine , blassgrünlichgraue
Farbe besitzen und von unregelmässigen Sprüngen durchzogen
werden. Sie polarisiren grell und zeigen kaum eine Spur von
Dichroismus. Wie der Plagioklas ist auch der Augit frei von
fremden Einschlüssen. Zu diesen dreien gesellt sich als viertes
Gesteinselement Magneteisen in Körnern, die, wenn auch
bei Weitem nicht an Zahl, so doch an Grösse denen des Augit
gleichkommen und eine unregelmässig verzogene und verzweigte
Gestalt besitzen. Sie sind in der Gesteinsmasse nicht gleich-
mässig vertheilt, sondern halten sich mehr in der Nähe der
Augitaggregate. Dem Feldspath oder dem Augit beigemengte
staubartige Magneteisenpartikelchen sind nicht vorhanden.
Die Mikrostructur dieses Gesteins ist eine ausgezeichnet
krystallinisch- körnige, ohne jedoch einen typisch - granitischen
Habitus zu besitzen. Die einzelnen Feldspathkörner sind
nämlich nicht direct mit Augitindividuen zu einem feinkörnigen
Aggregat verwachsen , vielmehr bilden im Allgemeinen zahl-
reiche Individuen dieser beiden ßestandtheile untereinander
unregelmässig conturirte Gruppen, und diese spielen die Rolle
individueller Gemengtheile , Aggregate vertreten also Einzel-
krystalle, wenn sich auch hie und da eine individuelle Men-
gung einstellt. Eine derartige Aggregationsform ist nicht die
den Eruptivgesteinen eigenthümliche, vielmehr charakteristisch
für gewisse krystallinische Schiefer, was mit den Lagerungs-
formen und der geschichteten Structur des Gesteins überein-
stimmt.
Eine analytische Untersuchung des letzteren führte Herr
Alpr. Schwarz im Universitäts-Laboratorium des Herrn Prof.
Wiedemakn aus und erzielte folgende Resultate:
13*
196
Si02 .
A1203
CaO .
MgO .
Fe203
FeO .
Na„0
K2Ö .
52,23
11,83
11,43
7,41
7,80
6,95
2,34
0,21
100,20
Die chemische Zusammensetzung unserer Augit-Plagioklas-
Schiefer ist somit derjenigen der Basalte ähnlich, ihr höherer
Kieselsäuregehalt erklärt sich aus der Gegenwart von etwas
freiem Quarz. Wir werden auf diese Analyse noch zurückzu-
kommen haben.
Im Zustande der Verwitterung wird das ursprünglich fast
schwarze Gestein rostgelb, röthlichbraun gefleckt. Indem die
Verwitterung den Klüften folgt, die Ecken und Kanten der
polyedriscben Gesteinsstücke am intensivsten angreift und dann
gleichmässig in deren Inneres vorschreitet, entstehen rundliche
Blöcke von ausgezeichnet concentrisch-schaliger Structur. Die-
selben sind oft so dicht aneinander gedrängt, dass einzelne
Stellen der betreffenden Gesteinswand den Anblick bieten, als
wenn sie besetzt wären mit eng aneinander gestellten, grösseren
und kleineren eben im Begriff des Aufbrechens befindlichen
Rosenknospen. Hier sind die einzelnen Kugeln nuss- bis
faustgross und bestehen aus lauter nur 1 bis 2 Mm. dicken
Schalen, welche nach der Fläche des Aufschlusses zu, also
nach der Seite, wo die Atmosphärilien am kräftigsten wirken
konnten, aufgeplatzt sind, so dass man in den concentrisch-
schaligen Aufbau der Kugeln hineinblickt, wie in eine eben
aufgebrochene Rose. An derartigen ellipsoidischen Knollen
von 5 bis 6 Cm. Länge kann man auf diese Weise 15 bis
16 Schalen von je 1 Mm. Dicke zählen. Diese Verwitterungs-
schalen sind äusserst mürbe und lösen sich durch fortgesetzte
Verwitterung in einen gelblichbraunen, feinkörnigen, eckigen
Grus auf, der sehr bald zu einem mulmigen Sande zerfällt.
Bei dem Mangel an Analysen, an welchen sich diese
Umwandlungsvorgänge verfolgen Hessen, ist es gestattet, die-
selben nach analogen, wissenschaftlich erforschten Zersetzungs-
processen ähnlicher Mineralaggregate zu deuten. Es ist na-
197
mentlich der Feldspathbasalt , der, wenn wir ausschliesslich
seine mineralische Zusammensetzung in's Auge fassen, in seiner
Constitution eine grosse Aehnlichkeit mit unseren Augitschie-
fern besitzt. In beiden treten Plagioklas , Augit und Magnet-
eisen als Hauptgemengtheile auf. Man ist deshalb zu dem
Schluss berechtigt, dass die unter dem Einflüsse der Atmosphä-
rilien vor sich gehende Zersetzung dieser zu den genannten
beiden Gesteinen vergesellschafteten Mineralien eine vollkom-
men analoge ist. Beim Basalt aber besteht dieselbe in einer
Auslaugung des frischen Gesteins und zwar in der Entführung
von mehr oder weniger Kieselsäure, Thonerde, Magnesia,
Eisenoxyd und -oxydul, Kalk, Kali und Natron, in Folge
deren bei verhältnissmässig geringerem Verluste von Thonerde
und Eisenoxydul eine relative Anreicherung dieser beiden Sub-
stanzen und bei gleichzeitiger Aufnahme von Wasser schliess-
lich ein wasserhaltiges , eisenschüssiges Thonerdesilicat als
Residuum zurückgelassen wird. *) Auf das Plagioklas-Augit-
Magneteisen-Aggregat, als welches wir unsere Schiefer erkannt
haben, werden die Atmosphärilien in der nämlichen Weise ein-
gewirkt haben , wie auf das basaltische Plagioklas - Augit-
Magneteisen-Aggregat, mit anderen Worten ebenfalls bestrebt
sein, denselben unter Zurücklassung von wasserhaltigem Thon-
erdesilicat die obengenannten Substanzen zu entführen.
Die unserem Gestein entzogenen Bestandtheile sind jedoch
nicht spurlos verschwunden , sondern haben nur eine geringe
Ortsveränderung vorgenommen: in den Spalten und Klüf-
ten des verwitterten Muttergesteins finden wir sie
als deren granitische Ausfüllung wieder, und zwar
in Gestalt unregelmässig gangförmiger und nest- oder schmitz-
artiger Trümer zwischen den mit einer mehr oder weniger
dicken Verwitterungskruste bedeckten, oder bereits durch und
durch mürben und bröckeligen Gesteinsblöcken und den da-
zwischen liegenden Grus- und Sandmassen. Dieselben winden
sich zwischen jenen Blöcken hindurch und passen sich überall
an deren Oberflächenform an, sind also erst nach bereits ein-
getretener Verwitterung, welcher die Blöcke ihren Ursprung
und ihre Form verdanken , zur Ausbildung gelangt (siehe
Fig. 26 Taf. VII.).
*) Bischof, Geologie III. pag. 424 ff.
198
Ihrer mineralischen Zusammensetzung und Structur nach,
lassen sich folgende Modifikationen dieser Gänge unterscheiden:
1) Gang- und nesterartige Trümer, 8 bis 20 Cm. mäch-
tig, welche aus einem düsterfarbigen, ausgezeichnet granitisch-
körnigen Gemenge von grünlichgrauem Plagioklas, sehr wenig
weissem Orthoklas, viel grauem Quarz und unverhältnissmässig
viel schwarzem Magnesiaglimmer bestehen. Seinen eigentüm-
lichen Charakter erhält das Gestein, im Gegensatz zu den
orthoklasreichen und plagioklasarmen granitischen Gängen des
echten Granulits, namentlich durch seinen Reichthum an trübem
Plagioklas und Magnesiaglimmer, welcher letztere sowohl in
zahlreichen grossen schwarzen Tafeln und Bändern die Gesteins-
masse wirr durchschiesst , als auch in kleinen schwarzen
Schüppchen zwischen den übrigen Bestandtheilen in Menge
vertheilt ist. Die reichliche Vertretung des Magnesiagliramers
und Plagioklases erklärt sich durch den hohen Gehalt des ver-
witternden, das Gangmaterial geliefert habenden Nebengesteins
an Magnesia, Kalk und Natron, bei gleichzeitiger grosser Ar-
muth an Kali. Unter dem Mikroskop tritt die granitisch-kör-
nige Structur dieses Ganggesteins noch deutlicher hervor,
ebenso die Plagioklasnatur der bei Weitem meisten Feldspath-
körner. Sind diese auch insgesammt durch beginnende Zer-
setzung schwach gekörnelt und getrübt, so sind doch bei fast
allen mehr oder weniger deutliche Reste der Zwillingsstreifung
vorhanden. Nur einzelne sind trotz ihrer geringen Verwitte-
rung vollkommen einfarbig und dürften deshalb Orthoklase
sein. Die Quarze strotzen von Flüssigkeitseinschlüssen.
2) Schmitzartige 4 bis 6 Cm. mächtige Trümer, welche
fast ausschliesslich aus schwarzem Glimmer mit einzelnen
Körnern von Quarz und OligoklaS bestehen. Die Blätter des
Magnesiaglimmers bilden zwar ein ziemlich wirres Aggregat,
sind aber doch meist quer auf die Salbänder gestellt.
3) Trümer, welche in der Art eine symmetrische An-
ordnung ihrer Gemengtheile zeigen, dass die beiderseitigen Sal-
bänder bis zu einer Stärke von mehreren Millimetern aus-
schliesslich aus schwarzen, wirr durcheinander liegenden
Magnesiaglimmerblättchen bestehen. Auf jede der-
selben folgt nach Innen zu eine etwa 2 Cm. dicke düster-
farbige Zone von trübem, ölgrünem, zwillingsstreifigen Oli-
goklas, ziemlich viel schwarzem Glimmer und etwas Quarz,
während die helle, 5 bis 8 Cm. mächtige Centraizone des
199
Ganges durch ein Aggregat von z. Th. rein weissen, z. Th.
lichtfleischfarbigen glänzenden Orthoklaskörnern gebildet
wird, welche von dünnen Quarznadeln und -lamellen schwach
schriftgranitisch durchwachsen sind. Glimmer fehlt in dieser
mittleren Zone fast ganz. Von den Ergebnissen der mikrosko-
pischen Untersuchung ist für unsere Zwecke der grosse Reich-
thum des Quarzes an mit beweglicher Libelle versehenen
Flüssigkeitseinschlüssen , sowie die Bestätigung der plagio-
klastischen Natur der Feldspäthe der seitlichen Gangzonen
hervorzuheben.
4) Zollmächtige Gangtrümer von ausgezeichnet symme-
trischer Anordnung ihrer Bestandtheile, indem die beiden seit-
lichen Zonen von 1 Cm. langen , stengeligen , grünlichgrauen
zwillingsstreifigen Oligoklasindividuen, grauen Quarz-
säulen und einzelnen Glimmertafeln gebildet werden, welche
ziemlich rechtwinklig auf den Salbändern stehen, was na-
mentlich bei letztgenannten Gemengtheilen besonders deutlich
hervortritt. Die beiderseitig scharf abschneidende, bis 2 Cm.
mächtige Centraizone hingegen besteht aus einem sehr fein-
körnigen, echt granitiscben Gemenge von röthlichem Ortho-
klas und grauem Quarz und sticht grell von den trüben seit-
lichen Oligoklaszonen ab. Noch deutlicher wie im Handstück
tritt die ausgezeichnet combinirt stengelig - symmetrisch -lagen-
förmige Structur dieser Gänge am Dünnschliff bereits ohne
Anwendung des Mikroskops hervor. Zwischen den Quer-
schnitten der grossen, von beiden Seiten quer nach der Gang-
mitte gerichteten fast wasserhellen Quarze und durch Zer-
setzung leicht getrübter und geäderter Plagioklase erscheint
die Centraizone im zartesten Mosaik äusserst feiner grani-
tischer Structur. Bei mikroskopischer Untersuchung der beiden
seitlichen Gangzonen erweisen sich zwar manche der Plagio-
klase in Folge beginnender Zersetzung bereits von zahlreichen
Sprüngen durchzogen, längs deren die Feldspathsubstanz trübe
und körnig geworden ist, viele andere jedoch sind vollkommen
klar und haben ihre Zwillingsstreifung noch nicht verloren.
Im Gegensatz zu ihnen strotzen die Quarze von Flüssigkeits-
einschlüssen der verschiedensten Grösse und Gestalt, fast alle
mit meist festliegenden, zuweilen zitternden, aber durch schwache
Erwärmung in Bewegung zu setzenden Libellen, welche in
reihenförmigen Zügen voreinander liegend, in förmlichen Schich-
ten die Quarze durchziehen. Während die Querschnitte der
200
Plagioklase und Quarze der randlichen Zonen im Dünnschliff
so grosse Flächen einnehmen, dass man unter dem Mikroskop
auch bei schwacher Vergrösserung jede einzelne derselben nur
zum geringen Theile übersehen kann, bietet die kleinste Partie
der Centraizone ein ausserordentlich bunt zusammengewürfeltes
Aggregat von röthlichen Orthoklas - und Quarzkörnern, mit
einzelnen braunen Glimmerblättchen , wobei der Quarz nicht
nur in selbstständigen Körnern, sondern auch in feinster,
schriftgranitischer Durchwachsung des Feldspaths auftritt. Wie
in den Seitenzonen ist jedes Quarzkorn reich an Flüssigkeits-
einschlüssen, ausserdem aber auch noch an langen, zarten
Nadeln eines schwarzen, dunkelgrün durchscheinenden Minerals,
augenscheinlich Hornblende. Der Gegensatz zwischen der mitt-
leren und den seitlichen Zonen dieser Gänge ist der schroffste,
der mir aus den gesammten granitischen Gängen des Granulit-
gebiets bekannt ist und tritt bei der geringen Mächtigkeit dieser
Trümer in besonderer Schärfe hervor.
Genetische Betrachtungen. Nicht leicht lässt sich
ein anderes Beispiel finden , an welchem man die Entstehung
granitischer Gänge durch Auslaugung ihrer Bestandtheile aus
dem in Verwitterung begriffenen Nebengestein so überzeugend
darlegen könnte, wie an dem eben beschriebenen von Schweizer-
thal. Der Vorgang war folgender:
1) Das Plagioklas-Augit-Gestein wird unter dem Einfluss
der Atmosphärilien von einem Zersetzungsprocess ergriffen,
durch welchen ihm, ganz ähnlich wie den analog zusammen-
gesetzten Basalten, Kieselsäure, Thonerde, Magnesia, Eisen-
oxyd und -oxydul, Kalk, Kali und Natron in wässeriger Lö-
sung entführt werden.
2) In Folge der diese Verwitterung einleitenden Zerklüf-
tung und der mit ihr Hand in Hand gehenden Grusbildung ent-
stehen zwischen den Gesteinsblöcken klaffende Spalten, die in
ihrer Form und in ihrem Verlaufe von der Lage und Gestal-
tung der Blöcke abhängig sind.
3) Die dem Nebengestein entzogenen Miueralsolutionen
ziehen sich nach diesen Klüften , in welchen sich entweder
direct oder durch Wechselwirkung die gangbildenden Mineralien
ausscheiden.
Durch diese Vorgänge sind folgende Erscheinungen
bedingt und erklärt:
201
1) Die granitischen Gänge von Schweizerthal bestehen
aus den nämlichen Stoffen, wie die dem Gestein entführten,
nämlich aus Kieselsäure, Thonerde, Magnesia, Eisenoxydul,
Kali und Natron, während ein Theil des Kalkes entführt
worden, ein anderer vielleicht im Plagioklas enthalten ist.
Diese Substanzen lieferten das Material zur Neubildung von
Feldspath, Quarz und Magnesiaglimmer, während die in an-
deren benachbarten Gängen mit abweichendem Nebengestein
vorkommenden Titanite , Zirkone, Apatite, Turmaline, Lepi-
dolithe und Topase hier fehlen.
2) Im Gegensatz zu dem Orthoklasreichthum der Granit-
und Pegmatitgänge, welche in dem benachbarten normalen, im
Verhältniss zu Kali wenig Natron haltenden Granulite auf-
setzen, waltet in den schweizerthaler Gängen bei Weitem der
wahrscheinlich kalkhaltige Oligoklas vor, weil, wie die oben
angeführte Analyse zeigt, der Natron- und Kalkgehalt des
Nebengesteins ein viel bedeutenderer ist, als der an Kali
(Na : K — 2,3 : 0,2). Die mineralische Beschaffenheit der
Gänge steht somit in einem Abhängigkeitsverhältniss von der
petrographischen und substantiellen Zusammensetzung des
Nebengesteins. Durch Entführung des grossen Magnesiagehalts
des ursprünglichen Gesteins bei dessen Umwandlung zu einem
wasserhaltigen Thonerde-Silicat erklärt sich zugleich der grosse
Reichthum der Gänge an Magnesiaglimmer, während der
für die im Granulit aufsetzenden Gänge so charakteristische
Kaliglimmer vollständig fehlt.
3) Die mineralischen Bestandtheile mancher dieser Gänge
von Schweizerthal sind wie diejenigen gewisser Erzgänge
symmetrisch zu nach ihrer mineralischen und chemischen Con-
stitution verschiedenen Lagen angeordnet oder stehen quer
auf den Salbändern, — Erscheinungen , welche wir als un-
trügliche Kriterien für eine Ausscheidung aus wässeriger, an
den Spaltenwandungen hinabsickernder Lösung erkannt haben.
4) Die betreffenden gangartigen Ausscheidungen setzen
nicht in die Tiefe fort, sondern keilen sich wenigstens zum
Theil allseitig aus, haben also keinen Zusammenhang mit irgend
einem Eruptionsheerde oder einer aus der Tiefe emporsteigenden
Mineralquelle.
202
8. Gänge von Zirkou - führendem Syeuitgranit im Eklogit rou
Waldheim.
Der Hofraum der Restauration „Zur Erholung" in un-
mittelbarer Nähe des Waldheimer Bahnhofs ist in den anste-
henden Fels des dahinter liegenden Hügels in der Weise ein-
gesprengt , dass eine steil abstürzende Gesteinswand den Hof
nach hinten abgrenzt. Mit ihr ist zugleich ein höchst interes-
santer Aufschlusspunkt geschaffen.
Wie ein grosser Theil des Hügels selbst, so besteht die
Gesteinswand aus Eklogit, und zwar einem mittelkörnigen
Aggregate von vorwaltendem, kurzstengeligem , dunkellauch-
grünem Augit und kleinen röthlichen Granatkörnern. Im All-
gemeinen den Eindruck eines massigen Gesteins machend,
erhält dasselbe durch das Auftreten einer schwachen, band-
artig abwechselnden helleren und dunkleren Färbung die An-
deutung einer nach Norden einfallenden Schichtung. Dieser
entspricht, wie solches namentlich am Dünnschliff schon dem
blossen Auge sichtbar wird, eine Abwechselung granatreicher
und fast granatfreier Eklogitzonen. Die mikroskopische Unter-
suchung dieses Gesteins zeigt, dass sein vorwaltender Bestand-
teil in der That ein im Dünnschliff lichtlauchgrüner , sehr
wenig dichroitischer Augit ist, dessen Körner von Sprüngen
und diesen folgenden gelblichbraunen, z. Th. wolkig - gekör-
nelten oder faserigen Bändern durchzogen sind. Zwischen
diesen Augiten, au Zahl jedoch bei Weitem geringer als diese,
liegen blassrosaroth durchscheinende Granatkörner von un-
regelmässiger, z. Tb. rundlicher, z. Th. verzogen-eiförmiger
Gestalt, sowie Körnchen und lappige Partieen von Magnet-
eisen eingestreut. Eine sehr zierliche Structur wird dadurch
erzeugt , dass viele der Granatkörner rings umgeben sind von
einer Zone radialgestellter, im Querschnitt wellig oder wurm-
förmig gebogener , blassgrüner Augite und zwischen ihnen ge-
lagerter, opaker Körner und Stäbchen von Magneteisen.
Dies Gestein ist nach allen Richtungen im höchsten Grade
durchklüftet und dadurch in rundliche Blöcke und polyedrische
Stücke von unregelmässiger Gestalt und Grösse zertheilt. Mit
dieser Zerklüftung, welche den Tagewassern ihren Weg und
ihre zersetzende Thätigkeit erleichterten , ist nun eine Um-
wandlung des Eklogits Hand in Hand gegangen, welche sich
203
bereits der vorwaltenden Masse des aufgeschlossenen Gesteins,
wenn auch in verschieden weit fortgeschrittenem Grade be-
mächtigt und nur den geringeren Theil des Eklogits in seinem
ursprünglichen Zustande gelassen hat. Schon äusserlich macht
sich diese Zersetzung durch die Bleichung des Gesteins kennt-
lich. Seine dunkelgrüne Farbe weicht einer lichteren und
wandelt sich schliesslich in ein ganz helles Grünlichgrau um.
Hand in Hand mit dem Verluste der ursprünglichen Farbe geht
derjenige der Festigkeit in dem Maasse, dass aus dem dunklen,
zähen, schwerzersprengbaren Eklogit zuletzt ein lichtes, mür-
bes, leicht zerbröckelndes, zu mulmigem Grus zerfallendes Zer-
setzungsproduct wird.
Wie oben gesagt, ist dieser Eklogit und der aus ihm
hervorgehende mulmige Grus von ausserordentlich zahlreichen
Klüften durchsetzt. Diese aber sind heute ausgefüllt von
mineralischen Substanzen und zu einem unregelmässi-
gen, z. Th. engmaschigen körperlichen Netz von Mineral-
gängen geworden. In schwer verfolgbarem Gewirre durch-
ädern dieselben das Nebengestein (siehe Fig. 27 Tai. VII.),
bald vollkommen geradlinig dasselbe durchsetzend, bald in
unregelmässigen Biegungen sich zwischen den rundlichen
Gesteinsblöcken hindurch windend, sich gabelnd und wieder
vereinend, verknüpfende Ausläufer von einem Hauptstamme
nach dem anderen sendend, sich knorrig verdickend und dann
wieder zur grössten Zartheit zusammenziehend, hier nur so
stark wie ein Messerrücken, dort 0,3 bis 0,5 Meter mächtig.
Ihrer mineralischen Ausfüllung nach sind diese Gänge
und Schnüre 1) solche von Hornblende, 2) solche von derbem
Granat, 3) solche von vorwaltendem Feldspath. Die erst-
genannten sind meist nur 1 bis 2 Cm. dick und bestehen aus
schwärzlichgrüner, verworren faseriger Hornblende, lassen
in ihrer Centraizone zuweilen kleine Drusen offen, in welchen
Säulenflächen von Hornblendeindividuen freiliegen , oder um-
schliessen eine mittlere, nur wenige Millimeter mächtige Lage
von körnigem, röthlichgelbem Feldspath. Andere etwa finger-
breite Schnüre bestehen aus derbem, kleinmuscheligem Granat
von brauner Farbe, dem hier und da Körner von Pistazit bei-
gemengt sind. Noch andere mehr nesterartige, unregelraässige
Schmitzen werden wesentlich von körnigem Pistazit ge-
bildet, dem sich etwas fleischrother Orthoklas und einzelne
204
röthliche Granatkörner zugesellen , an denen sämmtlich glän-
zende Flächengruppen auftreten.
Eine viel wichtigere Rolle spielen die feldspathreichen,
granitischen Gänge, sowohl was ihre Zahl und Mächtigkeit,
wie ihr Reichthum an interessanten mineralischen Gemeng-
theilen anbetrifft. Sie sind es , die dem Beschauer zunächst
in's Auge fallen, wie ein fleischrothes Geäder treten sie ihm
grell aus dem grünlichen Nebengestein entgegen (Fig. 27
Taf. VII.). Auf sie bezieht sich deshalb auch wesentlich die
vorhin gegebene Beschreibung der äusseren Formen der dort
überhaupt aufsetzenden Gänge.
An ihrer Zusammensetzung nehmen folgende Mineralien
Theil: Orthoklas von fleischrother bis lichtröthlichgrauer
Farbe, der vorwaltende Gemengtheil, bildet in Form eines
mittel- bis grobkörnigen Aggregats die Hauptausfüllungsmasse
der Gänge, in welcher die übrigen Gangmineralien in grösserer
oder geringerer Häufigkeit eingesprengt sind. Oligoklas in
wenigen, trüben, zwillingsstreifigen Individuen. Wasserheller
bis lichtrauchgrauer Quarz, mit diesem in kleinen, sehr ver-
einzelten, silberglänzenden Blättchen verwachsen Kaliglim-
mer, noch seltener Lamellen von braunem Magnesia-
gl immer. Dunkelgrüne Hornblende, gewöhnlich in 3 bis
6 Cm. langen, säulenförmigen Individuen mit ausgezeichneten,
sehr stark glänzenden , prismatischen Spaltungsflächen und
dann in Gestalt vereinzelter Einsprenglinge den Feldspath
durchschiessend , zuweilen jedoch auch in kleinereu Körnern
als gleichwerthiger , ja vorwaltender Gemengtheil der dann
syenitgranitiscben Gangmasse. Die qualitative Analyse dieser
Hornblende ergab einen nicht unbedeutenden Kali-,
namentlich aber Natrongehalt, wodurch sie sich der
arfv e d s o n i tä h n 1 i c h en Hornblende des norwegischen Zir-
konsyenits nähert. Titanit in ausserordentlich zahlreichen,
bis 1,5 Cm. grossen, fast diamantartig glänzenden Krystallen
von rothbrauner bis hyacinthrother Farbe, durch starkes Vor-
walten der Hemipyramide n langsäulenförmig, ausserdem mit
P, r und y, wie Figur 5 in Näumakn's Mineralogie pag. 530.
Nach einer Analyse, welche Herr Schmöger in Prof. Kolbe's
Laboratorium ausführte, hat dieser Titanit folgende Zusammen-
setzung:
205
Ti02. . .
. 37,45
Si02 . . .
. 31,37
AI /~k
A1203 . .
a na
Fe2Oa . .
. 3,13
Yttererde .
. 0,88
CaO . . .
. 22,38
100,00
Das analysirte Mineral ist demnach kein reiner, sondern
ein Thonerde, Yttererde und Eisenoxyd haltiger Titanit, wel-
cher dem Yttrotitanit von Arendal uud dem Grothit*) des
Plauenschen Grundes nahe steht. Epidot in grellgrünen,
körnigen, bis erbsengrossen Einsprenglingeu. Apatit in
zarten , wasserhellen oder lichtweingelben hexagonalen Na-
deln, welche Quarz, Feldspath und Hornblende durchspicken.
Orthit in sehr vereinzelten, bis linsengrossen unregelmässig
gestalteten, kleinmuscheligen Einsprenglingen, z. Th. umgeben
von einem braunrothen Hof. Zirkon in allseitig, ausser-
ordentlich scharf und ebenflächig ausgebildeten, bis 2,5 Mm.
grossen Kryställchen , welche entweder isolirt im Feldspathe
eingewachsen sind , oder als selbstständige Gemengtheile des
in diesem Falle kleinkörnigen Aggregats des übrigen Gang-
materials auftreten. Sie besitzen eine röthlichbraune bis nelken-
braune Farbe und einen so starken diamantartigen Glanz, dass
sie sich durch diesen auch an grösseren Handstücken leicht
kenntlich machen und aus dem zu grobem Sand zermalmten
Gestein, trotz der glänzenden Orthoklasspaltungsstückchen,
durch ihr Funkeln hervorscheinen. Der Habitus der Krystalle
ist ein mehr oder weniger langsäulenförmiger. Gewöhnlich
ist dann ausschliesslich das Protoprisma, zuweilen das Deu-
teroprisma als schmale Abstumpfungsfläche, selten im Gleich-
gewicht mit dem ersteren, zur Ausbildung gelangt. Von Pyra-
miden treten P und die ditetragonale 3P3 auf, letztere meist
nur als Zuschärfung -der Combinationsecken , selten so vor-
herrschend, dass die Protopyramide daneben stark
zurücktritt.
Den im Bereiche Sachsens bekannten Fundstellen des
Zirkons im Granit von Boxdorf bei Dresden, des Malakons
*) Frenzel, Min. Lexik, von Sachsen pag. 322.
206
im Syenit des Plauen'schen Grundes und des Hyacinths im
Schwemmlande des Elbthalgebirges reiht sich das beschriebene
Vorkommen des Zirkons in den Gängen von Syenitgranit bei
Waldheim an. Zugleich aber erinnert die Mineralcombinatiou
von natronhaltiger, dadurch arfvedsonitähnlicher Hornblende,
yttererdebaltigem, dadurch yttrotitanitähnlichem Titanit, ferner
Orthit und Zirkon lebhaft an die berühmten skandinavischen
Vorkommnisse.
Die Structur dieses Gänge ist eine ausgezeichnet kör-
nige, doch macht sich stets die Tendenz zu schriftgranitischer
Verwachsung des Feldspaths und Quarzes geltend. Selbst
dort, wo diese beiden Gemengtheile mit den übrigen oben
aufgezählten ein echt granitisch-körniges Aggregat bilden, sind
die Feldspathindividuen oft von nadelartigen , in jedem Korne
parallelstehenden Quarzsäulehen durchwachsen , die dann auf
den glänzenden Spaltungsflächen des Orthoklases als rauch-
graue Punkte hervortreten. In manchen der weniger mäch-
tigen Gänge, wo der Feldspath bei Weitem vorwaltet, ist er
von federkielstarken Quarzprismen durchschossen, so dass eine
dem echten Schriftgranit ähnliche Gesteinsvarietät erzeugt
wird. In diesem leicht in Spaltungsstücke von mehreren
Kubikzoll Grösse zerschlagbaren Schriftgranit liegen dann
ordnungslos vereinzelte glänzende Hornblendesäulen und Titan-
krystalle eingesprengt. Ist auch die gesammte Gesteinsmasse
unserer Gänge und namentlich die echt granitisch-körnige Va-
rietät derselben reich, stellenweise sehr reich an Titanit-
krystallen , so findet doch gewöhnlich nach den beiderseitigen
Grenzflächen der Gänge zu eine derartige Concentrirung dieses
Minerals statt, dass sich 0,2 bis 0,5 Cm. mächtige Salband-
zonen von ziemlich dicht aneinander liegenden
Titani tkry stall en herausbilden. Diese Titanitsalbänder
stellen sich auch dann ein , wenn die Hauptgangmasse das
genannte Mineral sehr spärlich oder gar nicht führt. In beiden
Fällen aber wird durch diese Erscheinung ein symmetrischer
Bau der Gänge bedingt. Die Titanitkrystalle der Salbänder
sind fast immer mit zwei Flächen der vorherrschenden Hemi-
pyramide auf die Wandungen der einstigen Spalten aufge-
wachsen, so dass diese stellenweise wie mit flachen Titaniten
gepflastert erscheinen , welche letzteren dem Spaltenraume,
also der jetzigen granitischen Gangmasse jedesmal zwei glän-
zende Flächen von n , eine von P und die eines Hemidomas
zuwenden.
Schliesslich sei an dieser Stelle noch darauf hingewiesen,
dass in keiner anderen Gesteinsart des Granulitgebirges Gänge
ähnlicher Art aufsetzen und dass kein einziger der Hunderte
von granitischen Gängen, wie sie dem echten Granulit, dem
Cordieritgneiss u. s. w. angehören, eine derartige Combination
von Titanit, Zirkon, Hornblende, Feldspath und Quarz aufweist.
Es ergiebt sich dasaus , dass die mineralische Zusam-
mensetzung der in den verschiedenartigen Ge-
birg s glie d e r n der Gr anuli tf o rmation aufsetzenden
granitischen Gänge abhängig ist von der petro-
graphischen Beschaffenheit des Nebengesteins.
1
9. Granat und Epidot fahrende Qnarz-Feldspath-Trümer im Horn-
hlendeschiefer von Thierbach.
Zwischen Thierbach und Wolkenburg ist durch den tiefen
Thaleinschnitt der Mulde ein der hangenden Grenze der eigent-
lichen Granulitformation angehörige Einlagerung von Horn-
blendeschiefern entblösst. Letztere sind aus dunkelgrünen,
faserigen Hornblendeindividuen zusammengesetzt, enthalten ein-
zelne Einsprenglinge von Feldspath, Granat, Quarz und Glim-
mer und werden von zahlreichen Gangtrümern netzartig
durchädert.
Dieselben besitzen eine durchschnittliche Mächtigkeit von
2 bis 5 Cm., bilden jedoch locale Anschwellungen von dop-
pelter Dicke, sind mit ihrem Nebengestein auf das Innigste
verwachsen und bestehen aus Quarz, Oligoklas, Epidot, Granat
und Hornblende, denen sich accessorisch Schwefelkies und
Titanit zugesellt.
Der Quarz ist z. Th. glasig und klar mit einem Stich
in's Braune, z. Th. körnig und dann weiss. Der Epidot
besitzt eine intensiv pistaziengrüne Farbe, bildet körnige und
wirr-stengelige Aggregate, aus denen einzelne grössere Krystall-
individuen oder deren glänzende Spaltungsflächeu hervor-
treten. In offene Drusenräume ragen zuweilen einfache hori-
zontal-säulenförmige Epidotkrystalie, gebildet von der schiefen
Basis und den Orthopinakoid , an dem freien Ende mit einer
Hemipyramide hinein. Der Oligoklas ist weiss, körnig
208
und ausserordentlich zart zwillingsstreifig. Granat von
röthlich nelkenbrauner Farbe ist entweder in stecknadelkopf-
grossen Krystallen (oc O. 202) im Epidot, Oligoklas oder
Kalkspath eingesprengt, oder aber bildet für sich oder mit
Kalkspathindividuen ein körniges Aggregat. In letzterem Falle
sind beide Mineralien zuweilen zu kernkrystallartigen Formen
verwachsen, indem glänzend weisse Kalkspathkörner von brau-
ner Granatmasse rings umgeben und wiederum von Lamellen
derselben durchzogen sind.*) — Der Kalkspath ist weiss
bis wasserhell, füllt die Spältchen, Ecken und Drusenräume
innerhalb der übrigen Gangmasse aus oder bildet mit ihnen
ein krystallinisch körniges Aggregat. Mit dem Epidot ver-
wachsen treten säulige Partieen dunkellauchgrüner Horn-
blende auf. Die seltenen Titanitkrystalle von hori-
zontal-säulenförmigem Habitus besitzen eine lichtgelblichgrüne
Farbe und fallen durch ihren ausgezeichneten Diamantglanz
in's Auge. Schwefelkies kommt hier und da derb einge-
sprengt vor.
Was die Structur des kurz beschriebenen Gangmaterials
betrifft, so ist dieselbe z. Th. zwar eine granitisch - körnige,
meist jedoch eine symmetrisch - lagenförmige. Dann bildet
stellenweise Epidot die beiden äussersten , Quarz die beider-
seitig darauf folgenden, Granat, Kalkspath und Oligoklas die
centralen Zonen, ohne dass diese Reihenfolge constant bliebe,
die sich sogar zu der umgekehrten gestalten kann.
Die kurze Darstellung dieses Gangvorkommens hat deshalb
hier Platz gefunden, weil letzteres eine gewisse Bedeutung für
unsere Betrachtungen über die Genesis der granitischen Gänge
*) In seinem dem kgl. sächs. Oberbergamte zu Freiberg erstatteten
Berichte über die von ihm im Sommer 1865 ausgeführten Untersuchungen
im südwestlichen Theile des sächsischen Granulitgebietes giebt Si'elznek
u. a. eine Beschreibung dieser Gangvorkommnisse, sowie gewisser, den
letzteren angehöriger „Granatperimorphosen, die unter einer ausserordentlich
dünnen, aus Granatsubstanz bestehenden Hülle ein Gemenge von Pistazit,
Granat und Kalkspath als Ausfüllung des Krystallraumes erkennen lassen."
Zugleich gestehe ich dankbar ein, dass die eingehenden Vorunter-
suchungen und kartographischen Aufnahmen des sächsischen Granulit-
gebiets von Seiten des Herrn A. Stelznek sowohl den diesem Aufsatze
zu Grunde liegenden geognostischcn Beobachtungen, wie den Aufnahmen
der geologischen Landesuntersuchung in dem von Stelzner behandelten
Gebiete einen wesentlichen Vorschub geleistet haben.
209
des Granulitgebirges hat. Aus Obigem geht nämlich Folgendes
hervor :
1) Quarz, Epidot, Kalkspatb, Granat, Hornblende, Oli-
goklas und Schwefelkies führende Trümer gehören zu den ge-
wöhnlichen Vorkommnissen innerhalb der Hornblende-
gesteine vieler Gegenden.
2) Dahingegen sind dergleichen Gangvorkommen in dem
normalen und glimmerführenden Granulit, im Cordieritgneiss
und Trappgranulit des sächsischen Granulitgebirges nicht
bekannt, ebensowenig wie auf der anderen Seite die Pegmatite,
Turmalingranite oder granitischen Gänge des Granulits in den
ihm auflagernden Hornblendefels hineinreichen.
3) Die oben beschriebenen Epidot - Granat - Gänge sind
somit gebunden an ein bestimmtes Nebengestein , in welchem
sich die Bedingungen zu ihrer Entstehung gegeben finden,
nämlich an die Hornblendeschiefer, die umgekehrt nicht im
Stande waren, das MateriaLzu den kalireichen Granitgängen,
wie sie an den Granulit gebunden sind, zu liefern. Dahin-
gegen haben unter allen übrigen Gesteinen des Granulitgebirges
die Eklogite die meiste Aehnlichkeit in ihrer chemischen Con-
stitution mit den Hornblendeschiefern von Thierbach. Die-
selbe offenbart sich namentlich in dem Reichthum beider
Gesteinsarten an Kalkerde und in deren Armuth an Kali und
Natron. Deshalb sind auch die aus der Zersetzung beider
Gesteinsarten hervorgegangenen Mineralvergesellschaftungen von
allen mineralischen Gängen des Granulitgebiets am nächsten
miteinander verwandt: in jeder derselben spielen Epidot,
Hornblende, Titanit und Granat neben Feldspath und Quarz
eine Hauptrolle.
Gedrängter Rückblick.
I. In dem sächsischen G ra n u 1 i t g e bi r g e treten
Hunderte von granitischen, syenitischen und peg-
m atitischen Gängen auf. Ihre Mächtigkeit ist unbedeu-
tend, ihr Verlauf unregelmässig, ihre Ausdehnung unbeträcht-
lich, ihre Streichrichtung gesetzlos.
Zeits. d.D.geol. Ges. XXVII. 1. " 14
210
II. An ihrer Zusammensetzung nehmen fol-
gende Mineralien Theil:
Metall oxyde:
Quarz,
H al o id e:
Amblygonit,
Apatit,
Kalkspath,
Braunspath,
G eolithe :
Orthoklas,
Perthitartiger Feldspath,
Oligoklas,
Albit,
Andalusit,
Topas,
Zirkon,
A mphoterolitbe:
Turmalin,
Granat,
Orthit,
Epidot,
Hornblende, z. Tb. arfvedsonitartig,
Magnesiaglimmer,
Kaliglimmer,
Lithionglimmer,
Chlorit,
Pinit,
Tantaloide:
Titanit, z. Th. yttererdehaltig,
Metalloxyde:
Eisenglanz, Eisenrahm, Eisenocker,
Kiese:
Eisenkies.
III. Einige dieser Gangmineralien weisen
aussergewöhnliche oder sonst interessante Er-
scheinungen auf:
Der Quarz in seiner Krystallgestalt meist auf Prisma
und Pyramide beschränkt, ist zuweilen durch das Auftreten
211
von Rhomben - und Trapezflächen ausgezeichnet und zwar
fällt die Entwicklung des trapezoedrischen Habitus meist
mit der Vergesellschaftung von Turmalin zusammen. Es scheint
hierin eine Bestätigung des Satzes zu liegen, dass die Krystall-
gestalt des Quarzes durch den Bor- und Fluorgehalt der Mineral-
solution beeinflusst .worden sei, aus welcher sich neben Quarz
gleichzeitig Turmalin ausgeschieden hat. Jedoch ergiebt es
sich , dass in den an Turmalinen reichen Drusen neben trape-
zoedrischen Quarzen solche von einfachster Form viel häu-
figer sind, ja dass mit Turmalin verwachsene und sicher mit
ihm gleichaltrige Quarze die erwähnten Trapezflächen nur in
vereinzelten Fällen aufweisen.
Bei geringem Zusammenhang grosser Quarze mit den
Wandungen der Gangspalten konnten sich dieselben durch
fortgesetztes Wachsthum und damit verbundene Gewichts-
zunahme, oder in Folge von Erschütterungen, welchen das
Nebengestein ausgesetzt war, loslösen, herabstürzen, zu Frag-
menten zersplittern und ein loses Haufwerk auf dem Boden
der Weitungen bilden. Dann stellt sich die Erscheinung ein,
dass die Bruchflächen der von den Wandungen herabgestürzten
Krystalle sich mit Neubildungen von Quarz bedecken, welche
sich auf jeden kleinen Vorsprung des muscheligen Bruches
ansiedeln, dabei jedoch sowohl untereinander wie zu dem
Hauptkrystall eine parallele Axenstellung einnehmen und augen-
scheinlich bestrebt sind, das fehlende Krystallende zu ersetzen.
Die verstümmelten , ja oft zu dünnen Scherben zersplitterten
Quarze suchen demnach ihre Verletzung auszugleichen und
eine ,öormale, geschlossene Krystallgestalt wieder zu gewinnen.
Nicht selten sind Drusenquarze bei ihrem Wachsthum an
irgend eine ihnen entgegen tretende Krystallfläche gestossen
und haben dann eine abnormale, z. B. „basische" Endfläche
ausgebildet. Erfolgte nach Zersetzung dieses Hemmnisses ein
Fortwachsen des Quarzes in der Richtung der Hauptaxe und
wiederholen sich diese Ereignisse , so entstand ein treppen-
fö'rmiger Aufbau aus lauter aufeinander gesetzten kurzen
Prismen.
Perthitartig verwachsene Feldspäthe. Die frei-
lich erst mit Benutzung des Mikroskops nachweisbare Erschei-
nung, dass zarte zwillingsstreifige Lamellen und Schmitzen von
Albit zwischen stärkeren Lamellen von Orthoklas in ortho-
14*
212
pinakoidischer Lage eingeschaltet sind, ist in den granitischen
Gängen des Granulitgebirges sehr gewöhnlich. Nicht selten
stellen sich zugleich zarte Albitlamellen in klinopinakoidischer
oder prismatischer Lage ein, so dass eine unregelmässig bienen-
wabenähnliche Durchwachsung des Orthoklases mit Albit hervor-
gebracht wird, welche im Querschnitt natürlich in Form einer
netz - oder leiterähnlichen Zeichnung erscheint. Diese die
Krystallgestalt des Orthoklases besitzende Association von
Orthoklas und Albit kann in Folge der Gegenwart des letzt-
genannten Feldspaths einen Natrongehalt von 4 pCt. auf-
weisen. Durch Auslaugung und Umsiedelung des Albits wer-
den sehr interessante Erscheinungen hervorgerufen. Jedoch
sind dergleichen perthitartige Verwachsungen von Orthoklas
und Albit innerhalb des Granulitgebirges auf die Gangspalten
beschränkt , während die natronhaltigen Kalifeldspäthe des
Nebengesteins keine-Spur lamellarer Zusammensetzung zeigen,
sondern isomorphe Mischungen sind. Erst bei Auslaugung
der Feldspathsubstanz aus dem Nebengestein kann eine Spal-
tung und Individualisirung des Natronfeldspaths und des Kali-
feldspaths und bei gleichzeitiger Wiederausscheidung eine gegen-
seitige Durchwachsung eintreten.
Zirkon war bisher in den Gängen des Granulitgebirges
noch nicht bekannt. An einzelnen Kryställehen des neuen
Vorkommnisses ist die vorwiegende Entwicklung der ditetra-
gonalen Pyramide bemerkenswerth.
Schwarze Turmali ne bilden einen Hauptbestandteil
vieler Gänge, neben ihnen spielen jedoch auch solche von
dunkellauchgrüner , lichtsmaragdgrüner , blassölgrüner , car-
moisinrother , intensiv- oder lichtrosarother und weingelber
Farbe eine wichtige Rolle. Auch mehrfarbige Krystalle sind
von dem nämlichen Fundpunkte bekannt. Rosaturmaline mit
wenigstens einseitiger Endausbildung können fast ohne Bethei-
ligung eines anderen Minerals zu einem grobkrystallinischeu
Aggregat zusammentreten. In einem der granitischen Gänge
ist die Mehrzahl der das Gestein durchschiessenden Turmaline
mit Quarz oder Orthoklas und Quarz zu Kernkrystallen und
zwar z. Th. solchen von complicirterem Aufbau verwachsen.
Viele der Kaliglimmer und manche der Lithion-
gl immer zeichnen sich, ganz ähnlich wie die uralischen
Muskowite , durch ihre Federstreifung aus , welche als trelf-
liches Mittel zu krystallographischer Orientirung besondere
Aufmerksamkeit verdient.
Gewisse Hornblenden nähern sich durch ihren Gehalt an
Natron und Kali dem Arfvedsonit, gewisse Titanite durch
ihren Gehalt an Ytter - und Thonerde dem Yttrotitanit;
beide sind vergesellschaftet mit Zirkon, Apatit und Orthit und
erinnern dadurch lebhaft an nordische Mineralcombinationen.
IV. Gewisse der oben aufgezählten Gangmine-
ralien sind Pseudomorpho sen oder anderweitiger
secundärer Entstehung:
Die Albitkrystalle innerhalb der Drusenräume ver-
danken ihren Ursprung der Auslaugung des Natronfeldspaths
aus dem perthitartigen Orthoklas , in welchem derselbe zarte,
flachwellige Schmitzen und Lamellen bildete. Die ersten Sta-
dien dieser Albitextraction offenbaren sich in einer dem Ortho-
pinakoide parallelen Streifung und dann allmälig immer tiefer
und tiefer werdenden Furchung der Krystallflächen des perthi-
tischen Orthoklases. In Folge fortgesetzter Vertiefung dieser
Furchen verfällt letzterer einer lamellaren Zersetzung , welche
noch dadurch beschleunigt wird, dass die stehenbleibenden
Orthoklaslamellen den zersetzenden Einflüssen mehr Angriffs-
punkte bieten wie bisher. Derartige auf oP horizontal, auf
den Flächen des Prismas und Klinopinakoides vertikal gereifte
und gefurchte Orthoklase sind innerhalb der granitischen
Gänge des Granulitgebiets sehr häufig. Bei Carlsbader, ßa-
venöer und nach o P verwachsenen Zwillingen giebt die gesetz-
mässig verlaufende Furchung der Flächen zu ebenso zierlichen,
wie interessanten Oberflächenerscheinungen Veranlassung. Die
aus dem perthitartigen Feldspath extrahirte Albitsubstanz sie-
delt sich in anfänglich kleinen, allmälig wachsenden Krystallen
und Krystallincrustaten entweder auf der Oberfläche, am Fusse
oder in der weiteren Umgebung des Mutterminerals, in ersterem
Falle in paralleler Stellung zu diesem an.
Ein Theil des Kaliglimmers ist aus der Zersetzung
des Orthoklases hervorgegangen und bildet dann auf der Ober-
fläche oder in der Nähe der in Zersetzung begriffenen Feld-
späthe radialschuppige oder rosettenförmige Gruppen , — auf
den Spaltungs- und Kluftflächen oft nur hauchartige, z. Th.
aber auch derbere Ueberzüge von zarten Schüppchen, innerhalb
der mürben Feldspathsubstanz silberglänzende Punkte, in Rissen
216
anschiessenden Mineralien dadurch, dass sie sich gegenseitig
in ihrer normalen Ausdehnung in die Breite hinderten, zu
unverhältnissmässiger Entwicklung in die Länge, also zu sten-
geligen Formen. Dieselben müssen bei fortdauernder Zufuhr
der mineralischen Losung in der Mitte gegen einander stossen
und bilden dann hier, ohne miteinander zu verwachsen, eine
centrale Naht (also stengelige Structur mit centraler Naht).
Zuweilen aber hörte der Zufluss der Lösung auf, ehe die von
beiden Salbändern aus aufeinander zu wachsenden Mineral-
individuen zu gegenseitiger Berührung gelangten und lassen
dann eine von den Krystallenden der granitischen Bestand-
teile gebildete Drusenspalte offen, — oder es ändert sich
die substantielle Beschaffenheit der Mineralsolution, dann wird
die centrale Drusenspalte von einer anders beschaffenen Mineral-
masse ausgefüllt, in welche die Krystallenden der bisherigen
Centraidruse hineinragen, es entsteht die geschlossene Druseu-
structur (z. B. Fig. 12 u. 24). Die symmetrisch-lageuförmige
Structur ist nichts Anderes, als eine der Unterlage der sich
ausscheidenden Bestandteile parallele, in diesem Falle geneigte
oder vertikale Schichtung und für Gänge das nämliche Krite-
rium wässerigen Absatzes, wie für die sedimentären Schichten-
reihen. Jede Lage entspricht einer periodischen Zuströmung
von mineralischer Lösung, jeder Wechsel in der Structur und
in den Gemengtheilen dieser Lagen einer Aenderung der zu-
fliessenden Lösung. Nur als eine Modification der symme-
trischen ist die concentrisch-lagenförmige Structur aufzufassen;
— es ist überall das Nebengestein, auf welchem die Gang-
mineralien anschössen , mochte dasselbe nun seine ebenen
Spaltenwandungen oder in den Spaltenraum hineinragende,
sich später losziehende Ecken als Basis für die Krystallbildung
bieten. Hierbei bethätigt sich zuweilen die nämliche Erschei-
nung, die wir an verletzten künstlichen Krystallen wahrnehmen,
nämlich die energische Tendenz, die erlittene Verletzung aus-
zuheilen und deshalb an der betreffenden Stelle besonders reich-
lich Masse anzuhäufen. Innerhalb unserer Gangspalten wieder-
holt sich dieser Vorgang in der Gestalt, dass die von den
Spalten geschnittenen Glimmerblättchen als Ausgangspunkte
für eine neue Glimmerbildung dienten , also nach langem Zu-
stande der Ruhe in den aufgerissenen , mit mineralischen Lö-
sungen angefüllten Spaltenraum hinein fortzuwachsen begannen.
217
Aehnlich wie die erwähnten, nur an den Salbändern mit
einer granitischen Krystallkruste bedeckten Spalten , reprä-
sentiren sowohl die zahlreichen mit kleineren oder grösseren
Mediandrusen versehenen, wie jene zellig-drusigen Gänge eine
noch nicht abgeschlossene, mehr oder weniger unfertige Gang-
bildung. Jede dieser Krystalldrusen stellt die Wachsthums-
fläche einer Granitpartie vor, — ihre Krystalle sind nichts als
die noch freien , vorgeschobenen Enden der weiter hinten zu
granitischem Aggregat verbundenen Gesteinsbestandtheile , sie
sind nichts als die granitischen Keime, welche in die nährende
Mineralsolution der Drusen - und Spaltenräume eindringen.
Werden letztere in Folge des nach Innen vorschreitenden
Wachsthums so eng, dass die am weitesten vorgeschobenen
Krystalle auf solche der gegenüber liegenden Seite stossen,
so werden sie in ihrem Fortwachsen gehindert und erhalten
abnormale Endausbildung, so z. B. die Quarze ,, basische'4 oder
schräge Endflächen. Die sämmtlichen , oben aufgeführten
Structurformen der granitischen Gänge weisen demnach darauf
hin, dass letztere nur als Producte einer allmäligen, von den
Spaltenwandungen aus vor sich gehenden Ausscheidung aus
wässeriger Lösung betrachtet werden können.
2) Reste dieser letzteren sind uns in Form zahlloser
Flüssigkeitseinschlüsse innerhalb der Bestandtheile der gra-
nitischen Gänge überliefert worden. Der nicht unübliche Schluss:
„der Granit ist reich an Flüssigkeitseinschlüssen, folglich sind
bei seiner E r u p ti on Wasserdämpfe oder überhitzte Wasser be-
theiligt gewesen", dieser Schluss ist durchaus ungerechtfertigt,
so lange nicht auch Reste des Schmelzflusses, also Glaseier
und glasige Zwischendrängungsmasse nachgewiesen werden,
was bis jetzt noch nicht der Fall gewesen ist. Für unsere
Gange lässt sich nur die Gegenwart von Wasser bei deren
Entstehung beweisen.
3) Zugleich aber ist durch anderweitige Einzelvorkommen
von fast sämmtlichen Bestandtheilen der granitischen Gänge
des sächsischen Granulitgebirges constatirt , dass sie sich in
der That aus wässerigen Lösungen auszuscheiden im Stande
sind, — haben sich doch z. B. die Porphyrgerölle des Kohlen-
conglomerats von Euba mit einer Kruste der Hauptbestand-
teile des Granits, also von Orthoklas, Quarz und etwas
Glimmer bedeckt.
218
IX. Das mineralische Material unserer grani-
tischen Gänge stammt nicht von aus der Teufe
e inp o r d r ing en d en , vielleicht sogar heissen Mi-
neralquellen, sondern von partieller Zersetzung
und Auslau gung des Nebengesteins durch sich all-
mälig zu Min eral solutio n umgestaltende Sicker-
"wasser; und zwar aus folgenden Gründen:
1) Viele der granitischen Gänge keilen sich nach unten,
oder wenn sie schwebende Lage besitzen , beiderseitig aus,
stehen also mit Quellcanälen in keiner Verbindung.
2) Viele der granitischen Gänge (z. B. Fig. 26) schmiegen
sich an die Verwitterungsformen ihres Nebengesteins an, neh-
men also Räume ein, deren Entstehung mit der theilweisen
Zerstörung des Nebengesteins verknüpft war.
3) Einzelne der beschriebenen Gänge sind grossartige
Wiederholungen der an den individuellen Bestandtheilen des
Nebengesteins vor sich gehenden Pseudomorphosen. So wan-
deln sich die Cordieritkörner des Cordieritgneisses von Lun-
zenau durch Aufnahme des von der Zersetzung des Orthoklases
herrührenden kieselsauren Kalis in Kaliglimmer um, wobei
gleichzeitig Eisenoxydhydrat und Kieselsäure ausgeschieden
werden und Magnesiacarbonat entführt wird. Wie an Stelle
der durch Zersetzung theilweise entfernten Orthoklas - und
Cordieritindividuen , so haben sich die Producte des pseudo-
morphosirenden Processes auch in den das Gestein durch-
ziehenden Spalten angesiedelt und bilden jetzt Gänge von Kali-
glimmer, Quarz und Eisenoxyd. Ferner wissen wir, dass aus
natronhaltigem Orthoklas albitische Substanz ausgelaugt, der
übrig bleibende reine Kalifeldspath aber in Kaliglimmer und
Quarz umgewandelt werden kann. Die aus dieser Metamor-
phosirung resultirenden Mineralsubstanzen können aber auch
eine etwas grössere Ortsveränderung vornehmen, Spaltenräu-
men zugeführt werden, diese allmälig ausfüllen und zu Gängen
von Albit, Kaliglimmer und Quarz umgestalten.
4) Jede als selbstständiges Glied des Granulitgebirges
auftretende Gesteinsart hat im Allgemeinen ihre besonderen
Gangformationen :
der normale und glimmerführende Granulit: echte
Granit- und Pegmatitgänge, sowie Quarzgänge mit Ortho-
klaseinsprenglingen ;
219
der Augitschiefer: an Magnesiaglimmer und Oligoklas
sehr reichen Granit;
der Eklogit: Epidot, Titanit, Zirkon haltigen Syenit-
granit;
der Hornblendeschiefer: Epidot, Granat, Kalkspath-
gänge;
der Cordieritgneiss : Quarz, Kaliglimmer, Turmalin-
gänge ;
der Glimmerschiefer: Quarzgänge.
Ausnahmen sind selten und lassen sich meist auf eine
locale Ursache zurückführen. Dahingegen ist nicht ein ein-
ziger Fall beobachtet worden , wo Gänge einer Mineralcombi-
nation von solchen einer anderen durchsetzt werden.
5) Der mineralische Inhalt der Gangspalten steht in
einem gewissen Abhängigkeitsverhältniss zu der chemischen
Zusammensetzung des Nebengesteins:
Der Kalireichthum , der geringere Natrongehalt , die
Magnesia- und Kalkarmuth des Granulits finden darin ihren
Ausdruck, dass die Hauptbestandtheile der in ihnen auf-
setzenden Gänge Kalifeldspath und Kaliglimmer sind, während
Natronfeldspath und 2 bis 4 pCt. Natron haltiger Perthit, in
vielen Fällen auch Magnesiaglimmer, zurücktreten und endlich
Kalkmineralien wie Hornblende und Epidot gar nicht, andere
wie Granat und Kalkspath nur in seltenen und geringfügigen
Mengen vorkommen.
Dahingegen sind die Plagioklas- Augitschiefer verhältniss-
mässig reich an Natron, sehr reich an Magnesia, aber arm
an Kali, deshalb enthalten auch die in ihnen aufsetzenden
Gänge im Gegensatz zu denen des Granulits sehr viel Magnesia-
glimmer, viel Plagioklas, weit weniger Orthoklas und gar keinen
Kaliglimmer.
Ferner beträgt bei den Eklogiten der Gehalt an Magnesia
7 bis 8 pCt. , an Kalk 10 bis 13 pCt. und ebensoviel der-
jenige an Eisenoxyden, deshalb führen seine Gänge die Kalk-
Eisen-Mineralien Hornblende, Epidot, Granat und Titanit.
In ähnlicher Weise wiederholt sich der Reichthum der
Hornblendeschiefer an Kalkerde und Eisenoxyden in den
eisenkiesführenden Epidot, Granat, Hornblende, Kalkspath,
Titanit-Trümern, welche dieselben durchziehen.
Aus dem Obigen (sub VIII. und IX.) ergiebt sich , dass
220
die granitischen Gänge des sächsischen Granulitgebirges Aus-
scheidungen aus wässerigen, dem Nebengestein entstammenden
Mineralsolutionen sind, — ein Resultat, auf welches der
etwaige Nachweis, dass irgend eine andere Gruppe von Granit-
gängen eruptiver Entstehung ist, nicht den geringsten Einfluss
ausüben wird; lag es doch auch uns fern, die aus Beobach-
tungen im Granulitgebirge gezogenen Schlussfolgerungen auf
die Genesis der gesammten Granite zu verallgemeinern.
Erklärung der Abbildungen.
Tafel VII.
Profile g raniti sch e r G änge.
Fig. 1. Von der Spaltenwandung losgebrochene Fragmente des
Nebengesteins in der Gangmasse. Seite 124.
Fig. 2 u. 3. Keilförmig in die ursprüngliche Gangspalte ragende
Partieen (a) des Nebengesteins sind losgebrochen und von Gangmasse
allseitig umschlossen. Seite 124.
Fig. 4. Das Hangende c des Trumes b ist gerutscht, wodurch
Gang a an Mächtigkeit gewonnen hat. Oberhalb Rochsburg. Seite 125.
Fig. 5. Die Schichtenenden des Hangenden einer Gangspalte sind
nach oben, diejenigen des Liegenden nach unten geschleift. Oberhalb
Rochsburg. Seite 124.
Fig. 6. Ein Feldspath führender Quarzgang wird von einem gra-
nitischen Gange durchsetzt und verworfen. Striegis Thal, Etzdorfer
Mühle. Seite 126.
Fig. 7. Ein granitischer Gang in seiner mittleren Mächtigkeit aus
einem echten granitischen glimmerreichen Aggregat bestehend, in den
beiderseitigen Zonen ohne Glimmer. Spinnerei Amerika. Seite 137.
Fig. 8. Granitischer Gang mit centraler Verwachsungsnaht von den
Salbändern parallel liegenden Magnesiaglimmer- Tafeln. Unterhalb Penig.
Seite 135.
Fig. 9. Granitischer Gang mit stengeliger Structur und Centrainaht
Beiderseitig Schriftgranit, dessen Stengel rechtwinklig auf den Salbändern
stehen, in der Centrainaht Kaliglimmer -Tafeln und Turmalin - Säulen.
Carl's Eiche unterhalb Penig. Seite 135.
Fig. 10. Krümmung der hangenden Schichten eines Granittrumes
nach oben, der liegenden nach unten, combiniit mit Verwerfung; be-
221
sonders deutlich durch die Wechsellagerung glimmerfreier und glimmer-
reicher Schichten. Lauenhainer Mühle. Seite 125.
Fig. 11. Granitischer Gang mit seitlichen Zonen von vorwaltendem
röthlichen Feldspath und Centraizone von weissem Quarz mit schwarzem
Turmalin. 15 Cm. mächtig. Gegenüber dem Rochsburger Schloss.
Seite 141.
Fig. 12. Granitischer Gang mit symmetrisch-lagenförmiger und zwar
geschlossen-drusenförmiger Structur. 2 Cm. mächtig. Unterhalb Wolken-
burg. Seite 140.
Fig. 13. Granitischer Gang mit beiderseitiger Zone von dunkel-
fleischfarbige in, von Quarz durchwachsenem Orthoklas. In der Centraizone
Nester von schneeweissem Quarz und schwarzem Turmalin. 20 Cm.
mächtig. Rochsburger Schlosspark. Seite 141.
Fig. 14. Granitischer Gang mit stengeliger Structur. Lamellen von
Magnesiaglimmer sind auf den beiderseitigen Spaltenwandungen ange-
schossen und begegnen sich in der Centraizone. Chemnitzthal unterhalb
Diethensdorf. Seite 133.
Fig. 15. Granitischer Gang. Die Lamellen des Gangglimmers bil-
den die Fortsetzung der von der Gangspalte geschnittenen Glimmer-
schuppen des Nebengesteins. Bei Wolkenburg. Seite 133.
Fig. 16. Gang mit beiderseitiger granitiscber Zone , die breite
Centraizone aus Quarz mit strahlig - büscheligem Turmalin. 18 Cm.
mächtig. Oberhalb Göhrener Viaduct. Seite 141.
Fig. 17. Aehnlicher Gang, nur mit seitlichen Zonen von lichtgelb-
lichem Orthoklas und Quarz. Unterhalb Wolkenburg. Seite 141.
Fig.. 18. Granitischer Gang ebenfalls mit symmetrisch-lagenförmiger
Structur, und zwar mit seitlichen Zonen von vorwaltendem Orthoklas,
Quarz und viel quergestellten Glimmertafeln. Die centrale Zone reiner
Quarz. 4 Cm. mächtig. Unterhalb Wolkenburg. Seite 140.
Fig. 19. Granitischer Gang mit symmetrisch-lagenförmiger Structur
und zwar Zone a = stengeliger Feldspath und Quarz , quer auf Sal-
band gestellt;- b = feinkörniger Granit mit viel schwarzem Glimmer;
c = a; d = b; e = breite Centraizone mit grossen röthlichen Ortho-
klasen, weissem Quarz, schwarzem Turmalin, sehr grobkrystallinisch, in
der Medianebene mit spaltenförmigem Drusenraum. 20 Cm. mächtig.
Rochsburger Schlossberg. Seite 141.
Fig. 20. Granitischer Gang mit lagen förmiger Structur und zwar
beiderseitiger Zone a — hellrother stengeliger Orthoklas mit wenig Quarz;
b = röthlicher Feldspath, Quarz, grünlicher Glimmer grobkörnig aggre-
girt; c = Schriftgranit nach innen zu strahlig: d = Centraizone mit
weissem Glimmer, Quarz, schwarzem Turmalin, röthlichem Orthoklas ; in
der Medianebene mit spaltenförmigen Drusenräumen. Diese mit „ge-
sägtem" Quarz und grossen Glimmertafeln. 15 Cm. mächtig. Oberhalb
Markersdorf. Seite 141.
Fig. 21. Granitischer Gang am Bahnhofe zu Wittgensdorf mit
symmetrisch-lagenförmiger Structur und zwar siebenfacher Zonenbildung.
45 Cm. mächtig. Seite 137.
222
Fig. 22. Cocardenartige Gangstructur ; a — Granulitfragment . um-
geben zunächst von einer Zone stengeligen Granits, dessen Glimmer-
blättchen quer auf der Oberfläche der Granulitbruehstücke stehen. Witt-
gensdorf bei Burgstaedt. Seite 143.
Fig. 23. Gang von Turmalingranit bei Wolkenburg. 2 Meter
mächtig. Beiderseitig mit schwarzen Turmali nsäulen, welche sich nach
der Mitte zu radialstrahlig gruppiren. In der schmalen Centraizone mit
Nestern von Lepidolith und bunten, namentlich rosenfarbigen
Turmalinen. Seite 186.
Fig. 24. Granitischer Gang im Muldethal unterhalb Amerika. 45 bis
50 Cm. mächtig, mit symmetrisch-lagenförmiger Structur und zwar elf-
facher Zonenbildung. Seite 138.
Fig. 25. Pegmatitgang oberhalb Rochsburg. 1,3 M. mächtig, mit
combinirt symmetrisch-lagenförmiger und strahlig -stengeliger Structur.
a — Schriftgranit ; b = röthlicher Orthoklas mit Andalusitbüscheln,
c = weisser Quarz. Seite 177.
Fig. 26. Granitische, sehr glimmerreiche Gangsecretionen im block-
artig verwitterten Augitschiefer von Schweizerthal. Seite 197.
Fig. 27. Trümer von Zirkon und Titanit führendem Syenitgranit
im zersetzten Eklogit hinter der „Erholung" bei Waldheim. Seite 203.
Fig. 28 a und b. Querschnitte durch Kernkrystalle von schwarzem
Turmalin und weissem Quarz, aus dem Turmalingranitgang bei Wolken-
burg. Seite 183.
Fig. 29. Schematische Darstellung zweier Quarze mit treppenför-
migem Aufbau. Aus einem Quarz - Orthoklas - Gang bei Rochsburg.
Seite 115.
223
Inhalt.
Seite.
Einleitende Bemerkung 104
1. Gänge von Quarz, Kaliglimmer und Turmalin im Cordierit-
gneiss von Lunzenau 104
2. Gänge von Quarz mit Orthoklas 113
3. Gänge von Albit, Kaliglimmer und Quarz im Granulit . . 120
4. Granitische Gänge im Granulit 122
5. Gänge von Pegmatit 157
6. Gang von Turmalingranit mit bunten Turmalinen .... 180
7. Granitische Gangausscheidungen im Augitschiefer von
Schweizerthal 194
8. Gänge von zirkonführendem Syenitgranit im Eklogit von
Waldheim 202
9. Granat und Epidot führende Quarz - Eeldspath - Trümer im
Hornblendeschiefer von Thierbach 207
Gedrängter Rückblick . . . . • 209
Erklärung der Tafel VII 220
224
B. Briefliche Mitteilungen.
1. Herr F. Hilgendorf an Herrn E, von Martens.
Toiko (Japan), den 23. November 1874.
Aus einer Aprilnummer des Naturforschers ersehe ich
etwas spät, dass Herr Prof. F. Sandberger in den Verhand-
lungen der physik. - medic. Gesellschaft zu Würzburg N. F.
Bd. 5 eine Revision meiner Untersuchungen über den Planorbis
mulliformis von Steinheim, die er an Ort und Stelle unternahm,
veröffentlicht hat, und dass er zu ganz anderen Ansichten als
den von mir ausgesprochenen gelangt ist. Zu einem gleichen
Resultat, theilt er mit, sei auch Herr Prof. Hyatt in Boston
gekommen und die Herren Professoren Leydig und Weissmann
hätten sich durch das von ihm gesammelte Material von der
Unnahbarkeit meiner Ansichten überzeugt. Der Hauptdifferenz-
punkt ist offenbar, ob die einzelnen von mir beschriebenen
Formen nach Schichten gesondert sind oder nicht, insbesondere,
ob schon in den Discoideus - Schichten PL multif. trocM/orrnis
zu finden ist, oder mit anderen Worten, ob es wirkliche Dis-
coideus-Schichten giebt. Herr Sandberger hat beide Varietäten
stets vermischt gefunden und leugnet eine Scheidung der
Schichten nach diesen Varietäten mit grosser Entschiedenheit.
Wie in meiner Abhandlung (Monatsber d. königl. preuss.
Akad. d. Wiss. 1866 pag. 480) zu lesen , habe ich in einem
einzigen Profil 27 deutlich unterschiedene Lagen in einer
Gesammtstärke von 10', im einzelnen von 1" bis 42" stark,
beobachtet und über ihre petrographischen Verhältnisse und
ihre Mächtigkeit genauere Angaben gemacht. In allen diesen
27 Schichten habe ich nie einen einzigen PL multif. trochiformis
gefunden , trotzdem dass ich die Wichtigkeit dieses Punktes
225
von vornherein erkannt und ihn von Anfang an im Auge ge-
habt habe. Ein Irrthum hierin oder ein Uebersehen ist bei
der leichten Unterscheidbarkeit und der Grösse der betreifenden
Formen undenkbar. Auch die Lagerung war durch die zwischen
die Sandschichten geschobenen Kalkbänke völlig klar. Da ich
nun etwa 2 Monate in den Sandgruben gesteckt habe und fast
Tag für Tag diese Schichten, die durch das stetige Wegführen
des Sandes immer erneute Profil - Oberflächen zeigten, beob-
achten konnte , so habe ich viele tausend Exemplare des PI.
multif. discoideus darin in situ gesehen und auch Tausende in
sorgfältiger Weise für spätere Beobachtung gesammelt, jedoch
nie darunter ein einziges Stück der kegelförmigen Varietät
angetroffen. Die zweite Grube am östlichen Abhänge lieferte
einen ganz gleichen Befund. In jeder Sulcatus - Schicht oder
in einer Tenuis-Schicht fehlte der trochiformis ebenfalls absolut.
Es könnte mir daher ebenfalls ganz unbegreiflich sein , wie
Herr Sandberger finden kann, dass in den tiefsten Bänken
schon alle (?) Formen meiner Hauptreihe nebeneinander
liegen. Wie es scheint, hat Herr Sandberger auch keine
Oxvstomus - Lage , d. h. eine ausschliesslich oder doch fast
ausschliesslich mit oxystomus gefüllte Schicht ohne irgendwie
wesentliche Beimischung von trochiformis oder discoideus sehen
können, und auch die Tenuis - Zone ist ihm unbekannt ge-
blieben.
Was folgt nun aus diesen Widersprüchen? Ich denke
einfach das, dass Herr Sandberger ein anderes Material unter-
sucht hat, als ich. Und dies ist mir auch von vornherein
höchst wahrscheinlich. Ich selbst habe während meiner Ar-
beiten den Verlust verschiedener Schichten zu beklagen gehabt;
so z. B. war die Schicht mit dem PI, multif. denudatus schon
zu meiner Zeit völlig verschwunden. Eine einzige Düte Sand
hatte mir 1862 wenigstens 20 Stücke dieser Form geliefert,
die einzigen Exemplare die ich erhalten habe; später habe
ich trotz wochenlanger Bemühung nie ein einziges Stück wie-
der erlangen können. — Die ganze Ablagerung ist wenig aus-
gedehnt; dabei bezieht nicht nur Steinheim, sondern die ganze
Umgegend ihren Sand zum Mauern und zu anderem Bedarf
von der berühmten Fundstelle. Seit 10 Jahren dürfte sich
daher sehr viel geändert haben. Meiner Ansicht nach, so viel
ich vorläufig beurtheilen kann, hat Herr Sandberger nur noch
Zeits. d.D. geol. Ges. XXVII. 1. 15
226
Trochiformis - Schichten und die von mir (pag. 496) geschil-
derte „Schutt-Schicht", eine secundäre Bildung, oder vielleicht
gar nur die letzte allein, einer Untersuchung unterwerfen kön-
nen oder doch unterworfen. Dann würden unsere Angaben
ganz in Uebereinstimmung sein.
Ich muss allerdings gestehen, dass diese Lösung der
Disharmonie eine so einfache ist, dass sie auch von den
Herren Sandberger und Hyatt hätte gefunden werden können ;
ich werde daher auf jeden Fall, wenn ich nach Deutschland
zurückgekehrt bin, durch eine erneute Untersuchung in Stein-
heim selbst eine Aufklärung zu geben mich bemühen. In-
zwischen verweise ich auf eine Stelle in meines Freundes, des
Herrn Prof. Fraas, Werk „Vor der Sündfluth", wo er mit-
theilt, dass er (unabhängig von mir) die Sonderung der Formen
nach Tiefezonen gleichfalls aufgefunden. Ausserdem müssen
sich in verschiedenen Sammlungen Proben der Kalkplatten mit
PI, multif. discoideus befinden, sowie die thonigen Platten mit
Fischen, die häufig der Sulcatus - Zone entstammen. Daran
wird sich jeder Zweifler leicht von der Richtigkeit meiner
Angabe , dass es Sichten ohne trochiformis giebt , überzeugen
können. Auch das von mir im Berliner königl. Petrefacten-
Cabinet niedergelegte Material muss für den fraglichen Punkt
ziemlich beweisend sein.
Entsprechend würde sich dann wohl auch die Stelle des
Herrn Sandberger erledigen : „Es ist mir daher unbegreiflich,
wie Hilgendorf aus solchem (d. h. dem von Sandb. gesam-
melten) Materiale eine aus angeblich aufeinander folgenden
Formen bestehende Entwickelungsreihe mit seitlichen Ausläufern
hat construiren können. tt Ich habe eben nicht „solches" Ma-
terial gehabt.
Die anderen Süsswasserschnecken anlangend, so habe ich
über die Limnaeen ausführlicher berichtet (Sitzungsber. d.
Ges. naturf. Freunde, Berlin, 16. April 1867). Es findet sich
keine ähnliche ausgesprochene Entwickelung im Laufe, der Zeit
wie bei dem Planorbis; dagegen wird sich aus meinem Ma-
terial für die sogen. Paludina globulus vielleicht der Nachweis
einer derartigen Umgestaltung führen lassen. Ich habe zu
dieser Untersuchung sowie zu der der mikroskopischen Krebs-
schalen noch nicht Zeit gefunden, und vielleicht wird es durch
die unglücklichen Verhältnisse der Steinheimer Grube un-
227
möglich gemacht werden, je diese wichtige Ergänzung zu
meinen Untersuchungen zu liefern. Daruber, dass die Er-
forschung der letztgenannten beiden Thierreste dringend wüu-
schenswerth , habe ich mich Herrn J. Barrande gegenüber in
einem Briefe (März 1872) ausgesprochen. — Der Grundriss
der Grube, wie ich ihn seiner Zeit aufgezeichnet, muss sich
unter meinen Papieren in Deutschland noch vorfinden, und er
wird leicht die Stärke der Veränderungen , die in Steinheim
eingetreten sind, beweisen.
Dem Interesse und dem anerkennenden Urtheil gegenüber,
welche meine Arbeit bei namhaften Gelehrten , Quenstedt,
Schleiden, Haeckel, C. Vogt (Lehrb. d. Geologie u. Petre-
factenkunde) , Leydig, Weissmann und den Herren Gelehrten,
die mich in Berlin bei der Bearbeitung in freundlichster Weise
unterstützten, Beyrich, Braun, v. Martens, gefunden hat,
glaube ich die Versicherung schuldig zu sein, dass von einem
Irrthume meinerseits, wie er vielleicht aus dem Widerspruche
Sandberger's gefolgert werden könnte, nicht die Rede sein
kann. Wo in den Lagerungsverhältnissen oder in der Voll-
ständigkeit der Uebergangsreihen ein Zweifel obwalten konnte,
da ist dies in genügender Weise von mir selbst zum Ausdruck
gekommen.
2. Herr Gotische an Herrn Beyrich.
Würzburg, den 15. Februar t875.
Erlauben Sie mir , Ihnen kurz über ein Tertiärgeschiebe
zu berichten, welches durch das Niveau, dem es angehört,
interessant sein dürfte. Dasselbe stammt aus einer Kiesgrube
von Eimsbüttel bei Hamburg, befindet sich in Folge dessen
im Besitze des Hamburger naturw. Museums und ist ein san-
diger Kalkstein, der ganz von den Steinkernen einer Paludina
erfüllt ist, in welcher ich, da die Abdrücke scharf genug wa-
ren , um Guttaperchaabgüsse davon zu machen , durch Ver-
gleichung mit englischen Originalen, welche Herr Sandbreger
mir freundlichst zur Verfügung stellte, mit Bestimmtheit die
echte Paludina lenta Brand sp. (Sandb., „Land - u. Süssw.-
Conch." pag 267. t. 15. f. 11.) erkannte. Ueberdies enthält
15*
228
dasselbe noch Melanopsis carinata Sow. (Sandb. pag. 315. t. 20.
f. 10. u. t. 14. f. 19.), Planorbis euomphalus Sow. (Sanbd. p. 262.
t. 15. f. 22.) , Limnaeus sp. äff. longiscatus und Unio Solandri
Sow. (Sandb. pag. 262. t. 15. f. 3.). Abgesehen von der Me-
lanopsis , welche ins Mitteloligocän hinaufreicht , und von dem
Limnaeus, der keine sichere Bestimmung zuliess, sind die drei
übrigen Petrefacten auf die Headon-series beschrankt, Unio
Solandri sogar auf die untere Abtheilung derselben , während
Planorbis euomphalus und Paludina lenta zwar in allen Niveau's
der Headon-series vorkommen, aber in den direct darauf fol-
genden Osborne-Schichten bereits durch andere Formen ersetzt
sind; denn was bisher — selbst in den „Land- und Süss-
wasser-Conchylien" — als Pal. lenta von Bembridge, Hemp-
stead und anderen mittel oligocänen Localitäten figurirte, ist
nach Sandberger's mündlicher Mittheilung = splendida Lüdw.
Ich stehe deswegen nicht an, dies Geschiebe mit den bra-
kischen Headon-series zu parallelisiren, welche, trotz der merk-
würdigen Uebereinstimmung in der Fauna der middle Headon-
series von Brockenhurst und des belgisch - deutsehen Unter-
oligocäns, welche von Koenen im Quart. Journ. 1864 pag. 97
bis 102 und später in Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. 1867
pag. 29 nachwies, von Sadnbreger, gestützt auf die Lagerungs-
verhältnisse, noch zum Obereocän gerechnet werden. Sei dem
nun wie ihm wolle, viel wichtiger scheint mir, dass dies Ge-
schiebe eine Schicht repräsentirt , welche wir bisher in Nord-
deutschland nicht anstehend kennen. Da sich indessen alle
übrigen Tertiärgeschiebe unseres Diluviums auf ein Ursprungs-
gebiet innerhalb der norddeutschen Ebene zurückführen lassen,
und da ein Transport aus Westen , wie er für unsere basal-
tischen Geschiebe wohl angenommen werden muss, bei einem
so leicht zerreiblichen Gestein sehr unwahrscheinlich ist, ist
vielleicht die Hoffnung nicht unberechtigt, dass wir auch diese
Schicht noch irgendwo in Norddeutschland auffinden.
229
C. Verhandlungen der Gesellschaft.
1. Protokoll der Januar- Sitzung.
Verhandelt Berlin, den 6. Januar 1875.
Vorsitzender: Herr Beyrich.
Das Protokoll der December - Sitzung wurde vorgelesen
und genehmigt.
Der Vorsitzende legte die für die Bibliothek der Gesell-
schaft eingegangenen Schriften vor.
Mit dem Bemerken, dass mit der heutigen Sitzung ein
neues Geschäftsjahr beginne, forderte der Vorsitzende unter
Abstattung eines Dankes für das dem Vorstandes von der Ge-
sellschaft geschenkte Vertrauen zur Neuwahl desselben auf.
Der Vorsitzende und die beiden Stellvertreter desselben wur-
den durch Stimmzettel gewählt. Die übrigen Mitglieder des
Vorstandes wurden durch Acclamation auf Vorschlag eines
Mitgliedes wiedergewählt.
Der Vorstand besteht demnach aus folgenden Herren :
Herr Bauer, J
Herr Hauchecorne, als Archivar,
Herr Lasard, als Schatzmeister.
als stellvertretende Vorsitzende,
230
Der Gesellschaft ist als Mitglied beigetreten:
Herr Bergassessor Viedenz von Beuthen i. O.-Schl.,
vorgeschlagen durch die Herren Hauchecorne,
Lossen und Bauer.
Herr Hauchecorne legte die von Herrn vom Rath ver-
fasste und der Gesellschaft eingesandte Erinnerungsschrift an
Dr. Fr. Hessenberg vor und besprach deren Inhalt.
Herr Max Bauer legte eine Stufe von Kjerulfin vor, die
Herr Kjerülp in Christiania der Gesellschaft eingesandt hatte.
Dieses neue Mineral wurde von Herrn Apotheker Rode zu
Porsgrund in Norwegen benannt, der es bei Bamle auffand
und eine Probe davon an Herrn von Kobell in München
sandte , welcher eine Analyse davon machte , die in den
Sitzungsberichten der raathematisch - naturwissenschaftlichen
Klasse der königl. bair. Akademie der Wissenschaften in
München, 1, März 1873 pag. 106 publicirt ist. Das Mineral
ist derb und zeigt zwei Blätterbrüche, von denen der eine
leichter darstellbar ist, als der andere. Beide Blätterbrüche
machen ungefähr 90 0 mit einander und sind nicht beson-
ders deutlich. Der Bruch ist splitterig. Der Glanz geht
etwas in's Fette , auf dem deutlicheren Blätterbruch in's Perl-
mutterartige. Die Farbe ist eine blassrothe oder gelbe, dünne
Stücke sind durchscheinend. G — 3,15, H — 4 — 5 (diese Be-
stimmungen nach von Kobell h c, nach dessen Angaben beim
Erwärmen schwache Phosphoresceuz mit weissem Schein ein-
tritt). Vor dem Löthrohr schmilzt der Kjerulfin ziemlich
leicht, etwa wie der rothe Granat des Zillerthals (3. Grad der
KoBELL'schen Schmelzbarkeitsskala) mit etwas Blasenwerfen
zu einem kleinblasigen Email. Das feine Pulver wird von
warmer Salzsäure leicht, von warmer Salpetersäure etwas we-
niger leicht aufgelöst. Durch Schwefelsäure erfolgt keine
vollkommene Lösung, sondern Entwicklung von Flusssäure
und Abscheidung von schwefelsaurem Kalk.
Bei der Aualyse , bei welcher das Fluor direct bestimmt
und auf die Bestimmung der Alkalien besondere Aufmerk-
samkeit werwendet wurde, fand von Kobell:
231
Phosphorsäure 42,22
Magnesia 37,00
Kalk 7,56
Natron mit wenig Kali. . . 1,56
Fluor 4,78
Kieselsäure 1,50
Thonerde und Eisenoxyd . . 5,40
Spur von Schwefelsäure . . —
100,02.
Bei dieser Analyse ist es auffallend , dass kein Ueber-
schuss vorhanden ist, da ja in der Verbindung offenbar das
Fl mit einem Theil des Mg etc. vereinigt ist, welcher Theil
sich erst nachher bei der Zersetzung durch die Analyse mit
einer dem Fl äquivalenten Menge O verbindet, die vorher
gar nicht in dem Mineral vorhanden war, die aber doch neben
dem Fl mitgewogen wird und dann bei der Aufstellung der
Formel mit in der Rechnung berücksichtigt werden muss.
Sieht man aber davon ab und bedenkt ferner, dass die
Kieselsäure nebst Eisenoxyd und Thonerde wahrscheinlich als
Verunreinigung in dem Mineral vorhanden ist, so hat man
als wahre Zusammensetzung:
Phosphorsäure .
42,22
Magnesia
37,00
Kalk. . . .
7,56
Natron . .
1,56
Fluor. . . .
4,78
93,12.
Berechnet man daraus die Menge jedes einzelnen Ele-
ments, zieht die der Menge des Fl äquivalente Menge O ab
und reducirt auf 100, so hat man:
Phosphor .
. 20,23
Magnesium .
. 24,36
Calcium .
. 5,93
Natrium .
. 1,27
Sauerstoff .
. 42,96
Fluor. . .
. 5,25
100,00,
232
woraus sich dann weiter die Formel des Minerals berechnen
lässt. Diese ist:
2 (3 RO. P2 05) + RF12, oder
2 R3 P2 08 + RF12, worin
R = Mg, Ca, Na2, und wobei sich die Anzahl der Atome von:
Mg : Ca : Na2 = 34 : 5 : 1
verhält.
Die Uebereinstimmung von Analyse und Formel zeigt die
folgende Zusammenstellung:
Analyse. Formel.
Phosphor . .
. 20,23
20,53
Magnesium
. 24,36
23,66
Calcium . .
. 5,93
5,80
Natrium
. 1,27
1,33
Sauerstoff . .
. 42,96
42,39
Fluor . . ♦
. 5,25
6,29
100,0
100,0.
Eine bedeutendere Differenz ist nur beim Fluor, wo die
Formel ca. 1 pCt mehr giebt. Diese Differenz kann aber
nicht auffallen , wenn man bedenkt, dass bei der Bestimmung
des Fluors in der Analyse leicht ein Verlust entsteht.
Bei Betrachtung der Zusammensetzung des Kjerulfins wird
man an ein anderes Mineral erinnert, das eine ganz ähnliche
Zusammensetzung zeigt, nämlich an den seltenen Wagnerit
vom Radelgraben bei Werfen im Salzburgischen, welche Aehn-
lichkeit auch von Kobll (1. c.) hervorhebt.
Auch von diesem Mineral hat Herr von Kobell eine neue
Analyse gemacht, welche in bemerkenswerther Weise von den
früheren von Nepomuk Fuchs und Rammelsberg herrührenden
Analysen abweicht, dadurch, dass sie einen früher nicht an-
gegebenen Gehalt von Natron (5,21 Na2 O) zeigt. Auch hier
ist der Fluorgehalt direct bestimmt worden.
Diese Analyse gab (Sitzungsber. der königl. bair. Akad.,
3. Mai 1873 pag. 155):
Phosphorsäure .... 40,30
Magnesia 32,78
Kalk 2,24
Natron (mit etwas Kali) . 5,12
Eisenoxyd 8,00
Thonerde 1,11
Fluor 10,00
Wasser 0,50
100,05.
Auch diese Analyse giebt also trotz des noch grösseren
Fluor-Gehalts von 10,00 pCt. keinen Ueberschuss. Betrachtet
man Eisenoxyd, Thonerde und Wasser als Verunreinigungen
und berechnet wie oben, so hat man (Reihe L):
I.
II.
III.
Phosphor .
. 20,41
18,51
20,49
Magnesium
. 22,81
24,76
23,98
Calcium
. 1,86
2,17
2,10
Natrium
. 4,43
4,99
4,84
Sauerstoff .
. 38,89
38,22
42,31
Fluor . .
. 11,60
11,34
6,28
100,0
100,0
100,0,
woraus man die Formel erhält:
3 RO. P2 05 + RF13, oder
R3 P2 08 + RFV WOrin
R — Mg, Na2, Ca und wo sich die Anzahl der Atome von
Mg: Na, : Ca 19:2:1
verhält.
Diese Formel giebt die in der Reihe II. angeführte Zu-
sammensetzung. Man sieht, dass diese Zahlen nicht unerheb-
lich von den aus der Analyse entnommenen und in der I. Reihe
angeführten abweichen.
Dies legt den Gedanken nahe, ob nicht auch für den
Wagnerit die für den Kjerulfin oben angenommene Formel:
2 (3 RO. P2 05) + RF12
angewendet werden kann , wobei aber die Anzahl der Atome
234
von Mg, Na., und Ca in dem beim Wagnerit angegebenen
Verhältniss stehen. Diese Formel giebt die Zusammensetzung,
welche in der Reihe III. aufgeführt ist.
Vergleicht man nun die Zahlen der Reihen II. und III.
mit den Zahlen der Reihe I., so sieht man, dass bei P die
zweite Formel eine fast vollkommene Uebereinstimmung mit
der Analyse zeigt , während die erste eine nicht unerhebliche
Abweichung (1,90 pCt.) erkennen lässt. Bei Mg zeigt die
zweite Formel eine Abweichung von 1,17, die erste von
1,95 pCt., die zweite Formel also eine geringere Abweichung,
als die erste, wenngleich auch die bei der zweiten Formel
vorhandene Abweichung schon eine nicht unerhebliche ist.
Bei Calcium und Natrium stimmen beide Formeln fast gleich
gut mit der Analyse überein. Ganz beträchtlich ist aber die
Abweichung der zweiten Formel von der Analyse im O- and
Fl-Gehalt (bei Fl : 5,23 pCt.), welche beide in der ersten Formel
eine fast vollkommene Uebereinstimmung mit der Analyse er-
kennen lassen. Ich nehme darnach keinen Anstand, mich vor-
läufig für die erste Formel:
3 RO. P2 05 -f RF12,
deren Ergebnisse in der Reihe II. dargestellt sind, zu ent-
scheiden, soweit die vorliegende Analyse einen sicheren Schluss
erlaubt. Denn wenn auch der Mg-Gebalt der zweiten Formel
besser mit der Analyse stimmt als der der ersten, so ist doch
auch für diese noch eine starke Abweichung vorhanden,
welche auf eine nicht ganz genügende Beschaffenheit der Ana-
lyse oder des Materials deutet; wenn auch beim P - Gehalt
dasselbe der Fall ist, so würde doch bei der zweiten Formel
bei dem Fl-Gehalt eine Differenz sich herausstellen, welche
gewiss unzulässig ist. Bei der Fl-Bestimmung, die hier direct
geschah, sind Fehler nicht zu vermeiden, aber 5 pCt. und
darüber dürfen diese doch wohl nicht betragen. Auch giebt
die Analyse stets weniger, nie mehr Fl als in Wirklichkeit
vorhanden ist. Dazu kommt, dass alle Wagnerit - Analysen
Rammelsberg's ebenfalls den hohen Fl-Gehalt von ca. 10 pCt.
geben, der also sicher annähernd richtig und eher etwas zu
klein ist, wie sich auch schon Rammelsberg für die hier an-
genommene Formel
3 RO. P2 05 + RF12 oder R3 P2 08 + RF1„
auf die alle früheren Analysen führen, entschieden hat. v. Kobell
hat (Sitzungsber. d. kgl. bair. Ak. 1873 pag. 158) die andere,
mit der Kjerulfinformel übereinstimmende Formel angegeben;
nach den a. a. O. angegebenen Vergleichungszahlen meint er
wohl auch die andere hier angenommene Formel.
Sind die angegebenen Analysen unzweifelhaft und unan-
tastbar richtig und für die Beurtheilung der vorliegenden Mi-
neralien genügend, so hat man also für diese beiden folgende
zwar ähnliche, aber nicht übereinstimmende Formeln, und
zwar für:
Wagnerit: 3 RO. P, 05 + RF12 od. R3 P; 08 + RF12
Kjerulfin: 2 (3 RO." P^OJ + R Fl 2 od.' 2 R3 P2 Os + RF12
Es ist aber doch zu bezweifeln , ob die bis jetzt vorlie-
genden chemischen Untersuchungen der beiden Stoffe, und
besonders des Kjerulfin zur Aufstellung von definitiven For-
meln hinreichen, vielmehr erscheint es gar nicht unmöglich,
dass sieb eines Tages für beide Mineralien dieselbe Formel
herausstellt und dass dann beide unter dem älteren Namen
„Wagnerit" vereinigt werden müssen , wenn nicht bedeutende
Unterschiede im Verhältniss von Mg: Ca: Na doch die Tren-
nung beider wünschenswerth machen sollten. Für die Gleich-
heit der beiden Stoffe spricht jedenfalls das speeifische Gewicht,
das bei beiden gleich ist. Für Wagnerit ist G — 3,0 — 3,15,
für Kjerulfin G ~ 3,15. Dagegen ist in der Härte ein kleiner
Unterschied ; für Wagnerit H — 5—5,5, für Kjerulfin — 4 — 5.
Es kann somit über die Verschiedenheit oder Identität der
genannten beiden Mineralien nicht definitiv entschieden wer-
den , ehe nicht neue Analysen die Zusammensetzung beider
vollkommen klar gelegt haben. Vielleicht hilft auch der Zufall
zur Lösung dieser Frage , indem er gut messbare Krystalle
von Kjerulfin, der bisher bloss in derben Massen vorgekommen
ist, den Mineralogen in die Hände spielt, die dann mit den
Wagneritkrystallen verglichen werden können.
Mit dem Kjerulfin zusammen kommt ein anderes interes-
santes Mineral vor, nämlich ein Feldspath. Dieser findet sich
in ziemlich grossen derben Stücken, ist graulich weiss , an der
Oberfläche mit einer grünen Schicht bedeckt und hat auf dem
Hauptblätterbruch P sehr deutlich die Zwillingsstreifung der
triklinen Feldspäthe. Nach von Kobell und Hawes (siehe
236
unten) ist P/M == 94°. H = 6, G = 2,64. Das Mineral
phosphorescirt beim Erwärmen mit weisslichem Licht. Vor
dem Löthrohr schmilzt es ruhig wie der rothe Granat
(3. Schmelzgrad der von KoBELL'schen Skala) zu einem durch-
scheinenden Glase und wird von Säuren nicht angegriffen:
Die Analyse ergab folgendes Resultat :
Kieselsäure . . 66,57
Thonerde . . . 15,80
Magnesia . . . 8,00
Natron . . . 6,80 (mit einer Spur von K20)
Wasser . . 2,70
99,87.
Dieser Feldspath zeichnet sich darnach durch einen be-
deutenden Mg -Gehalt aus, neben welchem das sonst in den
triklinen Feldspäthen das Na begleitende Ca vollständig fehlt.
Ein kleiner Mg -Gehalt ist auch sonst den Feldspäthen nicht
fremd, er tritt aber gegen den Ca -Gehalt doch stets sehr
zurück. Wir hätten es also hier mit einem ganz neuen und
sehr interessanten Glied der so zahlreichen Feldspathgruppe
zu thun, das der Entdecker, Herr von Kobell, mit dem Na-
men „Tschermakit" belegt hat.
Geht man näher auf obige Analyse ein und sucht den
vorliegenden Feldspath nach der TscHERMAK'schen Theorie
als eine isomorphe Mischung zweier Glieder, eines Na - hal-
tigen (Albit) und eines Mg - haltigen zu berechnen, so ist
zunächst zu sehen, welche Formel dem Na-freien Mg-haltigen
Glied zukommen wird, das man selbstständig noch nicht kennt.
Analog dem reinen Barytfeldspath wird es wohl am natur-
gemässesten sein, anzunehmen, dass auch der reine Magnesia-
feldspath die allgemeine Formel des Anorthits haben werde.
Er wäre dann = Mg AI Si2 08. Dann wäre der Tschermakit
nach der TsCHERMAKSchen Theorie, die bisher sich uberall
bewährt hat:
] m (Na2 AI Si6 Ole)|
1 n (Mg AI Si8 08) !
Es lassen sich aber keine zwei Werthe für m und n be-
stimmen , für die die Formel auch nur annähernd mit der
237
Analyse im Einklang wäre, da für das Verhältniss MgO:Na20,
wie es die Analyse angiebt, ein viel zu grosser Si02 -Gehalt
gefunden wurde oder umgekehrt, da der hohe Kieselsäure-
gehalt einen bedeutend höheren Natrongehalt erfordern würde,
neben viel weniger Magnesia.
Ebensowenig erhält man eine Uebereinstimmung zwischen
der Analyse und der Theorie, wenn man die a priori höchst
unwahrscheinliche Annahme macht, der Magnesiafeldspath habe
die dem Albit entsprechende Formel:
Mg AI Si. 016.
Der Umstand nun, dass dieser Feldspath sich in keiner
Weise der TscHERMAK'schen Theorie fügen will , die sich bis
jetzt immer als richtig erwiesen hat , wenn auch scheinbare
Ausnahmen zuweilen vorkamen, führt zu einem gewissen Zwei-
fel an der Richtigkeit der Ergebnisse der von KoBELi/schen
Analyse:
In der That haben auch andere Analysen von der er-
wähnten ganz abweichende Resultate ergeben. Diese Analysen
stammen von W. Hawes (Am. Journ. Sc. Arts. III. VII. p. 579
1874) und von Pisani (Comptes rendus LXXX. 1875) und
stimmen ganz befriedigend überein, so dass man nicht zweifel-
haft sein kann, dass der Feldspath, der diesen beiden Analy-
tikern vorgelegen hat, wirklich die von ihnen angegebene, un-
abhängig von einander gefundene Zusammensetzung habe.
Hawes sagt ausdrücklich , dass der von ihm analysirte Feld-
spath mit Kjerulfin vorkommt, alle die von von Kobell für
seinen „Tschermakit" angegebenen Eigenschaften besitze und
dass er von ihm in grossen reinen Stücken zur Analyse ver-
wendet worden sei, so dass also an eine Verwechselung der
Fundorte und des Vorkommens nicht zu denken ist, und auch
Des Cloizeaux, auf dessen Veranlassung Pisani seine Analyse
machte , spricht ausdrücklich das Zusammenvorkommen mit
Kjerulfin in Bamle aus, wie Hawes.
Die Ergebnisse dieser Analysen sind nun die folgenden:
238
I.
II.
III.
IV.
V.
Kieselsäure .
. . 66,04
66,05
66,37
66,15
66,06
Thonerde . .
. . 20,33
20,41
22,70
21,15
21,24
Eisenoxyd . .
. . 0,29
0,28
0,19
Kalk
. . 1,29
1,30
1,40
1,33
2,78
Magnesia . .
. . 1,11
1,08
0,95
1,04
Kali
. . 0,21
0,21
0,14
Natron ....
. . 10,01
9,81
9,70
9,84
9,92
Glühverlust .
. . 0,95
0,96
0,70
(HaO) 0,87
100,23 100,10 101,82
100,71 100,00
. . 2,67
2,60
2,635
I. und II. Analysen von Hawes ; III. von Pisam; IV. das
Mittel aus diesen 3 Analysen; V. dieses Mittel nach Weg-
lassung des Wassers und Umrechnung des 3?e03, MgO und
K20 in die äquivalenten Mengen von A103, GaO und Na.,0,
auf 100 berechnet.
Was die Deutung dieser Analysen anbelangt, so sagt
Hawes (1. c), dass das Mineral jedenfalls dem Oligoklas nahe
stehe, wenn es nicht mit dieser Species ident sei, Des Cloi-
zeaux erklärte es auf Grund von optischen Erscheinungen für
Albit, beide machen nicht den Versuch, die Zusammensetzung
nach Tschermak's Theorie zu berechnen. Führt man dies aus,
so erhält man nach Bunsen's Tabelle (Ann. Ch. Pharm. VI.
Sppl.-Bd. 188) eine Mischung von 1 Gew. -Th. Anorthit mit
9 Gew.-Th. Albit, und man hat dann zwischen der hieraus
berechneten Zusammensetzung und der obigen Analyse V.
folgende Uebereinstimmung :
Analyse Mischungsformel Differenz
Kieselsäure . . 66,06 66,01 + 0,05
Thonerde . . . 21,24 21,35 — 0,11
Kalk 2,78 2,01 + 0,77
Natron . . . . 9,92 10,63 — 0,71
100,00 100,00
Der Feldspath ist also ein echter Oligoklas , der sich
allerdings der Grenze nach dem Albit hin ziemlich nähert, da
er 4 Moleküle Albit mit 1 Molekül Anorthit gemischt enthält,
was nach Tschermak's Annahme die Mischung des natron-
reichsten Oligoklases ist. Dazu stimmt auch sehr gut das
239
spec. Gewicht, das im Mittel = 2,64 ist, was dem berechneten
Gewicht des natronreichsten Oligoklases gerade entspricht und
was von Kobbll bei seinen Versuchen direct beobachtet hat.
Des Cloizeaux giebt auch die optischen Verhältnisse dieses
Feldspaths an, die nach ihm genau dieselben sind wie beim
Albit. Wegen der Details verweise ich auf Des Cloizeaux' s
Abhandlung, C. r. 1875 Bd. LXXX.*)
Es ist also nach Allem dem wohl der Tschermakit aus
der Reihe der Mineralspecies zu streichen , wie schon von
vornherein wegen der Widersprüche mit der Tschermak' sehen
Theorie zu erwarten war. Denn jedenfalls ist es sehr un-
wahrscheinlich, dass zwei chemisch verschiedene, aber ganz
gleich aussehende trikline Feldspäthe mit dem Kjerulfin zu-
sammen vorkommen, von denen der eine Tschermakit, der
andere Oligoklas wäre. Dass die Analysen von Hawes und
Pisam richtig sind, folgt aus der Uebereinstimmung derselben
untereinader und mit der TscHERMAK'schen Theorie. Es ist
also die von KoBELi/sche Analyse zu beanstanden, bis weitere
Aufklärungen darüber vorliegen.
Ferner folgt, dass es nicht möglich ist, nach den von
Herrn Des Cloizeaux angegebenen Kennzeichen die verschie-
denen triklinen Feldspathgruppen, wie sie die TsCHERMAK'sche
Theorie annimmt, von einander zu sondern, welch letztere
Des Cloizeaux allerdings dieser optischen Differenzen wegen
nicht annehmen will. Da aber die sämmtlichen guten Ana-
lysen von triklinen Feldspäthen sich nach der TscHERMAK'schen
Theorie als isomorphe Mischungen der Endglieder Albit und
Anorthit berechnen lassen , wie es jetzt Pisani's und Hawes's
Analysen auf's Neue bestätigen, so kann man nur schliessen,
dass eben die von Des Cloizeaux beobachteten optischen
Unterschiede bei den Gliedern einer isomorphen Mischungs-
reihe vorkommen können, wie das eben die triklinen Feld-
späthe sind. Uebrigens sind diese Unterschiede in der Haupt-
*) Die Resultate der Untersuchungen von Des Cloizkaux wurden
zwar erst in der Märzsitzung vorgetragen, da aber das Protokoll der
Januarsitzung noch nicht gedruckt war, so wurden sie hior mit aufge-
nommen, um die Bemerkungen über den Tschermakit nicht zu zerreissen,
sondern sie im Zusammenhang zu geben. D. Red.
240
sache solche, wie sie sogar bei verschiedenen Krystallen einer
und derselben Mineralspecies vorkommen und können daher
gegen die TsCHERMAK'sche Theorie umsoweniger in's Gewicht
fallen. Ueberhaupt lässt sich diese rein chemische Frage wohl
schwerlich auf optischem Wege entscheiden.
Herr von Richthofen gab eine Uebersicht der letzten
Forschungen des betrauerten i)r. Stoliczka in Ost-Turkestan,
und hob die Bedeutung hervor , welche diese neuesten und
zugleich vollkommen zuverlässigen Beobachtungen in den
grossartigsten Gebirgsländern der Welt für die Kenntniss des
Baues von Central - Asien überhaupt haben. Der Vortragende
resümirte kurz die von ihm in einer früheren Sitzung ruitge-
theilten Resultate von Stoliczka's Reisen vom Indus -Thal
über den Karakorum und das Kwen - lun - Gebirge nach dem
grossen Becken von Ost - Turkestan. Es hatte sich dabei
herausgestellt: 1. dass in dieser ungeheuren Massenanschwel-
lung eine bestimmte Altersfolge herrscht, indem der Kwen-lun,
dessen Formationen nicht über die ältesten paläozoischen
hinausgehen, das älteste ist. Der Karakorum, in welchem die
alpine Trias repräsentirt ist, im Alter folgt, und der Himalaya,
dessen Gebirgsbau mit Tertiärschichten am Indus -Thal endet,
das jüngste Glied und gewissermassen den älteren Gebirgs-
massen später angewachsen ist; 2) dass die Gesteine in dem
Becken von Ost-Turkestan von denen des Kwen-lun unab-
hängig sind. Denn dort beginnt in einem tiefen Niveau die
Anlagerung der Steinkohlenformation, und in einem noch tie-
feren das Auftreten von Kreide- Sandsteinen , welche das we-
sentliche Material zu den Sandmassen der Wüste Takla Makän
gegeben zu haben scheinen. — Nachdem Stoliczka mit der
Expedition von Herrn Forsytt in Kashgar angekommen war,
unternahm er zunächst mit einigen Herren derselben einen
Ausflug nach dem Tshatyr-Kul-See im Tien-shan-Gebirge, und
später über die Pamin-Pässe hinweg nach Wakhan am Ober-
lauf des Amu Darya. Der frühzeitige Tod des ausgezeich-
neten deutschen Gelehrten hat genauere Berichte über den
letzteren Ausflug verhindert; aber über denjenigen nach dem
Tshatyr-Kul sind höchst werthvolle Aufzeichnungen vorhanden.
Nachdem Redner die von Stoliczka entlang dem Weg beob-
achtete Gebirgsstructur geschildert hatte, hob er die wesent-
lichen Ergebnisse unter den folgenden Gesichtspunkten hervor:
241
1. Das Vorkommen von Vulcanen jüngster Perioden in
Tien-shan ist von Stoliczka mit Sicherheit erwiesen worden.
Humboldt hatte dasselbe aus chinesischen Berichten gefolgert
und stets an seiner Ansicht festgehalten, trotz des energischen
Widerspruchs , den sie insbesondere durch die russischen For-
schungsreisenden erfahren hat, und der bis in die neueste Zeit
häufig wiederholt worden ist. Zwischen den Ketten des
Koktan und des Terek-tagh, der einen Wald von Gipfeln von
16,000 bis 17,000 Fuss Höhe bildet, ist eine mit erloschenen,
aber wohlerhaltenen Vulcanen besetzte Hochfläche von un-
gefähr 12,000 Fuss Höhe.
2. Den Antheil, welchen die Triasformation am Gebirgs-
bau des Tien-shan nimmt, indem die Koktan - Kette daraus
besteht. Nach den vorhergehenden Untersuchungen hatte es
geschienen, als ob Steinkohlenformation das jüngste Gebilde
in diesem Gebirge sei.
3. Die Zusammensetzung des südlichen Tien-shan aus
Parallelketten, welche von Wz S nach Oz N gerichtet sind,
und dadurch in ihrer Richtung von derjenigen des Kwen-lun
(Wz N — Oz S) abweichen. Von Kashgar aus verquert man
bis zum Tshatyr-kul drei solche Ketten (Artush-, Koktan-,
Terek-tagh-Kette) , welche allmälig an Höhe zunehmen, und
denen als höchste die Hauptkette des Tien-shan jenseits des
Sees folgt.
4. Das Auftreten jugendlicher Ablagerungen, welche
Stoliczka für neogen hält, im Becken von Ost- Turkestan.
Es sind sehr mächtige Schotterbänke, welche die Anwesenheit
des Meeres in der centralasiatischen Depression in einer ver-
hältnissmässig jugendlichen Zeit erweisen und Pumpelly's weiter
östlich gemachte Beobachtungen ergänzen.
5. Den Umstand, dass durch alle drei Parallelketten ein
Einfallen der jüngeren Schichtgebilde unter die älteren statt-
findet, welches Stoliczka dadurch erklärt, dass das ost-turke-
stanische Becken sich an der Seite des Tien - shan allmälig
eingesenkt habe.
Als ein ferneres Resultat der Untersuchungen von Sto-
liczka und seiner Collegen folgert der Vortragende, dass, wie
schon die Forschungen von Fedschenko und anderer Reisen-
den in dem Becken des Syr-darya und des Amu-darya schlie-
ssen Hessen, die Ketten, welche die Pamir-Pässe einschliessen,
Zeits. d. D. geol. Ges. XXVII. i . 16
242
und welche Humboldt als ein Meridiangebirge betrachtet und
mit dem Namen Bolor-tagh bezeichnet, ganz und gar dem
System des Tien-shan angehören, und dass dasselbe für den
Hindukush gilt.
Herr A. Sadebeck sprach zunächst über Resultate, welche
sich beim Studium der Krystallotektonik des regulären Systems
ergeben haben. Erläutert wurde der Vortrag durch eine mit
bekannter Meisterschaft von Herrn Laue lithographirte Tafel,
welche für den demnächst zu publicirenden II. Theil der Ele-
mente der Krystallographie angefertigt wurde.
Naumann hat in seinem Lehrbuch der reinen und ange-
wandten Krystallographie gezeigt, dass sich rein theoretisch die
Formen mit einfachen Parameterverhältnissen als Grenzzonen
solcher mit complicirten Axenabschnitten betrachten lassen.
Eine nothwendige Folge dieser Erwägung war, dass bei den
hemiedrischen Formen die mit ihnen zusammen auftretenden
holoedrischen Formen auch als Grenzgestalten zu betrachten
sind, mithin nur scheinbar holoedrische Formen und zwar
solche 1. oder 2. Stellung sind. . G. Rose hat zuerst beim
Boracit nachgewiesen, dass diese Auffassung der holoedrischen
Formen in hemiedrischen Krystallreihen eine praktische Be-
deutung hat, indem die scheinbar holoedrischen Formen eine
verschiedene Oberflächenbeschaffenheit haben, je nachdem sie
Formen 1. oder 2. Stellung sind; dies Verhalten wurde vom
Redner beim Kupferkies, Fahlerz und Blende bestätigt, und
von G. Rose beim Eisenkies.
Die Unterschiede in der Oberflächenbeschaffenheit beruhen
auf der Tektonik der Krystalle; daraus folgt, dass auch For-
men in holoedrischen Krystallreihen derartige Unterschiede
zeigen müssen, wenn sie Grenzgestalten verschiedener Formen
sind. Dies bestätigt sich in der Natur vollkommen. Beispiels-
weise sind die auf den Hexaederflächen hervortretenden Sub-
individuen verschiedene, je nachdem das Hexaeder die Grenz-
gestalt eines Ikositetraeders oder eines Tetrakishexaeders ist.
Die Hexaeder des Flussspaths und Steinsalzes erweisen sich
als aufgebaut aus Tetrakishexaedern , die des Bleiglanzes aus
Ikositetraedern. Was vom Hexaeder gilt , ist auch beim
Oktaeder und Dodekaeder der Fall.
Eine genauere Betrachtung der Subindividuen lehrt ferner,
dass die Flächen gebrochen sind, dass es also im Grunde ge-
243
nommen Hexakisoktaeder sind und zwar solche , welche
Websky vicinale genannt hat. Die vicinalen Hexakisoktaeder
sind die eigentlichen Grundgestalten der Subindividuen. Sind
sie nur in Bezug auf eine Kante vicinal, so entstehen Formen,
welche dem Ikositetraeder , Tetrakishexaeder oder Triakis-
oktaeder im Aussehen ausserordentlich nahe stehen. Aus die-
sen dreierlei Formen, als Zwischengestalten, bauen sich dann
die letzten Grenzgestalten, Hexaeder, Oktaeder und Dode-
kaeder, auf. Durch diese drei Formen sind die dreierlei
krvstallographischen Axen gegeben , nach denen überhaupt,
wie schon Knop gezeigt hat, der Aufbau der Krystalle vor
sich geht.
Ferner sprach Hedner über Zwillingsstreifen beim Eisen-
glanz.
In der Einnerung an die mannigfaltigen und schätzbaren
Beobachtungen, welche G. Rose bei den Vorbereitungen zu
den Vorlesungen und nach denselben anzudeuten pflegte, theilte
er mit, dass G. Rose auf diese Streifen beim Eisenglanz
immer besonderes Gewicht gelegt hatte. Es war dessen Ab-
sicht, diese Streifen genauer zu bearbeiten und in Folge dessen
hat er, da er vorläufige Mittheilungen nicht liebte, bei der
Beschreibung des Eisenglanzes von Beresowsk in seiner Reise
nach dem Ural derselben keine Erwähnung gethan. Herr
Bauer hat kürzlich in dieser Zeitschrift die Streifen beschrieben,
wobei er sagt, dass sie G. Rose nicht erwähnt hat, obgleich
sie ausserordentlich deutlich wahrzunehmen sind. Der Grund,
warum G. Rose dies nicht gethan hat, ist nun leicht aus
dem Gesagten ersichtlich. Auch beim Titaneisen, von welchem
Bauer angiebt, dass die Streifen nicht oder jedenfalls nicht
deutlich wahrzunehmen sind, hat sie G. Rose schon beob-
achtet und einzelne Krystalle von Snarum in Norwegen lassen
sie ausserordentlich deutlich wahrnehmen. Schliesslich wurde
noch erwähnt, dass sie auch bei einem Krystall von Elba im
Berliner Museum vorhanden sind.
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
v. w. o.
Beyrich. Dames. Bauer.
16*
244
2. Protokoll der Februar- Sitzung.
Verhandelt Berlin, den 3. Februar 1875.
Vorsitzender: Herr Beyrich.
Das Protokoll der Januar - Sitzung wurde vorgelesen und
genehmigt.
Der Gesellschaft sind als Mitglieder ^beigetreten:
Herr von Gellhorn, königl. Bergmeister in Neustadt-
Eberswalde,
vorgeschlagen durch die Herren Lindig, Hauche-
corne und Dames;
Herr Carl Gottsche aus Altona, z. Z. stud. min. in
Würzburg,
vorgeschlagen durch die Herren Sandberger,
A. Streng und A. von Koenen;
Herr Gustav Pohlitz aus Schwenda bei Stolberg (Harz),
z. Z. stud, min. in Würzburg,
vorgeschlagen durch die Herren von Koenen,
Streng und Bücking.
Herr Beyrich verlas eine briefliche Mittheilung von Herrn
Neumayr in Wien über seine Reise in den griechischen
Archipel.
Herr Weiss legte die für die Bibliothek der Gesellschaft
eingesandten Schriften und Karten vor.
Herr Lepsius gab eine Uebersicht über die Schichten der
Trias und des Jura im Elsass.
Herr Dames legte einige Exemplare von Eophyton Linnea-
num Torell aus den cambrischen Schiefern von Luganas in
Westgothland vor, welche Herr Lündgreen dem hiesigen
Mineraliencabinet geschenkt hat. — Die von Torell und
Linnarsson behauptete organische Natur dieser Abdrücke ist
neuerer Zeit durch Nathorst in seinem Aufsatz: Om nagra
förmodade växtfossilier*) durchaus in Abrede gestellt worden.
Nathorst führt die auf der Unterseite der Schichten er-
*) Öfversigt af kongl. Vetenskaps-Akademiens Foihandlingar 1873.
No. 9.
245
scheinenden Erhabenheiten mit längsgestreifter Oberfläche auf
die Ausfüllung von Vertiefungen zurück; diese sollen durch
Fucoiden, die durch Fluthen auf dem Strande hingezogen
werden , hervorgebracht werden. Er erläutert seine Ansicht
durch mehrere Abbildungen, welche derartige Eindrücke, wie
er sie an den Küsten beobachtet hat, zur Darstellung bringen.
Herr Lundgreen, der übrigens die NATHORST'sche Ansicht
über Eophyton theilt, richtete nun brieflich an den Vortragen-
den die Frage, ob demselben auch aus anderen Formationen
derartige Eophyton-'&hnhche Dinge bekannt seien, denn selbst-
verständlich müssten sich , die Richtigkeit der NATHORST'schen
Behauptungen vorausgesetzt, überall derartige Abdrücke, resp.
Ausgüsse derselben bilden, wo dieselben petrographischen Ver-
hältnisse, nämlich ein Wechsel von sandigen Schiefern und
Letten, vorhanden seien. Es lag nun nahe, derartige Gebilde
im bunten Sandstein aufzusuchen, und in der That besitzt die
Sammlung der hiesigen Bergakademie mehrere Stücke aus der
oberen Abtheilung des bunten Sandsteins, welche mit Erhaben-
heiten bedeckt sind , die durchaus mit Eophyton ident sind.
Der i. J. 1865 mit der geologischen Kartirung der Gegend von
Artern beauftragte, leider verstorbene Bergassessor Giebelhausen
hat in dem Steinbruche nahe bei der sogen. „Kneipe*4 an der
Strasse zwischen Bottendorf und Ziegelrode, östlich von Artern,
in den oberen Lagen des unteren bunten Sandsteins Stücke
gesammelt, welche von Eophyton ununterscheidbare Erhaben-
heiten tragen. Auf der Schichtfläche der dünnschiefrigen Sand-
steine liegen ca. 60 Mm. lange, 10 Mm. breite Erhabenheiten
mit Längsstreifen, von denen der Streifen zunächst dem einen
Rande der stärkste ist, während die anderen schwächeren
unter sich beinahe gleich sind. Dieselben stimmen gut mit
Torell's Abbildungen von Eophyton und ebenso mit der von
Nathorst (1. c. t. XVI. f. 6) veranschaulichten Fucoidenspur
im Strandsande, natürlich als Ausguss des letzteren. Dadurch,
dass sich nun auch in der Trias derartige sogen. Eophyton
gefunden haben, gewinnt die NATHORST'sche Behauptung noch
mehr Boden, und die nichtorganische Natur der Eophyton, Pa-
laeochoria, Butotrephis etc. genannten Dinge steht danach wohl
ausser Zweifel.
Herr Bauer sprach über die Kry stallform des
Speisskobalts Folgendes:
246
In Poggendoeff's Ann. Bd. 152 p. 249 1874 erschien eine
Arbeit von Herrn P. Groth in Strassburg über die Krystall-
form des Speisskobalts (und Chloantbits) , die den Verfasser
zu folgenden Resultaten führten: 1. der Speisskobalt ist py-
ritoedrisch; 2. die Krystalle des Speisskobalt sind thermo-
elektrisch theils positiv, theils negativ, wie Eisenkies und
Kobaltglanz und diese Eigenschaften in Verbindung mit der
pyritoedrischen Hemiedrie beweisen, dass die erwähnten drei
Mineralien vollkommen isomorph sind, und dass demnach der
Speisskobalt die Formel: (Co, Ni, Fe) As., hat. Da sich
hieraus Folgerungen von gewisser allgemeiner Wichtigkeit
ergeben , so lohnt es sich der Mühe , diese Sätze und die zur
Begründung derselben dienenden Beobachtungen etwas näher
zu prüfen.
Was zunächst die Krystallform betrifft, so führt Groth
folgende Thatsachen an, welche für die pyritoedrische He-
miedrie beweisend sein sollen : Speisskobalt aus dem Kinzig-
thal zeigt neben Würfel scheinbare Oktaederflächen, welche
aber aus je drei Facetten zusammengesetzt sind, die sich in
sehr stumpfen , unsymmetrisch liegenden Kanten schneiden,
und demnach Flächen eines Diploeders sein sollen. Bei Kry-
stallen von Riechelsdorf zeigen die Flächen des Würfels (in
Combination mit dem Oktaeder) durch Rundung an zwei
gegenüberliegenden Kanten die Andeutung eines Pentagon-
dodekaeders. Unter den Krystallen von Wolkenstein waren
Würfel, die schöne pentagonaldodekaedrische Streifung zeigten,
wie häufig die Würfelflächen des Schwefelkieses, welche her-
rühren von den Flächen zweier Pyritoeder, die nach ungefähren
iVlessungen die Ausdrucke: — - — | und |^ — ^ —
Andere Würfel ebendaher zeigen ausser der Streifung eine be-
trächtliche Rundung an den Kanten , so dass bei Messung
mittelst des Lichtschimmers während einer längeren Drehung
fast fortwährend einzelne Flächentheile Licht reflectiren. Das
Einstellen auf die Schimmermaxima ergab die Pyritoeder
[°°2^3] ~ ^erner % ^' unc* ^' ^ocn sm^ die Messun-
gen zu ungenau, um das Auftreten dieser Formen als sicher
festgestellt erscheinen zu lassen. Unter den Krystallen von
Schneeberg ist besonders eine flächenreiche Combination, die
haben.
247
1. c. t. 5. f. 1. abgebildet ist. Diese zeigt u. a. Flächen des
Ausdruck. Die Neigung der Flächen des Pyritoeders gegen
die des Würfels sind mit dem Anlegegoniometer bestimmt.
Die Diploederflächen liegen in einer bekannten Zone und
machen mit den Pyritoederflächen stumpfe Winkel, aus denen
Man sieht also , dass die sämmtlichen angeführten Beob-
achtungen keine deutlichen und scharf messbaren Formen des
pyritoedrischen Systems mit völlig klar und unzweideutig be-
stimmten Ausdrücken ergeben haben, sondern es sind nur
Flächenkrümmungen und Knickungen nebst Streifungen, deren
Richtungen auf jene Formen zur Noth gedeutet werden können.
Diese Flächen selbst machen mit den Würfelflächen sehr
stumpfe Winkel, und die Messungen, die alle ganz annähernd
sind, ergeben meist complicirte Ausdrücke, die zum grössten
Theil nicht sehr wahrscheinlich sind. Auch die erwähnte
Figur ist wenig beweisend, da man nicht ersieht, ob es eine
ideale Zeichnung oder eine getreue Abbildung des betreffenden
Krystalls sein soll, da sie in einigen nicht unwesentlichen
Punkten jedenfalls falsch ist. Ehe nicht weitere Beobachtun-
gen von deutlicheren Formen des pyritoedrischen Systems vor-
liegen, halte ich die hier beschriebenen für bloss scheinbar
diesem System angehörige. Betrachtet man nämlich die Speiss-
kobaltkrystalle, wie sie z. B. im hiesigen mineralogischen Mu-
seum in grosser Anzahl vorliegen, so sieht man, dass nur die
kleinsten davon ebene Flächen und scharfe, gerade Kanten
besitzen , alle grösseren Krystalle sind Verwachsungen von
hypoparallelen Subindividuen, und es entstehen dadurch auf
den Flächen unregelmässige Krümmungen und Knickungen.
Besonders die Würfelflächen sind bei einigermaassen ansehn-
licheren Krystallen stark gekrümmt und stets ganz matt,
schuppig und unregelmässig gestreift. Wenn auch die Oktaeder-
flächen , wo sie nicht sehr ausgedehnt sind, meist glänzender
und ebener sind, so knicken und runden sie sich doch auch,
wenn sie etwas grösser werden und zeigen ebenfalls nicht
selten unregelmässige Streifungen. Die unebenen Würfelflächen
zeigen meistens eine Abruudung nach den anderen Würfelflächen
Pyritoeders
und eines Diploeders von unbestimmtem
sich ungefähr der Ausdruck
248
hin, seltener nach den Oktaederflächen, und es entstehen da-
durch oft Formen, die an flache Pyramidenwürfel erinnern.
Ist die Krümmung nach zwei gegenüberliegenden Würfelflächen
grösser als nach dem anderen Paar von gegenüberliegenden
Würfelflächen, so entsteht ein scheinbares Pyritoeder und bei
einer Messung in einer solchen Würfelkantenzone kann es nicht
schwer sein, aus den bei längerer Drehung fast fortwährend
erscheinenden Lichtreflexen einige Schimmermaxima heraus-
zugreifen , aus denen sich dann auch immer ein Ausdruck für
eine solche scheinbare Pyritoederfläche berechnen lässt. Es
dürfte sich demnach empfehlen, auch ferner noch vorläufig den
Speisskobalt für holoedrisch regulär krystallisirt zu halten.
Dem widerspricht durchaus nicht das thermoelektrische
Verhalten des Speisskobalts, wie es von Groth festgestellt
und oben angegeben worden ist. Zwar sollte es nach den
interessanten und wichtigen Untersuchungen von G. Rose am
Schwefelkies und Glanzkobalt, von denen er leider vor seinem
Tode nur die allgemeinen Resultate, nicht aber die Details
veröffentlichen konnte, scheinen, als sei allgemein mit diesen
thermoelektrischen Unterschieden eine krystallographische Dif-
ferenz in der Art verbunden, dass die Hernieder der einen
Stellung positiv, die der anderen Stellung negativ sind, aber
weitere Untersuchungen haben ergeben , dass dies , jedenfalls
allgemein, nicht richtig ist, denn unzweifelhaft holoedrische
Krystalle haben dieselben thermoelektrischen Unterschiede
ergeben. So hat schon 1865 Stefan nachgewiesen, dass der
Bleiglanz theils positiv, theils negativ ist, und neuerer Zeit
haben Schrauf und Dana dasselbe vom Glaukodot und Danait?
Arsenkies, Selenkupferblei und Tesseralkies nachgewiesen,
ganz abgesehen vom Tetradymit, dessen rhomboedrische Form
ja vielfach auch als hemiedrisch gedeutet wird (Sitzungsber.
der Wiener Akad. 12. März 1874). Alle oben erwähnten
Mineralien haben noch keine Anzeichen von hemiedrischer
Ausbildung erkennen lassen, und es folgt somit, dass auch beim
Speisskobalt das thermoelektricche Verhalten keineswegs not-
wendig auf ein hemiedrisches Krystallsystem hinweist.
Was endlich die chemische Zusammensetzung der unter
dem Namen ,, Speisskobalt" hier zusammengefassten Mineralien
betrifft, so ist es noch zweifelhaft, ob ihnen wirklich allen die
Formel: RAs2 (wo R = Co, Ni, Fe, alle in den wechselndsten
249
Verhältnissen) zukommt. Nach dem Obigen fällt jeder theo-
retische Zwang zu dieser Annahme weg, da die Glieder der
Pyritgruppe nicht so zweifellos mit Speisskobalt isomorph
sind. Die vorhandenen Analysen sind dieser allerdings sehr
einfachen Formel eher ungünstig, da sie in ihrer Mehrzahl
mehr oder weniger Arsen ergeben , als die Theorie erfordert,
und zwar sind diese Unterschiede oft ziemlich beträchtlich.
Dabei findet sich nicht selten ein kleiner Schwefelgehalt. Die
z. Th. beträchtlichen Unterschiede in der Menge des vorhan-
denen Arsens sucht Groth durch fremde Beimischungen zu
erklären, und zwar soll bei arsenarmen Speisskobalten Kupfer-
nickel (Ni As) oder das angeblich von Kenngott beobachtete
Einfach - Arsenkobalt (Co As) beigemengt sein. Der Arsen-
überschuss soll von einer Beimischung von Tesseralkies
(CoAs3) herrühren. In der That sieht man den Kupfernickel
häufig in grösserer Menge in dem Speisskobalt eingesprengt,
und sich durch seine kupferrothe Farbe von dem letzteren
auch in kleineren Füttern scharf abheben. Es ist aus diesem
letzten Grunde nicht anzunehmen , dass ein sorgfältiger Che-
miker grössere Mengen dieses so leicht erkennbaren Erzes mit
analysirt haben sollte. Kleine Unterschiede mögen aber immer-
hin eingesprengtem Kupfernickel ihren Ursprung verdanken,
aber nur bei Ni - haltigen Speisskobalten, bei Ni- freien lässt
einen der Kupfernickel ganz im Stich , da kommt als Retter
in der Noth das von Kenngott angegebene Einfach-Arsenkobalt.
Diese Beobachtung von Einfach - Arsen kobalt (vergl. Viertel-
jahrsschr. der naturf, Ges., Zürich 1869 pag. 704, und daraus
beinahe wörtlich: Jahrbuch 1869 pag. 753) ist aber eine der
mangelhaftesten, die man sich denken kann, und es fehlt na-
mentlich eine Analyse; nur das Löthrohr hat bei der hier-
hergestellten Substanz (die ich für nichts anderes als Speiss-
kobalt halte, soweit man nach der Beschreibung und Verglei-
chung mit anderen Stücken urtheilen kann) Reactionen auf Co
und As ergeben. Kenngott hat sich auch äusserst verklau-
sulirt ausgesprochen und hinter ,, Einfach - Arsenkobaltu ein
dickes Fragezeichen gesetzt. Das alles hindert aber Groth
nicht, diese Verbindung als wirklich existirend anzunehmen
und als dem Speisskobalt beigemischt darzustellen, bloss um
den As -Mangel Ni- freier Speisskobalte durch Verunreinigung
erklären zu können. Das heisst doch wirklich in mehr als
250
kühner Weise Hypothesen auf Hypothesen stellen, um weitere
Hypothesen zu stützen.
Aehnlich ist es mit der Einmengung des Tesseralkieses,
der allerdings an Farbe etc. wenigstens den eisenarmen, minder
den eisenreichen Speisskobalten gleicht. Der Tesseralkies hat
sich bis jetzt nur bei Skutterud gefunden, und zwar nicht mit
Speisskobalt, sondern mit Glanzkobalt zusammen. Es ist also
eine zum mindesten willkürliche Annahme, ihn als eingesprengt
in die sämmtlichen arsenreicheren Speisskobalte aller Fundorte
voraussetzen und dadurch den Ueberschuss an Arsen erklären
zu wollen , wenngleich bei metallischen Substanzen natürlich
für vollkommene Reinheit keine Gewähr geleistet werden kann,
besonders bei den zur Analyse meist verwandten derben
Massen. Es sind aber doch nicht bloss solche analysirt wor-
den, sondern auch Krystalle, die man jedenfalls als reiner
voraussetzen darf, da man häufig beobachtet, dass der die
derbe Masse durchziehende Kupfernickel nicht oder jedenfalls
lange nicht so reichlich in die darauf aufsitzenden Krystalle
hineinreicht, welches Verhalten man wohl auch für die hypo-
thetisch eingewachsenen unsichtbaren Verunreinigungen Arsen-
kobalt und Tesseralkies annehmen darf. Um nur beispiels-
weise eines zu erwähnen, so hat Rammelsberg Krystalle von
Speisskobalt vom Markus Rohling bei Annaberg und von
Usseglio in Piemont analysirt, und zwar mit der speciellen
Absicht, die Zusammensetzung dieses Minerals festzustellen,
so dass man jedenfalls annehmen muss, er habe auf Verun-
reinigungen scharf und sorgfältig geachtet. Er hat dabei resp.
76,26 und 76,55 pCt. As gefunden, statt 71,8 pCt. , wie die
Formel RAs2 verlangt, eine Differenz, die schon bedeutende
Mengen von verunreinigender Substanz voraussetzen würde.
Es zeigt sich somit kein Verhalten des Speisskobalts,
weder in krystallographischer , noch in physikalischer und
chemischer Beziehung, was dieses Mineral der Pyritgruppe zu-
weisen würde, und er wird deshalb wohl zunächst noch ge-
trennt davon zu halten sein, bis einst bessere Krystalle un-
zweifelhaft pyritoedrische Formen und weitere Analysen oder
sonstige Beobachtungen die Richtigkeit der Formel RAs, dar-
gethan haben. Das thermoelektrisehe Verhalten kommt dabei
gar nicht in Betracht.
Herr Kayser sprach über Versteinerungen , welche Herr
251
Stelzner von Südamerika mitgebracht hat, und die der Pri-
mordialfauna und der Fauna des Untersilur angehören.
Herr Lasrad legte ein durch Grösse ausgezeichnetes Stück
Bernstein vor, welches im Alluvialsand auf dem im Neustettiner
Kreise gelegenen Gute Buchwald des Banquier von Krause
gefunden und von diesem der geologischen Landesanstalt als
Geschenk überwiesen worden ist.
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
v. w. o.
Beyrich. Websky. Bauer.
3. Protokoll der März - Sitzung.
Verhandelt Berlin, den 3. März 1875.
Vorsitzender: Herr Beyrich.
Das Protokoll der Februar-Sitzung wurde vorgelesen und
genehmigt.
Der Gesellschaft sind als Mitglieder beigetreten :
Herr Kreisvicar Bronder in Beuthen i. O.-Schl.,
vorgeschlagen durch die Herren Viedenz, Kayser
und Lossen;
Herr Dr. von Tsoharner aus Bern,
vorgeschlagen durch die Herren Beyrich, Roth
und Dames;
Herr August Frenzel, Hüttenchemiker in Freiberg i. 8.,
vorgeschlagen durch die Herren G. vom Rath,
von Dechen und Dames.
Der Vorsitzende verlas nachstehendes Schreiben des Herrn
Göppert in Breslau :
Hochgeehrte Herren! Die freundliche Erinnerung und
überaus gütigen Glückwünsche, welche Sie Ihrem alten Mit-
gliede an seiner Promotionsfeier widmen , hat mich sehr
erfreut, aber auch sehr nachdenklich gemacht über alles das
Schöne, was Sie von meinen etwaigen Leistungen sagen,
die, ganz aufrichtig gesprochen , während der Arbeit selbst
weniger , aber nach der Fertigstellung stets hinter meinen
Wünschen zurückgeblieben , also sicher von Ihnen als zu
252
nachsichtig beurtheilt worden sind. Empfangen Sie meinen
herzlichen Dank für diesen Beweis Ihrer Aufmerksamkeit
und genehmigen Sie den aufrichtigen Wunsch, mich noch
recht oft in Ihren stets für mich belehrungsreichen Kreisen
bewegen zu können. Unter hochachtungsvollsten Empfeh-
lungen ganz ergebenst Göppert.
Breslau, den 8. Februar 1875.
Sodann theilte derselbe aus einer brieflichen Mittheilung
des Herrn v. Fritsch in Halle das Vorkommen einer Cyrena,
wahrscheinlich consobrina oder fluminalis bei Lyell im Dilu-
vium von Teutschenthal bei Halle mit und fügte bei, dass
ihm auch von Bromberg einmal eine Cyrena aus dem Diluvium
zugekommen sei.
Derselbe legte dann die eingegangenen Schriften vor und
besprach besonders das Werk über die geologische Beschaffen-
heit von Oesterreich von Fr. von Hauer.
Herr Jül. Schmidt aus Athen gab eine kurze Uebersicht
über die Hergänge während der Eruption auf Santorin, 1866
bis 1872, wobei die Orte der Ausbrüche seit 20 Jahrhunderten
und die Terrainänderungen während der letzten Eruption durch
Zeichnungen an der Tafel erläutert wurden. Der alte Ring-
wall der Insel, in unbekannter Vorzeit entstanden, besteht
jetzt aus den drei Abtheilungen: Santorin oder Thera, The-
rasia und der sehr kleinen westlichen Insel Aspronisi. Der
Schauplatz der bekannten Eruptionen seit dem Jahre 200
vor Chr. war im Mittelpunkte des alten Kraters, in der Mitte
des jetzigen Golfes von Santorin, und nur ein sicher bekannter
submariner Ausbruch ausserhalb des Golfes hat gegen 1650
stattgefunden. Ungefähr 200 vor Chr. ward die südlichste der
centralen Kaymenen oder „verbrannten" Inseln gebildet, die
Paläa Kaymeni; 1570 — 1573 entstand Mikra Kaymeni, die
nördlichste, und 1707 — 1711, zwischen den Vorigen, die Nea
Kaymeni. Am Südrande der letzteren haben sich die Eruptio-
nen von 1866 — 1872 ereignet. Sie begannen zu Eude des
Januars 1866 mit wenig lebhaften submarinen Erscheinungen.
Zu Anfang des Februar traten solide , schon sehr abgekühlte
Lavamassen, Blöcke und Trümmer über die Seefläche hervor,
und zwar in dem kleinen südlichen Hafen, dessen braunes
Wasser vormals die Eigenschaft hatte, die Kupferbelegung der
Schiffe zu reinigen. Um diesen kleinen Hafen, besonders an
253
der Ostseite, lag die 50 oder 60 Häuser und 2 Kirchen zäh-
lende Ortschaft Vulcano, die jetzt bis auf geringe Trümmer
gänzlich verschwunden ist. Verlassen ward der Ort von den
Bewohnern schon am Anfange des Februar 1866, als wegen
Senkung des Bodens und wegen anderer drohender Erschei-
nungen es nöthig ward, diese Gegend zu meiden. Der neue
Lavahügel im Vulcano-Hafen erhielt den Namen „Georg"; der
zweite am 13. Februar über See erschienene Hügel, südwestlich
vom vorigen, ward „Aphroessa" genannt, nach dem Schiffe
der Athener Commission, welche von der griechischen Regie-
rung nach Santorin* beordert ward. Bis 19. Februar waren
alle Erscheinungen ohne lebhaften Charakter. Das Aufsteigen
der submarinen Lavamassen geschah langsam und ruhig, bei
massiger Entwicklung von Wasserdämpfen und mit nur ge-
ringem Getöse. Nach Maassgabe der Entfernung von der Lava
fand man das Meer von 80° bis 20° Celsius erhitzt. Ein-
zelne Explosionen des Georghügels förderten wenig glühende
Schlacken, Steine und Asche zu Tage, und zwar aus der
Gipfelregion, welche keinen Krater zeigte. Mit dem 20. Fe-
bruar begannen die grossen , oft furchtbaren Aschen- und
Steineruptionen, mehrfach bis 8000 Fuss hoch gemessen, und
der Vulkan trat nun in die zweite Phase seiner Entwicklung,
der zu Folge sich ein normaler Aufschüttungskegel mit 30 0
geneigten Flächen bildete, stets ohne eigentlichen Krater, und
mehr und mehr sich vergrössernd , bis er 1872 mehr als 300
par. Fuss Höhe erreicht hatte und den ganz ähnlichen Conus
von 1707 wenig überragte. Seit 1868 ward oft wahrgenommen,
wie das Terrain des Gipfels sich abwechselnd hob und senkte,
wenn die Eruptionen nicht mächtig genug waren, um eine all-
seitige Sprengung zu bewirken. — Durch den Erguss der sub-
marinen Lava wurden grosse Strecken des Meeres ausgefüllt,
und nach fünfjähriger Wirksamkeit waren im Osten, Süden und
Westen der Nea Kaymeni sehr ausgedehnte rauhe Lavafelder
über See getreten , deren Ränder schroff gegen die See ab-
fallen. Da die Ausfüllung des Meeres die Hundertfaden-Linie
überschritt, und die Seehöhe des sichtbaren Lavagebiets (ab-
gesehen vom Georg-Conus) gegen 100 Fuss beträgt, so kann
man die Dicke der Lava im Maximo zu 700 Fuss annehmen.
Ueber dem Lavaterrain steigt der Georg-Conus noch gegen
254
200 Fuss an, lediglich aus Asche, Blöcken und Bimsteiuen,
zu sehr geringem Theile aus geflossener Lava bestehend.
Noch im Herbst 1873 sah man den Gipfel des Georg-
hügels dampfen, und an ihm, sowie im nahen Meere fand man
noch hohe Temperaturen.
Die frühesten Beobachtungen verdankt man dem Dr. med.
Dekigala auf Sautorin. Am 11. Februar begannen die Mit-
glieder der Athener Commission ihre Beobachtungen. Später
kamen die französischen Gelehrten Foüqüe und de Verneüil,
die deutschen Geologen von Seebach, Reiss, Stübel und
von Fritsch. Foüqüe besuchte Santorin später nochmals,
und ebenso war der Vortragende zum zweiten Male auf San-
torin im Januar 1868. Durch Mittheilungen der Capitäne und
Officiere von Kriegsschiffen ward die Sammlung von Docu-
menten über Beobachtungen und Messungen sehr ansehnlich.
Das jüngst erschienene Werk des Vortragenden, „Vulkanstudien",
giebt darüber nähere Kunde.
Herr Kayser legte ein Exemplar von Goniatites intu-
mescens von ca. 60 Mm. Durchmesser vor , welches sich in
einer grossen von der Bergakademie vor Kurzem angekauften
Sammlung von Eifeler Versteinerungen gefunden hatte. Der
Erhaltungsart nach kann das Stück — ein aus weisslichem,
zerreiblichen Dolomit bestehender Steinkern — wohl nur aus
den hellfarbigen, z. Th. stark dolomitisirten Mergelkalken
stammen, welche bei Büdesheim im Hangenden der Stringo-
cephalenkalke auftreten und sich durch Lagerung und Fauna
(Spirifer Verneuili, Rhynchonella cuboides , CamaropJioria for-
mosa etc.) als ein Aequivalent der belgischen sogen. Cuboides-
sehiehten (Ibergerkalk) erweisen. So viel dem Vortragenden
bekannt, ist es das erste Mal, dass sich in diesen Schichten
in der Eifel auch Gon. iniumescens gefunden hat, bekanntlich
der typische Repräsentant der für die ältere Oberdevon-Fauna
so bezeichnenden crenaten (oder primordialen) Goniatiten.
Derselbe Redner legte weiter einen kleinen, aber sehr
wohl erhaltenen vererzten Steinkern eines sehr dicken Gonia-
titen mit überaus weitem und tiefem Nabel und einer mit der
von Gon. lateseptatus fast genau übereinstimmenden Sutur vor.
Auch dies Stück war der Akademie mit der vorerwähnten
Sammlung zugegangen und hatte sich in einer Schachtel mit
Büdesheimer Goniatiten vorgefunden. Diese Goniatiten kom-
255
men bekanntlich in graulichen Mergel schiefern vor, welche im
Hangenden der oben genannten Cuboideskalke liegen. Sollte
der in Rede stehende Steinkern in der That aus den Büdes-
heimer Goniatitenschiefern stammen — wofür die Erhaltungs-
art allerdings zu sprechen scheint*) — und nicht etwa von
einer noch unbekannten Eifeler Localität, so wäre derselbe
von grossem Interesse. Denn während es Regel ist, dass die
nautilinen Goniatiten nicht über die obere Grenze des Mittel-
devon hinausgehen , die crenaten aber sich auf das untere
Oberdevon beschränken, so ist ein Zusammenvorkommen beider
durchaus ungewöhnlich. Ja, obige Regel hat im grossen
Ganzen eine so allgemeine Geltung, dass der Vortragende noch
im vorigen Jahre Angaben, die mit ihr im Widerspruch stehen,
in Zweifel ziehen zu müssen glaubte. Solcher Angaben sind
indess nur wenige. Nach den Brüdern Sandberger ist Gon.
suhnautilinus bei Madfeld unweit Brilon (nach v. Dechens
Karte das gleiche Niveau wie Nehden) gefunden worden
(Rhein. Schichtensystem in Nassau pag. 117). Weiter kommen
nach Herrn v. Groddeck in der Gegend von Clausthal crenate
und nautiline Goniatiten in ein und derselben Schicht vor,
und neuere , sorgfältige Untersuchungen des Herrn Halfar
scheinen jene Angabe in der That zu bestätigen. Darf nun
der in Rede stehende kleine Goniatit wirklich als von Büdes-
heim stammend angesehen werden, so würden wir bereits drei
Localitäten haben, wo die im Uebrigen für die Verbreitung
des Goniatiten im Devon geltende Regel eine Ausnahme
erleidet.
Herr K. A. Lossen sprach über eigentümliche, theils
makro- theils mikroskopische Trümer, welche Quarz- und
Feldspathkrystallkörner in den Porphyroiden des Harz schein-
bar durchsetzen und ein Mittel an die Hand geben zu der oft
sehr schwierigen Unterscheidung krystallinischer und klastischer
Mineralkörner in den Gesteinen, besonders in den normalen
oder metamorphen Sedimentgesteinen. Diese meist kaum
1 Mm. bis 0,1 Mm. und darunter weiten Trümer bestehen wie
die erwähnten porphyroidischen Einsprenglinge, aus Quarz und
*) Dem Material nach könnte der fragliche Steinkern auch von
Nehden stammen, soweit aber bis jetzt bekannt, kommt dort ein ähn-
licher Goniatit nicht vor.
256
Feldspath. Beim ersten Anblick mit der Lupe oder unter dem
Mikroskop im gewöhnlichen Licht rufen sie häufig den Ein-
druck von nachträglich in dem festen Gestein entstandenen
und wieder ausgefüllten Spältchen hervor, was, abgesehen von
der trumartigen Form, oft noch besonders darin seinen Grund
hat, dass ihre Mineralsubstanz klarer ist, als diejenige der
scheinbar durchsetzten Einsprenglinge. Hiernach könnten diese
letzteren ebensowohl krystallinischer als klastischer Natur sein.
Dass dem indessen nicht so sei, dass vielmehr eine genauere
Untersuchung dafür spricht, sowohl die Substanz der Trümer,
als die der dem Gestein eingesprengten Körner seien an Ort
und Stelle in dem nach der Sedimentation in der Verfestigung
begriffenen Gestein erfolgte Krystallisationsbildungen wesent-
lich ein und desselben Bildungsprocesses , dafür bringt der
Redner folgende Gründe bei:
1. Spricht dafür der Umstand, dass die Körner wie die
Trümer aus derselben Mineralsubstanz, Quarz und Feldspath,
bestehen, und in der Regel, wenn auch nicht stets, ein Trum
innerhalb der Grenzen eines Quarzkornes Quarz , innerhalb
eines Feldspathkornes Feldspath enthält.
2. Ist eine bestimmte Grenze zwischen der Trumsubstanz
und der Substanz der Körner innerhalb dieser letzteren selbst
bei starker Vergrösserung und bei verschiedener Klarheit der
Substanz nicht wahrnehmbar,
3. Die Verschiedenheit der Klarheit der Substanz an-
langend, die am meisten die gegentheilige Auffassung befür-
wortet, so ist hervorzuheben, dass, wenn auch vorzugsweise
eine klare Bahn innerhalb der Mineralkörner der Fortsetzung
des Trumes ausserhalb entspricht, meistens sogar ohngefähr
in gleicher Breite mit diesem letzteren , es dennoch nicht an
klaren Stellen in den Krystallkörnern auch neben dieser fort-
gesetzten Richtung oder an unregelmässigen seitlichen Erbrei-
terungen der klaren Bahn, oder endlich an ganz klaren Kry-
stallen fehlt, wo also jener Unterschied in der Klarheit ausser
Betracht fällt.
4. Die ganz klaren Krystalle rufen denn auch schon beim
ersten Anblick den Eindruck hervor, als seien sie nur seit-
liche Erweiterungen des Trums und leiten so unmittelbar auf
die Vorstellung der einheitlichen Bildung von Krystallkörnern
und Trümern hin; dieselbe Auffassung befürworten solche
257
Krystalle , in welche von zwei Seiten die zugespitzten Enden
zweier sich begegnenden, aber in ihrer Richtung nicht genau
aufeinander treffenden Trümer einmünden und in der Krystall-
substanz aufgehen.
5. Weiterhin ist aber auch die Substanz der zumeist
wasserklaren Trümer keineswegs allerwärts klar, vielmehr an
einzelnen Stellen ebenso licht bräunlich oder graulich gefärbt,
wie die meisten Krystallkörner zum grössten Theil.
6. Ganz besonders aber befürwortet ein bereits an an-
derer Stelle (cfr. diese Zeitschr. Bd. XXI. pag. 316 — 319,
wo jedoch die Beschreibung in mancher Hinsicht zu verbessern
ist) mitgetheiltes Vorkommen die vom Redner vertretene Auf-
fassung: Es giebt bei Rübeland Porphyroide , welche dunkel-
grau bis tintenfarbig pigmentirte Quarz - und Orthoklas - Ein-
sprenglinge neben den helleren Krystallkörnern besitzen und
in diesen sind auch die bereits makroskopisch deutlich sicht-
baren Trümer theils klar, theils ebenso dunkel pigmentirt, wie
die Einsprenglinge und es verhalten sich die dunklen Trümer
zu den dunklen Krystallen ganz ebenso, wie die klaren Trü-
mer zu den vollständig klaren Krystallen. Dabei nimmt man
unter dem Mikroskop deutlich wahr, dass das noch näher zu
prüfende, höchst wahrscheinlich kohlige und der dunklen
Substanz in den Couseraniten , Chiastolithen und anderen Mi-
neralien vergleichbare Pigment, da wo es weniger dicht ver-
theilt ist, nur eine schwache Bräunung hervorruft, wie sie die
helleren Krystalle meist, nur in noch geringerem Maasse, zeigen.
7. Zu allen diesen Momenten tritt der wichtige Um-
stand, dass bei Anwendung von polarisirtem Licht fast an
allen Stellen, wo ein solches Trum einen Quarz - oder Ortho-
klaskrystall scheinbar durchsetzt oder in ihm endigt, die Pola-
risationsfarbe des Krystalls und des Trums bei gekreuzten
Nicols und jeglicher Drehung des Schliffs in seiner Ebene
durchaus dieselbe ist. Während im polarisirten Licht die
Trümer da, wo sie die Grundmasse durchlaufen, aus einem
sehr bunten Mosaik kleinster Kryställchen bestehen, herrscht
fast stets mit einem Male bei dem Eintritt in das porphyroidische
Krystallkorn auf die ganze Erstreckung ein und dieselbe Farbe,
wie schon gesagt, diejenige des scheinbar durchsetzten Kry-
stalls. Ja man sieht gar nicht selten , dass die Farbe der
Krystallkörner nicht nur innerhalb des normalen Krystall-
Zeits. d.D.geol. Ges. XXVII. 1. . 17
258
umrisses constant bleibt, sondern auch darüber hinaus in das
von Grundmasse umgebene Trum eine kleine Strecke weit
hinein fortsetzt, so dass der Krystall nach diesem Bilde im
polarisirten Licht Ausläufer in den Trumweg hineinsendet.
Bei genauer Beobachtung sieht man denn auch schon bei ge-
wöhnlichem Licht eine ganz scharfe Grenze da, wo die ein-
heitliche Farbenerscheinung aufhört, so dass gar kein Zweifel
sein kann , dass in der That auf dem Trumweg ein einheit-
liches Quarz- oder Feldspathindividuum in dem porphyroi-
dischen Einsprengling mitsammt seinen Ausläufern vorliegt.
Aus der Summe dieser Gründe, welche einzeln genommen,
auch die aus den Polarisationserscheinungen hergeleiteten,
nicht für einen vollgiltigen Beweis zureichend erscheinen kön-
nen, folgert der Redner im Zusammenhange mit dem geolo-
gischen Vorkommen der in Rede stehenden Gesteine, dass
das scheinbare Durchsetzen der Trümer durch die Krystalle
vielmehr auf einer eigenthümlichen Vertheilung jenes Pigments
(und vielleicht noch anderer Einschlüsse, wie z. Th. ebenfalls
pigmentisch dunkel gefärbter Flüssigkeitsporen mit beweg-
licher Libelle) beruhe, wonach jene kleinen Trümer, die hie
und da vielmehr ein vielfach in der Grundmasse verästeltes
und darin capillarisch endigendes Adernetz, als regelmässige
Spältchen darstellen, die Hauptzuführungswege bildeten, auf
denen eine Silicatlösung in dem in Krystallisation begriffenen
Gestein circulirte und die von der verunreinigenden Substanz
sowohl, als von anderen Einschlüssen vielleicht um deswillen
freier geblieben sind, weil die Bewegung der Lösung deren
Fixirung nicht gestattete. Nur, wenn das Pigment sehr dicht
gedrängt eingebettet liegt, erfüllt es gleichmässig die Trümer
und die grösseren Krystalle, die als seitliche Erweiterungen der
erstereu, hervorgebracht durch Bildung eines besonders grossen
Krystallindividuums, gelten müssen. Wenn übrigens eine Zer-
spaltung und nachträgliche Ausfüllung des festen Gesteins
zurückgewiesen werden muss , so gilt dies doch nicht in
gleicher Weise für eine Spaltenbildung, die vor oder unter
der Verfestigung des Gesteins durch Austrocknen des ursprüng-
lichen Sediments oder Krystallisationsspannung stattgefunden
haben mochte und welche dann zum natürlichen Weg für die
in Circulation begriffenen Lösungen und zum Sitz reinerer
Krystallisation wurde. Derartige Spältchen mögen denn auch
259
grössere Krystalle in statu nascendi zertheilt haben , wonach
aber unmittelbar darauf die Ausheilung mit zu dem Krystall
optisch gleichartig oder seltener ungleichartig orientirter Sub-
stanz erfolgt sein muss. Redner lenkt die Aufmerksamkeit auf
diese Beobachtungen in der Hoffnung, es werden sich bei sorgfäl-
tiger weiterer Verfolgung derselben sichere Kriterien zur Unter-
scheidung krystallinischer und klastischer Gesteinselemente
finden lassen , auch wenn die äussere Form oder andere
Umstände kein Mittel zur Unterscheidung an die Hand geben.
Er ist der Ansicht, dass derartige Trümer gar nicht so selten
sein werden in allen den Sedimenten, welche nach ihrer Ab-
lagerung einen, gleichviel ob diagenetischen oder metamor-
phischen , Krystallisationsprocess erlitten haben , und führt
dafür an , dass ein zufällig vorliegender Dünnschliff einer
Harzer Grauwacke darauf geprüft analoge Erscheinungen dar-
bot, wonach es den Anschein gewinnt, dass nicht alle Quarz-
und (?) I?eldspathkörner in der Grauwacke klastischer Natur sind.
Weitere eingehendere Mittheilungen über den Gegenstand sollen
folgen.
Derselbe theilte aus einem von Herrn F. Zirkel in Leipzig
an ihn gerichteten Briefe mit, dass dieser unermüdliche Mi-
kroskopiker in amerikanischen Gesteinen Leucit, „unendlich
viel schöner, als ihn das alte Europa gebiert", aufgefunden
habe.
Herr Kosmann referirte über einen im Februarhefte der
Comptes rendus etc. enthaltenen Aufsatz von Des Cloizeaux
über die optischen doppelbrechenden Eigenschaften der tri-
klinen Feldspäthe. Des Cloizeaux behauptete, durch die ge-
nauere Untersuchung dieser Eigenschaften am Albit, Oligoklas,
Labrador und Anorthit zu Ergebnissen gelangt zu sein, welche
der vor einigen Jahren aufgestellten Theorie Tschermak's,
dass die intermediären triklinen Feldspäthe als isomorphe
Mischungen der Grenztypen, nämlich des Albits und Anorthits,
zu betrachten seien, hinfällig machen» Die optische Mittel-
linie des Albits ist positiv, die Axenzerstreuung ergiebt p <! o,
und ergiebt sich gleiches für den Anorthit, wenngleich die
Orientation der Axenebene des letzteren keine so bestimmte,
wie an ersterem und ebenso wie am Oligoklas und Labrador.
Die Bestimmung der positiven oder negativen Beschaffenheit
der optischen Mittellinie im Oligoklas erleidet Schwankungen,
260
die Zerstreuung für die negative Mittellinie des spitzen Axen-
winkels zeigt p > u. Am Labrador dagegen zeigt sich die
optische Mittellinie stets positiv und die Axenzerstreuung in
den Farben p > u.
Es wird .hieraus gefolgert : 1. dass gewisse Mineral-
varietäten , wie der Mondstein von Mineral Hill , der Tscher-
makit vom Bamle in Norwegen auf den Albit, der Kalkoligo-
klas oder Hafnefjordit auf den Labrador zurückzuführen seien;
2. dass die TsCHERMAK'sche Theorie mit Bestimmtheit für den
Labrador zurückgewiesen werden müsse, insofern bei dem
Zusammentreten zweier Minerale , deren Mittellinie negativen
Charakter und deren Axenzerstreuung den Index p <* u habe,
nicht ein anderes Mineral resultiren könne , welches eine
Mittellinie von positivem Vorzeichen und einer Axenzerstreuung
p ;> u aufweise.
Herr Bauer besprach die Analyse des Tschermakits von
Pisani , die in derselben Arbeit von Des Cloizeaux angeführt
ist, und die mit der Analyse von Hawes vollkommen überein-
stimmt und ebenso mit der Tschermak' sehen Theorie , nach
welcher der Tschermakit ein Na- reicher Oligoklas ist. Des
Cloizeuax erklärte ihn auf Grund seiner optischen Unter-
suchungen für Albit. Diese Untersuchungen dürften aber kaum
geeignet sein, die TsCHERMAK'sche Theorie als unzutreffend zu
kennzeichnen, da diese Frage wesentlich vom chemischen Stand-
punkt aus entschieden werden muss, und da hat man doch
gefunden, dass bei allen guten Analysen Theorie und che-
mischer Befund durchaus übereinstimmen.
Herr Schmidt legte einige Blätter der photographischen
Copie seiner Mondkarte vor.
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
V. w. o.
Betrich. Dames. Bauer.
c
Druck von J. F. Starcke in Berlin.
Inhalt des 1. Heftes.
A. Aufsätze.
Seite.
f. Geologie der Morgenberghornkette und der angrenzenden
Flysch- und Cypsregion am Thunersee. Von Herrn
Madrice von Tribolet in Neuchätel. (Hierzu Tafel I.) . 1
2. üeber die Schichtenfolge des oberen Jura bei Ahlem unweit
Hannover und über das Vorkommen der Exogyra virgula
im oberen Korallen - Oolith des weissen Jura daselbst.
Von Herrn C. Strcckmann in Hannover 30
3. Geognostisch - chemische Mittheilungen über die neuesten
Eruptionen auf Vulcano und die Producte derselben.
Von Herrn A. Baltzer in Zürich. (Hierzu Tafel II — IV.) 36
4. Ueber die Eisenerzlagerstätten von El Pedroso in der Pro-
vinz Sevilla. Von Herrn Ferd. Roemer in Breslau . . 63
5. Ueber das Vorkommen von Nöggerathia foliosa Stbg. in dem
Steinkohlengebirge von Oberschlesien und über die Wich-
tigkeit desselben für eine Parallelisirung dieser Schichten
mit denen von Böhmen. Von Hrn. Ottokar Feistmantel
in Breslau. (Hierzu Tafel V.) 70
6. Ueber den bunten Sandstein in den Vogesen, seine Zusam-
mensetzung und Lagerung Von Herrn R. Lepsius in
Berlin. (Hierzu Tafel VI.) 83
7. Die granitischen Gänge des sächsischen Granulitgebirges.
Von Herrn H. Crednrr in Leipzig. (Hierzu Tafel VII.) 104
B. Briefliche Mittheilungen
der Herren Hilgendorf und Gottsche 224
C. Verhandlungen der Gesellschaft.
1. Protokoll der Januar-Sitzung, vom 6. Januar 1875 . . . 229
2. Protokoll der Februar-Sitzung, vom 3. Februar 1S75 ... 244
3. Protokoll der März-Sitzung, vom 3. März 1875 . . . . 251
Die Autoren sind allein verantwortlich für den Inhalt ihrer Abhandlungen.
Einsendungen für die Bibliothek der Gesellschaft, Beiträge für
die Zeitschrift, Briefe und Anfragen, betreffend die Versendung der
Zeitschrift, Reclamationen nicht eingegangener Hefte, sowie Anzei-
gen etwaiger Veränderungen des Wohnortes sind an Dr. Dames (Lust-
garten No. 6.) zu richten. Die Beiträge sind pränumerando an die
Bessersche Buchhandlung (Marienstrasse 10.) einzureichen. Die
Herren Mitglieder werden ersucht, diese Einzahlung nicht auf buch-
j händlerischem Wege, sondern durch directe Uebersendung an
I die BeSMersche Buchhandlung zu bewirken.
Zeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft.
XXVII. Band.
2. Heft.
April bis Juni 1875.
(Hierzu Tafel VIII — XI.)
Berlin, 1875.
Bei Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung).
Marienstrasse No. 10.
Zeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft.
2. Heft (April, Mai und Juni 1875).
A. Aufsätze,
1. Aus dem Thüringischen Schieferg*birge.
Von Herrn R. Richter in Saalfeld.
Hierzu Tafel VIII.
V.*)
Nachdem es gelungen, die von dem königl. bayer. Ober-
bergrath Herrn Dr. C. W. Gümbel zuerst bei Gräfenthal und
bei Steinach unterschiedenen graptolithenreichen Schiefer im
Hangenden der obersilurischen Kalklager Thüringens (vergl.
diese Zeitschr. XXIII. pag. 782) auf der ganzen Strecke von
Saalfeld bis Hämmern als ein constantes, wenn auch mehrfach
bis -zum Verschwinden verdrücktes Glied des obersilurischen
Systems im Thüringer Walde zu erkennen , zerlegt sich das
ganze System am einfachsten in eine untere graptolithenreiche
Abtheilung (Graptolithenschichten) , welche aus den basalen
Kiesel - und Alaunschiefern (3. des umstehenden Profils,
welches dem südlichen Theile der Umgegend von Saalfeld
entnommen ist), den mittleren Kalklagern mit Orthoceras bohe-
micum Barr, und Cardiola interrupta Brod. (4. des Profils)
und aus den hangenden Kiesel- und Alaunschiefern (5. des
Profils) besteht; und in eine obere tentaculitenreiche (Tenta-
*) Vergl. diese Zeitschr. XIII. pag. 231 ff.
Zeits.d.D.geoI. Ges. XXVII. 2. 18
262
culitenschichten) , welche aus den Knotenkalken mit Ktena-
kanthusstacheln , Tentaculites acuarius und Favosites gottlandica
Goldf. (6. des Profils), ferner den Nereitenschichten (7. des
Profils) und den Schiefern mit Tentaculites cancellatus (8. des
Profils) , endlich den alaunschieferartigen Grenzschiefern , in
denen bis jetzt Petrefacten nicht aufgefunden sind (9. des Profils),
sich aufbaut.
12. Schotter.
11. Zechstein.
10- Cypridinenschiefer.
9. Grenzschiefer.
8. Cancellatusschichten (Tentacu-
litenschiefer). ***)
7. Nereitenschichten.
6. Ktenakanthuschichten (Tentacu-
litenschichten (Gein.)*).
5. Oberer Graptolithenschiefer.
-4. Interruptakalk. **)
3. Untere Graptolithenschiefei'.
2. Untersilur,
t. Phycodesschichten.
Ihrer petrographischen Beschaffenheit nach sind die in
Rede stehenden oberen Graptolithenschiefer, die selbstver-
ständlich mit den liegenden Interruptakalken und den hangen-
den Ktenakanthusschichten in vollkommener Concordanz sich
befinden , mit den unteren Graptolithenschiefern fast ganz
gleichartig und Handstücke aus beiden Horizonten lassen sich
nur bei genauer Vergleichung unterscheiden. Wie die unteren,
so constituiren die oberen Graptolithenschiefer in ihrem tiefsten
Theile einen Kieselschiefer, der nach aufwärts mehr und mehr
mit Alaunschieferlagen abwechselt und endlich ganz und gar
zurücktritt; wie jene, gestatten sie dem unbewaffneten Auge
*) Der Name ist gewählt worden , um das Formationsglied als
das tiefste, in welchem Wirbclthicrrcste vorkommen, auszuzeichnen.
**) Der in dieser Zeitschr. Bd. XXIII. pag. 782 gebrauchte Name
Ockerkalk würde ebenso den Zechstcinkalken zukommen, aus denen hier
Ocker in weit grösserer Menge gewonnen wird, als aus dem Interrupta-
kalk.
***) Nach dem vorherrschenden Tentaculites cancellatus.
263
eine Unterscheidung der Gemengtheile nicht; wie jene besitzen
sie eine regelmässige Schieferung , die sich von centimeter-
starken Tafeln bis zu papierdünnen Blättern verfolgen lässt;
wie diese sind sie tiefschwarz und nehmen erst nach längerer
Einwirkung der Atmosphärilien graue und weissliche Nuancen
an und unterscheiden sich nur dadurch , dass ihr Korn etwas
weniger rauh und ihre Härte etwas geringer ist, was auf
einen grösseren Gehalt von Thonerde hinweist, vermöge dessen
sie an manchen Punkten , wie bei Steinach und Gebersdorf,
bei der Verwitterung in thonige Blätter und Splitter zerfallen.
Fast scheint es, als ob Engelhardt das Vorkommen dieser
Schiefer in der Partschengasse zu Steinach meine, wenn er
(diese Zeitschr. Bd. IV.) gewisser Thonschiefer gedenkt, die
in Folge von Anfeuchtung plastisch werden.
Auch ist die Beimengung von Eisenkies eine geringere,
weshalb diese oberen Graptolithenschiefer , obgleich auch ihre
Petrefacten nicht selten verkiest sind, doch wenig Neigung zur
Erzeugung jener Efflorescenzen zeigen , die in den unteren
Graptolithenschiefern so häufig und nutzbar, der Erhaltung der
Petrefacten dagegen so nachtheilig sind. Nur an einem Punkte,
im Rothenbach unweit Saalfeld , sind sie eine Zeit lang zur
Vitriolbereitung verwendet worden. Dagegen sind ebenso wie
dort die Abdrücke der Petrefacten mit einem Pyrophyllit-
häutchen überzogen und die Verkiesungen von diesem Mineral
umhüllt.
Ein mehr als nur gradueller Unterschied scheint der zu
sein, dass die oberen Graptolithenschiefer fast überall und am
meisten bei grösserer Mächtigkeit eine Streckung in der Rich-
tung des Streichens und eine Stauchung in der Richtung des
Fallens wahrnehmen lassen, die am deutlichsten in der Be-
schaffenheit der Petrefacten zum Ausdrucke gelangt , indem
diese in der ersten Richtung länger und schlanker, in der
zweiten kürzer und breiter erscheinen , als in den zwischen-
liegenden Richtungen, in denen allein sie die mittleren natür-
lichen Dimensionen beibehalten.
Die paläontologischen Unterschiede lassen sich vorläufig
noch nicht mit Sicherheit bezeichnen , da die Untersuchung
unseres oberen Graptolithenhorizonts gerade in dieser Richtung
noch zu wenig eingehend hat geschehen können. Im Allge-
meinen sind in dem oberen Horizont bisher nur zwei Grapto-
18*
264
lithenformen aufgefunden worden , die mit jenen des unteren
Horizonts nicht übereinstimmen. Das Vorkommen ausschliess-
lich geradliniger monoprionidischer Graptolithen (diese Zeitschr.
Bd. XXIII. pag. 782) bestätigt sich nicht, sondern beschränkt
sich nur auf einzelne Fundorte , wie es nicht selten auch in
den unteren Graptolithenschiefern der Fall ist, während ander-
wärts auch gekrümrate und gewundene Formen sich jenen bei-
gesellen. Wenn bisher diprionidische Formen, die doch selbst
den Nereitenschichten und den Cancellatusschiefern nicht ab-
gehen, noch nicht beobachtet worden sind, so würde ein Schluss
auf das gänzliche Fehlen derselben innerhalb dieses Horizontes
doch umsomebr verfrüht sein, als einestheils bis jetzt nur an
wenigen Punkten gesammelt worden ist, anderntheils diese
zweizeiligen Graptolithen auch in dem unteren Horizonte oft
auf weite Strecken hin vermisst werden.
Desto auffallender ist das Vorkommen eines Dicranograptus,
da nach den bisherigen Erfahrungen diese Gattung nur den
relativ älteren Formationen anzugehören schien und deshalb
ihre Abwesenheit in den unteren Graptolithenschiefern Thü-
ringens nicht überraschte. Um so merkwürdiger dieses Wieder-
aufleben der Gattung. Aber auch noch in anderer und sehr
beachtenswerther Weise weicht die Fauna der oberen Grapto-
lithenschiefer von jener der unteren und zwar darin ab , dass
wenigstens an zwei Stellen (Adriansthal bei Saalfeld und
Gissera bei Reschwitz) mit den Graptolithen zugleich Tenta-
culiten der Ktenakanthusschichten vorkommen, während ausser-
dem in dem ganzen Gebiete der Graptolithenschichten noch
nie eine Spur von diesen kleinen Pteropoden entdeckt worden
ist. Diese Tentaculiten , eine kleine Discina und Graptolithen
nebst einigen Formen incertae sedis machen vorläufig den gan-
zen Bestand der Fauna des oberen Graptolithenhorizontes aus.
Das unmittelbar Hangende des oberen Graptolithenhori-
zontes, also das Tiefste der Ktenakanthusschichten, besteht aus
schwarzen Schiefern, deren ebenfalls schwarze Kalkconcretionen
von bedeutender Grösse und oft plattenförmiger Absonderung
sind. Bei der Verwitterung bräunt sich theilweise das Gestein
und lässt sowohl daran als auch an der rothen Färbung,
265
welche die Oberfläche der aus weissem Kalkspath bestehenden
Tentaculiten bedeckt, einen gewissen Eisengehalt erkennen.
Manchmal sind auch diese weissspäthigen Tentaculiten mit
einer dünnen Markasitrinde umgeben , die an die Stelle des
Schälchens getreten ist und alle Ornamente des Petrefacts bis
in die feinsten Einzelheiten conservirt hat. Neben diesen dem
Formationsgliede eigenen Tentaculiten findet sich noch die für
Thüringen neue Pterinaea lineatula d'Orb. (Ludlow) und Car-
diola striata Sow. , die bisher in diesen Schichten noch nicht
gefunden worden war, in ausgezeichnet grossen Exemplaren.
Erst darunter folgen die oberen Graptolithenschiefer mit ihrer
besonderen Fauna — Pflanzenreste haben sich noch nicht ent-
decken lassen.
Nach ihrem Erhaltungszustande sind die Petrefacten der
oberen Graptolithenschiefer theils Abdrücke, theils Verkiesungen,
aber nur die Graptolithen zeigen in beiden Fällen regelmässig
den schon erwähnten Ueberzug von Pyropbyllit, der manchmal
eine ansehnliche Stärke hat und auf den ausgebleichten Schie-
fern ein silberweisses und endlich ein mattes kalkartiges Aus-
sehen hat. Andere Petrefacten sind nur ausnahmsweise von
Pyropbyllit begleitet und gestatten den Schluss auf eine Be-
schaffenheit der petrificirten Reste, die jener der Graptolithen
entsprochen haben möchte.
1. Tentaculites ferula.
Vergl. diese Zeitschr. Bd. XVIII. pag. 410,, Taf. V. Fig. 1. 2.
2. T. acuarius.
3. T. Geinitzianus.
4. T. infundibulum.
5. T. subconicus Gein.
Vergl. diese Zeitschr. Bd. VI. pag. 285 ff., Taf. III. Fig. 2-9 und
17 - 19.
6. Discina dissimilis n. sp.
Taf. VIII. Fig. 1.
Fast regelmässig eirund, 8 — 10 Mm. lang, 6 — 7 Mm.
breit. Die sehr fein punktirte, aber sonst glatte Ventralklappe
hat einen engen Schlitz mit wenig hervortretender Randwulst.
Die mützenförmige Dorsalklappe mit länglichem , nach hinten
und oben excentrischem Scheitel ist mit starken radialen Rip-
266
pen , die gegen den Rand hin durch Einschiebung sich ver-
mehren, und einigen ziemlich entfernt stehenden Anwachs-
streifen versehen. Der Rand scheint leistenartig verdickt ge-
wesen zu sein , da oft nur der vertiefte Eindruck desselben
erhalten ist und bei Erhaltung der ganzen Schale diese immer
innerhalb der Randleiste eingedrückt ist , so dass zwischen
diesem Rande und dem Scheitel eine ringförmige Vertiefung
entsteht, in welcher die Radialrippen selten erkennbar bleiben,
und in diesem Falle es den Anschein hat, als ob ein glattes
Band zwischen Rand und Scheitel liege.
In den obersten Lagen unseres Horizonts die Schicht-
flächen dicht, wie ein Pflaster bedeckend, so dass kaum ein
Tentaculit oder Graptolith dazwischen Raum findet.
Dicrano graptus Hall z. Th.
Der kurze verkehrtkegelförmige Fuss verbreitert sich nach
oben und bildet so die Basis für die zwei monoprionidischen
Arme des Stockes, welche in einem weitgeöffneten Winkel
divergiren und einander ihre Dorsalseiten zukehren, während
die Ventralseite mit den Zellen nach aussen und unten ge-
wendet ist. Nach diesen Charakteren gehört hierher ausser
dem typischen D. divaricatus Hall nur noch die unten zu
beschreibende Form , denn Ciadograptus Forchammeri Gein.,
den Hall mit der Gattung vereinigt, hat in der Abbildung bei
Geinitz (Graptolithen Taf. V. Fig. 29 — 31) einen Fuss, nach
dessen Stellung die Arme einander die Ventralseite zukehren
und gehört demnach zu Didymo graptus.
Von der Beschaffenheit der Zellen, die Hall als blosse
Einsenkungen in den Canal ohne becherförmigen oder anders-
gestalteten Rand charakterisirt, wird um so eher abgesehen
werden dürfen, als auch in anderen Gattungen, namentlich in
der Gattung Monograptus Formen wie M. cliorda und die übrigen
Rastriten (diese Zeitschr. Bd. XXIII. p. 240. Taf. V. Fig. 2—4.)
vorkommen, deren Zellen auch bloss in den Canal eingelassen
und nur durch Ornamente oder Bewaffnungen ausgezeichnet
sind. Die unmittelbar aus dem Fusse entspringende Diver-
genz der beiden Arme des Stockes ist an der Basis nicht
durch den Scheitel eines Winkels, sondern durch eine ziemlich
weite und völlig glatte Ausrundung markirt und schliesst
267
deshalb Formen, wie D. sextans Hall. D. ramosus Hall,
D. furcatus Hall und D. Clingani Carr. , die am Grunde des
Stockes diprionidisch erscheinen und dann erst in zwei mono-
prionidische Aeste zerfallen, aus der oben definirten Gat-
tung aus.
7. D. posthumus n. sp.
Taf. VIII. Fig. 2. 3.
Fuss einfach , wenigstens lässt sich bis jetzt keine Spur
der Nebenfüsse des D. divaricatus Hall erkennen. Canal eng
mit einer Axe, die in dem normalen Verhältniss zu demselben
steht. Die Linien, die in der Substanz des Fusses zum Vor-
schein kommen , sind nicht bei allen Exemplaren dieselben
und lassen sich deshalb nicht mit Sicherheit auf die x\nfänge
der Axe beziehen. Bei dem vorliegenden Erhaltungszustande
sind am Canal weder die gewöhnlichen schiefen Querrunzeln,
noch auch die Knötchen nachzuweisen , welche bei D. divari-
catus Hall erscheinen , obgleich einzelne Andeutungen der-
selben vorhanden sind. Die Zellen entspringen in solcher
Entfernung von einander , dass die Basis der folgenden Zelle
mit der Spitze der vorhergehenden auf gleicher Höhe steht;
legen sich eng an den Canal an, von dessen Richtung sie nur
um ca. 20 0 abweichen , haben die vierfache Länge des Quer-
durchmessers und stellen enge Becherchen dar, deren Aussen-
wand etwas schneppenförmig vorgezogen ist. Die Mündung
liegt zwischen dieser Schneppe und dem Canal und scheint
mit einem verdickten und abgerundeten Saume versehen zu
sein. Der Pyrophyllitüberzug, der sich ohne Verletzung des
Petrefacts nicht abheben lässt, verbirgt manche Details.
Hauptsächlich im mittleren Theile des Horizonts.
8. Mono graptus colonus Barr.
Qraptolithus colonus Barrandk, Graptol. de Boh. pag. 42. PI. II.
f. 1 —5.
9. M. nuntius Barr.
Grapt. nuntius Barr. 1. c. pag. 45. PI. II f. 6 — 8.
10. M. cf. sa gittarius His.
Prionolus sagittarius Hisinger, Leth. suec. Suppl. p. 114. t. 35. f. 6.
Monograptus sagittarius His. , Geinitz, Graptol. t. 2 f. 3. 4. und
t. 3 f. 9. 10.
268
11. M. Nilsso ni Barr.
Grapt. Nilssoni Barr. 1. c. pag. 51. PI. II. f. 16. 17.
Neben der echten Form Barrande's findet sich auch die
robustere, die Nicholson (Quart. Journ. of the Geol. Soc. 1868.
PI. XX. f. 20. 21.) als var. major unterscheidet. Abgesehen
von den Dimensionen bleiben die Relationen der einzelneu
Theile zu einander gleich, da die Stärke des Canals jener der
Zellen gleich ist, die Stellung der letzteren um 15° von der
Richtung des Canals abweicht und die Länge der Zellen, deren
jede mit ihrer Spitze nur die Basis der nächstfolgenden er-
reicht, 2,5 mal grösser ist, als ihr Querdurchmesser. Die
Axe , die auch in vielen Abdrücken aus Eisenkies besteht,
zerfällt öfters in ganz kurze cylindrisehe oder kugelförmige
Fragmente.
12. M. microdon n. sp.
Taf. VIII. Fig. 4. 5. 6.
Schlank und sehr langsam an Stärke zunehmend. Der
einfache Fuss ist meist, wie bei den monoprionidischen For-
men überhaupt, aufwärts zurückgeschlagen. Der nicht selten
leicht hin und hergebogene Canal ist stärker als die Zellen
mit einer Axe von normaler Stärke und an den Seiten da,
wo der Boden der Zellen zu vermuthen ist, mit einem Orna-
ment, das bald als eingedrückter Punkt, bald als Knötchen
erscheint. Die schiefen Querrunzeln des Hautskelets, die
anderen Formen selten fehlen, lassen sich hier vielleicht in
Folge der Pyrophyllithülle nicht erkennen. Die Zellen be-
schreiben mit dem Canal einen Winkel von 15°, stehen um
ihre eigene Länge von einander ab, so dass die Spitze der un-
teren Zelle nur wenig über die Basis der darüber stehenden
hinaufreicht, sind am Grunde bauchig, nach oben fast hals-
artig verengt und der Mundsaum tritt nur sehr wenig nach
aussen und unten aus dem Umrisse der Ventralseite hervor.
Vermöge der verhältnissmässigen Stärke des Canals und
der damit zusammenhängenden Abplattung der Zellen scheint
der Stock eine gewisse Rundung besessen zu haben, was auch
daraus hervorgeht, dass scalariforme Exemplare oder solche,
deren Axe in der Medianlinie liegt, ziemlich häufig vorkommen.
269
13. M. priodon Bronn.
Lomatoceras priodon Bronn, Leih, geogn. I. pag. 56. t. 1. f. 13.
Grajtt. priodon Barr., Grapt. pag. 38. PI. I. f. 1 — 14,
Taf. VIII. Fig. 7.
Häufig nur im oberen Theile des Horizonts und zwar
nieist verkiest in Gesellschaft der Tentaculiten , der Pterinaea
lineatula d'Orb. , der Cardiola striata Sow. und der Discinen.
Eins dieser verkiesten Exemplare zeigt an dem stärkeren Theile
des zurückgeschlagenen Fusses eine deutlich erkennbare Zellen-
mündung und unterstützt somit die Anschauung, dass der Fuss
eigentlich nur das erste Individuum des Graptolithenstockes
sei, welches nach Bildung der ersten Knospe zu Grunde geht
und fortan nur noch zur Befestigung der Colonie dient.
14. M. Ludensis Murchison.
Gr. Ludensis Murcb., Sil. Syst. pag. 694. PI. XXVI. f. i. la.
Taf. VIII. Fig. 8. 9. 10. 11.
Die Artbestimmung beruht zunächst auf der fast vollkom-
menen Uebereinstimmung des hiesigen Petrefacts mit der Ab-
bildung bei Murchison. Die einzige Abweichung besteht darin,
dass in der vergrösserten Figur la die Zellenmündungen nicht
angedeutet sind, ein Mangel, der 1839, zu einer Zeit, in der
Barrande's bahnbrechendes Werk über die böhmischen Gra-
ptolithen noch nicht erschienen war, wohl Entschuldigung finden
wird. Eine weitere Stütze für unsere Bestimmung gewähren
Exemplare aus nordischen Geschieben, die in der Umgebung
von Rostock gesammelt worden sind.
Der Stock erreicht eine ansehnliche Länge und ist im
Jugendzustande leicht rückwärts gekrümmt, wächst aber dann
in gerader Richtung fort. Der Canal erscheint im Profil we-
niger stark, als die einzelne Zelle und zeigt eine nur sehr
langsame Zunahme. Die Axe ist von normaler Beschaffenheit
und «conservirt sich oft noch auf eine bedeutende Länge, wenn
auch die jüngsten Zellen des Stockes gänzlich zerstört und
verschwunden sind. Die diehtanstossenden Zellen, deren Reihe
0,6 von der Profilbreite des Petrefacts einnimmt, stehen um
30 0 vom Canale ab , haben die doppelte Länge ihres Quer-
durchmessers und sind am Grunde bauchig, oben verengert
mit schief nach aussen gewendeter Mündung, deren Saum sich
270
nach vorn zu einer abwärts geneigten Spitze verlängert. Die
zahlreichen scalariforraen Exemplare lassen auf eine gewisse
Rundung des Stockes oder auf Abplattung der Dorsalseite
schliessen.
Der häufigste Graptolith des Horizonts, aber so vielfach
auch alle Schichtflächen völlig von demselben bedeckt werden,
so gehören doch längere Individuen zu den Seltenheiten, wäh-
rend die Stücke bis zu 3 Cm. Länge (Taf. VIII. Fig. 4) die
Hauptmenge des Vorkommens ausmachen, ganz in ähnlicher
Weise wie in den Handstücken nordischer Kalkgeschiebe, in
denen zugleich M. tenuis Portlock (sicher von M. Nilssoni
Barr, verschieden) *) sich findet.
15. M. convolutus Hisinger.
Prionotus convolutus His., Leth. suec. Suppl. p. 114. t. 35. f. 7.
Graptol. spiralis Barr., Grapt. pag. 54. PI. IV. f. 10 — 13.
M. convolutus Gein., Grapt. pag. 45. t. 4. f. 30-35.
Nach einigen Kieskernen von leider unvollkommener Er-
haltung scheinen die Zellen auf dem bandförmigen Canal eine
ähnliche Stellung zu haben, wie bei M. turriculatus Barr.
16. M. gemmatus Barr.
Grapt. gemmatus Barr., Grapt pag. 68 PI. IV. f. 5.
— — diese Zeitschr. V. pag. 462 Taf. XII. Fig. 34.
— — diese Zeitschr. XXIII. pag. 240. Taf. V. Fig. 2.
17. M. fugax Barr.
Rastrites fugax Barr., Grapt. pag. 66. PJ. IV. f. 1.
M. spina, diese Zeitschr. V. pag. 462. Taf. XII. Fig. 32, 33.
— — diese Zeitschr. XXIII. pag. 235.
Taf. VIII. Fig. 12.
Wie die vorhergehende Art ein echter Rastrit, dessen
Zellen als kleine umgekehrt kegelförmige Becher mit weiter
Mündung gleichsam in den Achseln stehen, welche die hier
ziemlich geradlinigen appendiculären Theile des äusseren Zell-
randes mit dem Canale bilden.
*) Vergl. dazu Dames, Beitrag zur Kenntniss der Gattung Dictyonema,
diese Zeitschr. XXV. pag. 383.
271
Aus dem einfachen meist zurückgeschlagenen Fusse ent-
springt der sehr enge, entfernt quergerunzelte Canal mit einer
Axe von entsprechender Feinheit und beschreibt eine ziemlich
weite Spirale von nur wenigen Umgängen , die aber meist
etwas in die Länge gezogen ist und den Anschein hat, als ob
sie nicht in einer und derselben Ebene gelegen , sondern sich
in umgekehrter Kegelform erhoben hätte. Die Zellen befinden
sich auf der Aussen- und Oberseite der Windungen des Canals,
sind wie bei M. gemmatus in den an diesen Stellen verdickten
Canal eingelassen und um die Länge ihrer appendiculären
Spitzen von einander entfernt. Wo die Krümmung des Canals
stärker ist, stehen diese Ornamente rechtwinklig ab, je flacher
dagegen die Krümmung ist , desto steiler richten sie sich auf
und liegen am Canal an, so dass solche Stücke wie Theile
des M. Nilssoni erscheinen. Sie lassen sich jedoch leicht, am
besten in den Verkiesungen von diesem unterscheiden , da sie
spitz sind, während die Zellen des M. Nilssoni bis an's obere
Ende gleich stark bleiben oder sich sogar etwas verdicken.
Mit den beiden vorigen Arten besonders im mittleren
Theile des Horizonts, wo centimeterstarke Lagen von Kiesel-
schiefer mit solchen von Alaunschiefer wecbsellagern.
Taf. Vitt. Fig. 13.
In den Alaunschiefern des Schwefellochs bei Schmiedefeld
hat sich einmal ein Petrefact gefunden , das nach Krümmung
und Verästelung des Stämmchens sich nur mit Cyrtoyraptus
Murchisoni Carrüthers (Brit. Graptol. Geol. Mag. 1868. p. 72.
PI. V. f. 17.) vergleichen lässt, sofern dabei von den Zellen,
die an dem britischen Fossil so ausserordentlich scharf aus-
geprägt sind , abgesehen wird. Denn beide Ränder des hie-
sigen Petrefacts sind vollkommen glatt, und auch die minutiö-
seste Untersuchung zeigt weder hier eine Spur von Zellen,
noch auch innerhalb dieser Ränder eine Andeutung, dass ein
scalariformer Erhaltungszustand vorliege. Allerdings ist die
Untersuchung dadurch erschwert, dass die beiden Spaltflächen
des Stückes, welches nicht so flach, wie die Abdrücke der
mitvorkommenden Graptolithen auf dem Schiefer liegt, son-
dern ungefähr 0,5 Mm. in das Gestein eingedrückt ist, mit klei-
nen Eisenkieskrystallen bedeckt sind. Die vertiefte Mittellinie,
die durch einen Theil des Stückes hinläuft, scheint Folge davon
272
zu sein, dass die an den Wänden des Hohlraums, der nach
Zersetzung des ursprünglich vorhanden gewesenen Körpers
zurückblieb, sich bildenden Krystalle den Raum nicht vollkom-
men ausfüllten. Die an der Aussenseite des Stammes befind-
lichen Aeste stehen in regelmässigen Entfernungen von 9, 2x9
und (in der Verlängerung des Stammes, welche die Abbildung
nicht mehr wiedergiebt) 3x9 Mm. von einander ab.
Taf. VIII. Fig. 14. 15.
Ungleich dem unteren Graptolithenhorizonte , in welchem
bisher ausser den Graptolithen nur ein kleiner Nautilus (N. veles,
vergl. diese Zeitschr. XXIII. pag. 243.) und neuerlich ein Or-
thoceratit als grosse Seltenheiten gefunden worden sind, enthält
der obere Horizont gar nicht selten Formen, die den Grapto-
lithinen nicht angehören , aber freilich ihres unvollkommenen
Erhaltungszustandes wegen vorläufig incertae sedis bleiben
müssen. Manche derselben gestatten einen Vergleich mit
Hinterleibssegmenten und Steuerapparat von Ceratiocaris , an-
dere mit Conularia, wieder andere sind wurmförmig und mit
starken auf der concaven Seite der Abdrücke gespaltenen
Rippen versehen, noch andere schlauchförmig mit äusserst
feinen Querrunzeln, deren Zwischenräume mit Pyrophyllit aus-
gefüllt sind und in Folge davon ein eigentümliches flimmerndes
Ausseben darbieten.
Etwas deutlicher, aber trotzdem unbestimmter sind Ab-
drücke, wie Figur 14 u. 15 unserer Tafel, welche innerhalb
eines spateiförmigen Umrisses mit kleinen nach aussen dicht
gedrängten , nach innen entfernter stehenden Furchen bedeckt
sind, die meist nur eine hakenförmige Gestalt zeigen, bei bes-
serer Erhaltung aber als scharf eingeschnittene geschlossene
Ovale erscheinen, deren Innenraum von quincuncial geordneten
Knötchen oder Spitzchen eingenommen wird. Ein Vergleich
mit lebenden Formen lässt sich kaum finden.
273
Erklärung der Tafel VIII.
Figur 1. Discina dissimiUs n. sp. Dorsalklappe, \ n, Gr. Gissera.
Figur 2. Dicranograptus posthumus n. sp. ^ n. Gr. Kreunitz
Figur 3. Derselbe £ n. Gr.
Figur 4. Monograplus microdon n. sp. \ n. Gr. Kreunitz.
Figur 5. Derselbe, f n. Gr.
Figur 6 Derselbe, Fussstück, f n. Gr.
Figur 7. M. priodon Bronn, Fussstück, f n. Gr. Adriansthal.
Figur 8. M. Ludensis Mürch., mit entblösster Axe. | n. Gr. Jagd-
stiegelwand.
Figur 9. Derselbe, gewöhnliches Vorkommen. | n. Gr. Gräfenthal.
Figur 10. Derselbe, halbscalariform. | n. Gr. Kreunitz.
Figur Ii. Derselbe, f n. Gr.
Figur 12. M. fugax Barr. { n. Gr. Rothenbach
Figur 13. ? Cyrtograptus. | n. Gr. Schmiedefeld.
Figur 14. Inc. sedis. | n. Gr. Kreunitz.
Figur 15. Hakenfurchen desselben Stücks. 'T° n. Gr.
274
2. Beriebt über eine Reise nach dem Quilotoa und dem
Cerro hermoso in den ecuadorischen Cordilleren.
Von Herrn VV. Reiss aus Mannheim.
(Aus dem Spanischen*) übersetzt von Herrn Gr. vom Rath.)
Nachdem ich den Iliniza untersucht und meine Beobach-
tungen über den Cotopaxi abgeschlossen hatte , bot sich mir
als fernere Aufgabe meiner den Vulcanen Ecuadors gewid-
meten Studien die Untersuchung zweier sehr berufener, aber
wenig bekannter Berge dar. Den Quilotoa, über dessen Eru-
ptionen der Pater Velasco einen so seltsamen Bericht giebt,
musste ich in der westlichen Cordillere aufsuchen, während in
gleicher Weise meine Aufmerksamkeit auf die Gebirge von
Llanganates in der östlichen Cordillere gelenkt wurde, da die-
selben verschiedenen Berichten zufolge sowohl reich an Gold
als auch an thätigen Vulkanen sein sollten — eine sehr un-
gewöhnliche Vereinigung geologischer Tbatsachen.
Zunächst beschloss ich, mich nach dem Quilotoa zu wen-
den, von welchem nur bekannt war, dass er der Westcordillere
zwischen Sigchos und Tigua angehöre, über dessen genaue
Lage aber Nichts zu erfahren war.
Von Toacaso führt bis zum Dorfe Sigchos ein leidlich
guter Weg, welcher über das nördliche Gehänge der Cordillere
von Guangaje und Tsinlivi in einer ansehnlichen Höhe über
dem Flusse Hatuncama hinzieht und Gelegenheit bietet, sowohl
die geologische Beschaffenheit jener Cordillere, als auch die
Gestaltung des Thals zu beobachten.
Viele kleine Bäche rinnen von den Schneeflächen des
Iliniza (10 Wegestunden SSW. von Quito) herab, sie vereinigen
sich in einem tiefen und breiten Thal und bilden den Fluss
*) Carta del Dr. W. Reiss ä S. E. el Presidente de la Repüblica,
sobre sus viajes a las montanas del Sur de la Capital, Quito, 187J.
275
Hatuncama, welcher bis zu seiner Vereinigung mit dem Rio
Toache unfern des Fleckens Sigchos von Ost nach West
durch Gebirge älterer Formationen seinen Lauf nimmt. Von
Sigchos bilden die vereinigten Gewässer einen grossen Fluss
(Toache), welcher gegen NW. strömt und alle von den west-
lichen Gehängen des Corazon , Atacatzo und Pichincha herab-
kommenden Rinnsale sammelt, um sich schliesslich unferti
der Küste des Stillen Oceans mit dem Rio Guaillabamba,
welcher das Hochthal von Quito entwässert, zu vereinigen.
So verbinden sich die Abflüsse beider Gehänge der West-
cordillere zum Rio Esmeraldas. Nur zwei Bäche , der Rio
blanco und Razuyacu, welche dem Gebirgssysteme des Uiniza
angehören, bilden eine Ausnahme, indem sie sich nicht zum
Stillen Ocean wenden , sondern mit südlichem Laufe dem
grossen Stromgebiet des Amazonas angehören.
Der Rio Toache fliesst von seiner Quelle bis zu seiner
Vereinigung mit dem Hatuncama von Süd nach Nord in einem
breiten und tiefen Thale , welches von den Hochebenen Lata-
cunga's durch die Cordillere von Guangaje und Tsinlivi ge-
schieden und gegen Westen durch die Cordillere von Chug-
chillan und Sigchos begrenzt wird. Beide Gebirgsketten
bestehen aus Gesteinen älterer Bildungen. Schichten von
Sandstein, quarzige Conglomerate , bituminöse Schiefer stehen
mit fast verticaler Schichtenstellung im Thalgrunde an , wäh-
rend die nackten Felsen der höheren Gehänge aus plutonischen
Gesteinen bestehen. Nur auf dem hohen Kamme und an
einigen Punkten der östlichen Gehänge der Cordillere von
Guangaje und Tsinlivi finden sich einige zerstörte Reste von
Lavadecken. Die beiden genannten Cordilleren verbinden sich
gegen Süd mit einem hohen unter dem Namen „Cordillere
von Zumbagua und Angamarca" bekannten Gebirgsknoten.
Bereits im Hatuncama - Thale erblickt man mit Bewun-
derung die ungeheuren Ablagerungen von vulkanischen Tuffen
und Breccien, welche das Thal bis zu erstaunlicher Höhe an-
gefüllt haben und die ausgedehnten Plateaus der Meierei Pongo
bilden. Während das Vorhandensein solcher Tuffmassen An-
gesichts des Iliniza an dessen Basis sich erklärt, so erscheinen
jene Tuffplateaus im Thale des Rio Toache doch schwer er-
klärlich , da sich kein hochragender Gipfel im oberen Thal-
gebiet erhebt. Jene neuvulkanischen Ablagerungen dehnen
276
sich durch das ganze Thal des Toache aus, von dem Flecken
Sigchos bis über die Meiereien Zumbagua und Tigua hinaus,
sich fast unmerklich von Nord nach Süd erhebend, unter-
brochen von tiefen Spalten, welche durch die Thätigkeit des
Wassers bis zur alten Sohle des Flusses und des Thals ero-
dirt wurden. Alle Dörfer dieses Thals sind auf den Tuff- und
Bimsteinplateaus erbaut und leiden sehr durch Wassermangel,
da die Flüsse in einem viel tieferen Niveau fliessen, und die
Oberfläche aus porösen lockeren Massen bestehend das Wasser
durchlässt, bis es auf dem Grunde der Schluchten als Quellen
zum Vorschein kommt.
Von welchem Berge wurde jene erstaunliche Menge vul-
kanischer Auswürflinge ausgeschleudert? jene von den Laven
des Uiniza so verschiedenen trachytischen Massen? jene Bim-
steinschichten , welche die Hochflächen der Paramos bedecken
und wie Schnee erglänzen auf den dunklen Gehängen der
älteren Gebirge?
Die Lösung dieser Fragen bietet sich unfern Chugchilan
dar, wo eine Felswand über den Tuffen emporsteigt und quer
von West nach Ost fast über das ganze Thal des Toache
hinüberstreicht, so dass nur ein schmaler Durchbruch für den
Fluss übrig bleibt. Wenn man diese Felsen, dem Wege nach
Tigua folgend , erklettert , so gelangt man auf die Pampa von
Hatalö. Auf dem Joche, welches dieselbe mit der Cordillere
von Chugchilan verbindet, öffnet sich plötzlich dem Blick ein
ungeheurer Kraterkessel , dessen Tiefe der See (das Maar)
von Quilotoa einnimmt. Es stellt sich jener Thalabschluss,
welcher von Chugchilan gesehen lediglich als eine Felswand
erschien , nun als das nördliche Gehänge eines grossen ab-
gestumpften Kegels dar. Die fast verticalen Felsen, aus Trachyt
und weissen Tuffen bestehend, bilden einen überraschenden
Contrast mit der stillen Oberfläche der grünen geheimnissvollen
Lagune.
Ich umschritt den Krater, dem hohen Rande folgend, in-
dem ich auf der einen Seite stets den Absturz bis zum Maar,
auf der anderen das äussere, zuweilen sehr steile Gehänge
des Kegels hatte. Man erfreut sich auf dem Rundgang um den
Krater bezaubernder Ansichten: das ganze Toache -Thal liegt
zu den Füssen; die Pyramiden des Uiniza erheben sich in
grösster Nähe, und die schneebedeckten Kuppeln des Cotopaxi
277
und Chimborazo ragen etwas über die näheren Cordilleren
empor; doch der interessanteste Blick liegt gegen Norden, wo
sich zur Seite des Corazon die Caldera und der Krater des
Pichincha in ihrer ganzen Breite darstellen. Ohne Zweifel
muss man den Quilotoa auch vom Guanga Pichincha sehen
können. Da er aber kein hochragender Gipfel, sondern ein
abgestumpfter, in einem breiten Thal verborgener, von höheren
Bergen umgebener Kegel ist, so wird es nicht leicht sein, ihn
in der grossen Zahl von Kämmen und Höhen herauszufinden,
welche die Aussicht vom Pichincha umfasst, zumal wenn man
nicht genau Lage und Form des Quilotoa kennt.
Ziegen und Schaafe vermögen allerorts die das Maar um-
gebenden Felsen zu erklettern; auch finden sich einzelne kleine
Pfade, auf denen man zur Wasserfläche hinabsteigen kann.
Leicht ist indess der Abstieg nur auf der Westseite, weil dort
das Gehänge in Folge eines Felssturzes , welcher sich vom
hohen Rande bis in die Lagune hinein erstreckt, weniger steil
ist. Hier kann man auch dem Rande der Wasserfläche eine
Strecke weit folgen, während an den meisten anderen Stellen
das Wasser jäh abstürzende Felsen bespült. An der Küste
macht sich ein Geruch nach Schwefelwasserstoff bemerkbar,
und ein schwarzer schwerer Schlamm bedeckt den weissen
Sand an den wenigen Punkten, wo die Felsen nicht jäh zur
Tiefe abstürzen. Längs der ganzen Küste beobachtet man
eine Gasentwicklung. Die ohne Unterbrechung aufsteigenden
Gasblasen bewegen die Oberfläche des Wassers und veran-
lassten das Volk zu dem Glauben, das Wasser siede. In der
That besitzt die Lagune eine etwas erhöhte Temperatur (16° C.)
und ist salzig. Sie hat keinen sichtbaren Abfluss; doch rinnt
das Wasser durch die lockeren Fels- und Tuffmassen und tritt
am äusseren Fuss des Kegels als laue salzige Quellen wieder
hervor, in deren Wasser die Prenadillas (Pimelodes Cyclopum)
mit Vorliebe leben.
Kein anderer Vulkan Ecuador's besitzt eine so eigen-
thümliche Lage wie der Quilotoa , und von keinem ist es so
leicht, eine Vorstellung seiner Bildung zu gewinnen.
Ohne Zweifel hat das Wasser das tiefe und breite Thal
des Toache in der aus alten sedimentären und aus plutonischen
Gesteinen gebildeten Cordillere ausgehöhlt, bevor die vulka-
nischen Kräfte in diesem Gebiet hervorbrachen. Die ersten
Zeits. d.D.geol. Ges. XXVII. 2. 19
278
Eruptionen fanden in der Cordillere von Guangaje und Isinlivi
statt, doch nicht in ununterbrochener Folge und ohne grössere
Massen von Lava und Tuffen zu bilden. Eine lange Ruhezeit
trennt diese erste Aeusserung vulkanischer Kräfte von der Eru-
ption des Quilotoa, denn jene älteren Laven befinden sich in
einem mehr vorgeschrittenen Zustande der Verwitterung in
dem Maasse, dass es auf den ersten Blick nicht immer leicht
ist, sie von den älteren Gesteinen zu unterscheiden. Als das
Thal bereits in gleicher Weise ausgetieft war, wie wir es jetzt
sehen würden, wenn wir uns alle dasselbe erfüllenden vulka-
nischen Massen entfernt denken, begannen die Eruptionen im
Thalgrunde selbst und zwar in seiner Mitte, zwischen seinem
Ursprünge und der Vereinigung mit dem Thal des Hatun-
cama. Zähflüssige trachytische Laven häuften sich auf um
den Eruptionsschlund, ohne indess zu breiteren oder schmalen
Bändern sich auszudehnen, ohne Lavaströme, ähnlich denen
des Vesuvs, des Cotopaxi oder des Antisana, zu bilden. Viel-
mehr thürmte sich die Lava in ähnlicher Weise auf, wie es
im Jahre 1866 in den Kaimeni- Inseln des Archipels von
Santorin zu beobachten war. Oftmals müssen sich diese Eru-
ptionen wiederholt haben, begleitet von heftigen Gas- und
Wasserdampf-Entwickelungen , welche die Lava zertrümmerten,
zerstäubten und als Aschenmassen, mit Bimstein vermischt,
ausschleuderten. Diese feinen Auswurfsmassen verbanden sich
mit den grösseren Blöcken zu Conglomeraten und Tuffen und
lieferten das Material zu den vulkanischen Bildungen des
Toachethals. Ohne Zweifel stauten die in der Mitte der Thal-
erstreckung aufgethürmten vulkanischen Produkte den Lauf
der Gewässer auf, welche von Zeit zu Zeit, vermischt mit
Aschen und Gerollen, Schlammfluthen erzeugten, die den un-
teren Theil des Thals heimsuchten. Regengüsse und Wolkeu-
brüche , welche den gewaltigen Dampfexhalationen ihre Ent-
stehung verdanken mochten , stürzten an den Berggehängen
herab und trugen zur Bildung jener das Thal hoch erfüllenden
Tuffplateaus bei, in dem sie die vulkanischen Aschen von den
höheren Theilen des Gebirges zum Thale herabführten. Zu
Anfang bildete sich in der Thalfläche wohl nur ein kleiner
Kegel , welcher die beiden Thalgehänge nicht berührte. All-
mälig vergrösserte sich derselbe und nahm die ganze Thal-
breite ein, sich mit der westlichen Gebirgskette verbindend.
279
Wahrscheinlich dauerten beim QuiJotoa, wie bei vielen anderen
Vulkanen die Aschenauswürfe nach dem letzten Lavaerguss
noch lange fort und so zerstörten die damit verbundenen
Explosionen einen grossen Theil des Kegels, schleuderten den
Gipfel fort und bildeten schliesslich jenen grossen und tiefen
Krater, welcher jetzt die Lagune lauwarmen und salzigen
Wassers birgt. So erklärt sich die Thatsache, dass der Kegel
so tief gleichsam begraben ist von Tuff- und Bimsteinmassen.
Die Lagune bildete sich in dem ringsumschlossenen Becken
durch Regenwasser, da in diesen Höhen die Verdunstung dem
Niederschlage nicht das Gleichgewicht hält. Ohne die unter-
irdischen Abflüsse müsste sich der Spiegel des Sees höher und
höher füllen. In der That hebt sich allmälig der Spiegel des-
selben aus einer anderen Ursache, nämlich in Folge der
zahlreichen Felsstürze, welche von den jähen Felswänden fort
und fort sich lösen, den Grund des Kraters ausfüllen und so
die Tiefe desselben vermindern.
Die letzten Anzeichen jener Entwicklung von Gasen und
Dämpfen , welche eine so grosse Rolle in der Geschichte des
Quilotoa gespielt haben, erkennt man in der höheren Tem-
peratur der Lagune und in den erwähnten Gasblasen , welche
aus der Wasserfläche aufsteigen. Ich halte es für sehr wahr-
scheinlich, dass die verschiedenen Ausbrüche, welche in histo-
rischer Zeit stattgefunden haben sollen, sich auf eine Zunahme
jener Gasexhalationen beschränken , in Folge deren die ganze
Wasserfläche im Sieden zu sein schien. Der Tod verschie-
dener Thiere und die schwarze Färbung, welche alsbald ihr
Fleisch annahm , sowie das Verdorren der Gräser auf ver-
schiedenen Theilen des Felskranzes und ähnliche Erscheinungen
erklären sich unschwer durch starke Entwickelungen von
Kohlensäure und Schwefelwasserstoff. Die Flammen , welche
aus dem Krater aufgestiegen sein sollen, sind wohl unzweifel-
haft eine Erfindung der Indianer; denn niemals war ein Weisser
Augenzeuge einer Eruption des Quilotoa. Nicht einmal im
Zustande völliger Ruhe, in welchem der Berg sich jetzt be-
findet, wagen die Weissen zum Krater hinabzusteigen, aus
Furcht, das Maar möchte sie an sich ziehen, während doch die
Indianer alle Tage hinabgehen, um ihre Schaafe mit dem Salz-
wasser zu tränken. Die wenigen Weissen , welche eine Eru-
ption gesehen zu haben behaupten, haben sich erst sechs oder
19*
280
acht Tage nach dem Ende des Phänomens bis zum Krater-
rande gewagt.
Es scheint, dass die von der westlichen Kraterwand durch
einen (bereits oben erwähnten) Felssturz losgelösten Massen
ehemals sich weiter in die Lagune erstreckten, sodass sie,
nach der Aussage einiger älterer Landbewohner, Weidegrund
für einige Thiere boten. Da sie indess grösstentheils aus
lockeren und durch den Sturz von der Höhe zerstörten Tuffen
bestanden, so wurden sie allmälig durch das bewegte Wasser
der Lagune zerstört und verschwanden schliesslich ganz. Dies
ist die grosse „Insel" des Pater Velasco, welche verschwand,
als der Spiegel des Wassers sich um 70 Varas erhob. Die
unbestimmten Angaben des Pater Velasco verdienen nicht
mehr Glauben , als die sich oft widersprechenden Traditionen
der Indianer, welche ich in der Umgebung des Quilotoa sam-
meln konnte, und von denen ich das Wesentlichste und Wahr-
scheinlichste berichtet habe. Gewiss scheint mir, dass der
Berg seit Menschen Gedenken keine Eruption gehabt habe,
denn man findet weder Aschen noch Schlacken aus historischer
Zeit. Die Uebertreibungen der aus der Nähe des Vulkans
entspringenden Gefahren erklären sich meiner Ansicht nach
leicht aus der Erwägung des Charakters und der gegenseitigen
socialen Stellung der beiden das Land bewohnenden Rassen,
von denen die eine absoluter Herr der Ländereien und der
Bewohner, die andere Sclaven ohne Eigenthum ist. Man
muss die Schlauheit kennen , mit welcher die Schwachen und
Unterdrückten aus den Vorurtheilen ihrer Unterdrücker Gewinn
ziehen.
Die kurze Schilderung, welche ich vom Quilotoa und der
Geschichte seiner Bildung gegeben habe, erklärt nicht nur die
Tuffplateaus im Toache-Thal, die Verbindung von tracby-
tischen Massen mit Tuffen zum Aufbau des Kegels, die Aus-
höhlung des tiefen Kraters und die Ansammlung von lau-
warmen salzigen Wasser in demselben, sondern lehrt auch,
dass niemals hier ein hochragender Vulkankegel vorhanden
war, durch dessen Einsturz die Gesammtheit der angeführten
Erscheinungen sich erklären liessen. Diese Vorstellung des
Einsturzes eines hohen Vulkans hat gleich wenig Begründung
für den Quilotoa, den Altar, den Carihuairazo, den Mujnnda,
den Pichincha oder den Cuicocha; und ebenso unbegründet ist
281
die Furcht, es möchte früher oder später der Chimborazo und
der Cotopaxi einstürzen. Wie der Quilotoa dem Geologen
grossartige, der Erforschung würdige Erscheinungen darbietet,
so gewährt der Berg und seine Umgebung auch dem Mine-
ralogen nicht geringeres Interesse. Die Laven mit den grossen
ausgeschiedenen Feldspathkrystallen gehören zu den schönsten
und merkwürdigsten Trachyten Ecuadors und bieten zudem so
zahlreiche verschiedene Varietäten dar, wie bei wenigen an-
deren Bergen der Welt. Vom krystallinisch-körnigen Trachyt
bis zum Bimstein , ja bis zum Obsidian finden sich alle
Zwischenstufen.. Häufig liegen die Feldspath- und Hornblende-
krystalle parallel und geben dem Gestein ein schiefriges Ge-
füge, so dass man nicht sowohl eine Lava als vielmehr einen
Hornblendeschiefer vor sich zu haben glaubt. Dieselben Tra-
chyte finden sich mit Eisenkies imprägnirt am Rande des
Maars. Die Diorite und die anderen plutonischen Gesteine
wechseln ihr Ansehen beinahe mit jedem Schritte und um-
schliessen — was bei Gesteinen dieser Formation ungewöhn-
lich — eine bauwürdige Schwefellagerstätte. Eigenthümlich
ist dies Schwefelvorkommen. Gegenüber der Meierei Pilapujin
erblickt man in der Cordillere von Isinlivi und Guangaje die
Trümmer eines grossen Bergsturzes, welcher vom hohen Kamm
bis zum Toache-Fluss sich erstreckte, mit seinen Trümmern
die Berggehänge bedeckend. Diese Trümmer bestehen zum
grossen Theil aus sehr hartem, schwefelreichem Gesteine.
Wahrscheinlich erklärt sich der Bergsturz und die Gegenwart
des Schwefels durch die Zersetzung des Eisenkieses in den
die Cordillere bildenden alten Gesteinen. Jene Schwefellager-
stätte wurde, wie man mir versicherte, früher mit Vortheil
bearbeitet. Gründe, welche mit der Grube in keiner Bezie-
hung standen, veranlassten den Unternehmer, die Arbeit auf-
zugeben. *)
Um meinen Bericht über die Gebirge in der Umgebung
des Quilotoa zu vervollständigen, füge ich einige Worte über
die Cordillere von Zumbagua und Angamarca hinzu, obgleich
ich dieselbe erst viel später, nämlich nach meiner Reise zum
Cerro hermoso, besucht habe.
*) Nach den Hühenmessungen von Reiss und Stübel beträgt der
höchste Gipfel des Quilotoa 4010 M.
282
Es wurde bereits erwähnt, dass die das Toache-Thal zu
beiden Seiten begleitenden Gebirgszüge sich zu einem hohen
Bergknoten oberhalb der Meiereien Tigua und Zumbagua ver-
einigen. Diese Berggruppe, welche zum grossen Theile aus
alten Gesteins- und Schichtenmasseu besteht und mit vulka-
nischen Producten nur bedeckt ist, erstreckt sich von der
Quelle des Toache bis zum Fusse des Carihuairazo und von
den Paramos von Cusubamba bis zum Flecken Angamarca.
Die kulminirenden Punkte sind die Kämme Michacala und Tigsan
und die Berge von Cuchihuasi und Guagua aparishca rumi,
welche häufig von Schnee bedeckt sind. Die Schluchten sind
sehr tief und breit und nur durch schmale Kämme geschieden,
die kaum Raum für einen Saumpfad gewähren. Schiefer,
Sandsteine, Conglomerate, Porphyre und Melaphyre setzen das
Gebirge in seinem nördlichen und westlichen Theile bis zu
einer Höhe von 4000 M. zusammen, während die die Höhen
der Cordillere bedeckenden vulkanischen Bildungen gegen Sü-
den sich hinabsenken , um sich mit den Laven des Carihuai-
razo zu verbinden. Gegen Osten erstreckt sich die vulkanische
Formation bis zu den Ufern des Cutuche-FJusses, welcher dort
den Namen Rio Pulapuchan führt. Breccien und trachytische
Conglomerate und Bimsteintuffe, in mächtige Bänke gesondert,
zuweilen mit trachytischen Massen wechselnd, charakterisiren
in diesem Gebiet die vulkanische Formation, deren Laven theils
denen des Quilotoa gleichen, theils, eine perlitische Structur
annehmend, an die Gesteine von Guamanies erinnern, wäh-
rend die Lavaströme in der Gegend von Llangagua sich den
Trachytvarietäten des Carihuairazo nähern. Die Strasse (camino
real) von Latacunga nach Angamarca überschreitet diese Cor-
dillere, indem sie mehr als eine halbe Legua in einer Höhe
von 4300 bis 4400 M. auf einem schmalen nackten Felskamm
fortläuft. Dieser Uebergang von Michacala und Angamarca ist
wegen der Schneewehen und Stürme, gegen welche sich kein
Schutz bietet, sehr gefürchtet. Ohne Zweifel ist dieser Hoch-
pass viel schutzloser als der so gefürchtete Pass des Azuay.
Als einen Punkt von besonderem Interesse muss ich noch
Chambullas erwähnen auf dem höchsten Punkte des Weges,
welcher von der Hacienda Tigua nach Pugili führt. Dort ent-
weicht aus mehreren Oeffnungen im Boden und unter ziemlich
starker Spannung eine grosse Menge von Kohlensäure.
283
Nachdem ich drei Wochen auf die Untersuchung des Qui-
lotoa und seiner Umgebung verwendet, kam ich am Weih-
nachtstage nach Latacunga. Von dort begab ich mich in den
ersten Tagen des Januar nach Pillaro, von welchem Punkte
bereits mehrere Reisen nach Llanganates unternommen worden
waren. Unterstützt durch die Behörden gelang es mir, in
wenigen Tagen eine hinlängliche Zahl von Bauern zu gewin-
nen , welche das für einen dreiwöchentlichen Aufenthalt in
völlig unbewohnten Landstrichen unumgänglich nüthige Gepäck
auf den Schultern trugen. Doch war damit erst wenig ge-
wonnen, da es unmöglich war, einen Führer zu finden. Bisher
hatten alle Reisen in jener Richtung den Zweck, die reichen
Erzlagerstätten aufzusuchen, von denen das Routier (Derra-
tero) spricht, oder um eine Hacienda des Tieflandes (tierra
caliente) im Stromgebiet des ( ururay zu bearbeiten; während
ich selbst einen mehr südlichen Weg nehmen wollte, um den
einzigen Schneeberg zu untersuchen, welcher sich über der
gesammten Cordillere von Llanganates erhebt. Die Existenz
dieses Schneegipfels war den Bewohnern von Pülano wohl
bekannt, und alle bezeichneten ihn als „Cerro hermoso". Da
indess Niemand bisher auch nur dem Fusse des Gebirges nahe
gekommen , so wichen die Ansichten über den einzuschlagen-
den Weg sehr von einander ab. Die Einen suchten mich für
den nördlichen Weg zu bestimmen, welcher zunächst zu den
erwähnten Hacienden führt, um zum Tiefland (Tierra caliente)
niederzusteigen und dann wieder zum Gebirge mich zu erheben.
Andere schlugen mir vor , zunächst nach Taramillo zu gehen,
einer alten Hirtenwohnung (Hato) in Päramo , von der man
den Cerro hermoso gesehen habe und von wo derselbe, aller
Wahrscheinlichkeit nach , nicht mehr sehr ferne sein konnte.
In der Absicht, wenn möglich, den Abstieg zur Waldregion
zu vermeiden, und einen Pfad über den Paramo zu suchen,
entschloss ich mich zu dem letztgenannten Wege, welcher
ausserdem den Vortheil bot , bis Jaramillo — eine starke
Tagereise von Piliaro entfernt — auch für Pferde gangbar
zu sein. ^
Der Aufbruch war auf den 8. Januar 6 Uhr Morgens
festgesetzt. Da es indess nöthig war , die Bauern durch
Polizei - Patrouillen herbeizuholen, so verzögerte sich unsere
284
Reise bis 9 Uhr. Die Expedition bestand aus 30 Menschen
und 11 Maulthieren.
Die Gebirge , welche sich östlich von Pillaro erheben,
sind die Fortsetzung der Cordillere, welche sich vom Coto-
paxi und Quilindaöa bis zum Rio Pastaza erstreckt, eine breite
Kette ohne ragende Gipfel und mit einer schnellen Abdachung
gegen West; während in östlicher Richtung die Queräste des
Gebirges eine ansehnliche Erstreckung gewinnen, bis sie end-
lich in den Llanos des weiten Amazonenthals sich verlieren.
Eine grosse Zahl von Schluchten, alle von geringer Bedeutung,
öffnet sich gegen West, um sich mit dem Cutuche - Thale zu
verbinden. Nur ein einziger grosserer Fluss , der Rio Gua-
pante, nimmt gegen West seinen Lauf, indem er die Gewässer
vieler Päramos sowohl des nördlichen Gebiets um Latacunga,
als auch des südlichen Hochgebirgs in der Umgebung von
Pillaro sammelt. Alle anderen grösseren Flussthäler wenden
sich gegen Ost. In denselben vereinigen sich die wasser-
reichen Quellbäche der Flüsse Cururay und Bombonazo, Neben-
flüsse des Napo und des Pastaza. Von so hohem Alter und
bereits durch die Erosion in dem Maasse zerstört ist jene
Cordillere, dass nur schmale Schneiden die Thalgründe tren-
nen, welche, mit Seen und Mooren erfüllt, die Quellen der
Flüsse bergen.
Steigt man von Pillaro am westlichen Gehänge des Ge-
birges empor, so erreicht man bald den Kamm, welcher die
gegen Süd und die gegen Nord gerichteten Thäler scheidet.
Diesem Kamme folgend, welcher mit ostwestlichem Streichen
die tiefen Thäler Guagrahuazi , Cruzsacha, Yanacocha und
Pujin trennt, kann man zu Pferde alle Gebirge überschreiten,
welche unter dem Namen der Cordillere von Pillaro bekannt
sind, bis zum Thale von Taramillo. Hier liegt die Grenze
zwischen der genannten Cordillere und derjenigen von Llan-
ganates. Während man nämlich von Piliaro bis zum Rio
verde, welcher die Päramos von Taramillo entwässert, nur
älteren vulkanischen Gesteinen begegnet, verschwinden dieselben
gegen Ost vollständig und Glimmerschiefer und Gneiss er-
heben sich bis zu den höchsten Gipfeln. Es fällt demnach
hier die herkömmliche Provinzialgrenze mit der geologischen
Grenze zusammen. Ohne Zweifel verbergen sich auch in der
Cordillere von Pillaro unter den Lavamassen und vulkanischen
285
Auswürflingen die alten Schiefergesteine. Ich habe sie indess,
da mein Weg über den hohen Kamm führte, ohne in die
Thaltiefen hinabzusteigen, nicht wahrgenommen. Mächtige
Lavabänke treten am westlichen Gehänge , um Pillaro und
Quimbana, auf. während die Felsen, welche die oberen Theile
der Schluchten trennen, vorzugsweise aus vulkanischen Tuffen
und Conglomeraten , durchsetzt von Gängen , bestehen. Die
mehr zersetzten Laven der höheren Gebirgstheile sind zuweilen
mit Eisenkies imprägnirt , die Hohlräume anderer sind mit
Quarzkrystallen erfüllt. Die Salbänder der Gänge bestehen
zuweilen aus obsidianähnlichem Gestein.
In so grosser Begleitung kommt man stets nur langsam
vorwärts, und obgleich ich bis Taramillo das Gepäck auf Maul-
thieren transportiren liess, brauchten wir doch drei und einen
halben Tag, bis wir einen hohen Kamm erreichten, von wel-
chem wir des Schneegipfels ansichtig wurden. Unser Weg
führte uns bald über die Hochflächen der Paramos, bald
mussten wir uns Bahn brechen durch das dichtverwachsene
Riedgras, bald stiegen wir wieder hinab auf den Grund, uns
durch den dichten , die Gehänge bedeckenden Wald hindurch-
arbeitend. Die von den Thieren getretenen Pfade erleichterten
uns sehr die Arbeit. Das Wetter war uns indess nicht günstig,
denn es regnete und schneite fast ununterbrochen und das
Gewölk verhüllte uns den Anblick von 9 Uhr des Morgens
an. So war ich genöthigt, die Zelte schon vor Abend auf-
schlagen zu lassen aus Furcht, mich in diesem Gebirgslaby-
rinth zu verirren. Trotz aller Vorsicht fehlte nicht viel , dass
wir uns verirrt hätten und den Schneegipfel gegen Süden las-
send , ohne ihn zu erblicken ihn immer weiter gegen Osten
gesucht hätten.
Sechs Tage verweilten wir am steilen Gehänge eines
Glimmerschieferkamms inmitten eines fast undurchdringlichen
Dickichts von hohem Riedgras, in Wolken gehüllt, unter
immerwährenden Regengüssen und Schneegestöbern, bis es
uns gelang, für einige Augenblicke des Schneebergs ansichtig
zu werden, um seine Höhe messen zu können. Nachdem diese
Arbeit vollendet, erstieg ich mit einigen Begleitern den west-
lichen Abhang des Cerro hermoso bis zur unteren Schnee-
grenze, um mir über die Gesteinsbeschaffenheit der Gipfel-
felsen Gewissheit zu verschaffen.
286
Die Aussicht von unserem Lagerplatz an den Glimmer-
schieferfelsen, welchen wir Toldafilo nannten, umfasst die
ganze östliche Cordillere zwischen dem Antisana und Coto-
paxi bis zum Sangay. Ich konnte, mich vergewissern, dass
weder jene Kegel und Vulkane, welche Herr Guzmasn auf
seine Karte eingetragen bat, noch überhaupt vulkanische Ge-
bilde in jenem Theile der Cordilleren vorhanden sind. Der
Antisana und Sangay sind die beiden am meisten gegen Ost
gerückten Vulkankegel. Die Eruptionen , welche in diesem
Zwischenraum stattgefunden , haben lediglich das Schiefer-
gebirge mit einer dünnen Aschenschicht bedeckt, welche vom
hohen Gebirgsgewölbe (Cumbre) bis zu den Hochebenen reicht,
welche sich zwischen den beiden Hauptzweigen der grossen
Cordillere ausbreiten. Doch scheint eine Ausnahme zu be-
stehen , denn ich erblickte einmal vom Antisana aus gegen
Osten , und wiederum vom Cerro hermoso aus gegen Nord-
osten schon weit abwärts am östlichen Crdillerengehänge , wo
schon die niederen Hügel beginnen , einen Kegel von gleich
regelmässiger Gestalt, wie die des Cotopaxi oder des Sangay,
sich völlig isolirt erhebend über die waldbedeckten Höhen,
welche ihm zur Basis dienen. Es wurde mir versichert, dass
der Weg von Papallacta zum Napo am Fusse jenes Kegels,
welcher Cuyufa heisse, vorbeiführe. Es ist befremdlich, dass
Villavivencio , obgleich er einige Zeit am Napo lebte, jenes
Kegelbergs in seiner Geographie keine Erwähnung thut, wenn
derselbe nicht etwa identisch ist mit dem Berg Sumaco, unfern
San Jose de Mote. Dem sei indess wie ihm wolle, seine
Untersuchung wird immerhin grosses Interesse darbieten, denn
er scheint von vulkanischer Bildung zu sein.
Die Schieferberge, namentlich diejenigen östlich des Flusses
Topo, sind sehr steil, schneidige Formen bildend, mit nackten
Gehängen. Die Schieferungsflächen stehen fast vertical und
erglänzen unter den Strahlen der Sonne in Folge der die
Schieferungsebene bedeckenden Glimmerblätter wie Silber.
Doch erreichen jene jähen Berggestalten keine grössere Höhe
als 4200 — 4300 M. und überragen den hohen Kamm der Cor-
dillere nicht. Nur der Cerro hermoso steigt zu grösserer
Höhe empor*), was mit seiner besonderen geologischen Bil-
*) Nach den Höheniessuugen von Beiss und Stlbei. beträgt die
Gipfelhöbe des Cerro hermoso (trigonometrische Messung) 4576. Die
Schneegrenze liegt auf der Westseite des Berges in 4242 M. Höhe.
287
dung zusammenhängt. Der untere Theil des Schneebergs be-
steht gleichfalls aus Glimmerschieferschichten. Anstatt aber
mit einem sägeförmigen scharfen Kamm zu gipfeln , trägt
der Berg über den aufgerichteten Schieferstraten horizontale
Schichten. Wenn schon der untere Theil des Berges kaum
ersteiglich scheint, so stellt sich die Gipfelmasse — wenigstens
auf der westlichen Seite — in Folge des Abbruchs der hori-
zontalen Schichten wie eine Mauer dar, über welcher ein grosser
Gletscher herabhängt, der sich mit den Firnmassen am Fusse
der schwarzen Felsen vereinigt. Die horizontalen Schichten
bestehen aus bituminösen Kalkschiefern, welche in dem Maasse
mit Eisenkies imprägnirt sind, dass man die glänzenden
Krystallkörner — nach den Worten meiner Begleiter — wie
Gold glänzen sieht. Vielleicht sind die berufenen grossen
Goldschätze von Llanganates nichts Anderes als Massen von
Eisenkies, welcher den unerfahrenen Erzgräbern Ecuador's
schon so viel Geld gekostet hat.
Wenn man den Cerro hermoso nur von der Westseite be-
trachtet, so begreift man nicht, wie auf dem Gipfel sich ein
Gletscher bilden kann. Derselbe nimmt seinen Ursprung in
den grossen Firnmassen, welche sich auf einem etwas gegen
Süd geneigten Plateau anhäufen. Der Gipfel ist nämlich von
West nach Ost ausgedehnt, wie man deutlich von einem mehr
südlich gelegenen Punkte, z. B. von Mocha sehen kann. Schon
Dr. Stübel hob die interessante Thatsache hervor, dass die
Schneegrenze in der Cordillere tiefer hinabsinkt in dem Maasse
als man gegen Ost fortschreitet. So erreicht der Cerro her-
moso die Höhe von 4600 M. nicht, welche die allgemeine
Schneegrenze in der westlichen Cordillere bezeichnet, und
dennoch ist jener Gipfel nicht nur mit ewigem Schnee bedeckt,
sondern ein grosser Schneeberg, welcher wahre aus kom-
paktem Firn und Eis bestehende Gletscher erzeugt. — Von
jenen feuchten und kalten Höhen zurückkehrend, beschleu-
nigten wir unseren Marsch und erreichten in 2\ Tag Pillaro,
von wo ich mich ohne Aufenthalt nach Ambato und dann auf
der fahrbaren Strasse nach Latacunga begab.
Ich verwandte nun drei Wochen zu trigonometrischen
Operationen , überstieg dann die westliche Cordillere südlich
des Flusses Toache, wandte mich dann von Angamarca zurück
nach Ambato (21. Februar), wo ich mit Dr. Stübel, welchen
288
ich ein volles Jahr nicht gesehen, zusammentreffen sollte.
Ueber diese letztere Reise habe ich bereits oben einige An-
deutungen gemacht, als ich von der Cordillere von Zumbagua
und Angamarca sprach.
Noch bleibt mir übrig, raeine Reise zum Azuay und nach
Cuenca zu schildern. Am 7. März brach ich zum Sangay auf.
Während eines schrecklichen Schneegestöbers gestattete mir
in Calcitpungo das Wetter dennoch, einige Male den Berg zu
erblicken. Indess störte das überaus schlechte Wetter und
namentlich die starken Winde meine Reise nicht wenig, so
dass die gewonnenen Resultate der Höhenbestimmungen einem
Zweifel Raum geben, weil sie nur auf schmaler Grundfläche
mit bedeutender absoluter Höhe gewonnen sind. Ich hoffe,
meine Messungen bald unter günstigeren Bedingungen wieder-
holen zu können.
Da die gute Jahreszeit, welche in diesem Jahre unge-
wöhnlich lange angedauert, sich bereits zum Ende neigte, und
ich des Lebens in den Paramos müde war, entschloss ich mich,
einen Ausflug nach Cuenca zu machen, um zu untersuchen,
wie weit in jener Richtung die vulkanischen Bildungen reichen.
Wenig südlich von Riobamba endet die deutliche Thei-
lung, welche die Cordillere in nördlicher Hälfte von Ecuador
erkennen lässt, und tritt erst in der Gegend von Cuenca wieder
hervor. Der ganze Zwischenraum zwischen Riobamba und
Guamote wird von Gebirgen eingenommen, welche aus kry-
stallinischen Schiefern (pizarros) , Syeniten , Dioriten und an-
deren plutonischen Gesteinen bestehen und vielfach von vul-
kanischen Massen bedeckt sind. Die Fahrstrasse benutzt eine
im westlichen Theile des Gebirges befindliche Senkung um
dasselbe — welchem Dr. Stübel den Namen Gebirge von
Yaruqui'es gegeben hat — zu überschreiten. Mehrere andere
Wege führen über dies Gebirge, welche sich sämmtlich im
Flecken Guamote vereinigen. Unter den vulkanischen Formen
dieses Gebirges sind wegen ihrer charakteristischen Gestaltung
namentlich die Kegel Tulabug und Aulabug hervorzuheben,
während unter den Gesteinsarten die losen Blöcke von quarz-
führendem Trachyt in der Gegend von Pulucate besonders be-
merkenswerth sind.
Im Süden des Flusses von Guamote, welcher sich mit
dem Flusse von Cebadas vereinigt, beginnen Gebirgshöhen,
289
welche aus Schiefern und alten Gesteinen bestehen. Diese
steigen empor zu den Paramos von Zula und bilden die Basis
des Azuay. Es giebt zwei Wege nach Cuenca: der eine führt
über die Höhe des Azuay, der andere, längere, zieht ani west-
lichen Gehänge desselben Gebirges hin und verbindet sich,
ohne zu bedeutenden Höhen anzusteigen, mit der königlichen
Strasse bei dem Flecken Canar. Auf der Hinreise wählte ich
die letztere der erwähnten Strassen, welche die Flecken Tigsan
und Alausi berührt, dem Thale des Sucus- Flusses bis zu
seiner Vereinigung mit dem B'lusse Chanchan folgt, sich dann
nach Chunchi erhebt, wo der Uebergang durch Waldterrain
beginnt. Bei jeder Jahreszeit ist dieser Weg schlecht; doch
fast ungangbar im Winter, so dass ich mehr als 20 Stunden
gebrauchte, um die zehn Wegestunden zwischen Chunchi und
Canar zurückzulegen. Auf der Rückreise wählte ich die könig-
liche Strasse, so dass ich auf diesen beiden schnellen Reisen
doch eine allgemeine geologische Uebersicht des Azuay ge-
winnen konnte. Zu einem gründlichen Studium dieses Ge-
birges würden mehrere Monate erforderlich sein, eine Zeit,
welche mir jetzt nicht zur Verfügung steht. Doch wage ich
zu hoffen, dass die wenigen Andeutungen, welche ich geben
konnte, andere Reisende veranlassen werden, jenes bis jetzt
fast ganz unbekannte Gebirge eingehender zu untersuchen.
Der grosse Gebirgsknoten Azuay besteht in seiner nörd-
lichen Hälfte aus alten Gesteinen: Schiefern, Porphyren, Dio-
riten u. s. w. , während die Südhälfte durch Sandsteine gebildet
wird. Diese Massen sind von vulkanischen Bildungen bedeckt.
Die Schiefer und Sandsteine, die letzteren häufig als Con-
glomerate entwickelt (Nagelfluh), treten in fast senkrechter
Schichtenstellung und mit nordsüdlichem Streichen , unbedeckt
von der vulkanischen Ueberschüttung auf den Höhen und in
den Schluchten bis zu einer Höhe von 3600 — 3800 M. auf.
Von diesem Niveau beginnend bis zu den Gipfeln trifft man
auf dem südlichen Gehänge nur Laven, vulkanische Breccien,
Conglomerate und Tuffe auf der Südseite. Im Centrum des
Gebirges werden diese Massen von Lavagängen durchsetzt.
Trachytische Conglomerate und Bimsteintuffe sind in der Um-
gebung des Azuay weit verbreitet. Sie bilden mächtige Schich-
ten in den Paramos von Zula, gegen West bis zur Waldregion
sich hinabsenkend und erfüllen auch das ganze Thal des Mo-
290
lobog-Flusses unfern Canar, so dass es oft schwierig ist, sich
über das anstehende Gestein zu vergewissern. Vielleicht kön-
nen die Eruptionen von Ticsan als Vorboten und Ausläufer
des grossen vulkanischen Centrum Assuay gedeutet werden ;
und vielleicht sind von derselben Art die trachytischen Tuffe
und Breccien von Deleg, Sidcay und Turi unfern Cuenca.
Auf dem Wege von Canar und Ingapirca nach Cuenca
habe ich keine anstehenden Lavafelsen oder Berge vulkanischer
Bildung beobachtet, wohl aber an den bezeichneten Orten
Trachyttuffe und Bimsteinsande. Der District von Cuenca,
wenigstens der von der königlichen Strasse durchschnittene
Theil unterscheidet sich sehr von den nördlichen Landschaften
der Republik Ecuador : die Thäler sind breit, die Höhen niedrig,
nicht steil und ohne ausgezeichnete Gestalten. Schon auf den
ersten Blick erkennt man, dass hier sedimentäre Schichten
herrschen. Einige Porphyrgipfel überragen die sanften, aus
leichter verwitterbaren Gesteinen bestehenden Höhen. Die
Flussgerölle deuten an, dass auch plutonische Gesteine an der
Zusammensetzung des Landes theilnehmen. Unter den Porphyr-
bergen verdient namentlich der Cerro Molobog Erwähnung,
an dessen Fuss ein Weg von Canar nach Azögues vorbeiführt.
Mit dem Porphyr verbunden findet sich nämlich an jenem
Berge Pechstein in grosser Verbreitung.
Nur in dem weiten Thale von Cuenca scheinen sedimen-
täre Gebilde zu herrschen, denn die von der westlichen Cor-
dillere herabströmenden Flüsse führen nur Quarzite und viele
Varietäten plutonischer Gesteine. Die fahrbare Strasse nach
Guayaquil überschreitet bei Sayausi die Schiefer und tritt dann
sogleich in das Gebiet jener plutonischen Gesteine ein.
Die Umgebung von Cuenca ist reich an warmen Quellen,
deren Kalktuffbildungen bei Guapan und Barlos die Gebirgs-
abhäuge bedecken. Ich zweifle nicht daran, dass die bunten
Marmore von Banos und diejenigen von Tejar bei Cuenca Bil-
dungen gleicher Art sind.
Ich besuchte die alte Quecksilbergrube bei Huaishun, un-
fern des Fleckens Azögues (Quecksilber), doch war es mir
nicht möglich, Anzeichen des Erzes zu entdecken, obgleich
mehrere Einwohner des Fleckens mich versicherten, dass sie
bei Bestellung ihrer Felder oftmals bedeutende Quantitäten
von flüssigem Quecksilber fänden, und die bedeutenden Aus-
291
grabungen, welche noch sichtbar sind, von dem einstigen Reich-
thum der Grube Zeugniss ablegen.
In Cuenca endete meine Reise, und ich kehrte, nachdem
ich die Ostertage dort zugebracht, nach Riobamba zurück, wo
ich in den letzten Tagen des April anlangte. Nur bei Achu-
pallas bog ich von der Strasse ab , um die Niederschläge der
Mineralquelle von Zula zu sehen, welche wegen ihres Stron-
tiangehalts so merkwürdig sind. Einige der von mir durch-
reisten Districte müssen zur Zeit der Conquista eine sehr
grosse Wichtigkeit gehabt haben, wie man aus den Trümmern
merkwürdiger Bauten schliessen kann, welche noch heute die
Aufmerksamkeit des Wanderers auf sich ziehen. Andere Ge-
biete, durch welche mein Weg mich führte, haben in Folge
der zahlreichen in der jüngsten Zeit vorgekommenen Erdbeben
eine traurige Berühmtheit erlangt.*)
Das Erdbeben vom 24. October 1872, dessen Verwüstun-
gen Dr. Stübel in den Llanas von Riobamba bis auf die
Höhen der östlichen Cordillere beobachten konnte, machte sich
fühlbar bis Quito und bis Canar, ja vielleicht bis Cuenca.
Die stärkste Erschütterung wurde auf dem westlichen Abhang
der Cordillere zwischen Pallatanga und Alausi gefühlt. Sie
war der Beginn einer langen Reihe mehr oder weniger starker
Bewegungen , welche sich anhaltend wiederholten vom ge-
nannten Tage an bis in die ersten Monate des Jahres 1873
hinein. Nach den Mittheilungen des Pfarrers von Tigsan
zählte man während jenes Zeitraums in seinem Sprengel
120 Erschütterungen, fast alle auf den bezeichneten District
beschränkt. Die Erdbebenstösse , welche im Laufe des No-
vember sehr zahlreich gewesen, nahmen allmalig ab, sowohl
an Häufigkeit als auch an Stärke — bis zum Monat Januar,
in welchem sie fast vollständig verschwanden. Der erste Stoss
war der heftigste von allen , warf die Kirchen und mehrere
Häuser in den Städten und Dörfern um, verwüstete Meiereien
an den Ufern der Flüsse Sucus oder Pumachaca und Canchan,
sowie ihrer Nebenflüsse. Da die Erschütterung am Tage
erfolgte, so forderte sie nur wenige Opfer (1 oder 2 Todte
und einige Verwundete). Die folgenden Stösse waren nicht
*) Es folgt hier im Original eine Schilderung der alten Inea-Bauten
von Ingapirca, am südöstlichen Abhang des Azuay.
292
mehr sehr heftig; indem sie sich indess beständig wieder-
holten, brachten sie allmälig viele Häuser zu Fall. In Tigsan
erblickte ich die Wirkungen dieser Erschütterungen : der grösste
Theil der Kirche war eingestürzt, sowie viele Mauern; eine
ansehnliche Zahl von Häusern wurde beschädigt. Gleiches
beobachtete man in Alausi. Die ärgste Verwüstung bot sich
mir in der Meierei Bugnac dar, nahe der Vereinigung der
Flüsse Sucus und Chanchan , woselbst die Zuckermühlen voll-
ständig zusammengestürzt waren. Die merkwürdigste That-
sache ist, dass einige Meiereien, welche etwas höher über
dem Flusse liegen, aber näher bei Bugnac, nicht bemerkbar
gelitten haben und ebensowenig der Flecken Chunchi, welcher
in der Höhe auf der linken Seite des Flusses Chanchan liegt.
Grösseren Schaden litt der Flecken Pallatanga , wo die Er-
schütterungen — wie mir erzählt wurde — mit grösserer Ge-
walt auftraten. Jenes Centrum der Erschütterungen habe ich
bis jetzt nicht selbst besucht, hoffe aber bald dorthin zu kom-
men. In denjenigen Landstrichen, welche ich bis jetzt durch-
wandert habe, bemerkte ich keine grösseren Bergstürze oder
Abrutschungen gleich denjenigen, welche durch das Erdbeben
von Imbabura verursacht worden sind. Doch ist es wohl
möglich , dass einige Felsblöcke von den hohen Wänden des
Cerro Patarata bei Alausi herabgestürzt sind. — Von beson-
derem Interesse sind diese auf ein enges nichtvulkanisches
Gebiet beschränkten Erdbeben. Jenes Gebiet ist wegen seiner
hohen und steilen Berge nur schwer zugänglich; während in
den Thalgründen bereits Zuckerrohr cultivirt wird, erheben sich
die hohen Berggewölbe bis zur Region der Gräser (des
Pajonals).
Es ist begreiflich, dass man in einem Lande, welches
den Erdbeben so sehr unterworfen ist, wie Ecuador, Alles mit
Interesse aufnimmt, was sich auf die Theorie der Erdbeben
bezieht. So kann es auch nicht Wunder nehmen, dass selbst,
nachdem die Folgerungen des Herrn Falb sich als trügerisch
erwiesen , man den scheinbar wissenschaftlichen Darlegungen
desselben Glauben beigemessen hat, jenen Folgerungen, welche
ein allmäliges Sinken der Cordilleren beweisen sollten , und
welche sich auf den Vergleich neuerer Messungen mit den-
jenigen älterer Reisenden gründen sollten. Indess , trotz des
Verlockenden, welches diese Vorstellung für die Bewohner der
293
rauben Hochebenen haben musste, wurde es mir doch nicht
schwer, dieselben davon zu überzeugen, wie hinfällig jene
Folgerungeu sind. Bevor ich diesen Bericht schliesse, sei es
mir noch gestattet, eine Thatsache zu erwähnen, welche ich
glaube auf den wenig zahlreichen Ausflügen beobachtet zu
haben , welche ich in solche Päramos unternahm , die noch
nicht von Menschen betreten waren.
Die höheren Theile der Cordilleren sind von unermess-
lichen Pajonales (gleichsam Alpenwiesen ; indess nicht gebildet
durch niedere Rasen und Kräuter, wie in den europäischen
Alpen, sondern aus 3 bis 4 Fuss hohem Büschelgras — An-
dropogon, Stipa etc. — bestehend, welches erhöhte Rasen und
Polster bildet; nach Th. Wolf) bedeckt, welche man für die
ursprüngliche Vegetationsdecke der Cordilleren halten könnte.
Indess wo auch immer ich mich aus den Gebieten der Meie-
reien und der Viehzucht entfernte und in solche Hochebene
vordrang, welche niemals weder von Hirten noch von Jägern
besucht waren, fand ich fast undurchdringliche Jucales*) oder
*) Ueber die oben genannten Pflanzen Jucales , Achupallas und
Chusque erhielt ich durch die Güte des Herrn Consul Carl Ochsenius in
Marburg folgende Mittheilung: Iucales, richtiger zu schreiben Yucales,
kommt her von Yuca. Das angedeutete 1 deutet an, dass sich die
Pflanze in grosser Menge bei einander findet ; z. B. trigo Weizen, trigal
Weizenfeld etc. , also auch Yucal — plur. Yucales = grosse Flecken,
bedeckt von Yuca , lat. yucca. — Die hier gemeinte Species ist wahr-
scheinlich Y. acaulis oder eine verwandte Species (Familie der Liliaceen).
Wildwachsend im nördlichen Südamerika, schwertförmige Blätter, sehr
harter Blattrand, Spitzen sehr scharf. Wurzel von den Eingeborenen zu
Mehl benutzt. — Achupalla, plur. A — s. Er'mgium aquaticum (Um-
bellifere) , aber wohl nicht Er. aquaticum , welches Cavanilles aus Chile
angiebt. Dieses ist nach Hooker Er. peniculatum Laroch, welches vom
33° südlich geht; wird seinem ecuadorianischen Verwandten aber sehr
ähnlich sehen. Er. penic. gleicht ohne Blüthen ganz einer kleinen Agave
oder einer Bromeliacee. Stachlich starr, rauh, auch grosse Flächen be-
deckend, sogar vom Vieh gemieden — Landplage. Blüthenstengel bis
l,b M. hoch. Pflanze ohne denselben etwa 0,5 M. — Chusque.
Wahrscheinlich der südamerikanische Namen, welcher Kunih veranlasste,
das Genus der hierhin gehörigen Pflanzen Chusquea zu nennen , das
charakteristisch für Südamerika ist. — Astgräser , von strauchartiger
Species bis zu solchen, die bis zu den höchsten Bäumen gehen und von
da überhängen. — Arge Plage für den Reisenden; undurchdringliche
Dickichte. Durchgehauene Wege gefährlich für Menschen und Pferde. Auf
kalten Hochflächen niedrig, ja kriechend und dann sich sehr ausbreitend.
Zeits. d. D. geol. Ges. XXVII, 2. 20
294
Achupallas , Chusque und andere Stachelgewächse , so dicht
verwachsen , dass ich mir immer mit dem Waldmesser einen
Weg bahnen musste. Woher rührt diese auffallende Verschie-
denheit der Vegetation, warum setzen die Pajonales (die Rasen-
flächen) nicht auch über diejenigen Theile der Päramos fort,
welche vom Menschen früher nicht betreten wurden? Meiner
Ansicht nach muss man die Ursache in dem Gebrauche suchen,
diejenigen Päramos, welche für die Viehzucht bestimmt sind, zu-
nächst abzubrennen. Dieser Ansicht zufolge sind die Päramos ur-
sprünglich mit Jucas , Chusque, Achupallas und anderen ge-
selligen Pflanzen, nicht aber mit Gräsern (Pajonales) bedeckt
gewesen. Nachdem diese ursprüngliche Pflanzendecke abge-
brannt war, entwickelte sich überall das Gras in schnellem
Wachsthum. Durch wiederholte Brände wurden allmälig alle
anderen Pflanzen zerstört und durch das aufschiessende Gras
erstickt, welches, mehr und mehr Land einnehmend, Licht
und Luft den langsamer wachsenden Pflanzen raubte. So
wurde der Vegetations-Charakter der Päramos vollständig durch
die Thätigkeit des Menschen verwandelt und einer Pflauzen-
gattung das Uebergewicht verschafft, welche ursprünglich auf
jenen Hochflächen nur in geringer Menge wuchs. Die nutz-
losen und fast undurchdringlichen Einöden der Jucales wurden
in Grasflächen umgewandelt, welche unzählbaren Viehheerden
Nahrung geben. Diese Ansicht wird auch durch die Thatsache
gestützt, dass diejenigen Päramos, welche lange Zeit nicht ab-
gebrannt sind, sich von Neuem mit wildem Gestrüpp bedecken.
3. Beiträge zur Petrographie.
Von Herrn G. vom Rath in Bonn.
Hiezu Tafel IX. und X.
I. TJeber einige Andesgesteine,
mit besonderer Berücksichtigung der in ihnen auftretenden tri»
klinen Feldspathe.
Durch die Güte des Herrn Theodor Wolf, Professor der
Geologie in Quito, erhielt ich eine Sammlung von Gesteinen,
welche mehrere der ausgezeichnetsten, theils erloschenen, theils
noch thätigen Vulkane des Hochlandes von Ecuador zusammen-
setzen. Diese werthvolle Sammlung, von Herrn Wolf mit
grosser Hingebung unter vielen Mühen und Gefahren zusammen-
gebracht, bot mir Veranlassung, die Kenntniss einiger dieser
Gesteine durch Untersuchung der sie konstituirenden Feldspathe
zu fördern. Die meisten Felsarten jenes erhabensten Schau-
platzes vulkanischer Thätigkeit sind zwar in solchem Grade
feinkörnig und dicht, dass es nicht gelingt, den Plagioklas
zum Zwecke der gesonderten Analyse auszusuchen. Bei
einigen Andesiten indess war es möglich , wenngleich meist
nur mit grossem Zeitaufwand, den ausgeschiedenen Plagioklas
von der Grundmasse zu trennen, der gesonderten Analyse zu
unterwerfen und so eine sichere Grundlage für die Deutung
der ecuadorischen Gesteine zu gewinnen. In solcher Weise
konnte ich die Zusammensetzung der Plagioklase aus der
Sphärolithlava des Antisana ermitteln, sowie der Andesite vom
südlichen Abbange des Vulkans Mojanda, des Kraters Pu-
lulagua, des Guagua Pichincha, des Tunguragua,
sowie eines trachytischen Einschlusses aus den sogenannten
Calicalituffen von Pomasqui, endlich des grossen Lava-
stromes von La n gl an geh i (zwischen Riobamba und dem
Tunguragua). Der Untersuchung dieser Plagioklase reihen sich
an: diejenigen des Trachyts von Toluca in Mexico, des
obsidianähnlichen Trachyts von Conejos am Rio grande del
Norte in Colorado, sowie der Hauyn-führenden Lava von Palma.
20*
296
Die Sphärolithlava des Antisana.
Der Antisana erhebt sich über der Ostcordillere, 6^ d. M.
gegen Südost von Quito entfernt, bis zur Meereshöhe von
5756 M. (nach Dr. Reiss), 2906 M. über der Hauptstadt.
Dieser gewaltige Vulkan steigt nicht auf der östlichen Cor-
dillerenkette selbst empor, sondern bildet ein gegen Osten der-
selben angelagertes, gewaltiges Plateaugebirge, welchem gleich
einer ungeheuren silberweissen Kuppel der hohe Vulkangipfel
aufgesetzt ist. „Unter den Vulkanen der ecuadorischen Anden,
sagt Wolf in Briefen an seinen Vater, Herrn Oberlehrer
Wolf in Altshausen, muss man sich nicht einfache Bergkegel
vorstellen. Jedes dieser Vulkansysteme bildet eigentlich ein
ganzes Gebirge, welches sich meilen- und tagereisenweit aus-
dehnt und aus vielen hohen Bergen , ausgedehnten Paramos,
grossen Lavaströmen u. s. w. besteht; im Centrum erhebt sich
dann gewöhnlich der Hauptkegel als hoher Schneeberg. So
ist es besonders am Antisana. In der Hacienda Yurac (unfern
des Dorfes Pintac) war ich vom eigentlichen Antisana - Kegel
noch eine ganze Tagereise weit entfernt, aber doch schon auf
seinem Vulkangebiet. Schon hier an seinem Fusse waren
grosse Lavaströme ausgeflossen und hohe Andesitlavaberge
aufgethürmt, welche dem geologischen Studium reichlichen
und interessanten Stoff bieten. Ich machte gerade hier (am
Berge Achupallas, s. Neues Jahrb. f. Min. von Leonhard und
Geinitz 1874 pag. 380) einige für die Vulkanologie wichtige
Entdeckungen in den Obsidian- und Perlitlaven, ganz besonders
die Entdeckung merkwürdiger Quarzlaven. — Von der Ha-
cienda Pinantura (3142 M. Reiss) am westlichen Fusse des
Antisana ritten wir von Morgens früh bis Abends spät immer
aufwärts steigend durch rauhe trostlose Paramos, die an vielen
Stellen sehr sumpfig und schwer zu passiren waren. Grosse
Ausdehnung und sumpfiges Terrain ist für die Paramos der
Ostcordillere charakteristisch im Gegensatze zur Westcordillere.
— Wenn man sich, an diesen Gebirgen emporsteigend , müh-
sam durch die Wald - und Buschregion durchgearbeitet hat,
betritt man in der Höhe von ungefähr 12000 Fuss das Pa-
jonal oder den Päramo; Alpen wiesen, wenn man so sagen
darf, welche in einem breiten Gürtel bis zur Höhe von 14000 F.
die Gebirge umsäumen. Aber denken Sie nur nicht an jene
597
lieblichen Triften und Matten, welche in den europäischen
Alpen das Auge des Wanderers durch ihr frisches Grün und
den Schmelz ihrer Blumen ergötzen. Statt eines gleichmässi-
gen , von niederen Grasarten und Alpenkräutern gebildeten
Rasens, über den man leichten Fusses hinwegschreitet, steht
man hier bis an die Hüften und oft bis an die Arme zwischen
dem groben, 3 bis 4 F. hohen Büschelgras, welches erhöhte
Rasen und Polster bildet. Zu Pferde und zu Fuss kommt
man nur sehr langsam und immer strauchelnd voran. Nach
Erdbeben, welche den Boden durch tausend Risse und Spalten
zerklüften, wird eine Wanderung im Paramo sogar gefährlich
und gleicht dann etwa der über einen zerklüfteten, mit frischem
Schnee bedeckten Gletscher. — Bei der Besteigung der ecua-
dorianischen Vulkane wandert man gewöhnlich 2 bis 3 Stunden
durch diese Päramos, bevor man in die vegetationslose Schnee-
region kommt; doch auf denjenigen Gebirgen, welche die Höhe
von 13500 F. nicht übersteigen , irrt man tagelang in diesen
trostlosen Einöden und Graswüsten umher, in welchen kein
Baum oder Strauch dem Auge eine Abwechselung bietet, und
woselbst mau keine Spur des animalischeu Lebens, ge-
schweige denn eine menschliche Ansiedlung entdeckt. Das
Wort Päramo ist selbst für den Eingeborenen der Inbegriff
aller Mühsale und alles Elends. — Nirgends erschliesst sich
hier dem Geognosten durch anstehendes Gestein der Bau des
Gebirges. — In der Höhe von ca. 12500 F., wo ich nun in
einem Hato (Hirtenwohnung) für acht Tage mein Standquartier
nahm , hat dies Antisanagebirge eine ganz eigene Physiogno-
mie und stellt sich als eine besondere abgeschlossene Welt
dar: es befinden sich da stundenweit ausgedehnte Ebenen,
grosse mit merkwürdigen Sumpf- und Schwimmvögeln bevöl-
kerte Seen, eine Menge krystallheller Quellen und Bäche, die
nicht wild über Felsen stürzen , sondern sich sanft dahin-
schlängeln und erst am Rande dieser breiten Zone sich in
Wildbäche verwandeln. Dann wieder ganz gesonderte kleine
Gebirge für sich, welche Ebenen und Seen umschliessen, oder
isolirte Vulkane und Krater, welche ganz bedeutend sind und
nur an der Seite des gewaltigen Centraikegels klein erscheinen,
— es sind die Seiteneruptionskegel des Antisana. Dieser hebt
sich nun mit königlicher Majestät aus dem Centrum der ihn
umgebenden Landschaft zu der colossalen Höhe von 5756 M.
298
— So flach die Basis des Vulkankegels ist, so steil steigt er
dann von der Schneegrenze an empor und an den meisten
Punkten wäre wohl ein Besteigungsversuch vergeblich. Von
den ungeheuren Schnee - und Eismassen , die den Berg be-
decken, kann man sich kaum einen Begriff machen; nur an
wenigen Punkten schaut eine schwarze, nackte Felsenspitze
heraus. Wenn der Riese im hellen Sonnenschein oder im
Vollmondglanz in so unmittelbarer Nähe frei vor einem steht
oder plötzlich aus einer Wolkenumhüllung tritt und sich am
azurblauen Himmel scharf abhebt, kann man sich an diesem
Anblick kaum satt sehen: diese duftigblauen oder meergrünen,
mehrere hundert Fuss dicken Eisterrassen und Eisblöcke!
diese blendend weissen , von dunklen Spalten durchfurchten
Schneefelder! dieser Contrast mit den ernsten schwarzen Lava-
feldern am Fusse! — Der Antisana hat einen ungeheuren
Krater, der nach Südost offen ist, von welcher Seite man auch
ziemlich leicht hineingehen kann; er gilt jetzt für erloschen,
war aber am Ende des vorigen und noch am Anfang dieses
Jahrhunderts thätig, und es ist gar nicht unmöglich, dass er
wieder aus seiner Ruhe mit gesteigerter Energie sich auf-
raffe/
Ueber die geologischen Forschungen von Prof. Wolf auf
der Westseite des Antisana, am Kegel Achupallas und im Thale
von Ansango oder Pinantura s. Neues Jahrb. 1874 pag. 380
bis 384. Ueber den Anlisana und seine Lavaströme s. von
Humboldt, Kosmos Bd. IV. pag. 354 — 359. — Die Sphäro-
lithlava, von welcher in der Sammlung Stücke von etwas
verschiedenen Varietäten sich finden , bildet einen grossen
Lavastrom, welcher westlich unterhalb des Hauptkegels her-
vorgebrochen ist. Diese Lavaströme des Antisana, welche
strahlenförmig vom Vulkan ausgehen und sich über die weiten
fast unmerkbar ansteigenden Hochebenen hinziehen , stellen
sich dar als meilenlange Gesteinsgerölle , bis 33 M. hoch,
bis 700 JV1. breit, mit schrundiger, jeder Vegetation entbeh-
render Oberfläche. Die Spbärolithlava ist von röthlicher oder
grauer Farbe und besteht aus Sphärolithen , quarzähnlichen
Obsidiankörnern und Plagioklas, zu welchen als seltenerer
Gemengtheil sich noch Biotit gesellt. Das Verhältniss der
Gemengtheile wechselt, so dass das Gestein bald fast aus-
schliesslich aus Sphärolithen, bald zu gleichen Theilen aus
299
diesen und Obsidiankörnern besteht. — Die Sphärolithe sind
bis 3 Mm. gross, zeigen meist im Innern einen mehr grauen,
aussen einen mehr röthliehen Farbenton. Häufig umschliessen
sie im Innern einen weissen Plagioklaskrystall, zuweilen auch
ein kleines Biotitblättchen.
Unter dem Mikroskop zeigt das Gestein ein ausgezeichnet
sphärolithisches Gefüge; es besteht aus lauter mehr oder we-
niger kugeligen Concretionen von radialfasriger Zusammen-
setzung. Man unterscheidet deutlich eine zweifache Bildung
von Sphärolithen , die eine etwas ältere von röthlichbrauner
Farbe und gradfaseriger Zusammensetzung, die andere, jüngere,
von mehr grauer Farbe und verworren - fasriger Zusammen-
setzung. Die letztere Spbärolithmasse bildet theils die peri-
pherische Zone der älteren Gebilde, theils selbstständige Con-
cretionen. Häufig sind die geradfasrigen älteren Spbärolith-
kugeln zertrümmert, und zwischen ihren Spalten haben sich die
jüngeren Concretionen mit eigentümlicher, verworrener Faser-
zusammensetzung gebildet. Die Sphärolithe , deren Fasern
schwach doppelbrechend wirken , haben eine von den vorra-
genden feinsten Prismen herrührende rauhe Oberfläche. Die
Gestalt der Sphärolithe ist nicht immer kugelig, sondern oft
in die Länge gezogen oder keulenförmig. Die Zusammen-
setzung der Sphärolithe ist die folgende. Spec. Gew. 2,386.
Glühverlust 0,45.
Kieselsäure 77,01
Thonerde 12,90
Eisenoxyd ...... 1,88
Kalk 0,21
Magnesia 0,29
Alkalien .(Verlust) . . 7,71
100,00
Zwischen den, Sphärolithen ziehen nun die eigentüm-
lichen Gestalten der Obsidiankörner hin; theils von schwärz-
lichgrauer, theils von lichtgrauer Farbe, muschligem Bruch,
rauher, fast feindrusiger Oberfläche. Diese Körner haben eine
ganz seltsame, oft zackige Gestalt und bilden zuweilen ein
wahres Skelett, welches zwischen den Sphärolithen, sich leicht
von denselben ablösend, in zackigen Apophysen fortsetzt.
Wenn sie reichlich vorhanden, verbinden sich diese Körner zu
300
zusammenhängenden Lagen und das Gestein besteht aus wech-
selnden Straten von sphärolithischer Masse uud Obsidian. In
manchen Handstücken werden die Obsidiankörner dem Quarz
so ähnlich, dass ich sie in der That Anfangs dafür hielt und
mich erst ihre Schmelzbarkeit in Betreff ihrer wahren Natur
belehrte. Spec. Gew. 2,320 (bei 20° C.). Glühverlust 0,24.
Die Analyse ergab:
Kieselsäure .
77,76
Thonerde . . .
13,14
Kalk ....
0,63
Eisenoxyd . . .
. 1,47
Alkalien (Verlust)
. 7,00
100,00
Diese Obsidiankörner aus dem Antisana-Sphärolith zeigen
demnach eine fast gleiche Zusammensetzung, wie jene quarz-
ähnlichen Glaskörner aus dem Trachyt des Monte Amiata
(s. diese Zeitschr. Jahrg. 1865 pag. 413). — Ein Vergleich
der Obsidiankörner mit den Sphärolithen ergiebt, dass beide
sehr nahe die gleiche Zusammensetzung besitzen. Es könnte
demnach die Obsidianmasse durch Krystallisation ohne Rest-
ausscheidung völlig in Sphärolith sich umwandeln. Der Pla-
gioklas der Sphärolithlava ist weiss. Die Krystalle 1 — 3 Mm.
gross liegen theils im Innern der Sphärolithe, theils zwischen
denselben und den Glaskörnern. In letzterem Falle sind sie
zuweilen fast ringsum ausgebildet und haben sogar messbare
Flächen. Es macht nicht den Eindruck, als ob die Krystalle
sich aus der Lava ausgeschieden hätten.
Spec. Gew 2,603; 2,594 (in zwei Versuchen bei 18° C.).
Glühverlust 0,11 pCt.
Analyse I. wurde durch Schmelzen mit kohlensaurem Na-
trium, II. mittelst Fluorwasserstoffsäure ausgeführt.
I. II. Mittel
Kieselsäure . 64,27 — 64,27 Ox. 34,277
Thonerde . . 22,19 22,41 22,30 10,412
Kalk 3,01 3,23 3,12 0,891 ]
Kali — 2,11 2,11 0,358 1 3,288
Natron .... — 7,90 7,90 2,039 J
99,70
Sauertoffproportion 0,947 : 3 : 9,876.
301
Vorstehende Mischung gehört demnach einem Oligoklas
an und kann im Sinne der TscHERMAK'schen, stets neu bestä-
tigten Theorie aufgefasst werden als eine Mischung von 3 Mol.
Albit und 1 Mol. Anorthit, für welche sich folgende Zusammen-
setzung berechnet: Kieselsäure 64,75, Thonerde 22,20, Kalk
3,02, Natron 10,03; in naher Uebereinstimmung mit dem Re-
sultat der Analyse, wenn wir eine kleine Menge des Natrons
durch Kali vertreten denken. Durch vorstehende Analyse ist
wohl zum ersten Mal in den trachytischen Gesteinen der
Anden Oligoklas nachgewiesen. Es ist bekanntlich nur sehr
selten möglich gewesen, die Krystallformen der Kalknatron-
Feldspathe genau zu bestimmen. Als einen besonders glück-
lichen Zufall musste ich es demnach ansehen, dass ich in der
Antisana-Lava einen 3 Mm. grossen, ringsum ausgebildeten
messbaren Oligoklaskrystall auffand. Die
nebenstehende Figur giebt ein Vorstellung
des interessanten Krystalls*), eines Doppel-
zwillings nach zwei Gesetzen : 1) Dre-
hungsaxe die Normale zum Brachypina-
koid M (resp. Zwillingsebene M) und 2) Dre-
hungsaxe die makrodiagonale Axe b oder
(was hier identisch) die Normale zur brachy-
diagonalen Axe a in der Basis (s. Pogg.
Ann. Bd. 138 pag. 473).
Ich beobachtete folgende Flächen:
P — (ooa:oob:c), oP
M = (oc a : b : oo c), ooPoo
y = (a : x b : 2 c), 2^00
e = (ooa:b: 2 c), 2yP'oo
n = (oca:b':2c), 2'Poo
1 = (a : b : oo c), oo P'
T = (a:b':ooc), oo 'P
f = (a:|b:ooc), oo P'3
z = (a:^b':ooc), oo 'P 3
m = (a:b:c), P'
*) In der Zeichnung ist das nach dem „Albitgesetz" angewachsene
Krystallstück fortgelassen; man denke sich dasselbe der linken Seite des
302
Mit Ausnahme von m , einer am Anorthit nicht seltenen
Fläche, wurden alle oben aufgeführten Formen auch am Oli-
goklas vom Vesuv (s. a. a. O.) beobachtet. Sehr schön konnte
an der Zwillingsgruppe beobachtet werden, dass die Zwillings-
kanten der beiden nach dem Gesetze 2) verbundenen Indivi-
duen ringsum parallel den Kanten der betreffenden Flächen
mit der Basis P laufen; genau in gleicher Weise wie es früher
für den Oligoklas nachgewiesen wurde, — im Gegensatze zu
den Zwillingen des Anorthits. Die Messung des kleinen Kry-
stalls konnte zwar am grossen Goniometer, doch nicht mit
völliger Genauigkeit geschehen, da die Bilder theils etwas
verwaschen, theils doppelt waren. Nichtsdestoweniger ist die
Uebereinstimmung mehrerer Winkel mit den betreffenden des
vesuvischen Oligoklas gewiss sehr bemerkenswerth.
Antisana
Ves
UV
T:M =
118° 26'
118°
20'
20
1:M =
121 0
120
P:T =
[110 27
111
12
2 Bilder
\111 20
P:T' =
69° 3
68
48
M:P =
86 19
86
32
So liefert der kleine Krystall vom fernen amerikanischen
Feuerberg eine unerwartete Bestätigung der an den Krystallen
eines vesuvischen Auswürflings erhaltenen Resultate.
Der Quarz-Andesit (Dacit) des Vulkans Mojanda.
Der Vulkan Mojanda (4294 M.) liegt (unfern des Yana
Urcu, 4272 M.) etwa 4 d. Meil. nordöstlich von Quito. Nach
Wolf's Forschungen (s. Neues Jahrb. d. Min. 1874 pag. 377)
bildet das in Rede stehende Gestein mit anderen älteren
Eruptivgesteinen die ausgedehnte Basis, auf welcher sich jene
beiden Vulkane erhoben haben. Wolf beobachtete den Dacit
unfern Puellaro in über 100 M. mächtigen, dem vulkanischen
Tuff eingeschalteten Bänken, am steilen nördlichen Gehänge
oberen Individuums angeiugt; so dass oben der einspringende Winkel
P : P liegt. Auch fehlen in der Zeichnung die Flächen e. n, sowie m,
welch letztere die Kante P : 1 abstumpft.
303
der fast 1000 M. tiefen engen Schlucht des Rio Guallabamba*),
welcher in seinem Unterlaufe Rio Esmeraldas heisst, und die
Vulkane Mojanda und Yana Urcu („Schwarzer Kopf") im
Norden von dem Vulkan Pululagua im Süden trennt. Die
Entdeckung des Dacits im ecuadorischen Hochlande durch
Herrn Wolf ist um so wichtiger, als dies durch die Association
von Quarz und Plagioklas charakterisirte Gestein bisher fast
allein aus Siebenbürgen und Ungarn bekannt war.
Der Dacit von Puellaro enthält in einer rauhen oder fein-
porösen bräunlichgrauen Grundmasse sehr zahlreiche, schnee-
weisse Plagioklaskörner (meist bis 5 Mm., selten bis 10 Mm.
gross), welche auf der vollkommenen Spaltungsfläche stets
deutlich die Zwillingsstreifung zeigen; ferner weniger zahl-
reiche gerundete Dihexaeder von wasserhellem Quarz (bis
5 Mm. gross). Nach Wolf besitzt der Quarz zuweilen auch
einen gelblichen oder rosenrothen Farbenthon. Zuweilen ist
er milchig getrübt, irisirend und erinnert etwas an Opal. Als
mehr untergeordnete Gemengtheile sind zu nennen: sehr spär-
liche kleine Prismen von schwarzer Hornblende und hexa-
gonale Täfelchen von schwärzlich-braunem Biotit, sowie fein
zertheiltes Magneteisen. Unter dem Mikroskop löst sich das
Gestein zum allergrössten Theil in ein körniges Mineral-
Aggregat auf. Diese weissen rundlichen Krystallkörner, welche
sich nur unrein aus dem glasigen Magma ausgeschieden haben
und kaum farbengebend auf das polarisirende Mikroskop wir-
ken, haben eine gewisse, wenn auch nur entfernte Aehnlich-
keit mit Leucit. Es muss dahin gestellt bleiben, welchem
Mineral sie angehören. Plagioklas scheinen sie nicht zu sein,
da sie keine Zwillingsstreifung im polarisirten Lichte zeigen.
In diesem körnigen Aggregat liegen nun porphyrartig einge-
mengt Plagioklase , von denen selbst die kleinsten deutliche
Zwillingslamellen zeigen, ferner Quarzkörner, welche theils
sich auf Durchschnitte gerundeter Dihexaeder parallel der Haupt-
axe beziehen lassen, theils ganz unregelmässig gestaltet, theils
offenbare Bruchstücke sind. Zuweilen bemerkt man an den
Quarzkörnern die schönsten Anwachshüllen. Gewöhnlich wird
*) Bei dem Dorfe Guallabamba (6482 p. F. h. nach Humboldt),
3 Wegestunden südöstlich von Puellaro fand v. Humboldt bis 68 F. hohe,
3 F. dicke Basaltsäulen.
304
der Quarz von Sprüngen durchsetzt, in welche nicht selten
die Grundmasse eindringt. Der Quarz in diesem Dacit gleicht
in seinem mikroskopischen Verhalten in hohem Grade dem
Quarz mancher Porphyre. — Die feinen Magneteisenpunkte
sammeln sich vorzugsweise um die Hornblendekrystalle.
Der Kieselsäuregehalt dieses Gesteins beträgt, nachdem
die grösseren Gemengtheile ausgeschieden waren,
= 69,78 pCt.
Der Plagioklas, welcher einen konstituirenden Bestand-
teil dieses Dacits ausmacht, besitzt folgende Zusammen-
setzung:
Spec. Gew. 2,666 (bei 15° C.). Glühverlust 0,04.
I.
m
Mittel
Kieselsäure .
. 60,48
60,48 Ox. -
32,256
Thonerde . .
. 25,07
25,63
25,35
11,836
. 7,30
7,20
7,25
2,071
Kali
0,08
0,08
0,014
Natron . . .
7,28
7,28 .
1,879
. 100,44
Sauerstoifproportion 1,005 : 3 : 8,175.
Der Plagioklas vom Mojanda ist demnach ein Andesin
und kann im Sinne der TscHERMAK'schen Theorie durch eine
Verbindung von 1 Mol. Albit mit 1 Mol. Anorthit dargestellt
werden. Derselben würde folgende Zusammensetzung ent-
sprechen :
Kieselsäure 59,73, Thonerde 25,59, Kalk 6,97,
Natron 7,71.
Der Andesit vom Vulkan Pululagua.
Der erloschene Vulkan Pululagua liegt 2 bis 3 d. Meil.
nördlich von Quito, unfern des Ortes S. Antonio de Lulubamba*),
auf der linken oder südlichen Seite des Rio Guallabamba.
*) Etwas Genaueres über diesen Vulkan, welchen ich sonst nirgends
erwähnt finde , konnte ich bis jetzt nicht in Erfahrung bringen, da ein
Brief von Prof. Wolf mit näheren Nachrichten über diesen und andere
vulkanische Punkte leider verloren gegangen ist.
305
Prof. Wolf schlug dies Gestein „von grossen Blöcken,
welche von den Kraterwänden herabgestürzt sind", unfern des
Ortes Niebli. Dieser Andesit, gleichfalls von schön porphyr-
artigem Gefüge, ähnlich dem Mojanda-Gestein (also ein Sara-
Rumi der Indianer), enthält in einer rauhen, bald röthlichen,
bald hellgrauen Grundmasse sehr zahlreiche, schneeweisse,
mit deutlicher Zwillingsstreifung versehene Plagioklaskörner.
Hornblende, Biotit, Magneteisen sind in der röthlichen Gesteins-
varietät in etwas geringerer Menge ausgeschieden , während
die Varietät mit lichtgrauer Grundmasse zahlreiche überaus
deutliche schwarze Hornblendeprismen zeigt und demnach als
ein eigentlicher Hornblende-Andesit bezeichnet werden kann.
Unter dem Mikroskop erscheint die Grundmasse der grauen
Varietät wesentlich als ein Gemenge kleinster Plagioklase,
welche von einer amorphen Grundmasse umschlossen sind;
darin sind grössere Plagioklase ausgeschieden, sowie die zier-
lichsten grünen Hornblendekryställchen , welche stets von
feinsten Magneteisenkörnchen umsäumt werden. Diese graue
Varietät ist nach Wolf das anstehende Gestein des Pululagua.
Die nördlichen und westlichen Kraterwände (besonders da, wo
der Krater gegen Niebli offen ist) bestehen daraus. Es ist in
dicke , gegen das Innere des Kraters aufgerichtete Bänke ab-
gesondert. — Die Grundmasse der röthlichen Varietät ist der
vorigen ähnlich; doch ist die Hornblende von brauner Farbe,
auch Biotit und einzelne Augite sind vorhanden. Die grösseren
Plagioklase zeigen bei polarisirtem Lichte eine polysynthetische
Zusammensetzung: neben der gewöhnlichen Zwillingsstreifung,
entsprechend den Zwillingslamellen parallel dem Brachypina-
koid (M), bemerkt man häufig auch Streifen, welche jene erste
Richtung annähernd unter rechtem Winkel schneiden und wahr-
scheinlich auf eine Verwachsung nach dem Gesetze: Zwillings-
axe die in der Basis (P) liegende Normale der Brachydiago-
nale zurückzuführen sind. Zahlreiche concentrische Anwachs-
streifen zeichnen gleichfalls diese Krystalle aus. Ausser den
genannten Gemengtheilen weist das Mikroskop auch sehr ver-
einzelte Quarzkörnchen auf, welche, wenn sie auch sehr viel
spärlicher sind, wie in dem oben geschilderten Dacit des Mo-
janda, doch beweisen, dass beide Felsarten nicht durchaus
verschieden sind.
306
Den Kieselsäuregehalt der Grundmasse des röthlichen
Andesits vom Krater Pululagua bestimmte ich
= 65,16 PCt.
Der Flagioklas aus derselben röthlichen Gesteinsvarietät
ergab :
Spec. Gew. 2,659 (bei 16° C). Glühverlust 0,12.
I.
II.
Mittel
Kieselsäure . .
59,39
59,39 Ox.-
31,675
Thonerde . . .
25,88
26,27
26,08
12,177
Kalk
8,11
8,29
8,20
2,325
Kali
0,22
0,22
0,037
6,74
6,74
1,739
100,63
Sauerstoffproportion 1,010 : 3 : 7,804.
Auch dieser Plagioklas ist demnach ein Andesin , dessen
Zusammensetzung annähernd durch die obige Mischung von
1 Mol. Albit und 1 Mol. Anorthit dargestellt wird.
Im Pululagua - Krater sammelte Prof. Wolf auch dunkle,
schlackenähnliche A ndesitvarietäten mit sehr kleinen weissen
Andesinen und grünen Augiten. Ferner besitzt die Sammlung
Andesit-Bimstein aus der Gegend von S. Antonio, ^ Stunde
vom Kraterrande entfernt, ein Produkt des Vulkans. Grössere
und kleinere Blöcke dieses Plagioklas- und Hornblende- füh-
renden Bimsteins bilden mächtige Schichten. ,,Die grösseren
Blöcke werden als vortrefflicher Baustein benutzt."' — Von
Pululagua stammt ferner einer der schönsten, durch schnee-
weisse Andesine und schwarze Hornblendeprismen ausgezeich-
neten Andesite der WoLF'schen Sammlung. In ziemlich spär-
licher dunkler Grundmasse liegen in grosser Menge die ge-
nannten beiden Bestandteile. Während das Gestein selbst in
schwarzer, scheinbar dichter, krystallinischer Grundmasse An-
desin und Hornblende zeigt, sind die obere und untere Fläche
des Hahdstücks mit hellgrauer, fast bimsteinähnlicher Masse
bedeckt. ,, Diese stammt von Gängen , einige Linien dick,
welche das Gestein durchsetzen.4'
307
Der Andesit des Guagua Picbincba.
Die beiden Gesteinsvarietäteri , deren Plagioklase der ge-
sonderten Analyse unterworfen wurden, sammelte Prof. Wolf
theils auf der äusseren Südostseite des Gipfels in 4600 M.
Höbe (rötbliche Varietät), theils im unteren Krater des Guagua
Pichincba (dunkle Varietät). Wolf bemerkt, dass v. Hum-
boldt in allen seinen Schriften die Namen Ruccu- und Gua-
gua-Piehincha verwechsle. „Der Ruccu-Pichincha (der Vater
oder Alte) ist der erloschene nördliche Kegel (4737 M. Reiss),
Guagua Pichincha (das Kind) der noch thätige südliche Krater
(4787 M. Reiss). Bei Humboldt stets umgekehrt.4' Es darf
hier auf die schöne Ansicht und Karte des Pichincha ver-
wiesen werden, welche wir dem grossen Reisenden und Natur-
forscher verdanken (v. Hümb. Atlas zu den kleiner. Schriften
Taf. 1 und 10). Der Pichincha bildet eine 2 d. Meil. lange
Mauer, in welcher man von Poingasi (3104 M. Reiss) aus in dem
Höhenzuge, welcher das Hochthal von Quito in zwei Theile
trennt (einen östlichen mit den Thalebenen von Puembo
(2484 M. Reiss) und Chillo; und einen westlichen mit den
rauheren Grasfluren von Inaquito und Turabamba), hauptsächlich
vier von Nordost nach Südwest aneinander gereihte Gipfel
unterscheidet: 1) einen ungenannten Kegelberg, von Humboldt
„Condorgipfel" genannt*); 2) Ruccu Pichincha (bei v. Humb.
Guagua P.), ein kastellartiger Fels; 3) Picacho de los La-
drillos (Ziegelberg); 4) Guagua P. (bei v. Humb. Ruccu P.).
Dieser letztere trägt den grossen noch entzündeten Krater
und den höchsten Gipfel des ganzen Gebirges. In v. Hum-
boldt's schöner Ansicht ist der Guagua Pichincha der mit
Schnee bedeckte Gipfel. Nur einige wenige Male ist der ge-
waltige Kraterboden von Menschen betreten worden : zuerst 1845
durch Seb. Wisse und seinen „ausgezeichnetsten Schüler"
Garcia Moreno, den jetzigen Präsidenten der Republik, dann
1870 durch die Herren Reiss und Stübel, endlich in demsel-
ben Jahre durch Wolf. — Bouguer und La Condamike, welche
7 Jahre mit den Arbeiten der Gradmessung beschäftigt auf
*) fm Kosmos IV. Band pag. 285 nennt v. Humboldt offenbar irr-
thümlich den Cunturguachana (den Condorgipfel) den südwestlichsten in
der Reihe.
308
dem Hochlande von Quito lebten , gelangten 1742 nach vielen
Bemühungen bis zum hohen Kraterrande und blickten in den-
selben hinab. Als Humboldt 60 Jahre später (14. April 1802)
den Versuch machte, an den Krater zu gelangen, war jede ge-
nauere Kenntniss über die Lage desselben verloren gegangen, so
dass der grosse Reisende bei seiner ersten Besteigung gegen den
mittleren kastellartigen Gipfel emporstieg, von wo er den noch
mehr als 4 Kilom. entfernten, durch unüberschreitbare Schluch-
ten getrennten Krater nicht erreichen konnte. Bei seinen beiden
anderen Expeditionen (s. kleinere Schriften pag. 55 u. 66), am
26. u. 28. Mai 1802, erreichte er einen Altan-ähnlichen Felsen
des Kraterrandes. „Das furchtbare, tiefe, schwarze Becken war
ausgebreitet vor unseren Augen, in schauervoller Nähe. Ein
Theil des hier senkrecht abgestürzten Schlundes war mit wir-
belnden Dampfsäulen erfüllt."
Die erste genaue Erforschung des Pichincha verdankt die
Wissenschaft den Herren Wisse und Moreno (s. klein. Schrift,
pag. 77 — 97). Nach Wisse's Bericht beträgt der obere Durch-
messer des grossen Kraterrandes 1500 M. Derselbe wird
durch eine von NNO-SSW gerichtete Felsmauer in zwei Ab-
theilungen geschieden. Der Boden des östlichen Kraters hat
eine absolute Höhe von 4447 M. und ist 328 M. unter den Pik
des hohen Kraterrandes eingesenkt, er ist ohne Fumarolen
und völlig erloschen. Der Boden des westlichen Kraters hat
eine absolute Höhe von 4172 M., liegt also 325 M. tiefer als
der östliche*); in demselben erhebt sich ein mit vielen Fu-
marolen versehener, 150 M. hoher Eruptionskegel. — Nach-
dem wir uns so der allgemeinen Gestaltung des Pichincha-
gebirges und seines grossen Kraters erinnert, werden einige
Stellen aus den Briefen Wolf's von besonderem Interesse
sein. Auf der Höhe von Poingasi stehend, schildert er die
herrliche Gebirgsansicht : „Gegen Westen hat man die schönste
Ansicht von Quito , weil man zugleich mit der ganzen Stadt
auch den ganzen grossartigen Hintergrund überblickt , ich
meine die Berggruppe des Vulkans Pichincha mit seinen ma-
lerischen Schluchten und Felsenzacken , aus denen sich drei
fast immer mit Schnee bedeckte Hauptgipfel erheben. Nur
*) Im Kosmos IV. Band pag. '280 heisst es zufolge einer Verwechs-
lung: „der östliche Krater liegt über 1000 Fuss tiefer als der westliche.''
309
der südlichste der drei Gipfel, ein abgestumpfter Kegel, zeigt
gegenwärtig vulkanische Thätigkeit und trägt einen der inter-
essantesten Krater der Welt von kolossalen Dimensionen, aus
welchem weisse Wolken von Wasserdampf, gemengt mit an-
deren vulkanischen Gasen, aufsteigen. Dieser Vulkan, dessen
300jährige Geschichte ich voriges Jahr gründlich zu studieren
Gelegenheit hatte, als ich die Chronik der Vulkan - Ausbrüche
und Erdbeben für das Programm *) unserer Hochschule schrieb,
*) Cronica de los fenomenos volcanicos y terremotas
en el Ecuador con algunas noticias sobrc otros paises de
la America central y meridional desde 1533 hasta 1797.
Quito 1873. Im Verfolge seiner vulkanischen Studien im äquatorialen
Amerika konnte es Herrn Wolf nicht verborgen bleiben, dass die bis-
herigen Angaben über vulkanische Phänomene und Erdbeben in Ecuador
allzusehr der Zuverlässigkeit entbehren (compilados sin critica ninguna).
Es stellte sich heraus, dass Mittheilungen über den causalen Zusammen-
hang vulkanischer Phänomene, welche die weiteste Verbreitung gefunden
haben, ohne jeden thatsächlichen Anhalt sind, dass andere Angaben
ausserordentliche Uebertreibungen aufweisen. So entschloss sich Wolf
aus den Originalquellen, und zwar vorzugsweise aus den Archiven Quito's
und anderer ecuadorischer Städte, alle Nachrichten über jene Ereignisse
zusammenzustellen , bei welcher mühevollen Arbeit er sich der Unter-
stützung eines mit der Landesgeschichte genau vertrauten Mannes, des
Dr. Pablo Herrera, erfreute, welcher ihm viele alte Handschriften zur
Verfügung stellte. Diese verdienstvolle und wichtige Arbeit wurde da-
durch möglich, dass die Archive Quito's von allen politischen Revolu-
tionen, welche seit der Unabhängigkeit des Landes einander gefolgt sind,
unberührt geblieben sind. In einem Appendix sind die Originalauszüge
aus den alten Geschichtschreibern des Landes, Oviedo y Valdes, Lopez
DE GOMARA, ClEZA DE LEON, AGUSTIN DE ZäRATE, AnT. DE HERRERA, SOwie
aus den Archiven mitgetheilt.
Es mögen hier einige wenige Ergebnisse der WoLF'schen Forschun-
gen mitgetheilt werden, aus denen hervorgeht, wie vieler Berichtigungen
die bisher allgemein verbreiteten und geglaubten Schilderungen und An-
gaben bedürfen.
Viel verbreitet in den Büchern ist die Angabe vom Einsturz des
Altar oder Capac-Urcu (Königs der Berge), welcher 14 Jahre vor der
Invasion Huayna-Capac's des Sohnes Tupac-Yupanqui's (also ungefähr
im Jahre 1461) soll stattgefunden haben. Ueber ein solches Ereigniss
existirt indess weder eine allgemeine Sage der Indianer , noch berichtet
darüber ein alter Geschichtschreiber , namentlich auch nicht der mit den
Traditionen der Eingeborenen so vertraute Pat. Velasco. „Parece que
aqui Humboldt confiö con demasiada credulidad en las palabras de un
sol individuo, del Indio Zefla en Riobamba."
Nach allgemein geglaubten Angaben soll der Vulkan Imbabura
Zeits.d.D.geol.Ges.XXVII.2. 21
310
befindet sich gegenwärtig im sogenannten Zustande der Ruhe
und von ferne scheint er in der That ganz harmlos. Besteigt
man aber zum ersten Male seinen Kraterrand, so ist der den
Blicken entgegengähnende Schlund wohl geeignet, den Zustand
der Gemüthsruhe etwas zu erschüttern. Man vernimmt ein
dumpfes Getöse wie von fernem Donner oder von einem
grossen Wasserfall, und der Wind trägt von Zeit zu Zeit die
Schwefeldämpfe empor. In der Tiefe wogen grosse weisse
Ballen von Wasserdampf hin und her und vertheilen sich
dann aufsteigend als Gewölk an den düstern fast senkrechten
Kraterwänden. Nur hin und wieder erblickt man durch eine
Wolkenspalte ein Stück des eigentlichen Kraterbodens , der
dann der Phantasie noch tiefer erscheint als er wirklich ist.
Ich hatte an einem wunderschönen Septembertage den höchsten
Gipfel des Kraterrandes erreicht. Das Hinabklettern in den
Schlund ist äusserst mühsam und an den meisten Stellen nur
mit Hülfe der Hände möglich : theils geht es über steile Hal-
den von Bimsteinschutt , der jedem Tritte nachgiebt, theils
über abschüssige Eisflächen, in die erst mit dem geologischen
Hammer Stufen gehauen werden müssen, um einen sonst
sicheren Fall zu vermeiden; jetzt muss man einem vom Frost
losgesprengten Felsblock ausweichen, der donnernd von oben
(ca. S d. Meil. nordöstlich von Quito) in den Jahren 1691 und 1765
grosse Schiammei uptionen gehabt haben, bei welchen eine solche Menge
kleiner Fische (Prenadillas) Pimelodes Cyclopum, ausgespieen wurde,
dass sie faulend die Luft verpesteten und unter den Umwohnenden bös-
artige Fieber erzeugten. Aller Wahrscheinlichkeit zufolge hat indess der
Imbabura in historischer Zeit niemals weder einen Feuer - noch einen
Schlammausbruch gehabt. Nicht ganz selten ereignen sich indess — na-
mentlich in Folge von Erbeben — am Imbabura Erdschlipfe seiner steilen Ge-
hänge. Die Regenströme führen die gelockerte und aulgehäufte Erde
fort und erzeugen die „Schlammströme", welche mit den fischreichen
Bächen und Flüssen sich vereinigend wohl den Tod von Fischen hervor-
rufen können. Ganz unglaublich und unverbürgt ist es aber, dass ihre
Menge hinreichend gewesen sein soll, um bei der Verwesung Krankheiten
zu erzeugen.
In gleicher Weise sind die bisherigen Berichte über das grosse Erd-
beben von Riobamba (4. Febr. 1707) ausserordentlich übertrieben. Nicht
40,(300 Menschen verloren durch dies schreckliche Ereigniss ihr Leben,
sondern 5000 bis 6000. Zu den Erscheinungen bei diesem Erdbeben, welche
durch übertriebene .Berichte eine unverdiente Berühmtheit erlangt haben,
gehört auch die „Moya" von Pelileo.
311
rollt und lavinenartig^anderes Geröll in Bewegung setzt, jetzt
sich dem in Bewegung gerathenen Bimsteinsand mit dem
Rücken entgegenstemmen. Nach zwei Stunden hatte ich, von
einem eiuzigen Indianer begleitet, einen breiten Absatz, den
sog. oberen Krater erreicht, welcher von dem unteren allein noch
thätigen durch einen Felsgrat geschieden ist. Wir überstiegen
den Grat an seiner niedrigsten Stelle und standen nun Anfangs
ganz rathlos vor dem fast senkrechten Abgrund; aber was
begonnen war, sollte vollendet werden. Dieser zweite Theil
des Hinabsteigens war viel schwieriger als der erste , nicht
nur wegen der Steilheit der Felswände, an denen wir hie und
da wie an den Zacken eines gothischen Thurmes hingen, son-
dern auch, weil wir meist schon in die Dampfwolken gehüllt
waren und so kaum ein paar Schritte weit sehen konnten.
Das Getöse verstärkte sich immer mehr, die Schwefeldämpfe
wurden beschwerlicher und nach abermals zwei Stundeu grosser
Anstrengung befanden wir uns auf dem Kraterboden , einer
ausgedehnten, wenig geneigten Ebene, die einen furchtbar
wilden und chaotischen Anblick bietet: grosse und kleine
Lavablöcke liegen in grausiger Unordnung umher, Bimsteine
und Bimsteinsand, mit Schwefel gemischt, bilden kleine Hügel,
die dann wieder durch tiefe Schluchten von einander getrennt
sind. Selbst am Mittag herrschte in diesem beinahe 2500 Fuss
tiefen , von himmelhohen schwarzen Felswänden eingeschlos-
senen und beständig von Dampfwolken überdeckten Kessel
ein unheimliches Halbdunkel. Obgleich ganz müde und er-
schöpft, eilte ich zwischen rauchenden und dampfenden klei-
neren Schlünden, aus denen mir eine starke Hitze wie aus
glühenden Oefen entgegenwehte, dem Punkte der Hauptthätig-
keit zu, von wo ich das stärkste Getöse vernahm. Ich gelangte
am Rande des Kraterbodens an eine breite und tiefe Felsen-
spalte , die sich auch nach oben zwischen zwei senkrechten
Felswänden fortsetzt. Dies ist gegenwärtig die stärkste Fu-
marole; aus ihr werden die Dampf ballen mit furchtbarer Ge-
walt ausgestossen. Der Boden ringsum zittert wie bei einem
Erdbeben, und der verursachte Höllenlärm ist so stark, dass
man zwischen dem Tosen, Krachen, Zischen sein eigenes
Wort nicht mehr vernimmt. Von den Felswänden träufelt
warmes Wasser, der condensirte Dampf. Die Felsen sind
mit dicken Krusten gelben Schwefels , weissen Salmiaks und
21*
312
Alauns überzogen. Unterdess fühlte ich meine Fusssohlen
sehr heiss werden; ich konnte den Boden und die Felswände
nicht mit den Händen berühren. Zwei Tage und eine Nacht
verweilte ich im Krater. — Die kleineren Fumarolen sind sehr
zahlreich und gruppenweise vertheilt, besonders an einem
kleinen Kegel mitten im Krater, welcher ohne Zweifel der
beim letzten grossen Ausbruch des Vulkans gebildete Eruptions-
kegel ist. Die Dampföffnungen sind oft mit wunderschönen
zolllangen Sehwefelkrystallen ausgekleidet, die dann, wenn
sich die Hitze steigert, schmelzen und abfliessen und ringsum
kleine Schwefelhügelchen bilden. Eigentliche Feuer- oder
Lichterscheinungen habe ich nicht beobachtet, selbst nicht bei
Nacht, wo sie sich deutlicher hätten zeigen müssen.'4
Das röthliche Gipfelgestein des Guagua Pichincha
zeigt in einer fleischrothen Grundmasse sehr kleine bis 1 Mm.
grosse weisse Plagioklase, sehr deutliche bräunlichschwarze
Hornblendeprismen. Unter dem Mikroskop erkannte ich ausser
den genannten von einer amorphen , durch feinste Mikrolithe
unreinen Grundmasse umhüllten Gemengtheilen auch kleine
Augite, in weit geringerer Menge als Hornblende.
Der Kieselsäuregehalt des Gesteins
= 62,99 pCt.
Von dem Plagioklas dieses Andesits konnte nur 0,3525 Gr.
zur Analyse ausgesucht werden; es musste deshalb von einer
Bestimmung der Alkalien abgesehen und der Verlust der
durch Aufschliessen mit kohlensaurem Natrium ausgeführten
Analyse als Natron in Rechnung gezogen werden.
Spec. Gew. 2,647 (bei 22 °C). Glühverlust 0,27.
Kieselsäure .... 58,15 Ox. = 31,01
Thonerde 26,10 12,20
Kalk 9,05 2,59
Natron . 6,70 1,73
100,00
Sauerstoffproportion 1,06 : 3 : 7,62.
Die dunkle A nd e s i t - V a r i e tä t aus dem unteren oder
westlichen Krater des Guagua Pichincha bildet dort das herr-
schende Gestein. Die geschlossene, nicht poröse Grundmasse
von einem pechsteinähnlichen Ansehen umhüllt sehr zahlreiche
313
weisse Plagioklase (1 bis 2 Mm. gross), schwarze Hornblende,
bräunliche gerundete Körnchen von Augit und Magneteisen
(vielleicht auch etwas Olivin). Unter dem Mikroskop gewährt
das Gestein einen sehr schönen Anblick. Die glasige, im
Dünnschliff durchsichtige Grundmasse besitzt eine durch feinste
schwarze Punkte angedeutete Fluidalstructur. Bei sehr starker
Vergrösserung offenbaren sich diese schwarzen Punkte als
sternförmig oder dendritisch aneinander gefügte Mikrolithe,
wahrscheinlich von Magneteisen. Letzteres bildet ausser diesen
kleinsten Gebilden auch grössere Krystallkörner. Jene amorphe
Grundmasse umschliesst nun sehr zahlreiche Plagioklase mit
schönsten concentrischen Anwachsstreifen und polysynthe-
tischer Zusammensetzung. Neben vorherrschender Hornblende
sind auch Augite sehr deutlich zu erkennen; nicht ganz sicher
Olivin. Schon hier mag bemerkt werden, dass eine Trennung
der Andes-Trachyte in Hornblende- und Augit- Andesite nicht
durchführbar ist, da nicht nur an denselben Vulkanen beide
Varietäten, sondern auch häufig in ein und demselben Gesteine
Hornblende sowohl als auch Augit vorkommen.
Der Kieselsäuregehalt des dunklen Andesits aus dem
Pichincha - Krater
* 64,55 pCt.
Die geringe Grösse der ausgeschiedenen Plagioklase ge-
stattete auch hier nur eine kleine Menge auszusuchen; zu jeder
der beiden folgenden Analysen wurde ca. 0,5 Gr. verwandt.
Spec. Gew.
2,620 (bei
16°
C). Glühverlust 0,01.
I.
II.
Mittel
Kieselsäure
. . 59,1
59,1 Ox. = 31,54
Thonerde .
. . 25,9
26,3
26,1 12,20
Kalk
. . 9,0
8,7
8,85 2,53
Kali , , ,
0,5
0,5 0,08
5,5
5,5 1,42
100,05
Sauerstoffquotient 0,99 : 3 7,75.
Beide untersuchten Plagioklase sind demnach Andesine
von der Zusammensetzung, welche man durch eine isomorphe
Mischung von 1 Mol. Albit und 1 Mol. Anorthit erhält, —
gleich den Plagioklasen des Mojanda und des Pululagua.
314
Noch von einigen anderen Punkten des Pichincha-Gebirges
verdanke ich Herrn Wolf Gesteinsproben: Vom Gipfel des
Rucu-Pichincha, Südostseite, in 4500 M. Höhe : ein schwarzes,
feinkörniges, fast dichtes Gestein, in welchem nur hin und
wieder ein deutlicher Plagioklas- und Augitkrystall erkennbar
ist. Es ist dies wohl dasselbe (oder ein ähnliches) Gestein,
dessen v. Humboldt in den kleineren Schriften pag. 26 u. 27
erwähnt unter Hervorhebung der Kastell- und Pfeiler-ähnlichen
Felsgestaltung. Das von Humboldt mitgebrachte schwarze
„pechsteinähnliche" Gestein wurde von Abich analysirt (Ueber
d. Natr. u. d. Zusammenhang d. vulk. Bildungen 1841 pag. 58):
Kieselerde 67,07, Thonerde 13,19, Eisenoxyd 4,74, Mangan-
oxyd 0,32, Kalk 3,69, Magnesia 3,46, Kali 2,18, Natron 4,90,
Glühverlust 0,30. Diese Analyse, welche durch ihren Kiesel-
säurereichthum die trachytische Natur des Gesteins beweist,
bewahrheitet nicht die Worte „Wir haben am Pichincha wie
am Aetna ein Dolerit - Gestein mit vorwaltendem Labrador"
(a. a. O. pag. 27)*). Vom Gipfel des Rucu-Pichincha, Süd-
seite, 4520 M. Höhe : ein lichtgelbliches Gestein. Die sehr
zahlreichen kleinen Plagioklase heben sich nur wenig deutlich
aus der feinkörnigen Grundmasse ab. Zahlreiche äusserst
zierliche, 1 bis 2 Mm. grosse, schwarze Augite zeichnen das
Gestein aus.
„Andesit aus der Cantera (Steinbruch), in unmittelbarer
Nähe der Stadt", nahe bei dem Panecillo (Javirac), „einer freiste-
henden rundlichen Kuppe, unter der die Inca's einen Stollen
(Durchgang) nach Turubamba gesucht haben." (a. a. O. pag. 37.)
Nach Wolf scheint dieser Hügel durch eine Seiteneruption
des Rucu-Pichincha gebildet. Dem blossen Auge fast körnig
erscheinend, zeigt das lichtgraue Gestein unter dem Mikroskop
in einer nur spärlichen amorphen Grundmasse sehr zahlreiche,
bis 1 Mm. im Maximum grosse Plagioklase und — weniger
zahlreich — grüne Augite. Dieser Andesit dient als Bau-
und Pflasterstein für die Stadt Quito. Die drei erwähnten
Gesteine des Rucu-Pichincha enthalten demnach Augit (keine
Hornblende), während diejenigen des Guagua Pichincha Horn-
blende (und sehr wenig Augit) enthalten.
*) Eine neue Analyse eines von Humboldt am Pichincha in 2430
Toisen geschlagenen Gesteins (mit 02,35 pCt. Kieselsäure) gab Artope
(N. Jahrb. 1874 pag. 93).
315
In Bezug auf den Feldspath - Geraengthei] der Pichincha-
Gesteine sind die beiden obigen Analysen wohl geeignet, die
frühere Ansicht zu berichtigen, zufolge welcher der Trachyt
des Pichincha Oligoklas enthalten solle (s. Kosmos Bd. IV.
pag. 471).
Bevor wir die Betrachtung der Pichincha - Gesteine ver-
lassen, wird es von Interesse sein , die Eruptionen dieses
Vulkans nach der Cronica von Wolf aufzuzählen. Historisch
beglaubigt sind nur drei Ausbrüche des Berges: 17. u. 18. Oct.
1566, 8. Sept. 1575, 27. Oct, 1660. Die Eruptionsproducte des
Pichincha bestehen wesentlich in ungeheuren Massen von vul-
kanischem Sand und Staub. — Die bisher in den Schriften
angegebene älteste Pichincha - Eruption 1534, durch deren
Staubregen der Marsch des Conquistadors Pedro de Alvarado
von den Küsten der Südsee zum Plateau von Quito gehemmt
wurde, beruht höchst wahrscheinlich auf einem Irrthum. Nach
Wolf war es der Cotopaxi , oder einer der zahlreichen an-
deren Vulkane des ecuadorischen Hochlandes, welcher jene
Asche auswarf.
Der Andesit des Tunguragua.
Der Tunguragua (4927 M. hoch nach Stübel) gehört der
östlichen ( ordillere an und liegt dem Chimborazo gerade gegen-
über. Vor Kurzem haben wir über diesen merkwürdigen Berg
neue Nachrichten erhalten durch den verdienstvollen Reisenden
Dr. Stübel (s. Zeischr. für die ges. Naturwissenschaften
Bd. XLI. 1873 pag. 476), welcher den Vulkan von Barlos
(1800 M. hoch), vom Pastazathal aus, erstieg. Nach Stübel
liegt das Eigenthümliche der Lage des Tunguragua vorzugs-
weise darin, dass er mit seinem Nordgehänge ein enges Thal
begrenzt, dessen gegenüberliegende Wand nicht zur vulkanischen
Formation gehört, sondern aus sehr altem Gestein (Glimmer-
schiefer) besteht. *) Durch dies malerische Thal, Namens Valle
*) v. Humboldt gebührt das Verdienst, zuerst das von den ecua-
dorischen Vulkanen durchbrochene Grundgebirge erkannt zu haben. „Da
in der vulkanischen Hochebene von Quito alles mit Trachyt , Trachyt-
Conglomerat und Tuffen bedeckt ist, so war es mein eifrigstes Bestreben,
irgend einen Punkt zu entdecken, an dem man deutlich erkennen könne,
auf welcher älteren Gebirgsart die mächtigen Kegel und Glockenberge
aufgesetzt sind, oder um bestimmter zu reden, welche sie durchbrochen
316
de Banos, nimmt zwischen beiden verschiedenen Bildungen der
Pastazafluss seinen Lauf. Den ebenen Boden des Pastazathals
bildet ein einziger Lavastrom , welcher seinen Ursprung un-
gefähr 700 M. über Banos am Gehänge des Tunguragua hat
und 3 bis 4 Leguas (1 ecuador. Legua = 5573 M.) thalabwärts
bis zum Fluss Verde grande reicht. Der Pastaza musste sich
auf der Grenze zwischen Lava und Glimmerschiefer ein neues Bett
suchen ; an anderen Stellen durchbrach der Fluss den festen
Lavafels. Gegen den Rio Verde hin hat der Pastaza den im
Mittel 30 — 50 M. mächtigen Lavastrom so zerstört, dass davon
nur an den Einmündungen der kleinen Nebenthäler Plateau-
reste sich erhalten haben. (Dies erinnert vollkommen an den
Strom von Bertrieh). Jener grosse Lavastrom hat am Fusse
des Tunguragua stattgefunden, während die letzte Eruption
am Ende des vorigen Jahrhunderts aus dem Gipfelkrater
erfolgte (Stübel). Die Form des Kraters ist fast kreisrund,
er hat einen Durchmesser von ungefähr 500 M. und eine
Tiefe von einigen 80 M. Nur im nördlichen Theil des
Kraterrandes bemerkt man eine — und zwar recht beschränkte —
vulkanische Thätigkeit, indem hier an vielen Punkten Wasser-
dampf-Fumarolen, mit schwefeliger Säure geschwängert, empor-
steigen.
Bei dem hohen Interesse, welches dem Vulkan Tungu-
ragua und seinen Lavaströmen, die zuerst keinen Zweifel
an ihrer wahren Natur als geflossene Laven, übrig Hessen,
innewohnt, war es mein Bestreben, auch die chemische Zu-
sammensetzung des constituirenden Feldspaths zu ermitteln.
Es schien dies um so wichtiger, da neben Plagioklas und
Augit in den Tunguragua-Laven auch Olivin zur Ausscheidung
gelangt, welches Mineral den bisher betrachteten Andesiten
entweder ganz fehlt, oder in ihnen nur in geringster Menge
vorhanden ist. Es musste die Frage beantwortet werden , ob
in den Andesiten neben reichlichem Olivin sich auch Andesin
ausscheiden könne, oder ob der constituirende Feldspath La-
brador sei.
Für fast alle in der Sammlung befindlichen Tunguragua-
haben. Einen solchen Punkt bin ich so glücklich gewesen aufzufinden,
als ich im Monat Juni 1802 von Riobaraba nuevo aus eine Ersteigung
des Tunguragua versuchte", etc., s. Kosmos IV. pag. 462.
317
Laven war eine gesonderte Analyse des Plagioklas ganz un-
möglich; nur bei einem einzigen Handstücke, durch Wolf
geschlagen „von grossen Blöcken im Bette des Rio Puela bei
Banos, vom Bache heruntergeführt (System des Tunguragua)"
gelang es , zu einer Analyse das Material (0,336 Gr.) mit
Aufwand vieler Zeit und Geduld zu sammeln.
Der Andesit von Rio Puela (Tunguragua) enthält in einer
schwarzgrauen, dichten oder feinscblackigen Grundmasse zahl-
reiche, im Mittel kaum 1 Mm. grosse Plagiokiase, kleine
dunkelgrüne Augite, sowie, spärlicher, Olivin. Der Gegenwart
des letzteren Minerals in den Tunguragua - Laven erwähnen
auch bereits die Herren Wolf und Stübel. — Der Kiesel-
säuregehalt dieses Andesits wurde bestimmt
= 61,48 pCt.
Der Plagioklas des Tunguraguagesteins ergab:
Spec. Gew. 2,627 (bei 26° C.). Glühverlust 0,15.
Kieselsäure 57,8 Ox. = 30,84
Thonerde 26,75 12,49
Kalk 9,05 2,59
Natron (Verlust) . . 6,4 1,64
100,00
Sauerstoffproportion 1,016 : 3 : 7,408.
Auch dieser Plagioklas ist demnach ein Andesin, wenn-
gleich in demselben die Mischung des Kalkfeldspaths etwas
mehr überwiegt als es bei den Andesinen des Pichincha, des
Pululagua und des Mojanda der Fall ist. Der Andesin des
Tunguragua stellt sich dar als eine Mischung von 2 Mol.
Albit und 3 Mol. Anorthit, welcher Zusammensetzung folgende
Zahlen entsprechen :
Kieselsäure 57,26. Thonerde 27,26. Kalk 8,91.
Natron 6,57.
Die Gesteine des Tunguragua sind bereits mehrfach Gegen-
stand der Untersuchung gewesen. Abich bestimmte den Kiesel-
säuregehalt eines homogenen, durch zahlreiche kleine gestreifte
Plagioklaskrystalle porphyrartigen, rothbraunen Andesits von
diesem Vulkan = 57,40 pCt.
Dass die am Tunguragua vorkommenden vulkanischen
318
Gesteine recht verschieden sind, beweisen zwei genaue und
vollständige Analysen Artope's (Neues Jahrb. f. Min. 1874
pag. 93) Während das eine, ein schwarzes Gestein, mit dem
spec. Gewicht 2,548 einen Kieselsäuregehalt von 66,06 pCt.
ergab, wurden in dem andern, von rother Farbe, spec. Gewicht
2,746, nur 55,35 pCt. gefunden. Der constituirende Plagioklas
des ersteren ist gewiss Andesin , derjenige des letzteren wohl
unzweifelhaft Labrador. Das Vorkommen doleritähnlicher An-
desite am Tunguragua steht demnach wohl ausser Zweifel.
Ein Gestein von diesem Feuerberg (zu welchem Wolf bemerkt:
„körniges Gemenge von Plagioklas und Augit, wurde öfters für
Basalt gehalten; Olivin; \ Stunde unterhalb ßanos , rechts
vom Wege, anstehend in schönen basaltartigen Säulen, deren
Köpfe zwischen Tuff und Schlacken hervorschauen. Am Wege
selbst liegen viele herabgestürzte Blöcke") ist in der That von
einem ätnäischen Dolerit kaum zu unterscheiden. Unter dem
Mikroskop löst sich dasselbe fast vollständig in ein Gemenge
kleinster Plagioklase auf, durch eine äusserst geringe amorphe
Grundmasse verbunden, und grössere gestreifte Plagioklase um-
schliessend. Ein zweites schwarzes Gestein „vom Lavastrome
des Tunguragua, über welchen der Rio Pastaza fliesst, von
der Brücke unterhalb Banos44 zeigt kleine ausgeschiedene Kry-
stalle von Plagioklas, Augit, Olivin, die Grundmasse besteht
fast ausschliesslich aus kleinsten Plagioklasen.
Die Analysen der Plagioklase aus den Andesiten des
Mojanda, des Pululagua, des Pichincha und des Tunguragua
lehren nun , dass in der That Andesin diejenige constituirende
Varietät der Kalknatronfeldspäthe ist, welche mehrere der aus-
gezeichnetsten Vulkane des ecuadorischen Hochlandes zu-
sammensetzt.
Erinnern wir uns der eigentümlich wechselnden Ansichten
über die Berechtigung des Namens Andesit und über die Exi-
stenz des Andesin-Feldspaths. L. von Buch bezeichnete (1835)
mit dem Namen ,, Andesit" diejenigen Trachyte, in denen
Albit die Stelle des Sanidins vertreten sollte. Auf G. Rose's
Untersuchungen der feldspatbäbnlichen Mineralien in den von
v. Humboldt , Meten, Pöppig und Erman mitgebrachten vul-
kanischen Gesteine glaubte v. Büch die Behauptung begründen
zu können , dass ,,kein einziger der fast zahllosen Vulkane
der Anden" aus Sanidin - Trachyt bestehe, vielmehr alle aus
319
„Albit - haltigem Andesit" aufgebaut wären. Als G. Rose
später den gestreiften Feldspath vieler Gesteine als Oligoklas
erkannte (in Bezug auf den Granit des Kiesengebirges geschah
es 1842) und das Vorkommen des Albits als Gemengtheil von
Gesteinen überhaupt in Frage stellte, schien der Audesit in
der von v. Büch gegebenen mineralischen Definition seine
Begründung zu verlieren, in dem Maasse, dass Humboldt im
Kosmos von der „nun schon veralteten Mythe des Andesits"
spricht und anführt, dass auch er ,,das Unrecht begangen
habe, sich zwei Mal dieses, viele Verwirrung anrichtenden
Namens bedient zu haben.'4 (Kosmos Bd. IV. pag. 634, 636).
Jetzt ist der v. Bucja'sche Name Andesit allgemein wieder zur
Geltung gekommen , um diejenigen Trachyte zu bezeichnen,
welche des Sanidins entbehren und statt desselben einen
Kalknatronfeldspath enthalten. — Ein ähnlicher Wechsel der
Ansichten hat auch über demAndesin gewaltet. Fünf Jahre
nachdem v. Buch die neue Gebirgsart aufgestellt, bezeichnete
Abich den Feldspath eines Gesteins von Marmato bei Po-
payan (Columbien) mit dem Namen Andesin. Abich's Analyse
ergab annähernd die Sauerstoffproportion 1:3:8 und wies dem
neuen Feldspath seine Stellung zwischen Oligoklas und La-
brador an. Dieser Bezeichnung Andesin lag indess die
irrthümliche Voraussetzung zu Grunde, dass jenes Gestein von
Marmato ein Andesit sei, während es in Wahrheit ein Diorit-
porphyr ist. Doch auch abgesehen von diesem Irrthum, wel-
cher die Wahl des Namens als nicht zutreffend erscheinen
liess , wollte es lange nicht gelingen , die von Abich ange-
gebene Mischung ausser Zweifel zu stellen. Erst durch die
schöne , leider noch in der allerjüngsten Zeit verkannte
(s. Neues Jahrb. f. Min. 1874 pag. 89) Theorie Tschermak's
gewann der Andesin ein neues Bürgerrecht, wenn auch nicht
als Mineralspecies , so doch als eine Subspecies der Kalk-
natronfeldspathe. — Die oben mitgetheilten Analysen beweisen
nun, dass in mehreren der ausgezeichnetsten Andesite des
Hochlandes von Quito Andesin — nicht Oligoklas, wie man
bisher glaubte*) — • als constituirender Gemengtheil vorhanden
*) Für das Chimborazo-Gestein wurde bereits früher durch Deville
der Kieselsäuregehalt des Plagioklas r= 58/26 bestimmt, und hierdurch die
Zugehörigkeit desselben zum Andesin bewiesen. Kosmos Bd. IV. p. ö"29.
320
ist. Der von Abich im Dioritporphyr von Popayan zuerst
nachgewiesene Plagioklas, welchen er — einer irrthümlichen
Voraussetzung zufolge — Andesin nannte, ist also in der That
dasselbe Mineral, welches die wichtigsten Andesvulkane zusam-
mensetzt, und jener Name erweist sich somit auf Grund der
oben mitgetheilten Analysen als vollkommen zutreffend.
Dass in dem ausgedehnten äquatorialen Vulkangebiet Ame-
rikas ausser dem herrschenden Andesin, dem bisher nur in
den Perliten des Antisana nachgewiesenen Oligoklas auch mehr
basische Plagioklase, namentlich Lab rado r, vorkommen, wird
durch die mineralogischen Untersuchungen in anderen Vulkan-
gebieten wahrscheinlich; wie denn auch die Gegenwart des
Labradors als constituirenden Plagioklases in der Lava des
Vulkans von Purace durch Deville (Kieselsäurebestimmung
des ausgeschiedenen Plagioklases =55,40; des Gesteins 60,80)
nachgewiesen worden ist. — Der Labrador constituirt im Hoch-
lande von Ecuador theils Auswürflinge, welche den Tuffen
inneliegen, theils Laven. Ein Beispiel des ersteren Vorkom-
mens bietet ein trachy ti s cb er Auswürfling aus den
„Tuffen von Calacali", unfern Pomasqui, 2 d. Meil.
nördlich von Quito. Die Bimsteintuffe von Calacali (4 d. Meil.
nördlich der Hauptstadt, auf der linken südwestlichen Seite
des Rio Esmeraldas gelegen), welche sich bis in die Gegend
von Pomasqui verbreiten, schliesseu faust- bis kopfgrosse Blöcke,
Bomben jenes Andesits ein, aus welchem die untersuchten
Plagioklase stammen, — ein schönes Gestein, welches in einer
feinkörnigen lichtgrauen Grundmasse weisse gestreifte Plagio-
klase (bis 6 Mm. gross), zahlreiche schwarze Hornblende-
prismen und Magneteisenkörnchen enthält. Kieselsäuregehalt
des Gesteins == 62,03 pCt.
Es wurde nur eine Analyse ausgeführt und das Natron
aus dem Verluste bestimmt. Plagioklas aus dem Andesit von
Pomasqui:
Spec. Gew. 2,644 (bei 15^° C.). Glühverlust 0,11.
Kieselsäure . . 55,86 Ox. = 29,79
Thonerde . . . 28,10 13,13
Kalk 10,95 3,13
Natron. . . . . 5,09 1,31
100,00
Sauerstoffproportion 1,014 : 3 : 6,807.
Diese Mischung entspricht einem aus 1 Mol. Albit und
2 Mol. Anortbit gebildeten Plagioklas , d. h. einem Labrador,
dessen berechnete Mischung die folgende sein würde:
Kieselsäure 55,53. Thonerde 28,49. Kalk 10,35.
Natron 5,73.
In der von Wolf mir verehrten Gesteinssammlung befindet
sich aus denselben trachytischen Tuffen von Calacali ein recht
merkwürdiges Trachytgestein mit der Etiquette ,,Einschluss
in einem Trachytblock aus den Tuffen (in einer Que-
brada- Schlucht) östlich von Pomasqui." Es ist ein Ge-
steinsstück, welches gleich den vesuvischen Auswürflingen von
1872 zwar nicht dem ersten oberflächlichen Blick, wohl aber
der genauen Betrachtung mittelst der Lupe eine sehr inter-
essante Mineralassociation darbietet. Das Gestein, von röthlich-
grauer Farbe, ist von körnig-drusiger Beschaffenheit, hierin
den Auswürflingen anderer Vulkangebiete, z. B. des Laacher
Sees verwandt. Das Pomasqui-Gestein ist feinkörnig, sodass
die einzelnen krystallinischen Theile nur etwa 1 Mm. Grösse
erreichen , und besteht aus Plagioklas, Sanidin, röthlichbraunen,
nicht glänzenden kleinen Prismen von Hornblende, Eisenglanz
und Tridymit. Letzteres Mineral ist, zwar vorzugsweise deut-
lich ausgebildet in den kleinen Drusenräumen, doch auch in
der Grundmasse vorhanden, von schneeweisser Farbe und zier-
lichster Bildung in einfachen, Zwillings- und Drillingstafeln,
überaus häufig, so dass es einen wesentlichen Theil der Masse
constituirt. Die Bestimmung der röthlichbraunen Prismen ist
schwierig, da eine scharf begrenzte äussere Form nicht vor-
handen , vielmehr durch Rundung undeutlich. Deutlich kann
man schon mit der Lupe wahrnehmen, dass die röthlichbraune
Färbung nur der in unzählige feinste Fasern sich auflösenden,
mit Magneteisen - Punkten innig gemengten Hülle der Horn-
blendekrystalle angehört, während das Innere dunkel und glän-
zend im Bruch erscheint. Unter dem Mikroskop erkennt und
unterscheidet man leicht den Sanidin und den Plagioklas, wäh-
rend der Tridymit und die Hornblende unser besonderes Interesse
auf sich ziehen. Nachdem ich das mikroskopische Verhalten
des Tridymits an losgelösten Täfelchen beobachtet, fand ich
ihn leicht allenthalben in der Grundmasse auf. Der Tridymit
stellt sich unter dem Mikroskop bei 450facher Vergrösserung
322
als ei» feinmaschiges Netz dar, dessen einzelne Maschen ge-
rundet, ziemlich unregelmässig, nur zuweilen einen hexagonalen
Umriss erkennen lassen. Die einzelnen kleinsten Täfelchen,
welche als Maschen des Netzes erscheinen , sind zuweilen
gleich Schuppen übereinander gelegt. So bestätigt sich hier
in überraschender Weise die mikroskopische Charakteristik des
Tridymits, welche wir Zirkel verdanken (F. Zirkel, die mi-
krosk. Beschaffenh. d. Min. u. Gest. pag. 111). Einen recht
eigentümlichen Anblick gewähren unter dem Mikroskop die
Hornblendekrystalle. Sie besitzen nur einen kleinen, durch-
scheinenden, braunen Kern, welcher beim Drehen des Nicols
eiuen lebhaften Farbenwechsel zeigt, während die äussere
Hülle, an Masse den Kern mehrfach übertreffend, schwarz und
undurchsichtig ist und sich als ein Aggregat kleinster Magnet-
eisenkörnchen (vielleicht mit Eisenglanz gemengt) darstellt.
Diese Verunreinigung der Hornblendekrystalle mit Magnet-
eisenpunkten ist nach Herrn Prof. Zirkel, welcher die Güte
hatte, das in Rede stehende Präparat zu prüfen, zwar eine
gewöhnliche Erscheinung in den Trachyten , doch in dem
Maasse, wie es hier in dem Tridymit - führenden Einschluss
vorliegt, wohl noch nicht beobachtet.
Nicht auf diesen Block aus den Calacalituffen ist der
Tridymit beschränkt (wenngleich das Mineral hier in grösster
Menge vorkommt), vielmehr fand Wolf ihn (1872) gleichfalls
in einem Trachytblock im Thal von Tumbaco auf (24 d. Meil.
ONO von Quito). Auch enthält ein rother Andesit vom Chimbo-
razo in Poren sehr kleine weisse aus Täfelchen bestehende Zu-
sammenhäufungen, welche — bereits durch Wolf vermutungs-
weise als Tridymit bestimmt — durchaus an die Erscheinungs-
weise dieses Alinerais in vesuvischen Auswürflingen vom
Jahre 1822 (Pogg. Ann. Bd. 147 pag. 280) erinnern.
An den Plagioklas von Pomasqui reiht sich in Bezug auf
seine Zusammensetzung sehr nahe an derjenige aus einer
„andesitischen Lava von einem grossen Lavastrom zwischen
Riobamba und dem Tunguragua, linke Seite des Rio Chamba,
von Langlangchi; Strom säulenförmig zerklüftet, die Säulen
in dünne Platten abgesondert44. Ueber das Vorkommen giebt
Wolf in einem Briefe folgende nähere Nachricht. „Wo der
Weg von Riobamba nach dem Tunguragua sich in dem vulka-
nischen Tuffe stark abwärts nach dem Rio Chambo ueigt,
323
steht plötzlich links eine hohe senkrechte Lavawand an, das
Ende eines Stromes, der sich als langgezogener, mit Tuff be-
deckter Rücken weit gegen Westen auf das Plateau von Rio-
bamba hinauf verfolgen lässt. Die Ausbruchsstelle ist mit
Tuff bedeckt, aber der Strom scheint von keinem der hohen
Berge der Gegend herzukommen, sondern in der Ebene aus-
gebrochen zu sein. Der gewaltige Strom hat in der Mitte die
Höhe von wenigstens 30. M. und eine sehr bedeutende Breite
(fast - Stunde); er ist unten in 2 bis 3 M. dicke Pfeiler ab-
gesondert, die sich nach oben in dünnere Pfeiler spalten. Die
Oberfläche des Stroms ist ganz unregelmässig in kleine Stücke
zerklüftet. Er zeigt mit einem Worte die Absonderung der
Niedermendiger Mühlsteinlava. Unten und noch in der Mitte
hat der Andesit porphyrartige Textur, nach oben wird er
immer dichter und damit dunkler (mit sehr kleinen Feldspathen),
bis er zuletzt an der Oberfläche in poröse schlackige Lava
übergeht. Der ganze Höhenzug auf der linken Seite des Rio
Chambo, von dem grossen Lavastrom an bis eine Stunde weiter
unten, heisst Langlangchi , die Felswand selbst nannten die
Indianer Pungaltuz."
Die Lava enthält in einer schwärzlichgrauen Grundmasse
sehr zahlreiche wasserhelle, tafelförmige Plagioklase, welche
mit der Fläche des Brachypinakoids M annähernd parallel
liegen. Die Gesteinsmasse schliesst nicht unmittelbar fest an
diese Plagioklase an, sie lässt vielmehr einen feinen Zwischen-
raum, welcher mit fasriger, fast bimsteinähnlicher Masse erfüllt
ist. So liegen auch die Sanidine in der trachytischen Lava
des Arsostroms , Ischia. — Ausserdem ist bräunlichschwarze
Hornblende (fest von der Grundmasse umschlossen) vorhanden
und fein zertheiltes Magneteisen; weder Augit noch Olivin.
Unter dem Mikroskop löst sich die Grundmasse in ein äusserst
feinkörniges Gemenge von Plagioklas neben nur wenig amor-
pher Grundmasse auf.
324
Plagioklas aus der Andesitlava von Langlangchi:
Spec. Gew. 2,604. Kein Glühverlust.
I.
II.
Mittel
Kieselsäure .
. 55,64
55,64
Ox. = 29,67
Thonerde . .
. 2&,23
^28,15
28,19
13,16
Eisenoxydul .
. 0,82
0,92
0,87
0,19
Kalk
. 10,07
9,52
9,79
2,80
Magnesia. . .
. 0,19
nicht best.
0,19
0,07
Kali
0,63
0,63
0,11
5,48
5,48
1,41
100,79
Wenn wir vom Eisen absehen, welches von eingernengtem
Magneteisen (vielleicht nebst etwas Eisenglanz) herrührend
der Constitution des Plagioklas nicht angehört, so ergiebt
sich die
Sauerstoffproportion 1,00 : 3 : 6,76.
Es stimmt die gefundene Zusammensetzung sehr nahe
überein mit einer isomorphen Mischung von 1 Mol. Albit -f-
2 Mol. Anorthit. Der Plagioklas von Langlangchi ist dem-
nach ein Labrador, fast genau von der Zusammensetzung des-
jenigen von Pomasqui. Die beiden letzteren Analysen liefern
den Beweis , dass auch Labrador in den ecuadorischen Ande-
siten als constituirender Gemengtheil auftrete. Es bestätigt
sich demnach für diese Gesteine die von Prof. J. Roth ge-
äusserte Ansicht (s. Beiträge z. Petrogr. der pluton. Gesteine,
Sep.-Abdr. pag. 192), „dass eine stetig fortlaufende Reihe
(zwischen Andesit und Dolerit) vorhanden ist." Die Verbrei-
tung des Labradors in den Andesiten und in den Daciten
oder Quarz- Andesiten ist vorzugsweise durch Dr. Dölter in
seinen mühevollen und wichtigen Arbeiten über die quarzfüh-
renden Andesite in Siebenbürgen und Ungarn (Miner. Mittheil.,
ges. von Tschermak, 1873 2. Heft) und über die Trachyte des
Siebenbürgischen Erzgebirges (ibid. 1874 1. Heft) nachgewiesen
worden.
Die Frage liegt nahe, weshalb wir die dunkle Labrador-
führende Lava von Langlangchi nicht gleich den Aetnalaven
zu den doleritischen Gesteinen rechnen? Indess durch die
325
zahlreichen Hornblendekrystalle, sowie das Fehlen von Augit
und Olivin , welche neben Labrador die Aetnalaven charak-
terisiren, unterscheidet sich die ecuadorische Lava sehr we-
sentlich von der ätnäisehen.
Der Andesit von Toluca in Mexico.
Das Vulkangebirge von Toluca mit seinem Kratersee und
seinen beiden in die Schneeregion aufragenden Gipfeln — der
Pico del Fraile erreicht nach v. Humboldt 4620 M. , nach
Burkart 15,262 engl. Fuss — liegt in der Mitte jenes durch von
Humboldt's Arbeiten so berühmten „Parallel's der mexika-
nischen Vulkane'4, etwa 10 d. M. SO. von der Hauptstadt. (Ueber
den Nevado de Toluca, vergl. Jos. Bürkart, „ Aufenthalt und
Reisen in Mexico in den Jahren 1825 — 1834" Bd. I.; sowie
Pieschel, „Ueber die Vulkane von Mexico44 in Zeitschr für
allgem. Erdkunde Bd. VI. pag. 80 — 91 ; v. Humboldt, Kosmos
Bd. IV. pag. 313, 470.) Das Gestein, welches mir zur Unter-
suchung diente, stammt nicht vom hohen Vulkankegel selbst,
sondern aus dem Thale von Toluca, woselbst es von dem ver-
ewigten, verdienstvollen Geh. Bergrath Dr. Burkart 2 Stund,
östl. von Istlahuaca , am Wege nach Mexico geschlagen wurde
(s. Burkart a. a. O. pag. 179). — Das Gestein ist ein An-
desit von ungewöhnlicher Schönheit. In der lichtgrauen dichten
Grundmasse heben sich die schneeweissen, bis 5 Mm. grossen
Plagioklase vortrefflich ab; sie tragen eine deutliche Streifung;
ausserdem schwarzer Biotit und bräunlichschwarze Hornblende;
einzelne gelbe Olivinkörner und ganz vereinzelte rundliche
Quarzkörner. Schon G. Rose erkannte, dass der Feldspath
des Toluca - Gesteins gestreifte Spaltungsflächen darbietet und
stellte dasselbe zu seiner dritten Abtheilung der Trachyte,
„welche viele kleine Oligoklas-Krystalle mit schwarzer Horn-
blende und braunem Magnesiaglimmer enthalten44.
Kieselsäuregehalt des Gesteins
= 66,85 pCt.
Zeits.d. D.geol. Ges. XXVII. 2.
22
326
PJagioklas aus dem Andesit von Toluca:
Spec. Gew. 2,615 (19 0 C). Glühverlust 0,06.
I.
II.
Mittel
Kieselsäure .
. 59,79
59,79
Ox. - 31,888
Thonerde . .
. 25,54
25,33
25,43
11,406
Kalk
. 7.37
7,46
7,41
2,117
Kali
0,64
0,64
0,109
Natron .
7,24
7,24
1,869
100,51
Sauerstoffproportion 1,077 : 3 : 8,387.
Dieser Plagioklas ist demnach als ein Andesin zu be-
trachten, dessen Mischung sehr nahe durch eine Verbindung
von 1 Mol. Albit mit 1 Mol. Anorthit dargestellt wird. Siehe
oben Plagioklas von Mojanda.
Der Obsidian-ähnliche Andesit von Conejos
am Rio grande del Norte, Colorado.
Wo der Rio grande den 37. Grad nördlicher Breite, d. h.
die Grenze zwischen den Territorien Colorado*) und New
Mexico überschreitet , dehnt sich ein Gebiet vulkanischer Ge-
steine aus, von denen ich mehrere Proben durch die Gefällig-
keit des Herrn G. Jung jun. aus Köln erhielt. — Der Rio
grande, etwa unter 37° 40' nördl. Breite und 106° 35' westl.
Länge von Greenwich entspringend, fliesst zunächst ca. 15 d.
Meil. gegen Südost, wendet sich dann, nachdem er in eine
weite Thallandschaft, den San Luis Park, eingetreten, gegen
Süd bis zur Grenze der Republik Mexico, um dann in länder-
scheidendem Laufe gegen Südost den mexikanischen Golf zu
erreichen. Etwas unterhalb jener Stromwendung, noch im
Gebiete des San Luis Park nimmt der Strom drei von Osten
kommende Nebenflüsse auf, den Rio Trenchera, Culebra und
Costilla. Vor ihrer Vereinigung mit dem Rio grande treten
diese drei Flüsse in das Gebiet der vulkanischen Bildungen
ein, ein Territorium, welches vorzugsweise aus Trachyt in
meist vertical stehenden , mehrere Fuss bis wenige Zoll im
Durchmesser haltenden Säulen besteht. In diesem eigenthüm-
lichen Gebiete versinken die genannten Flüsse, so dass nur
*) Anmerkung bei der Correctur: „jetzt ein Staat".
327
ihre Canons — Felsenschluchten — , welche mit Ausnahme
einiger Tage im Frühjahr wasserleer sind, zu dem mehrere
hundert Fuss in die Ebene eingeschnittenen Thale des Rio
grande ziehen. Das Gestein dieser säulenförmigen Trachyt-
bilduug ist Andesit. Aehnliche vulkanische Gesteine finden
sich zwischen der Stadt la Costilla, welche den neuesten Mes-
sungen zufolge genau auf der Grenze zwischen Colorado und
New -Mexico liegt, und Elizabethtown , einem Städtchen, in
dessen Nähe reiche, von einer englischen Gesellschaft betrie-
bene Goldwäschen sich befinden. An dem bezeichneten Punkte
bildet der Andesit einen 300 bis 400 Fuss hohen , in senk-
rechte Säulen abgesonderten Kegel , den Comanche Rock , an
dessen Fuss sich zwei Bäche vereinigen und den Rio Costilla
bilden. Einige Meilen weiter in der Richtung auf Elizabeth-
town erscheint der Andesit in äusserst zierlichen, nur 2 bis
10 Cm. dicken Säulen. — Der obsidianähnliche Andesit, dessen
ausgeschiedene Plagioklaskrystalle eine gesonderte Analyse
gestatteten, steht an auf der rechten Seite des Rio del Norte,
4 engl. Meilen von der Mündung des Rio Culebra entfernt,
unfern des Städtchen Sant' Antonio. Dies Gestein zeigt in
schwarzer, obsidianartiger Grundmasse zahlreiche weisse, deut-
lich gestreifte Oligoklase, 2 bis 3, selten bis 10 Mm. gross.
Ausserdem sind wenig zahlreiche, 2 bis 3 Mm. grosse bräunlich-
schwarze Biotitblättchen wahrnehmbar. — Unter dem Mikro-
skop zeigt die Grundmasse dieses Gesteins in ausgezeichneter
Weise jene Bewegungs - Erscheinungen , welche zuerst von
E. Weiss an einem Perlstein von Ungarn erkannt und dar-
gestellt (s. Beiträge zur Kenntniss der Feldspathbildung. Ge-
krönte Preisschr. Harlem 1866. pag. 142. 143, Taf. I. f. 15.),
dann selbstständig von dem früh vollendeten Prof. H. Vogelsang
aufgefunden und unter dem Namen Fluidalstructur ausführlich
beschrieben wurde (s. Philosophie d. Geol. u. mikrosk. Ge-
steinsstudien, 1867 pag. 138 Taf. I — IV.). Die bräunliche
amorphe Grundmasse, welche durch kleinste Mikrolithe und
Magneteisenpunkte eine fluthende und strömende Bewegung
andeutet, umschliesst ausser Plagioklasen mit deutlichster
Zwillingsbildung Biotit, Augit und Hornblende. Die Associa-
tion dieser beiden letzteren Mineralien (hier mit vorwiegendem
Augit) reiht sich demnach den oben mitgetheilten Beobach-
tungen über ecuadorische Andesite an.
22*
328
Kieselsäuregehalt des Gesteins
= 63,73 pCt.
Plagioklas aus dem obsidianähnlichen Andesit von Conejos:
Spec. Gew. 2,631. Glühverlust 0,16.
I.
II.
Mittel
Kieselsäure .
. 61,88
61,88
Ox. = 33,003
Thonerde . .
. 23,96
24,41
24,18
11,290
Kalk
4,62
4,79
1,369
Kali
2,50
2,50
0,424
Natron . . .
6,95
6,95
1,794
100,30
Sauerstoffproportion 0,958 : 3 : 8,77.
Dieser Plagioklas ist demnach ein Oligoklas , welcher
allerdings sich etwas dem Andesin (1 Mol. Albit -j- 1 Mol.
Anorthit = 1:3:8) nähert. Wir erhalten eine der gefundenen
ähnliche Mischung durch eine isomorphe Verbindung von 3 Mol.
Albit + 2 Mol. Anorthit =.
Kieselsäure 61,915. Thonerde 24,12. Kalk 5,25.
' Natron 8,725.
Wie Vieles wird die Kenntniss der vulkanischen Gesteine
gewinnen, wenn die Trachyte New Mexico's, Nevada's, Cali-
fornien's und Oregon's einer eingehenden mineralogischen und
chemischen Untersuchung dereinst unterworfen werden, für
welche die wichtigen Arbeiten v. Richthofen's (s. diese Zeit-
schrift Bd. XX. pag. 663 — 726) den Grund gelegt haben.
Anmerkung. Wenig bekannt dürfte es sein , dass der
granitische Pike's Peak in Colorado (14216 F.), einer der
höchsten und am Weitesten gegen Ost vorgeschobenen Gipfel
des Felsengebirges , reich ist an schönen Mineralien. Herr
G. Jung, welchem ich auch die obigen Mittheilungen verdanke,
hatte die Güte, mir grosse Orthoklaszwillinge nach dem Carls-
bader Gesetze von fleischrother Farbe zu zeigen, sowie schöne
Krystalle von grünem Feldspath, sogen. Amazoneustein (einen
ca. 4 Cm. grossen Krystall mit den Flächen T = ocP , z —
(ocP3), M = (ooPoo), P = oP , y = 2Poo). Noch über-
raschender war mir das Vorkommen von grossen Epidot-
krystallen, welche denjenigen von Arendal sehr ähnlich sind.
329
Diesen zehn Plagioklasen aus amerikanischen Trachyten
reihen wir zwei andere an : aus dem Trachyt der Perlenhardt
im Siebengebirge und aus einer hauynführenden Lava von
Palma (Canarische Inseln).
Trachyt der Perlenhardt.
Nachdem für eine Reihe von Trachyten aus fernen Län-
dern die chemische Natur des constituirenden Plagioklases
ermittelt war, schien es geboten, die gleiche Aufgabe, wenig-
stens für eine der ausgezeichnetsten Varietäten der Sieben-
gebirgsgesteine zu lösen, damit nicht das Ferne genauer be-
kannt sei als das Heimische. Bisher war durch gesonderte
Analyse noch für keinen Plagioklas, welcher als wesentlicher
Gemengtheil eine Trachytvarietät des Siebengebirges bildet, die
chemische Mischung erforscht worden. Die Annahme eines
sogen. ,,Kali- Albits vom Drachenfels4' durch Abich*) beruht
nämlich nicht auf, der Analyse ausgesuchter Krystallkörner,
sondern der mit Chlorwasserstoffsäure zuvor behandelten
Grundmasse. Besondere Schwierigkeiten bieten sich allerdings
bei dem Versuche, die Plagioklaskörner unserer Trachyte
mechanisch zu sondern. Für die Andesite von der Wolken-
burg und dem Stenzelberg erscheint wegen ihrer Feinkörnig-
keit die Aufgabe fast unmöglich. Günstiger liegt die Sache
bei dem so ausgezeichnet porphyrartigen „Sanidin - Oligoklas-
oder Drachenfelser Trachyt", welcher ausser dem berühmten,
burggekrönten Fels am Rhein den Gebirgskamm vom Schallen-
berge bis zum Lohrberge und namentlich den östlichsten
Vorhügel des Gebirges, die Perlenhardt, bildet. Die lichte
Grundmasse des Trachyts vom Drachenfels, von welcher sich
die weissen Plagioklaskörner nur wenig abheben, macht auch
für diese Gesteinsvarietät die Aussonderung schwierig. Leichter
ist es bei der Varietät der Perlenhardt , aus deren grauer
Grundmasse die Plagioklase deutlich hervortreten. Durch
ausserordentliche Grösse der Sanidine (bis 6 Cm.) ist zudem
dies Gestein das ausgezeichnetste unter den Trachyten unseres
Gebirges. Die Plagioklaskörner erreichen zuweilen eine Grösse
von 5 Mm. und lassen nicht selten eine deutliche Streifung
*) Abich, „Ueber die Natur und den Zusammenhang der vulkanischen
Bildungen", Tabelle zu pag. 7. (Braunschweig 1841.)
330
erkennen. Neben Biotit und Hornblende ist schwärzlich-
grüner Augit vorhanden und im mikroskopischen Schliff auf
das deutlichste zu erkennen. Die Hornblende von brauner
Farbe ist mit einem Saume von Magneteisenpunkten umgeben,
welche den lichtgrünen Augitdurchschnitten fehlt. Viel Titanit.
In sehr zahlreichen Drusen und kleinsten Hohlräumen : Quarz*)
Tridymit, Magneteisen, Eisenglanz; dazu auch kleine, frei aus-
gebildete, leider mattflächige Plagioklase.
Tridymit und Quarz finden sich in Drusen dieses Trachyts
stets gemeinsam, als eine scheinbar gleichzeitige Bildung. Das
Gestein ist reich an Einschlüssen feinkörniger Trachytvarie-
täten, und um diese Einschlüsse sind namentlich die eben ge-
nannten Mineralien in sehr kleinen Krystallen ausgebildet.
Der Kieselsäuregehalt des Gesteins beträgt
= 64,56 pCt.
Es konnten zu der folgenden Analyse nur 0,3345 gr.
angewendet werden.
*) Die zierlichen Quarze in den Hohlräumen des Trachyts der
Perlenhardt haben gewöhnlich eine recht symmetrische Ausbildung . ihr
Typus ist dihexaedrisch, mit niedrigem Prisma (xR), Die Kanten zwi-
schen Dihexaeder und Prisma sind fast stets durch glänzende Flächen
abgestumpft. Die Neigung dieser ein vollflächiges Dihexaeder bildenden
Abstumpfungsflächen zu den Flächen R resp. — R beträgt 169-]°; woraus
das Zeichen *R, — | R. Es sind dies zwei von Des Cloizeaüx aufge-
fundene Formen, und zwar ^R = e8 an zwei Krystallen von Traver-
sella, einem aus Brasilien und einem von Ala; — §R = ef, an vielen
Krystallen von Traversella und aus dem Wallis. — Die Ausbildung die-
ser Krystalle aus dem Trachyt der Perlenhardt ist sehr ähnlich derjenigen
der kleinen Quarze in Schmelzdrusen einiger Laven des Laacher Gebiets,
welche von Dr. Joh. Lehmann aus Königsberg aufgefunden, bestimmt und
in seiner wichtigen Schrift „Ueber die Einwirkungen eines feurigflüssigcu
basaltischen Magma's auf Gesteins- und Mineraleinschlüsse" (s. Verhandl. d.
naturh. Vereins d. preuss Rheinl. u. Westf., 31. Jahrg. p. 1 — 40) beschrieben
worden. Auch jene kleinen Laven-Quarze bieten das spitze durch dieRhom-
boeder rb£R gebildete Dihexaeder dar. Sehr treffend sagt Joh. Lehmann
über ihre Bildung: „An eine Infiltration kieselsäurehaltiger Wasser in
diese Drusenräume ist hier nicht zu denken, da die Quarze in engster
Verbindung mit grünen Augitnädelchen vorkommen, zum Theil von ihnen
überlagert werden und in diesen Drusenräumen sich überhaupt keine
Spur der gewöhnlichen Infiltrationsproducte findet." Auf die Analogie
der Laacher Laven-Quarze mit denjenigen aus dem Trachyt der Perlen-
hardt weist bereits Herr Jon. Lehmann hin.
331
Plagioklas aus dem Trachyt der Perlenhardt:
Spec. Gew. 2,576. Glühverlust 0,44.
Kieselsäure .... 62,18 Ox. - 33,16
Thonerde 23,52 10,98
Kalk 5,33 1,52
Natron .... . . (8,97)»*) 2,31
100,00
Sauerstoffproportion 1,048 : 3 : 9,065.
Dieser Feldspath ist demnach ein Oligoklas von nahe
gleicher Mischung wie derjenige aus dem obsidianähnlichen
Trachyt von Conejos (s. oben pag. 328). Der Trachyt der
Perlenhardt und so ohne Zweifel auch das durchaus ähnliche
Gestein des Drachenfels sind demnach in der That „Sanidin-
Oligoklas-Trachyte".
Hauynf ü hr end e Lava von der Insel Palma.
Unter den Gesteinsproben der Canarischen Inseln, welche
das naturhistorische Museum unserer Universität dem Herrn
Dr. Reiss verdankt, befindet sich ein sehr interessantes Ge-
stein von der Insel Palma, welches theils durch seinen Gehalt
an tiefblauem Hauyn , theils durch deutlich auskrystallisirten
Plagioklas ein ungewöhnliches Interesse beansprucht. Dr. Reiss
erwähnt in seiner verdienstvollen Beschreibung der Insel („Die
Diabas- und Lavenformation der Insel Palma44, 1861) pag. 32
das in Rede stehende Gestein mit folgenden Worten: „In
einer schwarzen , glasigen , von vielen kleinen Poren durch-
zogenen Grundmasse liegt eine grosse Menge tafelförmiger
Krystalle eines gestreiften Feldspath's (Labradorit oder Oligo-
klas?); viel Hauyn in kleinen Körnern und Hornblende finden
sich eingesprengt, selten Titanit. Die Grundmasse dieses
Gesteins gleicht vielen Tenerife- Laven; — sollte es vielleicht
eine Oligoklaslava sein, die ja Deville auf Tenerife nachge-
wiesen hat?" Dies Gestein findet sich in losen Blocken in
grosser Menge auf den basaltischen Strömen, welche von der
Cumbre vieja, dem bis 6500 Fuss emporsteigenden , den süd-
lichen Theil der Insel durchziehenden Gebirgsrücken herab-
') Aus dem Verluste,
332
stürzen. Das Gestein dieser Lavaströme enthält nach Dr.
Reiss in poröser etwas glasiger Grundmasse: Olivin, Horn-
blende und Magneteisen. Ueber die hauynführenden Laven
von Palma s. ferner v. Fritsch und Reiss, Geolog. Beschreib,
von Tenerife pag. 367 — 370. Die Plagioklaskrystalle mit
deutlich gestreiften Spaltungsflächen erreichen eine Grösse bis
3 Mm. Die Hauynkörner, bis £ Mm. gross, zeigen einzelne
lebhaft glänzende Krystallflächen (oo 0). Besonders gerne
scheiden sie sich innerhalb oder in Berührung der Plagioklase aus.
Unter dem Mikroskop stellt sich die Grundmasse der Lava we-
sentlich aus Plagioklas-Mikrolithen gebildet dar, welche schöne
Fluidalstructur zeigen. Darin liegen grosse zwillingsgestreifte
Plagioklase und prachtvoll lichtblaue Hauyne, Hornblende und
Magneteisen. Die Hauyne verhalten sich im polarisirten Lichte
ganz wie amorphe Körper; keine Spur von Strichsystemen (wie
sie von Rosenbüsch als charakteristisches Kennzeichen der
Noseane nachgewiesen wurden ; s. Dessen vortreffliche „Mi-
kroskop. Physiographie'4 pag. 177) ist sichtbar. Die Hauyne
sind im Gegensatz zu den anderen Gemengtheilen dieser Lava
sehr rein von mikrolithischen Einschlüssen; sie selbst aber
finden sich als kleinste, und dann beinahe farblose Kryställ-
chen in den anderen Gemengtheilen, so in der Hornblende.
Der Kieselsäuregehalt des Gesteins — 54,11 pCt. deutet
schon an, dass der constituirende Feldspath nicht den kiesel-
säurereichen Varietäten angehören kann. Den Schwefelsäure-
gehalt der Hauynlava fand ich = 0,46 pCt. Da die Menge
der Schwefelsäure im Hauyn etwa 12 pCt. beträgt, so ergiebt
sich aus dem gefundenen Schwefelsäuregehalt der Lava, dass
dieselbe etwa 3,8 pCt. Hauyn enthält.
Plagioklas der
hauynführenden Lava von
Palma:
Spec. Gew.
2,694.
Kein Gl
ühverlust.
I.
IL
Mittel
Kieselsäure. . .
55,64
55,64
Ox. = 29,67
Thonerde . . . .
29,10
28,69
28,89
13,49
Kalk
10,73
11,12
10,92
3,12
Kali
0,71
0,71
0,12
5,09
5,09
1,31
101,25
Sauerstoffproportion 1,012 : 3 : 6,598.
333
Dieser Plagioklas ist demnach, gleich demjenigen des
Trachyts von Pomasqm und der Lava von Langlanchi, La-
brador und kann als eine isomorphe Mischung von 1 Mol.
Albit mit 2 Mol. Anorthit betrachtet werden. — Die in der
Lava von Palma vorliegende Association von Labrador mit
Hauyn verdient wohl eine besondere Hervorhebung. Eines
der ausgezeichnetsten Hauyngesteine erscheint unter den Aus-
würflingen des Laacher Sees, ein Aggregat von Hauyn und
Sanidin. Nosean, ein dem Hauyn nahestehendes und iso-
morphes Mineral charakterisirt eine andere sehr gewöhnliche
Art von Laacher Sanidin-Auswürflingen , sowie Sanidin - füh-
rende Gesteine des Laacher Gebiets. In gleicher Weise ist
Sodalith (ebenfalls dem Hauyn verwandt und isomorph) be-
zeichnend für mehrere Sanidin - Trachyte des phlegräischen
Gebiets. Nach diesen älteren Erfahrungen hätte man ver-
muthen können, dass die Hauyn-Mineralien sich nur mit ortho-
klastischem Feldspath vergesellschaften. Da wies Dr. Reiss
in jener Palraa -Lava zuerst auf die Association von Hauyn
mit einem Plagioklas hin. Aehnliche Gesteine wurden in
grösserer Verbreitung durch die Herren v. Fritsch und Reiss
auch auf Teneriffa aufgefunden und beschrieben (in ihrem treff-
lichen Werke über diese Insel pag. 367 — 370). Es sind die
hauynreichen Phonolithe des Guajara-Gebirgsstocks. Dieselben
oder ähnliche Gesteine kommen auch in den Canadas - Bergen
vor „besonders beim Espigon, auch in den Gängen beim Tiro
del Guanche und unter den von der Maja aus in das Taoro-
Thal ergossenen Lavaströmen.44 Trikliner Feldspath , Hauyn,
Hornblende, brauner Glimmer, Magnetit und — accessorisch
— Titanit wurden durch die genannten Forscher als Gemeng-
theile dieser Gesteine erkannt. — Auch aus dem rheinischen
Vulkangebiet (im Sengelberg beim Dorf Salz, 1 d. M. südsüdwestl.
Westerburg in Nassau) wurde vor Kurzem ein wesentlich aus
triklinem Feldspath und Nosean nebst Nephelin, Hornblende,
Magneteisen etc. bestehendes Gestein durch Dr. G. A. Bertels
genau untersucht und „auf Wunsch des Hrn. Prof. Sandberger"
mit dem Namen Isenit belegt. Es gelang Herrn Bertels, den
constituirenden Plagioklas dieses Gesteins mechanisch zu tren-
nen. Die Analyse ergab die Labradormischung (vergl. Würz-
burger physik.-medic. Ges. N. F. VIII. Bd.). Noch sei er-
wähnt, dass Prof. Rosenbusch in Augit-Andesiten von Grad-
334
Jakan und von Widodarin auf Java, welche Herr E. Stöhr
sammelte, Nosean oder ein anderes Mineral der Hauyn-Gruppe
neben Sanidin und Plagioklas nachwies. Indess schien es
Herrn Rosenbusch, dass in den untersuchten javanischen Ge-
steinen das reguläre Mineral der Hauyn-Gruppe wesentlich an
das massenhafte Auftreten des Sanidins gebunden sei und
sofort da verschwindet, wo die plagioklastischen Feldspathe
entschieden vorherrschen (s. Rosenbusch, üb. einige vulc. Gest.
von Java, Sep.-Abdr. aus d. Ber. d. naturforsch. Gesellscb. zu
Freiburg i. B. 1871).
Die folgende Tabelle enthält eine Zusammenstellung der
analysirten Kalknatronfeldspathe, geordnet nach abnehmendem
Gehalt an Kieselsäure, zunehmendem Gehalt an Thonerde und
Kalk. Den betreffenden Analysen ist stets das Verhältniss
der Molecüle von Albit und Anorthit beigefügt, welche in ihrer
Verbindung eine dem untersuchten Plagioklase ähnliche Mi-
schung ergeben. Diese berechnete Mischung ist, durch kleine
Zahlen bezeichnet, zur Vergleichung mit den gefundenen Wer-
then der Analyse hinzugefügt.
(Siehe die Tabelle umstehend.)
Erwägt man , dass die analysirten Plagioklase nicht etwa
frei in Drusen auskrystallisirt, sondern aus der Grundmasse
ausgeschieden sind, demnach eine vollkommen normale Mi-
schung nicht zeigen können, erwägt man ferner, dass zuweilen
nur kleine Quantitäten des sorgsam ausgesuchten Materials zur
Verfügung standen, so darf gewiss die Uebereinstimmung der
berechneten und der gefundenen Mischung als eine befriedi-
gende bezeichnet werden. Es ist wohl nicht überflüssig, dies
hier besonders (unter Hinweis auf Poggend. Ann. Bd. 144
pag. 259) hervorzuheben , da vor Kurzem durch Herrn Des
Cloizeaux auf Grund seiner optischen Untersuchungen der
schönen Feldspath - Theorie Tschermak's, welche einen der
wichtigsten Fortschritte der Wissenschaft in der neueren Zeit
bezeichnet, in der bestimmtesten Weise widersprochen wurde.
Nach Des Cloizeaux sollen die optischen Untersuchungen den
Beweis erbringen, dass der Labrador keine Mischung von
Albit und Anorthit sein könne, dass ebensowenig für den Oli-
goklas jene Erklärung zulässig sei, dass wahrscheinlich der
335
Andesin nur ein zersetzter Oligoklas sei „comme Tont suppose
quelques geologues , et notamment M. Ch. Saint-Claire De-
ville". Herr Des Cloizeaux neigt im Gegensatz zu der
Tschermak' sehen Theorie zu der Ansicht mehrerer franzö-
sischer organischer Chemiker, dass die triklinen Feldspathe in
folgender Weise sich aus einander ableiten : Anorthit -J- 1 Si02
= Labrador. Labrador -|~ 1 Si02 = Andesin. Andesin
-j- 1 Si02 ~ Oligoklas (für welchen, dieser Ansicht zufolge,
die Sauerstoffproportion 1 : 3 : 10 anzunehmen wäre). Oligo-
klas -f- 1 Si02 = Albit. ,,Chimiquement les deux explica-
tions peuvent rendre compte des faits; naturellement je penche-
rais plutöt pour celle des chimistes organiques, qui semble mieux
appropriee ä la fixete des caracteres crystallographiques et op-
tiques de chaque espece." (Briefl. Mitth.) — In vollkommener
Werthschätzung der durch Des Cloizeaux jetzt gegebenen opti-
schen Feldspath-Untersuchungen glaube ich doch, dass sie das
Fundament der Tschermak' sehen Theorie nicht erschüttern kön-
nen. In dem Vierteljahrhundert, welches verstrichen, seit Deville
die Andesine von Marmato untersuchte und dieselben für mehr
oder minder veränderte Oligoklase erklärte, sind, namentlich
in Deutschland, sehr viele Plagioklase mit Andesin -Mischung
untersucht worden , welche nicht als bloss veränderte Oli-
goklase angesehen werden können. Eine langsam gereifte
Frucht dieser Arbeiten ist die Kenntniss der Thatsache, dass
in den Kalknatron -Feldspathen mit dem steigenden Gehalt an
Kieselsäure auch das Natron steigt , während die Kalkerde
sinkt, dass mit sinkender Kieselsäure die Kalkerde zunimmt,
das Natron sich hingegen vermindert; es ergab sich ferner,
dass die Sauerstoffproportion (CaO -j~ Na(>0):Al2 03 stets
= 1 : 3 je nach der Genauigkeit der Analyse und der Reinheit
der Substanz, während die Proportion der Kieselsäure, selbst
bei tadelloser Arbeit , einem einfachen Verhältniss nicht ent-
spricht. Es wurde ferner bewiesen, dass es einen kalkfreien
Oligoklas ebensowenig gebe wie einen natronfreien Labrador.
Mit diesen unbezweifelbaren Thatsachen , auf welchen die
Tschermak' sehe Theorie beruht, ist jene oben angedeutete
Ansicht der wachsenden Kieselsäure-Moleküle ganz unvereinbar;
denn Anorthit -f- 1 Si02 ist eben nicht Labrador; und La-
brador -f- Si02 ist nicht Andesin u. s. w. In chemischer
Hinsicht ist die TsCHERMAK'sche Feldspath - Theorie durch
336
Kalknatron-Feldspathe aus
Spec. Gew. Kieselsäure Thonerde
Oligoklas Antisana 2,598 64,27 22,30
Sphärulithlava 64,12 22,62
Perlenhardt .... 2,576 62,18 23,52
im Siebengebirge 61,91 24,11
Conejos am Rio . . 2,631 61,88 24,18
grande del norte
Andesin Mojanda 2,666 60,48 25,35
Ecuador 59,73 25,59
Pululagua 2,659 59,39 26,08
Ecuador
Toluca 2,615 59,79 25,43
Mexico
„ Guagua Pichincha. 2,647 58,15 26,10
rothes Gipfelgestein 58,48 26,49
„ Guagua Pichincha . 2,620 59,1 26,1
dunkles Kratergestein
Tunguragua .... 2,627 57,8 26,75
Ecuador 58,00 26,75
Labrador Pomasqui 2,644 55,86 28,10
Einschluss im Tuff 55,43 28,49
Langlanchi 2,604 55,64 28,19
Ecuador
Insel Palma .... 2,694 55,64 28,89
337
Trachyten und Andesiten.
Kalk Kali Natron
3,12 2,11 7,90
3,52 9,74
5,33 nicht best. (8,97)
5,25 8,73
4,79 2,50 6,95
7,25 0,08 7,28
6,97 7,71
8,20 0,22 6,74
7,41 0,64 7,24
9,05 nicht best. 6,70
8,02 7,01
8,85 0,5 5,5
9,05 nicht best. (6,04)
8,33 6,92
10,95 nicht best. 5,09
10,35 5,73
9,79 0,63 5,48
10,92 0,71 5,09
Moleküle Kieselsäure
Albit Anorthit des Gesteins
5 2 77,01
3 2 64,56
3 2 63,73
1 1 69,78
1 1 65,16
1 1 66,85
4 5 62,99
4 5 64,55
3 4 61,48
1 2 62,03
1 2 nicht best.
1 2 54,11
338
hundert Analysen so wohl begründet, dass wir ihrem Urheber
zustimmen müssen, wenn er sie eine „Thatsache" und nicht
eine blosse „Explication" nennt. — Diese Bemerkungen würden
kaum nöthig erschienen sein, wenn nicht ein so ausgezeich-
neter Forscher wie Herr Des Cloizeaux sich gegen eine
Theorie , welche nach vielem Kampfe in Deutschland zu all-
gemeiner Annahme gelangt ist, in so sehr bestimmter Weise
ausgesprochen hätte.
Ein Vergleich des Kieselsäuregehalts der verschiedenen
Gesteine mit der Mischung der in ihnen ausgeschiedenen Pla-
gioklase ist nicht ohne Interesse. Wir erkennen zwar , dass
im Allgemeinen einem aciden Gesteine auch ein acider Feld-
spath entspricht, dass die Sphärulithlava des Antisana mit
77 pCt. Kieselsäure auch den sauersten Plagioklas und die
Lava von Palma mit nur 54 pCt. Kieselsäure auch den ba-
sischesten Plagioklas enthält; im Einzelnen sehen wir indess
diese Abhängigkeit nicht überall zutreffen. So umschliesst das
Mojanda- Gestein mit fast 70 pCt. Kieselsäure einen nicht ganz
so säurereichen Plagioklas als das Gestein von Conejos mit
63,7 pCt. Kieselsäure.
Unter den constituirenden Plagioklasen der ecuadorischen
Andesite waltet demnach der Andesin vor. Während die
überaus Kieselsäure-reiche Sphärulithlava des Antisana Oligo-
klas führt, kommen an demselben Vulkan auch Gesteinsvarie-
täten vor, welche wesentlich Andesin führen zufolge einer
Analyse Ch. St. Cl.-Deville's, Comptes rendus 48. 16. 1859.
In Gesteinen des Chimbörazo wiesen sowohl Rammelsberg
als Deville Andesin nach. Die in der WoLF'schen Sammlung
befindlichen Chimborazogesteine gestatten keine mechanische
Sonderung des Plagioklas. Unter dem Mikroskop zeigen drei
mir vorliegende Chimbörazo- Andesite kleinste Mikrolithe von
Plagioklas , welche wesentlich die Grundmasse constituiren ;
dieselbe umschliesst etwas grössere, deutlich gestreifte Ande-
sine sowie Augite und — viel seltener — Hornblenden. Feinste
Magneteisen - Körner sind bald spärlicher, bald häufiger ein-
gesprengt. — Nicht zu unterscheiden vom Chimbörazo sind
die vorliegenden Gesteine und Dünnschliffe des erloschenen
Vulkans Imbabura. Diese Andesite sind bald lichter bald
dunkler und lassen makroskopisch nur späi liehe Augite und
339
noch seltener Plagioklase erkennen. Unter dem Mikroskop
zeigen sie ein nur durch wenig amorphe Grundmasse verbun-
denes Aggregat von kleinsten Plagioklasen, welche alle überaus
deutlich die Zwillingsstreifung besitzen; Augit und Magnet-
eisen. Auch von dem wenig bekannten Vulkan Cunru bei
Ibarra liegen Gesteinsproben vor; sie sind etwas grosspor-
phyriseher unter dem Mikroskop als die vorigen. Die Grund-
masse tritt zurück vor den zahlreichen und grossen Plagioklas-
Ausscheidungen ; daneben Augit, etwas Hornblende und Magnet-
eisen. Der Cunru liegt nach Wolf's Angabe gegen Südost
neben dem Imbabura. Seine Höhe 3338 M. Zwischen seinen
drei Gipfeln liegt ein kleiner Kratersee, 3317 M. hoch. Noch
ein zweiter Kratersee, die Francisco - Cocha, findet sich in
2836 M. Höhe am Fusse des schönen Vulkans.
Wenn ich aus der vorliegenden Sammlung ecuadorischer
Andesite einen Schluss ziehen darf — derselbe wird auch be-
stätigt durch briefliche Mittheilungen Wolf's — , so fehlen den
ecuadorischen Vulkanen fast ganz jene krystallinisch-körnigen
Auswürflinge, welche den Laacher See und in noch höherem
Grade den Vesuv auszeichnen und dem Mineralogen ein so
unerschöpfliches Feld der Forschung bieten; ja es ermangeln
die ecuadorischen Andesite fast ganz der Drusenmineralien.
In Humboldt's Kosmos Bd. III. pag. 462 lesen wir die
Worte: ,,Da in der vulkanischen Hochebene von Quito Alles
mit Trachyt, Trachytconglomeraten und Tuffen bedeckt ist, so
war es mein eifrigstes Bestreben , irgend einen Punkt zu ent-
decken , an dem man deutlich erkennen könne, auf welcher
älteren Gebirgsart die mächtigen Kegel und Glockenberge auf-
gesetzt sind oder um bestimmer zu reden , welche sie durch-
brochen haben.4'
Die von Wolf mir verehrte Sammlung bietet mehrere
Gesteine dar, welche augenscheinlich von höherem, vorvulka-
nischem Alter zu denjenigen Formationen gehören, welche von
den Vulkanen durchbrochen wurden.
Zunächst verdient Erwähnung der Syenit von Punin zwi-
schen Riobamba und dem Chimborazo, aus vorwaltendem Pla-
gioklas, wenig Orthoklas, aus Quarz, Biotit, Hornblende be-
stehend. Die Plagioklas - Körner bis 1 Cm. gross, sind von
340
graulichweisser , die Feldspathe von sehr licht röthlichweisser
Farbe. Der Quarz theils in unregelmässigen Körnern, theils
in gerundeten Dihexaedern. In diesem schönen Gesteine fin-
den sich, wie ein von Wolf geschlagenes Handstück lehrt,
dichtgedrängte, 2 — 5 Cm. mächtige Gänge einer feinkörnigen
Syenitvarietät. In der Nähe dieses Syenits steht auch ein
brauner Porphyrit an mit spärlichen Quarzkörnern, zahlreichen
kleinen (bis 3 Mm.) Plagioklasen, einzelnen grünen Augiten
und etwas Eisenglanz. Nach einer Bemerkung von Wolf
scheint dieser Porphyrit gangartig im Syenit aufzutreten. —
Diesem Porphyrit verwandt scheinen gewisse Gesteine zu sein,
welche Wolf am nördlichen Fusse des Antisana bei Papal-
lacta auffand und als quarzführende Porphyrite bezeichnete.
Diese Gesteine sind von lichtgrauer Farbe und zeigen
in dichter Grundmasse rundliche Körner von Quarz mit aus-
gezeichnet muschligem Bruche, sowie Plagioklase mehrere
Mm. gross. Eine der beiden vorliegenden Varietäten ist
durch die tief rothe Färbung der grösseren Quarz- und Pla-
gioklaskörner ausgezeichnet, während die daneben liegenden
kleineren Körner beider Mineralien ungefärbt sind. Unter
dem Mikroskop zeigen diese Porphyre eine vorherrschende,
amorphe Grundmasse, darin gleichmässig vertheilt kleinste
Magneteisenpunkte, ferner Plagioklase, Hornblende (mit Magnet-
eisen erfüllt und umrandet) und einige grössere Quarzkörner.
Diese letzteren von ganz unregelmässiger Form umschliessen
Theile des Magma's. Auch dringt die Gesteinsmasse mit
feinsten Mikrolithen in tiefen Buchten und kolbenförmigen
Fortsetzungen in die Quarzkörner ein , sodass man durchaus
den Eindruck gewinnt, dass sich dieselben aus dem Ge-
steine wirklich ausgeschieden haben. — Diese merkwürdigen
quarzführenden Porphyrite treten nach Wolf „in grosser
Mannigfaltigkeit am Fusse der Vulkane auf, an den Abhängen
der Cordilleren. Oft sind sie nicht porphyroidisch , sondern
feinkörnig und lassen den Quarz nicht erkennen , so dass es
dann schwer hält , sie vom Andesit zu unterscheiden. Ge-
wöhnlich findet man sie zwischen dem Gneiss und Glimmer-
schiefer der niederen Gebirge und den Andesiten der Hoch-
cordilleren, selten auf dem Hochlande anstehend, weil dies
von Tuff bedeckt ist.4'
341
Alte Gesteine finden sich , wie die WoLF'sche Sammlung
lehrt, auch in den vulkanischen Tuffen von Calacali: grosse
Blöcke von scheinbar fast dichtem Grünstein „zwischen An-
desitblöcken im vulkanischen Tuff, auf der linken Thalseite
des Rio Esmeraldas. Auf der rechten Seite des Thals ist
ganz in der Nähe der Grünstein bereits anstehend und hören
die vulkanischen Tuffe auf." In dem sehr gleichartigen Ge-
steine erkennt man einige grüne Augite sowie sehr kleine
rundliche Körner von Plagioklas. Es scheint demnach ein
Diabas vorzuliegen. Schliesslich mag noch ein Gestein hier
hervorgehoben werden, welches in zweifacher Weise unsere
Aufmerksamkeit erweckt, einmal da es aus einem fast ganz
unbekannten Districte stammt, und dann wegen seiner petro-
graphischen Beschaffenheit.
Den sphärolithischen Pe chstei n von Oyacachi fand
Wolf „am Fusse der Ostcordillere, auf der Grenze der Vulkan-
gebilde mit Chlorit- und Glimmerschiefer; das Gestein kommt
von einem Vulkan zwischen dem Antisana und Cayambe, näher
dem letzteren als dem ersteren. Den Namen konnte ich nicht
erfahren." *)
Das Gestein ist von lebhaft brauner Farbe mit kleinen
entglasten sphärolithischen Körnern. Die braune amorphe
Grundmasse ist nicht ganz gleichartig. Aus der herrschenden
Masse lösen sich rundliche oder linsenförmige Partien heraus,
welche dem Gestein eine Anlage zu eutaxitischer Structur
geben. Neben den Sphärolithen bemerkt man einige Plagio-
klas-Körnchen. Unter dem Mikroskop stellt sich die Grund-
masse dar als. gemengt aus etwas dunkleren und lichten Par-
tien, welche vielfach gewunden innig mit einander verflösst
sind. In dieser amorphen Masse treten Sphärolithe mit
charakteristisch faserig - krystallinischer Structur auf. Auch
*) „Jene Gegend ist noch ganz unbekannt, von hohem Interesse.
Dr. Reiss und Dr. Stübel konnten nicht bis dorthin gelangen. Zwei
Tage irrte " ich in Schnee und Regen auf den ausgedehnten endlosen
Paramos in der Nähe des Sara Urcu (dieser ist kein Vulkan, wie man
gewöhnlich glaubt, sondern besteht aus Gneiss und Glimmerschiefer)
umher und kam endlich in die Baumregion des Ostabhangs hinunter, wo ich
einige Hütten von Indianern traf, die ihre Ansiedelung, welche an einem
rcissenden Zufluss des Rio Napo rcsp. des Amazonas liegt, Oyacachi
nennen. Vor mir undurchdringliche und ganz unbewohnte Wildniss,
hinter mir die frisch beschneiten Paramos, um mich Wilde, deren Sprache
ich nicht verstand." ^Wolf.)
Zelts. d. D.geol.Ges. XXVII. 2. 23
342
zeigen sich im Schliff zahlreiche Einschlüsse von Andesit, aus-
gezeichnet durch sehr viele Plagioklas - Mikrolithe. — Der
Wassergehalt des Gesteins wurde durch Glühen bestimmt.
Andesitischer Pechstein von Oyacachi:
Spec. Gew. 2,360 (bei 15£ 0 C.).
Kieselsäure . . . 73,61
Thonerde .... 12,05
Eisenoxyd. . . . 2,27
Kalk 0,89
Magnesia .... 0,20
Kali 3,82
Natron 4,34
Wasser . . . . . 3,35
100,53
Dies Gestein besitzt demnach die Zusammensetzung
typischer Perl- und Pechsteine, z. B. des Perlsteins aus dem
Hliniker Thal bei Schemnitz oder des Pechsteins vom Monte
Sieva in den Euganäen.
Von demselben Fundorte, Oyacachi, sandte Wolf ein an-
deres sehr merkwürdiges Gestein von rhyolithischem Ansehen,
welches ,,an der Grenze zwischen vulkanischen Gesteinen und
Glimmerschiefer vorkommt" und nach Wolf ,,ein vulkanisches,
jedenfalls aber ein eruptives Gebilde zu sein scheint." Das
Gestein ist lichtgrau, ähnelt gewissen Kieselsäuretrachyten
(Rhyolithen) von Lipari und Ungarn, mit einer Neigung zu
streifigem Gefüge. Es ist theilvveise breccienartig, doch die
Einschlüsse von gleicher Art wie die Masse und auf das
Innigste verbunden. Im frischen Zustande grau und auf dem
Bruche schimmernd , chalcedonähnlich , durch Verwitterung
weiss und von feinerdigem Ansehen. Das Gestein enthält
zahlreiche Körner von Quarz, 1 bis 2 Mm. gross, spärliche
kleine Feldspathkörner , etwas Biotit und unregelmässig ge-
staltete, etwa 1 Mm. grosse Körner von rothem Granat, be-
reits von Wolf bestimmt. Unter dem Mikroskop erkennt man
ein unvollkommen sphärolithisches Gefüge. Die Sphärolithe,
charakterisirt durch eine radialfaserige Zusammensetzung, haben
indess hier keineswegs immer oder auch nur vorzugsweise eine
rundliche Gestalt; gewöhnlich erscheinen sie sehr verlängert.
Der Granat bildet keine wohl begrenzten Kry stalle, sondern
zeigt sehr unregelmässig ausgebuchtete Umrisse.
343
An den Landstrich aus welchem diese Gesteine stammen
knüpft sich noch ein besonderes Interesse, da in demselben
der' noch unbekannte Vulkan Guacamayo liegt, von welchem
es nicht unwahrscheinlich ist, dass aus seinem Krater die
Asche geschleudert wurde, ,, welche am 7. December 1843 zu
Quito in grosser Menge fiel, so dass sie die Dächer 1 Zoll
hoch bedeckte. Die Aschenwolken kamen über die Ostcordillere
hergezogen, und es ist mir wahrscheinlich, dass dieselben vom
Guacamayo herrührten, einem noch nie untersuchten, 3 Tage-
reisen hinter der Ostcordillere unten (gegen Napo zu) gele-
genen Vulkan , dessen schönen Kegel man bei klarem Wetter
von den Päramos des Antisana sehen kann. — Sicher ist,
dass sich damals alle bekannten Vulkane des Hochlandes
ruhig verhielten.4' (Etikette Wolf's zu einer Probe jener
grauen Asche.)
II. Ueber die Gesteine des Monzoni.
Wenige Berge der Erde nehmen in gleichem Maasse das
Interesse des Geologen in Anspruch, wie der Monzoni im süd-
östlichen Tyrol. Der Berg ist trotz seiner Höhe von 8573 F.
(2786 M.) etwas versteckt, indem höhere Gebirge, namentlich
Dolomitgipfel mit ihren charakteristischen kühnen Felsformen
ihn umringen, sodass man von keiner Stelle der Thalsohle
des Avisio den berühmten Berg erblickt. Um des Monzoni
ansichtig zu werden, muss man das Hauptthal von Fassa ver-
lassen und in die östlichen Seitenthäler , in die Val S. Pelle-
grino oder in Val dei Monzoni eindringen. Das erstere, bei
Moena sich mit dem Hauptthal vereinigend , begrenzt das
Monzoni-Massiv gegen Süd, während die Val dei Monzoni am
nördlichen Felsabsturz ihren Ursprung nimmt. Wählen wir
dies letztere , welches etwas oberhalb des Fleckens Vigo, bei
Pozza, mündet. Zunächst erblicken wir über den südlichen
Thalgehängen ungeheure Dolomitgipfel emporragen, unter denen
durch ausserordentliche Gestaltung der Sasso di Mezzogiorno
(die Mittagsspitze), ca. 1000 M. jäh über die Thalsohle empor-
steigend, sich hervorthut. Es ist dieselbe flammenförmige Fels-
bildung , welche wir, gegen Nordwest zurückgewendet, am
Rosengarten erblicken, einem Dolomitkoloss , welcher sich in
einen gewaltigen Büschel von röthlichen Felsenspitzen und
23*
344
Felsflammen auflöst. Das nördliche Thalgehänge zeigt in der
Tiefe (wie auch das südliche) geschichteten Kalkstein (Buchen-
steiner Schichten, Trias), darüber eine mächtige Bildung von
Augitporphyrtuff. Es ist der hohe südliche Rand des plateau-
ähnlichen Gebirgsstocks , welcher den eigenthümlichen halb-
kreisförmigen Lauf des oberen Avisio bedingt und meh-
rere allbekannte Mineralfundstätten umschliesst: rother Stil-
bit (Haut) und Analcim bei Drio le Palle*); rother Car-
neol, Alpe Giumella; schwarzer Augit — ausgezeichnet durch
das Auftreten einer etwas gewölbten, fast geraden Endfläche —
am Bufaure; Pseudomorphosen von Grünerde nach Augit eben-
daselbst etc. Wie man beim weiteren Anstieg bemerkt, ist die
Auflagerungsfläche des Tuffs über dem Kalkstein nicht eben,
vielmehr ragt letzterer kuppenförmig in den dunklen Tuff
hinein. Während der Kalkstein schroffe nackte Abstürze zeigt,
tragen die runden Höhen des Tuffplateaus eine schöne Rasen-
decke. Bald, ~ Meil. oberhalb Pozza, gabelt sich das Thal,
gegen Ost zieht die Val di Dam (Adamo), während das Mon-
zonithal, plötzlich um etwa 100 M. ansteigend, sich gegen
Südost und Süd wendet. Hier bei der Thalwendung betritt
der Pfad zuerst anstehendes Gesteintes sind senkrechte Kalk-
steinschichten. Indem die Felsen des Rosengartens verschwin-
den, öffnet sich die Aussicht auf die dunkle Felsenmauer des
Monzoni. Das enge Thal erscheint hier, an seinem Ursprung,
*) Zu dieser Fundstätte steigt man von Campitello durch einen Felsen-
riss am steilen Gehänge des Colpelle-Bergs empor. Man erreicht einen
weiten Circus , eine für dies aus geschichtetem Augitporphyr - Tuff be-
stehende Gebirge besonders charakteristische Gestaltung. Horizontal
ziehen ringsum die dunklen Bänke hin. In einer Höhe von etwa k2300 M.
ist auf eine in horizontaler Kichtung weit fortsetzende Strecke der Tuff
mit netzförmig verzweigten Trümern von Kalkspath und Analcim erfüllt.
Wo die Trümer sich zu einer Art Gangkluft verbinden, werden aus einer
in den Fels gebrochenen Höhle (am Berge Ciamol) die Analcime (Hauy's
Variete tripointee) gewonnen. An diesen ersten Circus reiht sich gegen
Südwest ein zweiter von ähnlicher Bildung. Hier senken sich die mäch-
tigen schwarzen Schichten unter 30 ü gegen Ost. In der Mitte dieses
Circus, fast genau in derselben Höhe, in welcher wir die Fundstätte des
Analcims fanden, wird der Tuff wieder von einem Adernetz durchzogen,
in dessen Spalten der rothe Stilbit (Heulandit) vorkommt, in Begleitung
von Analcim, dessen Krystalle hier indess nur das Ikositetraeder zeigen.
Die von dem rothen zeolithischen Netzwerk durchzogene Tuffmasse hat eine
Längenausdehnung von etwa 150 M. bei einer Mächtigkeit von 3-4 M.
345
zu einem hohen Felscircus erweitert, von welchem gegen Ost
und West, schnell über die Baumvegetation sich erhebende,
Felsentobel emporziehen. Der Anblick des Monzoni von dieser
Thalweitung (dem Piano dei Monzoni) aus ist, trotz der ver-
gleichsweise nicht allzu bedeutenden Höhe, einer der erstaun-
lichsten in der ganzen Alpenkette. Eine scheinbar durchaus
unersteigliche über 1000 Meter hohe dunkle Felsenmauer
(s. Taf. IX. Fig. 1) sperrt den dunklen Thalhintergrund ab.
Die Mauer ist theils sägeförmig gezackt, theils zu Kuppen
gewölbt; eine solche ist der Riccobettaberg der Generalstabs-
karte, einer der höchsten Gipfel des Monzonistocks. Von
dieser Mauer springen , gleich riesigen Strebepfeilern , kurze
Felsgräthe vor; sie sind umgeben von wildem Steingeröll und
Felsmeeren, welche von tiefen Rinnsalen der Regenbäche zer-
schnitten, steil gegen die Bergmauer emporziehen. Trotz aller
Verschiedenheit erinnert dieser nördliche Absturz des Monzoni
mit coulissenartig vorspringenden Felsen an gewisse Theile
der oberen Val Bove am Aetna. Diese vorspringenden Fels-
rücken sind in der landschaftlichen Zeichnung sichtbar, in
welcher die Umrisse möglichst naturgetreu, einiges Detail aber
nach der Erinnerung ausgeführt wurde. Figur 2 stellt einen
solchen vorspringenden Felsgrath von West gesehen dar.
Zwischen den einzelnen Felsvorsprüngen dehnt sich wildes,
steilgeneigtes Gerölle aus. Die etwa 50 M. hohe, ausgezackte
und zerbrochene Felswand (Figur 2) wird von Gängen durch-
setzt. Mehrere derselben steigen vertical empor und ragen
nach Zerstörung des Nebengesteins frei über die zerbrochene
Mauer. An einer Stelle laufen von einem verticalen Gange
horizontale Aeste aus, deren Theile durch Verwerfungen etwas
gegen einander verschoben sind. Am linken Abbruche des
Profils erscheinen zwei horizontale Gangtheile, welche vielleicht
ehemals mit demselben verticalen Gange in Verbindung waren
und nur in Folge der Verwitterung isolirt wurden. Ausser
den in der Figur gezeichneten Gängen zeigt die Felswand
noch viele andere kleinere Gangverzweigungen, deren Verlauf
indess, da sie sich nur wenig vom durchsetzten Fels abheben,
schwierig zu verfolgen ist. Eine genaue und anhaltende Be-
trachtung lehrt, dass unregelmässige Gänge und Adern in
grösster Zahl die Felsen des Monzoni durchsetzen. Doch
konnte ich die Ueberzeugung nicht gewinnen, dass jene ge-
346
waltigen Felsvorsprünge selbst — gleich den Lavamauern der
Val Bove am Aetna — Gänge sind; denn ihr Gestein ist
wesentlich dasselbe wie dasjenige der angrenzenden Gebirgs-
theile.
Die Südseite des Monzoni, welche gegen Val S. Pellegrino
hinabsinkt, ist zwar auch steilgeneigt, doch nicht in gleicher
Weise felsig wie die Nordseite, sondern meist rasenbedeckt
bis zum Kamme hinauf. Mehrere Thalschluchten , welche in
weiten Kesseln ihren Ursprung nehmen und gegen das Pelle-
grinothal hin in halbtrichterförmigen Tobein (Toal) münden,
gliedern das südliche Gehänge. Von West nach Ost sind es
die Thäler Pesmeda, della Foglia mit Damasson , dei Rizzoni
und Allochet. — Während das Monzoni - Massiv gegen Nord
und Süd in tiefe Thäler abstürzt, wird es gegen West und
Ost nicht gleich deutlich durch eine orographische Grenze ge-
schieden von den Dolomitmassen des Sasso di Loch im
Westen und jenem hohen schmalen Gebirgskamm im Osten,
welcher, vorzugsweise aus veränderten Sedimentärschichten
bestehend , gegen den Sasso di Val Fredda und die venezia-
nische Grenze zieht.
Kehren wir wieder auf die nördliche Seite des Gebirges
zum Piano dei Monzoni zurück, von welchem gegen West und
Ost Thaläste emporziehen. Die westliche Schlucht hebt sich
mit breiter felsiger Fläche schnell zu den Dolomithöhen em-
por, während der östliche Thalast eine Reihe merkwürdiger
Stufen bildet, deren kesseiförmige Vertiefungen mit kleinen
Seen erfüllt sind. An diesen vorbei steigt man zu dem hohen
Pass le Seile (etwa 2600 M.) empor, über welchen man nach
Campagnazzo und S. Pellegrino gelangen kann. Auf dieser
Höhe , welche, wohl 1000 M. über dem Piano dei Monzoni,
gegen Nordost vom Hauptgipfel liegt, erkennt man deutlich,
dass der Monzonberg einen kolassalen , von West nach Ost
sich verschmälerndeu Gang darstellt, und dass die nach Nord
gewandten Steilabstürze dieser Masse die ursprünglichen Grenz-
flächen gegen die durchbrochenen Grenzgebirge — Kalkstein
und Dolomit — sind. Von jenem erhabenen Standpunkte aus ist es
nicht schwer, die durch die Thalbildung zerstörten und fortge-
führten Gebirgstheile im Geiste wieder herzustellen. Die beiden
im Piano sich vereinigenden Thäler entblössen auf eine Strecke
von etwa 4 Kilom. die Grenze zwischen dem Eruptivgestein
347
des Monzoni und den vorgelagerten Kalk- und Dolomitmassen.
Von Stufe zu Stufe sinkt sie, deutlich erkennbar, wird im
Piano durch ungeheures Geröll überlagert, erscheint dann
wieder, durch verschiedenartige Gesteinsfärbung bezeichnet,
gegen die Punta di Pallazzia hinziehend. Vielleicht war es
von le Seile aus, wo y. Buch jene treffliche Anschauung über
den Bau unseres Gebirges gewann, welche er in einem Briefe
an v. Leonhard (1824) aussprach : „Sie können sich die
wunderbare Lagerung dieser Monzonmasse nicht deutlicher,
vielleicht auch nicht richtiger denken, als wenn Sie sich einen
Kegel vorstellen von der Höhe, Schroffheit und Steilheit des
Langkofels, der nicht wie dieser frei in der Luft steht, sondern
rings umher in Dolomit eingesenkt ist." (Miner. Taschenb. von
v. Leonhard , 1824, pag, 360.) — Naturgemässer noch wird
unsere Vorstellung, wenn wir uns statt des Kegels eine etwa
5 Kilom. lange, 1^ — 2 Kilom. (nach Dr. Dölter) breite Gang-
masse vorstellen. Auch wird nur in der nördlichen Hälfte das
Monzonigestein durch Kalk und Dolomit begrenzt, während in
der südlichen Hälfte Augitporpbyr und Quarzporphyr angelagert
sind, und der Kalkstein nur untergeordnete Massen bildet.
Die Gesteine des Monzoni haben schon vielfach das
Interesse der Geologen auf sich gezogen. Vortrefflich schildert
v. Buch (a. a. O.) sein „gerechtes Erstaunen" als er in der
Enge von Pozza „jene unglaubliche Menge von Syenitblöcken"
sah. Nichts habe bisher im Fassathale auf die Vermuthung
solcher Gesteine geführt. Der grosse Geologe wird beim An-
blick der Monzongesteine an den norwegischen Syenit erinnert.
Als wesentliche Gemengtheile glaubt v. Büch Feldspath und
Hornblende zu erkennen, ausserdem führt er Eisenkies und
Turmalin an. Die Felsblöcke in der Thalmündung von Pozza,
in denen v. Buch Feldspath zu erkennen glaubte , enthalten
indess wesentlich an Stelle desselben Plagioklas. „In diesen
Krystallen wechselt unzählige Male eine rechte und eine linke
Seite; im Granite bilden die Krystalle nur Zwillinge, aber so
oft ' wechseln die Seiten nicht." Zur Zeit als v. Buch den
Monzoni besuchte, kannte man noch nicht die Unterscheidung
des Orthoklas von den triklinen Feldspathen, welche wir
G. Rose verdanken. Dieser Forscher besuchte am 31. August
1832 das Monzonithal und gewann die Ueberzeugung , dass
ein Theil der Monzonigesteine dem Hypersthenite angehöre.
348
Es geschah diese Bestimmung zu einer Zeit, als man noch
kein Mittel besass, den Diallag, resp. Augit vom Hypersthen
zu scheiden und die schwarzen Varietäten des ersteren Mi-
nerals als Hypersthen bezeichnete. — v. Richthofen widmete
in seinem berühmten Werke (Geognostische Beschreibung von
Predazzo, St. Cassian und der Seisser Alpe, 1860) den Ge-
steinen des Monzoni eine eingehende Schilderung. Er unter-
scheidet Monzon - Syenit und Monzon- Hyperstbenit, in Bezug
auf das letztere Gestein sich auf G. Rose's Bestimmung be-
ziehend. Nach v. Richthofen besteht der ganze Gebirgsstock
des Monzoni aus einem Syenitgestein, welches von Hyperstbenit
in mächtigen Gängen durchsetzt wird. Die Gänge hat v. Richt-
hofen auch in seine Karte eingetragen ; es sind jene kolossalen
vorspringenden Pfeiler, deren bereits oben Erwähnung geschah.
Beide Gesteine sollen zwar in inniger Wechselbeziehung ste-
hen, sodass der Hyperstbenit in seinem Vorkommen durchaus
an Syenit gebunden, dennoch aber von ihm scharf und bestimmt
geschieden sei. — Zu einem wesentlich verschiedenen Resul-
tate wurde de Lapparent in seinem werthvollen Memoire,
Constitution geologique du Tyrol meridional (Annales des mines,
6. Serie T. VI. pag. 258) geführt. Ihm zufolge sollen beide
Gesteine auf das Innigste mit einander verbunden sein und in
einander übergehen. Der französische Forscher leugnet die
Gegenwart des Hypersthen's oder überhaupt eines augitischen
Minerals als Gemengtheil der in Rede stehenden Gesteine und
glaubt statt desselben nur Hornblende zu erkennen, für welche
Annahme er auch das Zeugniss Des Cloizeaüx's u. Friedel's an-
führt, welches sich freilich nur auf die von de Lapparent mitge-
brachten Gesteine beziehen konnte. Die beiden von v. Richt-
hofen unterschiedenen Gesteine vereinigt de Lapparent unter
der vorläufigen Bezeichnung Monzon it. Aus einem Ver-
gleiche der Ansichten der genannten Forscher geht wohl am
besten die Schwierigkeit hervor, welche sich der sicheren Be-
stimmung der fraglichen Gesteine entgegenstellt. — Analysen von
Gesteinen der Umgebungen von Predazzo , welche denen des
Monzoni sehr nahe stehen , verdanken wir Prof. Scheerer
(Vorläuf. Ber. über krystallin. Silicatgesteine des Fassathals,
N. Jahrb. 1864). Einen werth vollen Beitrag zur Kenntniss
der Monzonigesteine giebt Tschermak in seinem Werke „die
Porphyrgesteine Oesterreichs aus der mittleren geologischen
349
Epoche", 1869 pag. 110—121. Nach ihm besitzt der Mon-
zonit eine wechselnde Zusammensetzung, wenngleich er in
seinem Auftreten als eine einzige Masse erscheint. Das eine
Endglied in der Reihe der Abänderungen sei ein eigentlicher
Syenit, bestehend aus Orthoklas, Hornblende und Biotit, das
zweite Endglied enthalte die Gemengtbeile des Diorits: Pla-
gioklas, Hornblende und Biotit. Während aber de Lapparent
die beiden von v. Richthofen als Syenit und Hypersthenit
getrennten Gesteine vereinigt hatte, scheidet Tsohermak den
Hypersthenit aus dem Monzonit aus und bezeichnet denselben
als Diabas , indem als Gemengtheile des Gesteins erkannt
werden: Plagioklas, Augit, Biotit, Magneteisen, ein chlorit-
artiges Mineral und Spinell. Tsohermak schliesst sich in
Bezug auf das geologische Verhalten des Syenits und des
Diabas wesentlich an v. Richthofen an und widerspricht der
Ansicht de Lapparent's , dass jene beiden Gesteine durch
allmälige Uebergänge verbunden seien. Nur bestreitet Tsoher-
mak die Ansicht v. Richthofen's, dass eine enge Beziehung
zwischen dem Hypersthenit und dem Augitporphyr stattfinde.
— Diese abweichenden Ansichten beweisen wohl zur Genüge,
dass hier ganz besondere geologische und petrographische
Schwierigkeiten vorliegen. Zu denjenigen , welche in der
Sache selbst liegen, treten auch örtliche Verhältnisse der
Beobachtung. Vom nächstliegenden Orte in Fassa wandert
man zwei Stunden bis zum Piano, dem Beginne der wilden
Felsenmeere, welche sich mit zunehmender Neigung gegen die
prallen, dunklen Monzoni - Wände emporheben. Nicht alle
Theile derselben entsenden in gleicher Weise ihre Trümmer
zu den grossen Geröllmassen. Ein einzelner leicht verwit-
ternder Felskopf bildet einen weit sich ausdehnenden Schutt-
kegel, während andere Theile der zerrissenen dunklen Wand
wenige oder keine Trümmer ausstreuen. Um sichere Beob-
achtungen zu machen , muss man durchaus empor zum an-
stehenden Fels. Immer grösser, scharfkantiger, beweglicher
werden die Blöcke in dem Maasse, als man sich den Felsen
nähert. Hat man endlich an einem einzelnen Punkte die hohe
Wand oder einen jener mauerartigen Felsvorsprünge erreicht,
so starrt dem auf schwankenden Blöcken emporsteigenden
Wanderer nur zu oft eine mit cbloritischer oder serpentin-
ähnlicher Substanz überzogene Ablösungsfläche entgegen, welche
350
eine unmittelbare und leichte Beobachtung des Gesteins er-
schwert und verhindert. Zudem sind die einzelnen Theile der
Monzoniwände durch tief eingerissene, oft kaum übersteigbare
Schluchten und Rinnsale getrennt. So die Nordseite — , wäh-
rend auf der Südseite eine Pflanzendecke die anstehenden
Gesteine zum grössten Theile verhüllt. Völlig unausführbar
erwies sich das Unternehmen der Firstlinie des hohen Mon-
zoni-Kammes zu folgen.
Noch ist einer jüngsten vorläufigen Mittheilung des Hrn.
Dr. Corn. Dölter über die Monzoni-Gesteine Erwähnung zu
thun (N. Jahrb. für Min, 1875 pag. 48). Dölter's Ansicht
hält in gewissem Sinne die Mitte zwischen den Angaben
v. Richthofen's und de Lapparent's. Dölter, welcher es sich
zur besonderen Aufgabe machte, das „Verhältniss des Monzon-
Syenits zum sogen. Hypersthenit zu ergründen", drückt in fol-
genden Worten das vorläufige Ergebniss seiner Forschungen
aus: „Obgleich die Unterscheidung beider Gesteine nicht
immer leicht ist, so glaube ich doch jetzt schon annehmen zu
können, dass der Hypersthenit in getrennten Massen im Syenit
vorkommt, wenngleich das Alter beider Gesteine dasselbe sein
muss , da sowohl der Syenit in den Hypersthenit eindringt,
als auch das umgekehrte Verhältniss stattfindet. Dass Hyper-
sthenit und Syenit überall zusammen vorkommen , ist nicht
richtig, denn ersteres Gestein ist in seiner Verbreitung auf
den Ricobetta-Berg beschränkt."
Nachdem ich den Monzoni-Kamm an drei verschiedenen
Stellen überschritten (bei der Palla verde, nahe der westlichen
Begrenzung der Eruptivmasse; durch die Scharte oder den
Buco del Monzoni, unmittelbar westlich vom domförmigen
Ricobettagipfel; über le Seile und, dem Kamme folgend, nach
Allochet) und die meisten Mineralfundstätten, zum Theil wieder-
holt, besucht habe, bin ich bei der Schwierigkeit des Gegen-
standes doch weit entfernt, den folgenden Bemerkungen eine
irgendwie abschliessende Bedeutung beizulegen: dieselben sollen
vielmehr nur Beiträge zu einer späteren Lösung eines der
interessantesten und schwierigsten petrographischen Probleme
darbieten.
Das Massiv des Monzoni besteht aus mehreren durch
allmälige Uebergänge innig verbundenen Gesteinen, deren beide
Typen oder Grenzglieder als Augit-Syenit und Diabas zu
351
bezeichnen sind. Das Studium des Monzont lehrt uns eine
neue Varietät des Syenits kennen , in welcher zum Orthoklas
als wesentlicher Gemengtheil Augit hinzutritt; auch das La-
brador - Augit - Gestein , der Diabas des Monzoni, ist ein eigen-
thümliches Gestein , welches durch mehrere Merkmale sich
sehr unterscheidet von den typischen Diabasen, wie sie im
Harze und in Nassau als Lagergänge in den devonischen
Schiefern auftreten. Die Eigenthümlichkeiten beider genannten
Gesteine, sowie ihre durch zahlreiche Zwischenglieder bedingten
Uebergänge würden es vielleicht rechtfertigen , dieselben nicht
zu jenen altbewährten Felsarten zu stellen, sondern etwa den
Namen Monzonit für die in Rede stehenden Gesteine zu ge-
brauchen. Indess widerspricht es allzusehr den bisher gel-
tenden Principien der Petrographie , unter einen Begriff Ge-
steine zu vereinigen , von denen das eine wesentlich aus Or-
thoklas, das andere wesentlich aus Labrador besteht. So
erscheint es wohl für jetzt das Beste, die Monzoni-Gesteine als
Syenit und Diabas aufzuführen , bis spätere Untersuchungen
dieselben Felsarten auch an arideren Orten als am Monzoni
und um Predazzo nachweisen, und ein grösseres Einverständ-
niss in Hinsicht der petrographischen Nomenklatur erzielt ist
als bisher.
Der grösste Theil des Monzoni, und zwar vorzugsweise
das südliche Gehänge, doch auch die westlichen und östlichen
Partieen des Nordabhanges der Gebirgsmasse bestehen aus
A u gi t - Syen i t , einem krystallinischkörnigen Gemenge
von Orthoklas, Plagioklas, Augit; mehr accessorische Gemeng-
theile sind : Titanit, Hornblende, Eisenkies, Magneteisen, Apatit.
Der Orthoklas ist von graulichweisser oder lichtröthlichweisser
Farbe und bildet mehrere Decim. grosse Krystallkörner; er
besitzt eine eigenthümliche, dem Fcldspath aus dem Syenit von
Laurvig in Norwegen ähnliche Zusammensetzung; im Gemenge
meist vorherrschend. Der Plagioklas ist zuweilen mit der
Lupe nicht zu entdecken, wohl aber mittelst des polarisirenden
Mikroskops als feinste Einmengung des Feldspaths. Durch
solche innige Verwachsungen und Einschlüsse ist auch der
ansehnliche Natron-, sowie der Kalkgehalt zu erklären, welchen
die Analysen des Feldspaths aus dem Augit-Syenit ergeben.
Augit von schwarzer oder schwärzlichgrüner Farbe, bald reich-
lich, bald mehr untergeordnet. Titanit von brauner oder
352
bräunlichgelber Farbe, oft sehr reichlich, vielleicht nie ganz
fehlend. Die Hornblende erscheint, wo sie auftritt, raeist mit
dem Ansehen des Uralits, d. h. aus feinsten parallelen Fasern
zusammengesetzt, seidenglänzend. Den Apatit lässt das Mikro-
skop wohl stets in sehr kleinen Prismen erkennen.
Die schönste Varietät dieses Gesteins traf ich im Gberen
Theil des Toal dei Rizzoni; ein grobkörniges Gemenge von
vorherrschendem lichtgrauem Feldspath in | bis 2 Cm. grossen
Körnern, wenig schwarzem Augit, wenig Titanit. Auch Pla-
gioklas ist vorhanden, wenngleich in geringer Menge; unter
dem polarisirenden Mikroskop deutlich durch seine Streifung
erkennbar. Nicht selten ist der Plagioklas in kleinen Körnern
dem Feldspath parallel eingewachsen. Sorgsamst mit der Lupe
ausgesuchte Orthoklaskörner, an denen keine gestreiften Par-
tieen oder Einmengungen von Plagioklas mit der Lupe zu er-
kennen waren, ergaben folgende Zusammensetzung:
Feldspath aus dem Augit-Syenit des Toal dei
Rizzoni.*)
Spec. Gew. 2,565. Glühverlust 0,89.
Kieselsäure
. 63,36
Ox. - 33,74
Thonerde .
. 21,18
9,89
Kalk ....
. 1,66
0,47
Kali ....
. 8,89
1,51
Natron . . .
. 4,91
1,27
100,00
Sauerstoffproportion 0,986 : 3 : 10,251.
Wir können die gefundene Zusammensetzung darstellen
durch eine Verbindung von 5 Mol. Orthoklas, 4 Mol. Albit,
2 Mol. Anorthit, deren procentische Zusammensetzung die fol-
gende sein würde:
Kieselsäure 63,96. Thonerde 20,78. Kalk 2,06.
Kali 8,65. Natron 4,55.
Dieser Feldspath stellt sich demnach dar als eine Men-
gung von nahe gleichen Theilen Orthoklas und Oligoklas;
von denen der letztere aus 2 Mol. Albit und 1 Mol. Anorthit
bestehen würde. Durch mineralogische Wahrnehmung ohne
Zuhülfenahme der chemischen Analyse würde sich uns eine
*) Diese Analyse wurde bereits in Pogg. Ann. Bd. 144 pag. 363
veröffentlicht.
353
so hohe Beimischung von Plagioklas nicht verrathen haben.
Der Syenit aus dem Rizzoni-Thal ist kaum zu unterscheiden
von einem Syenit, welchen ich auf Arröen unfern Langesund
im südlichen Norwegen schlug. Ein diesem ganz ähnliches
Gestein von Laurvig (s. Pogg. Ann. Bd. 144 pag. 379) ent-
hält neben vorherrschendem perlgrauem Feldspath (zuweilen
mit einem lichtbläulichen Farbenschein) und Biotit auch —
zufolge der Untersuchungen des Prof. Rosenbüsch (briefliche
Mittheilung) — ein augitisches Mineral und zwar „ganz ty-
pischen Diallag, wie die Gabbro's von Volpersdorf, absolut
nicht von diesem zu unterscheiden , optisch ausserordentlich
gut charakterisirt." Schon früher wies ich darauf hin , dass
der Feldspath des Gesteins von Laurvig demjenigen des Monzon-
Syenits sehr ähnlich zusammengesetzt ist. Gewisse Varietäten
des berühmten Gesteins der norwegischen Südküste und na-
mentlich das Vorkommen von Laurvig dürften demnach viel-
dem Augit-Syenit zuzuzählen sein.
Noch einen zweiten Orthoklas aus Augit-Syenit des Mon-
zoni unterwarf ich der chemischen Analyse. Das Gestein, von
einem grossen Blocke im Piano dei Monzoni geschlagen,
wahrscheinlich vom hohen westlichen Gipfel herabgestürzt,
besteht vorherrschend aus graulichweissem Orthoklas, grünlich-
schwarzem Augit in 1 bis 2 Mm. grossen, deutlich in ihrer
Form erkennbaren Krystallen , aus sehr viel braunem Titanit,
1 bis 2 Mm. gross, Eisenkies, Magneteisen, Apatit. Letzteres
Mineral in haarfeinen kleinen Prismen vorzugsweise den Feld-
spath durchsetzend. Dies Gestein gewinnt dadurch ein ganz
eigenthümliches Ansehen, dass der Feldspath zuweilen in sehr
grossen Krystallen, 4 bis 5 Cm., ganz erfüllt mit Augit und
Titanit in dem scheinbar kleinkörnigen Gestein weit fort-
setzende Spaltungsflächen bildet. Dieser seltsame Gegensatz des
kleinkörnigen Gemenges und der zwischen diesem Aggregat
aufleuchtenden Spaltungsflächen verleihen dem Gestein eine
besondere Schönheit. Plagioklas ist in diesem Syenite mittelst
der Lupe gar nicht, durch das Mikroskop nur in äusserst
geringer Menge zu erkennen. Unter dem Mikroskop erscheint
der im Gemenge vorherrschende Orthoklas durch Mikrolithen
verunreinigt. Die langen schmalen Apatitprismen treten nun
auf das Deutlichste hervor. Sie scheinen zuweilen in ihrer
Axe eine feine hohle Röhre zu bergen.
354
Feldspath aus dem Augit-Syenit des Piano dei
l^onzoni.
Spec. Gew. 2,536. Glühverlust 0,57.
I.
II.
Mittel
Kieselsäure .
. 63,45
63,45 Ox. =
- 33,84
Thonerde . .
. 19,65
19,97
19,81
9,25
Kalk
1,41
1,51
0,43
Kali.
12,34
12,34
2,09
5,47
2,47
0,64
99,58
Sauerstoffproportion 1,025 : 3 *• 10,975.
Eine diesem Feldspathe vergleichbare Mischung erhalten
wir durch eine Verbindung von 4 Mol. Orthoklas, 1 Mol. Albit,
1 Mol. Anorthit:
Kieselsäure 63,33 Thonerde 20,34. Kalk 1,85.
Kali 12,43. Natron 2,05.
Diese Verbindung enthält 73,5 pCt. Orthoklas neben
26,5 pCt eines Andesin-ähnlichen Plagioklas.
Während die beiden Syenit- Varietäten , deren Orthoklase
oben Gegenstand der Analysen waren, der raineralogischen
Beobachtung nur wenig Plagioklas darbieten, sind andere Ab-
änderungen viel reicher an Plagioklas — in dem Maasse, dass
der Feldspath fast zurückzutreten scheint. Von dieser Art
ist der graue Syenit, welchen man im S. Pellegrino-Thal nahe
der Einmündung der Val Pesmeda antrifft. Es überwiegt im
Gemenge der Plagioklas, dessen wunderschöne Streifung das
polarisirende Mikroskop offenbart. Orthoklas ist nur in ge-
ringer Menge vorhanden, durch die fehlende Streifung, sowie
eine eigen thüni lieh rissige Beschaffenheit unter dem Mikroskop
leicht vom Plagioklas zu unterscheiden. Der Orthoklas er-
scheint weniger deutlich umgrenzt, zuweilen eine Art von
Grundmasse bildend, in welcher die Plagioklase sich scharf
abheben. Beide sind meist trübe , mit Flecken und Wolken
von feinsten Mikrolithen erfüllt. Das Vorhandensein des
Augits im Gestein von S. Pellegrino wurde sowohl makrosko-
pisch durch die äussere Form, als auch unter dem Mikroskop
durch sehr deutliche achtseitige Umrisse, wie sie für den
355
Augit so charakteristisch sind , erkannt. Die 1 bis 2 Mm.
grossen grünlichschwarzen Augitkörner haben vier Spaltungs-
richtungen, von denen zwei den Prismenflächen parallel stehen,
die beiden anderen den Abstumpfungsflächeu der stumpfen und
der scharfen Kante des Augitprismas entsprechen. Neben
dem grünlichschwarzen Augit ist auch , in geringerer Menge,
dunkelgrüne Hornblende von Uralit-ähnlichem Ansehen vor-
handen; Magneteisen fehlt nicht. Prof. Rosenbüsch, welcher
die Güte hatte, gleichfalls dies Gestein aus Val S. Pellegrino
unter dem Mikroskop zu untersuchen, bestätigte die reichliche
Menge von Plagioklas und das Vorhandensein von Augit
neben Hornblende.
Aehnliche Abänderungen wie die eben geschilderte bilden
den westlichen Theil des Monzonikammes , namentlich die
Palla verde, eine schwache Einsenkung zur Rechten (W) des
westlichen Gipfels und setzen die grossen Geröllmassen zu-
sammen, welche vom Piano gegen Westen emporziehen. Die
Gesteine, welche man in diesem westlichen Theile des Mon-
zoni erblickt, lassen den Orthoklas neben dem Plagioklas
meist deutlich durch seine schwach röthliche Farbe erkennen,
während die gestreiften Körner graulichweiss sind. Denselben
Gesteinen begegnet man im oberen Pesmeda - Thal , sowie im
oberen Damasson und Rizzoni. Plagioklas-reiche Augit-Syenite
bilden die ganze östliche Gebirgshälfte, sie erscheinen im
Hochthale von le Seile, sowie in der obersten Tbalmulde von
Allochet, an welchen beiden Orten die Grenze von Kalk und
Eruptivgestein durch merkwürdige, später zu schildernde Con-
tactgebilde bezeichnet ist. An manchen Orten, z. B. auf dem
Joche der Palla verde (nach einem schwachen Rasenbande in
der Felsumgebung so genannt) ist der Syenit in verticale
Tafeln zerklüftet. An letztgenanntem Orte laufen die Tafeln
parallel dem von Ost nach West streichenden Gebirgskamme.
lieber die ganz scharfe Passsenkung streicht ein etwa 0,3 M.
breiter Gang von serpentinähnlichem Gestein.
Der Augit - Syenit des Monzoni ist wesentlich dasselbe
Gestein, wie dasjenige, welches in verschiedenen Varietäten
die Berge von Predazzo zusammensetzt und zwar einen Theil
der Sforcella mit der berühmten Oertlichkeit Canzacoli, sowie
Theile des Mulatto und die Hauptmasse der Margola (oder
356
Malgola). Eine Analyse des Augit-Syenits der Margola ver-
danken wir Herrn Prof. Kjerülf (s. Tschermak, Porphyr-
gesteine Oesterreichs pag. 112):
Kieselsäure 58,05. Thonerde 17,71. Eisenoxydul 8,29.
Kalk 5,81. Magnesia 2,07. Kali 3,24. Natron 2,98.
Wasser 1,34.
Ueber die Varietäten von Predazzo und namentlich ihre
Contactbildungen besitzen wir eine vortreffliche Arbeit von
J. Lemberg in Dorpat (Contactbildungen bei Predazzo, Zeitschr.
d. d. geol. Ges. 1872 pag. 187 — 264). Obgleich eine syste-
matische Classification des „MonzonitV (Augit-Syenits) nicht
im Plane seiner Arbeit lag, so theilt Lemberg doch wichtige
Thatsachten in Betreff dieses Gesteins mit, namentlich in Bezug
auf die chemische Zusammensetzung desselben sowie die
Veränderung seiner Mischung in der Nähe der Kalkgrenze.
Lemberg erkannte schon den Augit neben der Hornblende
und dem Glimmer. Ausser Orthoklas wies er in dem normal
zusammengesetzten Gesteine vom Südabhange des Monte Mu-
latto (Kieselsäure 57,66 pCt.) Oligoklas nach; während statt
desselben nahe der Kalkgrenze Labrador vorhanden ist und
dem entsprechend der Kieselsäuregehalt des Gesteins fast um
10 pCt. herabsinkt, bei steigender Menge des Kalks. Auch
Anorthit wurde im Monzonit theils in grosskrystallinischen
mattweissen Körnern am Fusse der Margola nachgewiesen,
theils auf sein Vorhandensein im feinkörnigen Gestein vom
Fusse der Canzacoli, nahe der Kalkgrenze, aus dem geringen
Kieselsäure- (48,15 pCt.), dem hohen Kalkgehalte (11,44 pCt.)
des Gesteins geschlossen. — Unter dem Mikroskop lässt der
Augit - Syenit der Margola auf das Deutlichste vorwaltenden
Plagioklas neben etwas zurücktretendem Orthoklas erkennen;
ausserdem Augit und Magnesiaglimmer. Letzterer oft in
Quadratcentimeter grossen, trotz vielfacher Unterbrechung stets
wieder in einer Flucht einspiegelnden Blättern.
Das Studium des Monzoni lehrt uns demnach , dass —
früheren Ansichten entgegen — mit Orthoklas sich Augit
associiren könne. Diese Verbindung, welche in den trachy-
tischen Gesteinen bereits längere Zeit bekannt ist (eine der
ersten Wahrnehmungen dieser Art boten die Auswürflinge von
Laach , welche meist ein körniges Gemenge von Sanidin und
Augit sind), finden wir nun auch unter den plutonischen
357
Gesteinen wieder. Es ist bei der schwierigen Unterscheidung
von Augit und Hornblende wohl kaum zu bezweifeln , dass
dieselbe Mineralassociation auch bei anderen Syeniten vorliegt,
in denen man bisher nur Hornblende sah. Eine ausgezeich-
nete Varietät des Augit-Syenits scheint an einem leider noch
nicht näher bekannten Punkte der Pyrenäen vorzukommen.
Dies Gestein, welches der verewigte Dr. Krantz vor mehreren
Jahrzehnten unter der Bezeichnung Dol&ute granitoide von
Herrn Boubee in Paris mit der Ortsangabe „Pyrenäen" er-
hielt, ist ein Gemenge von vorherrschendem weissem Feldspath
in 5 bis 10 Mm. grossen Körnern und grünem Augit in bis
10 Mm. grossen prismatischen Krystallen , dazu spärliche
kleine Titanite (s. Pogg. Ann. Bd. 144 pag. 378). Die
ungewöhnliche Association liess die chemische Analyse dieses
Feldspaths wünschenswerth erscheinen:
Feldspath aus dem Augit-Syenit derPyrenäen:
Dieser Orthoklas zeichnet sich demnach durch seinen
hohen Natrongehalt aus. Von Kalk liess sich keine Spur
nachweisen.
Wenden wir uns nun zu denjenigen Gesteinen des Mon-
zoni-Massiv's , welche G. Rose und, ihm folgend, v. Richt-
hofen als Hypersthenit bezeichneten, und für welche wir den
von Tschermak (Porphyrgesteine Oesterreichs pag. 113) ge-
wählten Namen
Diabas beibehalten. Die Diabase des Monzoni bestehen
aus Labrador, Orthoklas, Augit, Magnesiaglimmer, Hornblende,
Titanit, Magneteisen, Eisenkies (nach Tschermak und Lem-
berg tritt auch Spinell hinzu. *) Nicht nur durch seine mine-
Spec. Gew. 2,549 Glühverlust 0,04.
Kieselsäure 64,86 Ox. = ?.
Thonerde 18,78
Kali 9,23
Natron 5,37
34,59
8,77
1,57
1,38
98,34
Sauerstoffproportion 1,009 : 3 : 11,832.
'") Der Spinell bezeichnet wohl immer ein durch den Contact des
Zeits. d. D. geol. Ges. XXVII. 2. 24
358
ralogische Constitution, sondern in gleicher Weise durch seine
Lagerungsform und den Uebergang in ein Orthoklasgestein
unterscheidet sich der Diabas des Monzoni von den typischen
Gesteinen dieses Namens, welche, niemals ein so gross- und
deutlich körniges Gemenge darstellend, Lagergänge im Devon
des rheinischen Gebirges und des Harzes bilden.
Aus Monzoni-Diabas besteht namentlich der mittlere Theil
des nördlichen Berggehänges, der Riccobetta-Gipfel, sowie die
ungeheuren Trümmerzüge, welche von dieser ragenden Höhe
und von der Monzonscharte (Buco) in den Piano hinab-
geführt werden und bis hinab nach Pera in Fassa in
Bezug auf Zahl der Blöcke vor denen des Augit-Syenits sehr
überwiegen. Durch dies Vorherrschen der Diabasblöcke in
der Val Monzoni erklärt es sich, dass manche Besucher, welche,
durch dies Thal wandernd , nur bis zum Piano oder an den
Fuss des Riccobetta gelangten , die Ansicht gewannen , dass
das ganze Monzongebirge aus augitischen Grünsteinen be-
stehe. — Das in dem angedeuteten Gebiete unter den losen
Blöcken herrschende, bald porphyrartige, bald körnige Gestein
lässt auf den ersten Blick zwei Bestandtheile erkennen: weisseu
Plagioklas und ein dunkelgrünes bis schwärzliches Mineral,
dessen Bestimmung, ob Augit, ob Hornblende? in der That
nicht ganz leicht ist. Man erblickt vielfach die Hornblende-
Spaltbarkeit, aber dieselbe ist faserig, unterbrochen, seiden-
glänzend, von Uralit-ähnlichem Ansehen. Längere Zeit glaubte
ich Hrn. de Lapparent beipflichten zu sollen , welcher im
herrschenden Gestein wesentlich oder ausschliesslich Hornblende
sah; es schien mir, dass das in Rede stehende Gestein am
Zutreffendsten als ein Diorit (Labrador-D.) zu bezeichnen sei.
Auch Tschermak (a.a.O. pag. 112) betont, dass das Monzon-
gestein in Diorit übergehe, und hat dabei ohne Zweifel die-
selbe Gesteins varietät vor Augen, von welcher v. Buch sagt:
„Die Hornblendekrystalle erscheinen darin deutlich und schön."
Da war es ein glücklicher Fund des Mineraliensammlers
G. Batt. Bernard zu Campitello: wohl ausgebildete Augit-
krystalle auf einer drusenähnlichen Fläche des von mir an-
Kalks , sei es an der Grenze , sei es in Umschlossenen Massen , modifi-
cirtes Mineralgemenge.
359
fänglich für Diorit gehaltenen Gesteins, wodurch ich zu einer
erneuten Prüfung veranlasst wurde und erkannte, dass die
meiste Hornblende der Monzonigesteine den Charakter des
Uralits besitzen, wenngleich neben diesem räthselhafteu Körper
auch echte Hornblende vorkommt.
Bevor wir indess die herrschenden Diabasvarietäten ge-
nauer betrachten, wollen wir gleichsam als Schlüssel zu den-
selben zwei Gesteine kennen lernen , von denen das eine ein
typisches Augit - Labradorgestein, gleichsam ein Dolerit der
mittleren geologischen Epoche, ist, während das andere, ein
prachtvoll grosskörniges Gemenge aus Labrador, Augit, Horn-
blende, Magnesiaglimmer und Magneteisen , uns die überaus
innige Verbindung von Augit und Hornblende kennen lehrt,
welche in den Diabasen des Monzoni stattfindet.
Das Augit - La bradorgestein (Diabas), geschlagen
von mächtigen Blöcken im Piano, wahrscheinlich gangförmige
Massen im Monzoni-Massiv bildend, besteht aus vorherrschen-
dem schwarzem Augit in \ bis 1 Mm. grossen, deutlich aus-
gebildeten Krystallen der gewöhnlichen Form (verticales Prisma
oc P nebst Ortho- und Klinopinakoid ool* oc und (ooPoc)
und der Hemipyramide s, P), — und weissem Plagioklas. In
einzelnen Partieen des Gesteins tritt dieser Plagioklas in
grösseren, doch nicht regelmässig begrenzten Körnern und in
flachen linsenförmigen Ausscheidungen auf, während in anderen
Partieen Augit und Plagioklas ein kleinkörniges Gemenge
bilden. Als accessorische Gemengtheile erscheinen: gelber
Titanit und Apatit. Letzterer, in dünnen fettglänzenden Pris-
men , findet sich besonders dort , wo der Plagioklas etwas
grössere Ausscheidungen bildet. Hornblende fehlt nicht ganz;
sie erscheint theils in schwarzen Prismen von etwas bedeu-
tenderer Grösse als der Augit, theils mit dem Ansehen von
grünem , auf den Spaltungsflächen seidenglänzendem Uralit.
Das polarisirende Mikroskop lehrt, dass neben sehr vorherr-
schendem Plagioklas eine sehr kleine Menge von Orthoklas
vorhanden ist.
24*
360
Plagioklas des A u gi t - Lab r a do rgest ei n s :
Spec. Gew. 2,707 Glühverlust 0,56.
I.
II.
Mittel
Kieselsäure .
. 51,81
51,81 Ox.
== 27,63
Thonerde . .
. 30,46
30,25
30,35
14,17
Kalk
. 12,33
11,84
12,08
3,45
Magnesia . .
. 0,05
0,15
0,10
0,04
Kali
2,63
2,63
0,45
2,85
2,85
99,82
0,735
Sauerstoffproportion 0,989 : 3 = 5,849.
Dieser Plagioklas ist demnach als ein Labrador mit hohem
Kaligehalt zu bezeichnen. Mit Rücksicht auf die mikrosko-
pische Analyse ist es nicht unwahrscheinlich, dass selbst das
sehr sorgsam ausgesuchte Material eine kleine Menge von
Orthoklas beigemengt enthielt, und dass sich hierdurch we-
nigstens ein Theil des Kaligehalts erklärt. Eine mit dem
Ergebnisse der Analyse vergleichbare Mischung erhalten wir,
wenn wir eine Verbindung von 1 Mol. Orthoklas , 3 Mol.
Albit und 12 Mol. Anorthit berechnen:
Kieselsäure 52,59. Thonerde 30,03. Kalk 12,27.
Kali 1,72. Natron 3,39.
Auf Gewichtstheile berechnet, würde jenem Molecular-
Verhältniss entsprechen: 10,2 pCt. Orthoklas, 28,7 pCt. Albit,
61,1 pCt. Anorthit. Nach Abzug des als mechanisch beige-
mengt zu betrachtenden Orthoklases , bleiben demnach fast
genau 90 pCt. eines Labradors übrig, welcher (im Sinne der
TsOHERMAK'schen Theorie) als eine isomorphe Mischung von
1 Mol. Albit -)- 4 Mol, Anorthit zu betrachten ist, für welche
sich folgende procentische Zusammensetzung berechnet:
Kieselsäure 51,22. Thonerde 31,34. Kalk 13,66.
Natron 3,78.
Dieselbe entspricht einem Plagioklas, welcher eine Zwischen-
stellung zwischen dem typischen Labrador und dem Anorthit
einnimmt. Von ähnlicher Zusammensetzung ist der „etwas
verwitterte weisse Labrador aus dem Monzonit in der Nähe
des Kalks von Cauzacoli " , welchen Lemberg analysirte
361
(Zeitschr. d. d. geol. Ges. 1872 pag. 189), sowie der von
Damour untersuchte Labrador aus einer Lava vom Berufjord in
Island, und der von Ludwig, Rammelsberg und mir analysirte
Labrador aus dem Norit des Närödal's.
Jenes oben erwähnte grosskörnige Gestein, in den Block-
meeren des Piano sich findend , welches eine so merkwürdige
Verwachsung von Hornblende mit Augit darbietet, besteht aus
weissem Labrador, Augit, Hornblende, Biotit und Magneteisen,
sowie etwas blättrigem Kalkspatb. Der Augit, von dunkel-
grüner Farbe, bildet bis 4 Cm. grosse Krystallkörner j die
Hornblende ist gleichfalls grün , doch mit einem Stich in's
Braune, durch den stumpfen Winkel und die Vollkommenheit
der Spaltungsrichtungen leicht vom Augit zu unterscheiden.
Die in geringerer Menge vorhandene Hornblende ist nun auf
das Innigste mit dem Augit verwachsen. Krystallkörner des
letzteren Minerals (2 bis 3 Cm. gross) bestehen theilweise aus
Hornblende in paralleler Verwachsung. An einem 1 Cm.
grossen Krystallkorn war auf der einen Seite die Hornblende-
spaltung auf das Deutlichste ausgesprochen ; als ich nun das
Korn um die verticale Axe drehte, fand ich auf der Hinter-
seite den Hornblendebruch nicht mehr, sondern statt desselben
die unvollkommenere unterbrochene Spaltbarkeit des Augits.
Bei der nur geringen Farbenverschiedenheit beider Substanzen
trat die Grenze wenig auffallend vor. Im Querbruche verlief
sie unregelmässig, das Korn in zwei Hälften theilend. Augit
und Hornblende sind beide gleich frisch und glänzend; nichts
würde hier die Annahme einer secundären Bildung der einen
aus der anderen Substanz rechtfertigen. Die innige Verbin-
dung, in welcher hier die beiden so nahe verwandten und
fast als heteromorph betrachteten Mineralien erscheinen, for-
derte dazu auf, auch ihre chemische Constitution wenigstens
insoweit zu erforschen , um eine Vergleichung beider zu er-
möglichen. Es war in diesem Falle von besonderem In-
teresse, die Frage zu beantworten, ob beide Mineralien eine
wesentlich gleiche oder eine verschiedene Zusammensetzung
besitzen.
362
Augit, Hornblende,
mit einander verwachsen.
Spec. Gew. . 3,317 3,112
Kieselsäure . . 49,60 49,25
Thonerde . . . 4,16 5,83
Eisenoxydul. . 9,82 16,97
Kalk 21,86 . 13,03
Magnesia . . . 14,42 13,13
99,86 98,21
Augit und Hornblende besitzen also hier trotz ihrer innigen
Verbindung und bei gleichem Kieselsäuregehalt dennoch eine
verschiedene relative Menge der Basen. Recht bemerkens-
werth ist auch, dass der Augit trotz seines viel geringeren
Eisengehalts ein wesentlich höheres spec. Gewicht besitzt. Es
deutet diese Thatsache auf eine verschiedene molekulare Con-
stitution und widerlegt die mehrfach ausgesprochene Ansicht,
dass Augit und Hornblende lediglich als dimorph verschiedene
Mineralien zu betrachten seien. Der Augit gehört der Varietät des
Fassaits, dem thonerdehaltigen Kalk-Magnesia-Eisen=Augit an;
während die Hornblende dem Pargasit (Dana), der thonerde-
haltigen Kalk-Magnesia-EiseusHornblende zuzuzählen ist. —
Aehnliche innige Verbindungen von Augit und Hornblende, wie
wir sie bei jenem grosskörnigen Augit -Labrador -Gestein er-
kannt haben , walten nun auch bei den herrschenden Diabas-
varietäten.
Der Diabas des Monzoui (Monte ßiccobetta etc.) besteht
wesentlich aus Labrador (neben welchem , wie schon eine
recht sorgsame Betrachtung mittelst der Lupe und noch deut-
licher die Untersuchung durch das polarisirende Mikroskop
erweist, gewöhnlich etwas Orthoklas vorhanden ist), Augit,
Hornblende, Magnesiaglimmer, Magneteisen, Titanit, Apatit.
Als accessorische Gemengtheile , theils in der Grundmasse,
theils in Drusen, sind zu nennen: Turmalin, Granat, Zirkon,
Epidot, Axinit; Chabasit, Prehnit , Kalkspath. — Das Ge-
stein besitzt ein sehr verschiedenes Korn; bald grobkörnig,
bald feinkörnig, auch porphyrartige Varietäten sind häufig; in
ihnen bildet entweder der PJagioklas in körnigem Gemenge
eine Art Grundmasse, in welcher die Augitkörner inneliegen,
oder es besteht die Grundmasse aus körnigem Augit resp.
363
Hornblende, in welcher isolirte Plagioklase ausgeschieden
sind. Auch sehiefrige Abänderungen kommen vor, in denen
die Plagioklas- Tafeln eine angenähert parallele Lage haben.
Ueber das mikroskopische Verhalten der Diabase des Mon-
zoni verdanke ich Hrn. Prof. Rosenbüsch folgende wichtige
Mittheilung:
„Sämmtliche Proben sind vorwiegend Gemenge aus einem
triklinen Feldspathe, neben welchem aber zweifelsohne auch
ein monokliner Feldspath vorhanden ist in einfachen Krystallen
und Carlsbader Zwillingen, welchen bisweilen die triklinen
polysynthetischen Individuen eingelagert sind. Doch überwiegt
entschieden der Plagioklas. — Neben dem oft recht frischen
Augit, der ganz demjenigen der Diabase des rheinischen
Devons oder der Harzer Diabase ähnelt und sich nur in
manchen Durchschnitten (zumal normal zur Hauptaxe mit
deutlich erkennbarem Spaltwinkel von 87 °) stärker dichroi-
tisch zeigt, als dies gewöhnlich der Fall ist — etwa mit Aus-
nahme des Augits in den Nephelin- und Leucitgesteinen , bei
denen sich gleichfalls recht oft ein deutlicher Pleochroismus
einstellt — findet sich ein brauner, rhombischer Glimmer, der
wohl zum Phlogopit gehört und ferner als ursprüngliches Mi-
neral auch Hornblende , sehr deutlich erkennbar durch ihre
Blätterdurchgänge und durch die Lage der optischen Con-
stanten. Weit interessanter aber als dieses Vorkommniss ist
das Auftreten der Hornblende in der Form des Uralits. Zu-
weilen fasert sich ein grösseres Augit-Individuum an einem
Ende in Uralitprismen aus. Dies ist eine in älteren Augit-
gesteinen so überaus häufige Erscheinung, dass ich es nicht
für der Mühe werth gehalten haben würde, sie zu erwähnen,
wenn ich nicht in dem Monzonigestein zum ersten Male damit
verknüpft ein Phänomen wahrgenommen hätte, welches ich
früher nie beobachtete. In allen bisher zu meiner Beobach-
tung gelangten Fällen waren nämlich die parallel liegenden
Uralitsäulchen auch optisch genau parallel orientirt. Hier ist
das an einigen Stellen anders, und es liegen die Auslöschungs-
richtungen oder Elasticitätsaxen in benachbarten Uralitfasern,
die durchaus parallel erscheinen, wie sie in den Hälften eines
normalen Amphibol - Zwillings liegen müssen. Die Erschei-
nung ist durchaus nicht zu verwechseln mit der in meiner
Physiographie pag. 316 angedeuteten, wo ursprüngliche Augit-
364
Zwillinge in zwei Complexen zu unter sich parallelen Uralit-
kryställchen verwandelt sind. Bei den in Frage stehenden
Uraliten aus dem Monzoni-Gestein ist ein einheitliches Augit-
Individuum in parallele Uralit - Aggregate verwandelt, deren
einzelne Säulchen zu einander in der Amphibol - Zwillings-
stellung sich befinden. Freilich findet sich die Erscheinung
nur in einem der Präparate, und ich bin in Bezug auf die ehe-
malige Augitnatur insofern nicht absolut sicher, da die in Rede
stehenden Uralit - Aggregate keinen Augitkern mehr enthalten,
und die äussere Umgrenzung nicht als Beweis dienen kann.
Indessen liegen so mannigfache Uebergänge aus diesem Falle
durch ganz normale und unzweifelhaft als solche nachweis-
bare Uralite in die frischen Augite vor, dass mir kaum ein
Zweifel bleibt."
Eine besonders schöne Varietät des Diabas wurde ge-
wählt, um den Plagioklas auszusuchen und zu analysiren.
Das Gestein besitzt ein porphyrartiges Gefüge; weisse, tafel-
förmige Plagioklase liegen in einer wesentlich aus innig ver-
wachsener, Uralit -ähnlicher Hornblende bestehenden Grund-
masse. Die Plagioklase, bis 2 Cm. gross, 5 Mm. dick, sind
sämmtlich Doppelzwillinge, indem zunächst zwei oder meh-
rere Individuen nach dem Carlsbader Gesetze des Orthoklas
d.i. ,,Drehungsaxe die Verticale" verbunden sind; jedes dieser
Individuen dann wieder aus zahllosen feinsten Lamellen be-
steht, welche nach dem Albitgesetze ,,Drehungsaxe normal
zum Brachypinakoid M" verbunden sind.
Plagioklas aus dem Diabas des Monzoni.
Spec. Gewicht 2,690. Glühverlust 1,36 pOt.
Kieselsäure .
. . 55,83
Ox. 29,78
Thonerde . .
. 27,57
12,87
Eisenoxydul .
. 1,29
0,29
Kalk
. 7,03
2,29
Kali
. 3,56
0,605
. 4,09
1,055
99,37
Sauerstoffproportion 0,988 : 3 : 6,942.
Suchen wir, wie es auch oben geschehen, eine Verbin-
dung von Orthoklas, Albit und Anorthit zu berechnen, in wel-
365
chem der erstere mechanisch beigemengt, die beiden triklinen
Feldspathe als in isomorpher Mischung zu betrachten sein
würden, so gelangen wir zu weniger übereinstimmenden Resul-
taten als oben (die Ursache werden wir alsbald durch die mikro-
skopische Betrachtung erkennen). Eine Verbindung von 1 Mol.
Orthoklas, 2 Mol. Albit, 4 Mol. Anorthit ergiebt nämlich:
Kieselsaure 57,32. Thonerde 26,44. Kalk 8,23.
Kali 3,46. Natron 4,55.
Es gelingt offenbar nicht, durch eine Verbindung nach
anderem Verhältniss Werthe zu erhalten , welche sich den
Zahlen der Analyse mehr nähern. Nehmen wir in der Ver-
bindung mehr Anorthit an, so nähert sich zwar die berech-
nete Kieselsäure mehr dem gefundenen Werthe , doch gleich-
zeitig wird die Abweichung in den Zahlen der Thonerde noch
grösser.
Im mikroskopischen Schliffe zeigen die Labradorkörner
(als deren ideale Mischung wir 1 Mol. Albit -f- 2 Mol. Anor-
thit annehmen dürfen) eine meist unreine Beschaffenheit. Es
gewinnt den Anschein, als ob dieselben sich aus der Grund-
masse nicht völlig abzusondern vermocht hätten. Die Pla-
gioklaskörner sind gleichsam verschleiert, sodass partieenweise
der krystallinische Charakter zurücktritt und die Substanz aus
einem unreinen Gemenge von Grundmasse und Mikrolithen
besteht. Interessant ist es, zu beobachten, wie die Plagioklas-
streifung sogleich deutlich dort wieder einsetzt, wo die Ver-
unreinigungen und Wolken etwas zurücktreten. Man gewinnt
die Ueberzeugung, dass hier eine unvollkommene Ausscheidung
krystallinischer Körner aus einer widerstrebenden Grundmasse
vorliegt, in welcher die Elemente von Plagioklas und Orthoklas
zum Theil noch nicht getrennt sind. Diese Ansicht stützt
sich auf die oben angegebene Thatsache , dass viele Diabas-
varietäten , welche unter dem Mikroskop als ein reineres
krystallinisches Gemenge erscheinen, neben sehr vorherrschen-
dem Plagioklas auch etwas Orthoklas erkennen lassen. —
Die Hornblende des in Rede stehenden porphyrartigen Diabas
zeigt unter dem Mikroskop ein verworren fasriges Gefüge;
sie ist zu strahlig- büschligen Partieen gruppirt. Augit fehlt
nicht. Stets sind Glimmer und Magneteisen vorhanden.
Nachdem dieser porphyrartige Diabas , indem er eine
mechanische Aussonderung gestattete, uns die chemische Mi-
366
schung des constituirenden Plagioklas kennen gelehrt, wenden
wir uns zu dem zweiten wesentlichen Gemengtheil der Mon-
zoni-Diabase, dem Augit. .
Im Diabas des Monzoni tritt zuweilen der Plagioklas fast
ganz zurück, und das Gestein verwandelt sich so in einen fast
reinen Augitfels. Solcher Art ist die Varietät, welche zuweilen in
Drusen deutlich ausgebildete Augite
führt. Diese von Bernard aufge-
fundenen Krystalle sind von dunkel-
lauchgrüner Farbe bis 1 Cm. gross.
Ihre Form (s. nebenstehende Figur,
eine grade Projection auf die Ho-
rizontalebene) , ähnlich derjenigen
mancher Augite von Traversella, ist
eine Combination folgender Flächen :
s = (af : b : c), P
u = (a:b:c), — P
o = (|a':^:c), 2P
z =1 (ooa:|b:c), (2 Poe)
p = (a':oob:c), + P oo
m = (a:b:ooc), oo P
a == (a : oo b : oo c), ooPoo
c = (ooa:oob:c), oP
Einer dieser Krystalle war glattflächig genug, um die
Messung mehrerer Winkel mit dem grossen Goniometer zu
gestatten :
m:m' = 87° 16' 87° 10' (Winkel des gelben
m:z == 131 51 131 54 Augits vom Vesuv)
Das Gestein , welches diese Augite führt, hat eine etwas
drusige Structur ; in den kleinen Hohlräumen finden sich
Körner von Kalkspath. Auch jener porphyrartige Diabas, aus
welchem die Plagioklaskörner zur Analyse ausgesucht wurden,
enthält — wie das mikroskopische Studium lehrte — etwas
Kalkspath, kleine drusenähnliche Räume erfüllend. Polari-
sirtes Licht lässt eine grosse Zahl von Zwillingslamellen,
parallel — ^ R, erkennen. — Nachdem man einmal von dem
Vorhandensein des Augits in diesen Monzoni - Diabasen sich
überzeugt, erkennt man ihn überall wieder. Seine Farbe ist
367
gewöhnlich schwärzlicbgrün, doch auch zuweilen fast schwarz.
Bisweilen wird man durch glänzende schwarze Flächen auf
dem Gesteinsbruch überrascht; sie entsprechen dem Ortho-
pinakoid (Querfläche). Neben dem Augit tritt in den Monzon-
Diabasen meistens Hornblende deutlich hervor; viele Varietäten
lassen keinen Augit erkennen , sondern nur Hornblende von
dunkelgrüner Farbe, mit seidenglänzenden Spaltflächen. Diese
Hornblende besitzt ganz den Charakter des Uralits. Kleinste
Magneteisenpunkte, welche diese Uralit - ähnliche Hornblende
erfüllen , erinnern daran , dass auch der Uralit von Arendal
(Hornblende in Augitform) von Magneteisen gewöhnlich be-
gleitet ist. Selten nur lässt der Uralit in unsern Diabasen
deutlich die Augitform erkennen. Erst allmälig gelangt man
demnach zu der Ueberzeugung, dass man es nicht mit echter
Hornblende zu thun hat. So erklären sich die Worte v. Bdch's
(1824): „Die Hornblendekrystalle des Monzon - Syenits sind
deutlich und schön ; ihr blättriger Bruch lässt sie fast an
jedem Bruch gar deutlich erkennen; sie sind gewöhnlich nicht
schwarz, sondern lauchgrün." Vierzig Jahre später glaubte
auch de Lapparent (a. a. O. pag. 258) dieser Wahrnehmung
durchaus zustimmen zu müssen, indem er von dem Hyperstbe-
nite Rose's und v. Richthofen's sagt: „je n'ai pu y voir
autre chose que de Pamphibole avec mica, fer oxydule et py-
rite au milieu du labradorit. Partout ou la matiere fibreuse
verte, sur laquelle il pourrait y avoir doute, se presente en
cassures nettes, on y reconnait le double clivage de l'amphi-
bole.u Die Frage , ob diese uralitische Hornblende wirklich
aus Augit entstanden ist, wage ich nicht zu entscheiden.
Häufig erglänzen auf den vielfach unterbrochenen Spalt-
flächen der Hornblende kleine Glimmer-Täfelchen. Die grösse-
ren Glimmer - Tafeln bilden häufig unterbrochene oder auch
getrennte Partieen , welche trotz vielfacher Unterbrechungen
durch Plagioklas und Hornblende stets wieder in denselben
Ebenen einspiegeln. Noch ausgezeichneter wie am Monzoni
zeigt sich diese Erscheinung an dem Gestein der Margola bei
Predazzo.
Ein ungewöhnlicher Bestandtheil der Diabase ist der Tur-
malin von schwarzer Farbe, dessen schon v. Büch Erwähnung
thut: „Quarz sehe ich nie, wohl aber Turmalin in ansehn-
lichen, aus einem Mittelpunkt sich verbreitenden Krystallen."
368
Die büschelförmig gruppirten Turmalin - Nester erinnern sehr
an das gleiche Vorkommen im rothen Turmaliugranit von
Predazzo.
Der Diabas des Monzoni führt ausser den genannten noch
folgende Mineralien, welche nicht sowohl im Gemenge, als in
Drusen und auf Kluftflächen sich finden: Granat, Epidot,
Axinit, Chabasit, Prehnit. Der Granat von brauner Farbe,
in der Combination des Dodekaeders mit dem Ikositetraeder
20 2, ist selten, die Krystalle nur klein, in Begleitung von
Epidot Kluftfläche bedeckend. Derber brauner Granat bildet
zuweilen zollmächtige unregelmässige Gangschnüre. Den Axinit
vom Monzoni kannte bereits v. Senger in seiner „Oryktognosie
Tyrols", welche Angabe in viele Lehrbücher übergegangen ist.
Doch wurde in dem verdienstvollen Werke ,,Die Mineralien
Tyrols" von Liebener und Vorhauser jenes Vorkommen nicht
anerkannt, „weil in keiner Sammlung Tyrols ein Exemplar
zu finden war und deshalb eine Täuschung vermuthet wurde."
Ich fand dann den Axinit nahe dem höchsten Kamm , un-
mittelbar unter der Monzonischarte (Nordabhang) wieder auf
(s. Pogg. Ann. Bd. 128 pag. 44). Er bildet in Begleitung von
braunem Granat und Kalkspath zollmächtige Gangschnüre im
Diabas. Bis jetzt ist er nur in krystallinisch blättrigen Massen,
nicht in ausgebildeten Krystallen vorgekommen. Der Axinit
ist ein in den Alpen immerhin seltenes Mineral, indem es wohl
nur zu Saint-Christophe en Oisans, im Medelser Thal (Grau-
bünden) am Monzoni, sowie (nach Des Cloizeaux) am Montan-
vert vorkommt.*) Den Zirkon beobachtete ich nur ein einziges
Mal in Begleitung von Epidot und Albit in einer Druse des
Diabas von Allochet, welcher daselbst untergeordnete Partieen
im Syenit zu bilden scheint. — Bereits v. Büch kennt den
Chabasit vom Monzoni: ,, Zu den Sonderbarkeiten dieses Ge-
steins, sagt er, gehört es, dass man nicht selten Klüfte des
Gesteins auf beiden Seiten mit sehr schönen vollkommenen
Rhomboedern von Chabasie besetzt sieht."
Das Vorkommen der genannten Mineralien beobachtet
man am besten, wenn man vom Piano zur Monzoni -Scharte,
ca. 800 M. , emporsteigt, auf welchem Wege sich auch die
*) v. Zepharovich führt Axinit auch vom Villanderer Berg bei
Klausen an (Min. Lexicon f. Oesterreich II. Bd. 1873).
369
verschiedenen Varietäten des Diabas vortrefflich darbieten.
Von der Fassaitlagerstätte (deren Schilderung weiter unten)
steigt man steil und steiler in einer schmalen, sich endlich zu
einer Scharte verengenden Felsschlucht empor. Das Gestein
ist im Ansehen sehr wechselnd , bald reich an Plagioklas und
licht, bald reich an Augit oder Uralit - ähnlicher Hornblende,
dann dunkel. Die Ablösungsflächen der Felsen sind vielfach
mit Serpentin überzogen. Chabasit überkleidet streckenweise
alle Gesteinsklüfte. Ich sah auf der Felsenwanderung zahl-
reiche unregelmässige Gänge verschiedener Gesteinsvarietäten:
lichte Gänge auf dunklem Grunde, auch gangähnliche Serpentin-
massen auf lichterem Grunde. Auch fand ich kubikfussgrosse
Blöcke von braunem derbem Granat, mit Kalkspath gemengt;
zuweilen beide Mineralien in Zonen geordnet. Prehnit sah
ich in zerfressenen Quarzgängen, welche oben auf der Kamm-
höhe erscheinen. Auch im Toal dei Rizzoni soll das Mineral
vorkommen. Zahlreiche Gänge einer serpentinreichen Gesteins-
varietät setzen auf der schneidigen First des Kammes auf,
welcher in schnellerem Wechsel aus lichteren und dunkleren
Massen besteht. Man glaubt zu bemerken , dass es diese
serpentinisirten, leichter verwitterbaren Massen gewesen, welche
zu den Brechen-ähnlichen Einbrüchen der First Veranlassung
boten.
Vom Diabas , dem Augit - Labrador - Gestein, möchte ich
trennen einen Gabbro, Diallag- Labrador -Gestein, welches,
wenngleich nur untergeordnet, am Monzoni vorkommt. Diese
Felsart, welche ich in losen Blöcken unmittelbar vor dem
Anstieg vom Piano zu den Seile fand, zog durch seine Schön-
heit und Grobkörnigkeit (1 bis 2 Cm. Korngrösse) meine Auf-
merksamkeit auf sich. Dieser Gabbro ist ein Gemenge von
Labrador, Diallag-ähnlichem Augit, Olivin, wenig Magnesia-
glimmer, Magneteisen. Der Labrador zeigt unter dem pola-
risirenden Mikroskop deutliche Zwillingsstreifung. Der Diallag,
von schwarzer Farbe, bildet unregelmässig begrenzte Körner,
an welchen drei deutliche Spaltungsrichtungen gemessen wer-
den konnten. Von diesen sind zwei gleich deutlich und
schneiden sich unter ca. 944 0 ; sie entsprechen dem verti-
calen Prisma des Augits. Die dritte Spaltbarkeit, vollkom-
mener als die beiden erstgenannten, stumpft die scharfe Kante
derselben ab, gehört also dem Orthopinakoid an. — Im Dünn-
370
schliff ist der Diallag lichtgrün, mit schönen concentrischen
Anwachsringen. Bemerkenswerth sind zahllose feinste Sprünge
oder Spalten, welche, in fwei sich unter etwa 105° schneiden-
den Richtungen geordnet, die DiallagkÖrner durchsetzen. Diese
schwarzen Spaltlinien erscheinen nicht gleichmässig im Diallag-
korn, sondern gleichsam schwarmweise vertheilt, vergleichbar
den schwarzen Liniengruppen , welche Prof. Rosenbusch in
seinem vortrefflichen Werke (Mikrosk. Physiogr. s. Taf. VIII.
Fig. 48 pag. 263) am Anthophyllit darstellt. Bei dem Diallag
vom Monzoni ist zum Unterschied von jenem Anthophyllit die
Streifung stets eine zweifache. Nicht unwahrscheinlich ist es,
dass diese Spaltsysteme mit einer beginnenden Umänderung
zusammenhängen. Von besonderem Interesse ist das Vorkommen
des Olivins, welcher bisher in den Monzonigesteiuen noch nicht
beobachtet wurde. Unter dem Mikroskop sind die Krystalle
mit aller Sicherheit zu erkennen , sowohl an ihren Umrissen,
als auch an ihren zahlreichen, etwas gekrümmten Sprüngen,
in denen eine Zersetzung der Körner beginnt, sowie endlich
an ihrer eigenthümlich rauhen oder „sanft wellig gekräuselten"
Oberfläche (RosenbüSCh). Häufig sind die Olivinkörner im
Diallag eingewachsen. Einmal durch die mikroskopische Be-
trachtung auf das Vorhandensein des Olivins aufmerksam,
gelingt es auch , auf dem frischen Gesteinsbruche den wenig
spaltbaren, glasglänzenden, licht grünlichgelben Olivin zu er-
kennen und vom dunklen, blättrigen Diallag zu unterscheiden.
Das Vorkommen des Olivins ist auch insofern von Interesse,
als seine Association mit Diallag eine nicht ungewöhnliche ist,
z. B. im schwarzen Gabbro von Neurode (s. G. Rose, diese
Zeitschr. 1867 pag. 276).
Labrador aus dem Gabbro vom Monzoni:
Spec. Gew. 2,668. Glühverlust 0,49.
I.
II.
Mittel
Kieselsäure
, . 55,51
55,51
Ox. = 29,60
Thonerde .
. . 28,81
29,10
28,99
13,53
Kalk
, . 9,61
9,21
9,41
2,69
Kali
2,51
2,51
0,42
4,48
4,48
100,90
1,15
Sauerstoffproportion 0,945 : 3 - 6,563.
371
Dieser Plagioklas stimmt demnach nahe überein mit einem
Labrador aus dem Diorite des Veltlin , welcher mit Horn-
blende associirt ist (s. Pogg. Ann. Bd. 144 pag. 246). .
Kieselsäure 55,15. Thonerde 29,56. Kalk 9,58.
Kali 0,80. Natron 5,23.
— entsprechend einer Mischung von 1 Mol. Albit -f~ 2 Mol.
Anorthit.
Herr Prof. Websky hatte die Güte, sich der optischen
Untersuchung des schwarzen Diallags zu unterziehen. Der-
selben zufolge liegen die optischen Axen in der Symmetrie-
Ebene. ,,Die Bissectrix ist positiv und bildet mit einer Nor-
malen auf die Basis (ca. 74° geneigt zur Verticalaxe) einen
Winkel von 2° 54' nach vorne geneigt. Die Axenapertur
2 V — 45° 42'. Die optische Normale bildet einen Winkel
von 18° 55' mit der Normalen zur Querfläche (dem Ortho-
pinakoid). Nach Des Cloizeatjx giebt Pyroxen: positive
Bissectrix 22° 53' gegen die Normale auf die Basis, gleich-
falls nach vorne geneigt. 2 F = 58u 59'; die optische Nor-
male bildet 38° 54' mit einer Normalen auf die Querfläche.
— Dagegen macht beim Achmit die optische Normale einen
Winkel von 7° mit der Normalen auf die Querfläche und lie-
gen von ihr die optischen Axen weit ab.'4 (s. auch Roseebüsch,
Mikrosk. Physiographie pag. 294, 303). Von Herrn Prof.
Websky rührt auch die Bestimmung dieses Minerals als Diallag
her. — Durch den Nachweis des schwarzen Diallags am Mon-
zoni erhält die Angabe G. Rose's über das Vorkommen des
Hypersthens daselbst wenigstens eine gewisse Bestätigung
(gegenüber der Behauptung de Lapparent's , dass nur Horn-
blende in jenen Gesteinen sich finde), wenn man erwägt, dass
man damals kein Mittel besass, die schwarzen Diallagvarie-
täten vom Hypersthen zu scheiden.
Schwarzer Diallag vom Monzoni:
Spec. Gew. 3,365.
Kieselsäure . . 45,88 Ox. =t 24,47
Thonerde . . . 5,10 2,38
Eisenoxydul. . 12,62 2,80
Kalk 20,30 5,80
Magnesia . . . 13,81 5,52
97,71
372
Diese Analyse ist leider, wie der Verlust ergiebt, nicht
gauz befriedigend. Die Kieselsäure scheint etwas zu gering
bestimmt zu sein. Ob der Verlust hier stattgefunden, oder
ob durch fein beigemengten Olivin der Kieselsäuregehalt herab-
gedrückt erscheint, wage ich nicht zu entscheiden. Der
schwarze Diallag vom Monzoni erinnert an den braunen üiallag
aus dem schwarzen Gabbro von Neurode , welches Gestein
auch dadurch dem Gabbro des Monzoni gleicht, dass es Olivin
als wesentlichen Gemengtheil enthält (s. diese Zeitschr. 1867
pag. 281).
Lernen wir nun einige der Mineralfundstätten*) des Mon-
zoni kennen, welche an den Contact von Eruptivgestein und
Kalk gebunden sind. Eine der ausgezeichnetsten ist das
Fassaitlager auf der Nordseite des Berges , unterhalb der
Scharte. Dasselbe wurde von Bersard aufgefunden ; es hat
viele treffliche Krystalle geliefert. Die Lagerstätte ist eine
ellipsoidische Masse von krystallinischem Kalkstein, rings um-
schlossen von Diabas. Die Kalkscholle ist auf einer Strecke
von etwa 50 M. im Streichen entblösst, während ihre verti-
cale Mächtigkeit etwa 5 M. beträgt. Diese Kalkmasse wird
indess durch eine schmale Diabasbank oder -lagergang in
zwei Theile gesondert. Der Diabas ist in der Nähe des Kalks
zu Serpentin verändert, und auch der Kalkstein ist von Ser-
pentin durchzogen ; er ist eine Art von Ophicalcit. Im un-
mittelbaren Contact beider Bildungen fanden sich die berühmten
lichtgrünen Fassaite, deren Drusen — ursprünglich von spä-
thigem Kalk erfüllt — erst durch die Verwitterung blosgelegt
wurden. Diese Fundstätte liegt etwa 2100 M. hoch. — Das
Kalklager, welches die Fassaite führt, setzt, auf weite Strecken
durch Felsgerölle unterbrochen, sowohl nach Ost als nach
West fort. In letzterer Richtung hebt sich das Kalklager oder
der Zug an einander gereihter mächtiger Schollen erst allmälig,
dann schneller am felsigen Gehänge bis zu einem der höchsten
Monzonigipfel empor. Einige hundert Schritte südwestlich von
der Fassaitfundstätte ragt aus den Diabasfelsen ein wohl 12 M.
in jeder Richtung messender lichter Kopf von krystallinischem
*) Die Entdecker der Monzoni - Mineralien waren — soviel ich er-
kundete — die beiden Brüder Aiücstin aus Fassa. Ihnen folgte im
mühevollen Berufe des Krystallsuchens G. B. Beknahd in Campitello.
373
Kalk hervor. Derselbe verräth durch seine körnige Beschaffen-
heit den metamorphischen Einfluss des Eruptivgesteins ; Con-
tactmineralien finden sich indess hier nicht. Weiterhin bedecken
wilde Steinhalden den anstehenden Fels , sie lehnen sich an
pralle unersteigliche Wände, welche unmittelbar unter dem
westlichen Monzonigipfel , umgeben von dunklem Diabas oder
Syenit, lichtere Kalkstreifen erkennen lassen. Als ich zur
Palla verde (über welche man den Ursprung des Pesmeda-
thals erreichen kann) , westlich des genannten Gipfels, empor-
stieg, erblickte ich deutlich unterhalb des Gipfels eine mäch-
tige Kalkmasse. Sie erschien in Straten gesondert und von
Gängen durchsetzt. Es ist unmöglich, an diese Stelle zu ge-
langen, doch finden sich in der Blockhalde, welche von dort
gegen das Piano herabzieht, Blassen von körnigem Kalk mit
gelbem Vesuvian*) in schönen Krystallen zugleich mit kleinen
Fassaiten. Auf diesen Punkt beziehen sich die Worte von
Büch's : „Man sieht von unten recht deutlich, wo der Vesuvian
anstehend ist; aber noch hat ihn Niemand dort auf seiner
Lagerstätte in der Nähe gesehen. Es ist ganz oben am Gipfel
ein oberes Lager von grosser Mächtigkeit, doch von geringer
Erstreckung. Es fallen dort beständig Blöcke herunter, ein
Gemenge von blauem Kalkspath mit Vesuvian, eines der
schönsten Gemenge, welches die Gebirge aufweisen können. tt
— Gegen Osten von der erstgenannten Fassaitfundstätte findet
sich das Kalklager am Fusse jenes vom Riccobettaberg gegen
Nord vorspringenden, zerbrochenen Felsrückens wieder (siehe
Taf. IX. Fig. 2), sinkt dann aber zum Piano hinab, unter
dessen Felsmeer sowohl jenes Lager als auch die Gesteins-
grenze sich verbirgt. Während am Nordabhange des Ricobetta-
berges die Fundstätten der Mineralien rings umschlossenen
Kalkschollen angehören, liegen sie am nordöstlichen Ende des
Gebirges bei le Seile auf der Grenze zwischen Syenit und den
das Eruptivgestein umschliessenden Kalkmassen. Eine eigen-
thümliche Gestaltung besitzt der vom Piano gegen Osten
ziehende Thalzweig, durch welchen ein hoher Uebergang nach
S. Pellegrino führt. Man steigt von der Monzoni-Ebene eine
. *) In der Sammlung des Ferdinandeuni zu Innspruck sah ich einen
Vesuvian- Krystall vom Monzoni von S Cm. Grösse, breit, niedrig, die
Basis untergeordnet.
Zeits.d.D.geoI. Ges. XXVII. 2. 25
374
steile Stufe hinan , nun breitet sich eine ebene Terrasse mit
kleinen Teichen aus. Wieder hebt sich eine steile Stufe und
zum zweiten Male folgt eine ebenere Fläche mit Wasserbecken.
Endlich zieht sich der wilde Thalhintergrund steil und grausig
zum hohen (ca, 2600 M. hoch) Kamm empor. Die erste Fund-
stätte, welche ich, ca. 200 M. über dem Piano, erreichte, war
diejenige des Gehienits und des Granats. Das Eruptivgestein ist
hier Syenit, welch' letzterer eine keilförmige Masse in den Kalk
hineinschiebt, welcher in einen herrlichen grosskörnigen Marmor
bis in eine Entfernung von 20 bis 30 M. von der Grenze um-
gewandelt ist. Weiter folgt grauer Kalkstein, dann gelber
Dolomit. Es hat zuweilen das Ansehen, als ob zunächst der
Syenitgrenze der Kalkstein gänzlich in eine dunkle Silicatmasse,
vorzugsweise aus Gehlenit bestehend, umgewandelt ist. Ausser
dem Gehlenit tritt hier auch gelber Granat in Krystallen und
mit körniger Zusammensetzung im Contact des Kalksteins und
des Syenits auf. An keinem anderen Punkte im Umkreise des
Monzoni schien mir die umändernde Wirkung des Eruptiv-
gesteins so überzeugend hervorzutreten, wie an den Seile, wo
ein herrlicher grossblättriger Marmor sich in schrittweisem
Uebergang aus dichtem Kalkstein entwickelt. Der kleine
Thalkessel von le Seile ist zwar mit Gerollen bedeckt, doch
beweisen die in einer ostwestlichen Richtung geordneten zahl-
reichen Contactstücke, körnige Aggregate von Granat und Kalk-
spath, dass die Grenze, stets von Contactbildungen begleitet,
mitten durch das kleine Hochthal streicht. Weiter über Kalk-
felsen emporsteigend, fand ich zwei ungefähr ostwestlich strei-
chende, fast senkrechte, j bis j M. mächtige Gänge eines dem
Augitporphyr ähnlichen Gesteins. Die Gänge schliessen ein
80 Cm. breites mauerförmiges Stück des Kalkfelsens zwischen
sich. Keine krystallinische Metamorphose des Kalks oder
Bildung von Contactmineralien ist an diesen Gängen zu beob-
achten. Beide Gänge steigen an der jähen Wand zunächst
gleichartig empor, der eine endet früher, während der andere
noch etwa 6 M. höher fortsetzt. Sie enden beide , in ihrer
ganzen Breite von 40 Cm. gleichsam plötzlich abgeschnitten.
Weiter zur Passhöhe fortschreitend traf ich bald noch einen
dritten, viel mächtigeren (6 M.), gleichfalls sehr nahe ostwest-
lich streichenden , verticalen Gang von Augitporphyr. Auch
hier war keine Veränderung des Nebengesteins wahrzunehmen.
Diese Gänge eines dem Augitporphyr ähnlichen Gesteins, nahe
der Syenit-Kalk-Grenze, erinnerten mich an die durchaas ähn-
liche Erscheinung im Marmorbruche von Canzacoli und an der
Margola bei Predazzo. Die später hervordringenden schwarzen
basischen Porphyre fanden offenbar gerade auf der Grenze von
Syenit und Kalkstein einen leichteren Durchbruch. In einer
Höhe von etwa 600 M. über dem oberen Theil des Piano
erreichte ich eine besonders ausgezeichnete Contactfundstätte.
Aus dem wilden steilen Trümmerfeld erhebt sich ein flach-
gewölbtes, von Ost nach West streichendes Felsriff, dessen
südliche Hälfte aus Kalkstein besteht, während die nördliche
durch Syenit gebildet wird. Das Eruptivgestein bildet hier
dem Anschein nach eine über 30 M. mächtige gangähnliche
Apophyse der weiter . gegen Süd befindlichen Gebirgsmasse.
An der Grenze ist der in weiterer Entfernung dichte Kalkstein
in schönen grobkörnigen Marmor verändert. Zwischen Marmor
und Syenit liegt eine -~ bis 1 M. mächtige, übrigens sehr un-
regelmässig bald anschwellende, bald sich wieder verschmä-
lernde Bildung von grossblättrigem Kalkspath erfüllt und ge-
mengt mit Contactmineralien : Granat und strahligem Augit.
Der grossblättrige Kalkspath, aus welchem man 8 bis 10 Cm.
grosse , von schönsten Zwillingslamellen durchsetzte ßhom-
boeder herausspalten kann, schneidet merkwürdig scharf am
Marmor ab. Unmittelbar an der Grenze gegen den Syenit
liegen körnige Aggregate und bis 10 Cm. dicke Platten von
gelbem und braunem Granat, welche auch vielfach den gross-
blättrigen Kalkspath durchziehen. Auch wohlgebildete Granat-
krystalle (ooO, 2 02) liegen im Kalk, zuweilen in grosser
Menge, schwarmwreise. Zum Granat gesellen sich (ausser
Eisenkies) Zonen und Bänder von strahligem Augit, welcher
eine vollkommene Analogie darbietet zu den Massen strahligen
Augits von Campiglia marittima und am Cap Calamita sowie bei
Torre di Rio auf Elba. Die Augitstrahlen ordnen sich zu
Rosetten und diese zu Bändern, welche, durchschwärmt von
Granaten , den grossblättrigen Kalkspath durchziehen. Wie
wurde ich überrascht, als ich die Berührungsebene* von Syenit
und den Contactgebilden entblösste! Ich fand sie bedeckt mit
quadratzollgrossen Blättern von Eisenglanz. Wäre nicht die
landschaftliche Umgebung in der Felswildniss am Monzoni
nahe dem ewigen Schnee so durchaus verschieden von den
25*
376
milden Gestaden Elba's, so hätte ich glauben können, auf den
Felsen Calamita's oder der Torre di Rio zu stehen.
Die geschilderte merkwürdige Contactmasse gehört, wie
bereits oben bemerkt, der südlichen Grenze einer Syenit-
apophyse gegen Kalkstein an. Die nördliche Grenze jener
etwa 30 M. mächtigen Gangmasse, welche an der Oberfläche
des Felsriffs sich deutlich darstellt, entbehrt der Contactgebilde,
indem das Eruptivgestein unmittelbar an den zu Marmor ver-
änderten Kalkstein grenzt. Das Eruptivgestein verändert in
diesem und anderen in der Nähe befindlichen Apophysen und
Gängen seinen normalen Charakter und ähnelt einem wenig
ausgesprochenen Grünsteinporphyr. Zuweilen hat es den An-
schein, als ob das Eruptivgestein isolirte Partieen im Marmor
bilde, welche indess wohl unzweifelhaft nach der Tiefe hiu
mit der Hauptmasse zusammenhängen. — Von der geschil-
derten Fundstätte des Granats und des strahligen Augits zieht
sich die Schlucht le Seile, einen stets wilderen Charakter an-
nehmend, noch höher empor. In den gelben Dolomitfelsen,
welche gegen Ost den Felskessel schliessen, bemerkt man
gangförmige Massen von schwarzem Eruptivgestein , deren
Zusammenhang durch die Zerstörung des Bergprofils unter-
brochen , und deren Fortsetzung zur Tiefe durch Gerölle ver-
deckt ist. Wir versuchten, gegen Süd gewendet, am trichter-
förmigen Gehänge des hohen Thalcircus hinschreitend,
den Uebergang nach Allochet zu gewinnen. Das hier
herrschende Gestein ist Buchensteiner Kalk , ein farbigstrei-
figer Kalkschiefer mit verticaler Schichtenstellung, von West
nach Ost oder von WSW — ONO streichend, der unteren
Trias angehörig. Dieser Kalkschiefer, welcher mich an
die in der Granitnähe veränderten Schichten Norwegens
erinnerte, scheint gleich der Marmorzone auf die Nähe des
Syenits hinzuweisen. Bald wurde das Gehänge so jäh, dass
wir nicht, in horizontaler Richtung fortschreitend, die Kamm-
senkung von Allochet erreichen konnten. Wir stiegen also
jäh empor, den verticalen Profillinien der veränderten Kalk-
schichten folgend, überschritten den Kamm im Angesicht der
dolomitischen Palle di S. Martino , der erstaunlichsten Berg-
formen der Erde, wandten uns dann gegen Südwest, zur Fund-
stätte Allochet. Es herrscht auf dem genannten Wege ein
mehrfacher Wechsel von theils unverändertem, theils körnigem
377
Kalk. Wiederholt trafen wir entblösste Massen von grauat-
erfülltem Marmor, welche vollkommen den betreffenden Felsen
von le Seile gleichen. Auch zeigten sich im Diabas viele
schmale Gänge eines rothen Augit-Syenits. Etwa 100 M. unter
dem Kamm, unmittelbar im Contact von lichtröthlichem Augit-
Syenit und Kalkstein, im südöstlichen Theile des Monzoni liegt
die Epidot-Fundstätte Allochet. Dieser Epidot, welcher früher
theils für Akmit, theils für Malakolith gehalten und zuerst
durch v. Richthofen richtig bestimmt wurde, ist von grünlich-
schwarzer bis schwarzer Farbe und bietet eine Combination
folgender Flächen dar (s. Naumann, Min. pag. 423):
n = (a':b:c), P
z = (a : b : oo c), ooP
M = (oca:oob:c), oP
T — (a : oo b : oo c), ooPoo
r — (a':oob:c), P oo
1 = (a : oo b : 2 c), 2 P oo
Neben dieser schwarzen Varietät kommt in Drusen eines Dia-
bas, welcher in unmittelbarer Nähe der Fundstätte des schwarzen
Epidots erscheint, auch eine grüne feinstrahlige Epidot- Varietät
vor. Begleiter des Epidots sind : Granat in der Combination des
Dodekaeders mit untergeordnetem Ikositetraeder 2 O 2 , Sphen,
sowie kleine weisse Krystalle von Albit. Zu Allochet finden
sich in Begleitung von grünem Epidot 1 bis 2 Cm. grosse
röthlichweisse Krystalle von Anorthit. Es sind dies wohl die-
selben Krystalle, welche von Liebener und Vorhauser, sowie
von v. Zepharovich als Labrador angesprochen wurden. An
diesen in der Verwitterung vorgeschrittenen Anorthiten von
Allochet wurden folgende Flächen bestimmt:
T = oo'P; l = ooP'; z = oo'P3; f=ooP'3;
M = ooPoo; P = oP; n = 2'P^oo; e = 2P'oo;
p = P; o = Py; y - 2P,co.
Das spec. Gew. dieser Krystalle = 2,787. Ihr Glühverlust
= 5,38. In Folge der vorgeschrittenen Verwitterung sind sie in
eine weiche, mit dem Messer leicht ritzbare Masse umgewandelt.
Der Zirkon, welcher bereits oben als ein ganz seltener
Gemengtheil des Diabas genannt wurde , ist von röthlich-
378
gelber Farbe, von prismatischem Habitus, 3 Mm. lang, 1 Mm.
dick, eine Combination des Oktaeder P, des Dioktaeders 3P3,
sowie des Prismas oo P. Dies Zirkon - Vorkommen erinnert
an dasjenige im Hypersthenit des Radauthals bei Harzburg,
welches G. Rose beschrieb (s. diese Zeitschr. 1870 pag. 754)
sowie an den Zirkon im Diorite des Veltlin's (s. Pogg. Ann.
Bd. 144 pag. 250). — Das Muttergestein des Epidots von Allo-
chet ist gewöhnlich zersetzt, zuweilen zu einer braunen brüchi-
gen Masse aufgelöst , in welcher man kaum noch den ur-
sprünglichen Charakter des Gesteins erkennen kann. Der
unfern anstehende frische Augit- Syenit ist vor den meisten
anderen Varietäten dieses Gesteins dadurch ausgezeichnet, dass
Feldspath und Plagioklas sich deutlich durch die Farbe unter-
scheiden. Letzterer ist weiss, sehr vorherrschend, in 4 bis
6 Mm. grossen Krystallen ; der Feldspath dunkelfleischroth,
in spärlichen kleinen Körnern. Viel Biotit, wenig Augit.
In Val Allochet herrscht ein mannichfacher Gesteinswechsel:
Augit - Syenit, Kalkstein, Quarzporphyr. Letzteres Gestein
bildet, wie schon Dölter hervorhebt, einen ansehnlichen Theil
der Südseite des Gebirges, sodass die nordsüdliche Verbreitung
des Monzongesteins eine geringere ist, als es zufolge der von
Richthofen' sehen Karte zu sein scheint. Etwa 400 M. unter
der Epidot- Fundstätte steht in Val Allochet ein recht frischer
Quarzporphyr an. Die ausgeschiedenen Körner von Quarz und
fleischrothem Feldspath (sehr wenig Plagioklas) erreichen nur
eine geringe Grösse (5 bis 6 Mm.). Von besonderem In-
teresse ist die höchst unregelmässige Form der Quarzkörner,
wie sie sich im Dünnschliff darstellt. Neben rundlichen sieht
man eckige, keulenförmige, und andere Gestalten. Die Grund-
rnasse dringt zuweilen zungenartig in die Quarzkörner ein oder
wird in isolirten Partieen von derselben umschlossen; zum
Beweise, dass die Quarze wirklich sich aus der Masse abge-
schieden haben müssen.
Eine noch reichere Fundstätte als Allochet ist Toal dei
Rizzoni, in welchen man hinabsteigt, nachdem man die Monzon-
scharte von Norden her überschritten hat. In dem circus-
ähnlichen Ursprung des genannten Tobels herrscht Augit-
Syenit, in welchem fortsetzende Schichten und Schollen von
verändertem Kalkstein auftreten. Es sind dies wohl un-
zweifelhaft losgerissene und emporgehobene Theile des durch-
379
brochenen Gebirges. Der Kalkstein, dessen Schichtung deutlich
erkennbar ist, ist meist zu Marmor verändert und vielfach mit
Contactmineralien imprägnirt: Anorthit, Adular, Fassait, Mag-
nesiaglimmer, Monticellit oder Batrachit, Titanit, Ceylanit oder
Pleonast, Apatit, Magneteisen.
Der Anorthit (Labrador bei Libbener und Vorhaüser, denen
zufolge die Krystalle dieses Minerals hier die bisher nirgend
beobachtete Grösse von 6 Cm. erreichen und in Gängen des
Syenits mit Magnesiaglimmer, Magneteisen, Fassait und Sphen
vorkommen) wurde von Tsohermak bestimmt (Verh. d. geol.
Reichsanstalt 1874 pag. 37). Letzterem Forscher zufolge sind
die grossen Anorthite stellenweise von Orthoklas in paralleler
Verwachsung überzogen. Als beibrechende Mineralien werden
genannt: Biotit, Apatit, Augit, Titanit. — Eine mir vorliegende
Stufe zeigt in einer Druse eines Aggregats von grünem Biotit
Adular - Krystalle, 1 bis 3 Cm. gross, in der Combination
T — oc P, P = oP, x = P x, y = 2Poo. Dieselben sind gleich
den sie begleitenden Quarzkrystallen schneeweiss , mit einem
kaolinähnlichen Ueberzug bedeckt; Apatit fehlt nicht. — Die
Sammlung des Ferdinandeum zu Innspruck bewahrt neben grünem
auch schwarzen Biotit in zollgrossen Tafeln aus Toal Rizzoni.
Eines der merkwürdigsten Monzon-Mineralien ist der Ba-
trachit Breithaupt's (1832), welcher nach Liebener und Vor-
hauser in grosskörnigem Gemenge mit Ceylanit und blau-
grauem Kalkspath eine 0,3 bis 0,6 M. mächtige Bank im
Syenit bildet. Der Batrachit fand sich bisher in Rizzoni nur
derb oder in Krystallkörnern, deren Formen nur unvollkommen
ausgebildet sind. Dennoch bestimmte Breithaupt das System
in zutreffender Weise als rhombisch, wenngleich es mir nicht
gelang, das von Breithaupt angegebene Prisma von nahe 115°,
welchem auch eine sehr unvollkommene Spaltbarkeit parallel
gehen soll, auf die flächenreichen deutlich ausgebildeten Kry-
stalle von Pesmeda zu beziehen. Nachdem nun Rammelsberg
1840 für den Batrachit die gleiche chemische Zusammensetzung
wie für den vesuvischen Monticellit (Brooke 1831) erwiesen
hat, und — wie alsbald nachzuweisen sein wird — die vor
Kurzem entdeckten Batrachit-Krystalle von Pesmeda vollkom-
men übereinstimmen mit den sehr seltenen vesuvischen Mon-
ticelliten, so ist an der Identität von Batrachit und Monticellit
nicht mehr zu zweifeln; von welchen beiden Namen dem letzteren
380
die Priorität gebührt. Unter die Analyse von Rammelsberg I.
stelle ich zwei von mir ausgeführte Analysen II. u. III., deren
Material ich bereits 1862 schlug , als ich durch die Scharte
den Monzonikamm überkletterte.
Monticellit aus dem Toal Rizzoni:
Spec. Gew. 3,033.
Glühverlust 1,27.
Kieselsäure. ,
1.
. 38,49
Ox. .= 20,53
Eisenoxydul
, 3,05
0,68
Kalk ....
. 36,21
10,35
Magnesia . . ,
. 22,25
8,90
100,00
Spec. Gew. 3,054.
Glühverlust 1,31.
IL
III.
Mittel
Kieselsäure . . 38,35
38,15
38,25 Ox. =
20,40
Eisenoxydul . . 4,29
4,31
4,30
1,10
Kalk 34,76
34,75
34,75
9,93
Magnesia. ... 23,15
22,94
23,05
9,22
100,55
100,15
100,35
Es beträgt
für Analyse I. das Ox.-Verhältniss RO:Si02 = 1:1,03
II. u.III. „ „ =1:1,007
Daraus die Formel
2CaO, SiO, +2{pf°}si02
Der Monticellit, bisher nur bekannt in den Auswürflingen
des Vesuvs und am Monzoni, ist eines jener interessanten
Mineralien, durch welche die in so vieler Hinsicht noch
räthselhaften Contacterscheinungen an die vulkanischen Pro-
cesse geknüpft werden.
An die hohe Thalmulde von Rizzoni reiht sich gegen
West diejenige von Damasson. Diese halbtrichterförmingen,
überaus steilen (30°) Gebirgsausschnitte werden durch scharfe
Rücken getrennt. In Damasson beobachtete ich wellenförmig
gewundene Marmorschichten (im Mittel b. 3 streichend, 80°
381
gegen West fallend), welche zwischen Syenit lagern. Ceylanit
und Fassait sind an vielen Punkten dem Marmor eingewachsen.
Unmittelbar auf der Grenze von Kalk und Syenit sah ich ein
schönes Vorkommen von Fassait, Grossular, Vesuvian, umhüllt
von bläulichgrauem Kalkspath. Der Vesuvian aus Dammasson
ist theils von gelber, theils von brauner Farbe, eine Combi-
nation der Formen P, ocP, oc-P oo, oP, ooP2.
Der nächstliegende Circus ist Toal della Foglia (das Laub-
thal). Dasselbe besteht vorzugsweise aus Syenit, doch reicht
vom Monte Riccobetta her auch Diabas in das Hochthal
hinein. Im Laubthal liegt die Hauptfundstätte des Ceylanits
und Brandisits. Ein körniges Gemenge dieser Mineralien nebst
Kalkspath , in Drusen und an seinen Grenzflächen schöne
Krystalle umschliessend , bildet im Syenit ein sphäroidisches,
etwa 3 M. im Durchmesser haltendes Nest, vermuthlich eine
metamorphosirte Kalkmasse. Die Oktaeder des Ceylanits sind
meist an den Ecken zugespitzt durch das Ikositetraeder
3 03. Durch Verwitterung geht die fast schwarze Farbe des
Ceylanits in Grün über. Das Muttergestein des Ceylanits im
Toal della Foglia ist überaus hart
und zähe. — Unfern des genann-
ten Fundorts findet sich auch Fassait
(Pyrgom) von besonderer Schönheit.
Mit dem Namen Pyrgom bezeich-
nen die fassanischen Mineralien-
sucher die Fassait - Zwillinge von
nebenstehender Ausbildung*) eine
£ Combination der Flächen:
s = (a':b: c), P
z = (ooa:{b:c), (2 P oo)
m = (a : b : ooc), oo P
a = (a:oob:ooc), ooPoo
c = (ooa:xb:c), oP
p == (a :cob:c), P cc
Die Krystalle, 1 bis 3 Cm. gross, aufgewachsen in Drusen
eines derben lichtgraulichgrünen Fassaits , sind fast immer
Zwillinge und in letzterem Falle stets, aufgewachsen mit dem-
jenigen Ende, an welchem die basischen Flächen cc einen
*) Die gestrichelten Linien bezeichnen einspringende Kanten.
382
einspringenden Winkel bilden würden. Zuweilen finden sich
auf denselben Drusen auch zollgrosse rhombische Krystalle,
welche gänzlich in ein Haufwerk kleiner Fassaite umgewandelt
sind — Pseudomorphosen von Fassait nach Monticellit, wie
die Untersuchung der Mineralfundstätte von Pesmeda lehren
wird. Im T. della Foglia finden sich auch Pseudomorphosen
von Serpentin nach Ceylanit (in 5 Cm. grossen Oktaedern
(s. v. Zepharovich, Min. Lex. pag. 425.), nach Fassait sowie
nach Glimmer.
Die westlichste Tbalschlucht , welche ihren Ursprung im
Monzoni-Massiv nimmt, ist Pesmeda, deren hoher nördlicher
Felscircus die Palle rabiose beisst. Auf dem scharfen Joche
der Palla verde (Augit - Syenit) stehend , überblickt man die
hohe Thalmulde von Pesmeda, welche in der Tiefe durch eine
zerbrochene Dolomitwand, die gegen Nord mit dem Sasso di
Loch zusammenhängt, durchsetzt und abgeschlossen wird; es
ist der Sasso della Rocca. Ich durchschritt, von der Palla
verde kommend, den obersten Theil von Pesmeda, und erstieg
den scharfen Grath , welcher den genannten Thalcircus von
Damasson scheidet (T. d. Foglia dringt nicht soweit nach
Norden vor). Hier sah ich eine jener veränderten, mit Con-
tactmineralien erfüllten Kalkmassen, rings von Augit- Syenit
umschlossen. Die metamorphische Lagerstätte stellt sich als
ein Gemenge von Granat (derb und krystallisirt), Fassait, Cey-
lanit und blaugrauem grosskörnigem Kalkspath dar. Die erst-
genannten drei Mineralien sind nicht selten zu sphärischen
Zonen geordnet, deren Inneres Kalkspath einnimmt. So ent-
stehen Aggregate, welche nicht nur durch gleiche Mineralien,
sondern auch durch ihre Anordnung an manche Auswürflinge
des Vesuvs erinnern. Die Grenze des Augit-Syenits ist ganz
scharf; die losgerissene, umhüllte Kalkmasse ist im unmittelbaren
Contact in derben Granat verwandelt; auf der Gesteinsscheide
liegen Titanite, deren Kalk wohl dem ursprünglich sedimen-
tären Gestein entstammt, während die Kieselsäure durch das
Eruptivgestein, die Titansäure speciell aus dem titanhaltigen
Magneteisen des Augit - Syenits geliefert wurde. Trotz ihrer
Metamorphose lässt die Kalkscholle noch Spuren der Schich-
tung erkennen. — Ich folgte nun abwärts dem schmalen Felsen-
grath, welcher zuoberst Pesmeda von Damasson, weiter hinab
das erstgenannte Thal von Foglia trennt. Jener Felsenkamm
383
entblösst mehrere rings von Augit-Syenit umschlossene Mineral-
fundstätten, umgewandelte Kalkschollen oder -nester, wie sie
in grosser Zahl über das Südgehänge des Monzoni verbreitet
sind. Wo der Felsengratb in einer Höhe von 2300 M. altan-
artig endet und plötzlich zur Tiefe stürzt, liegt die Fundstätte
jener merkwürdigen Mineralgebilde, welche seit mehr als
20 Jahren bekannt und in den Sammlungen verbreitet, bisher
nicht die richtige Deutung gefunden haben, welche freilich erst
durch neuere Auffindungen möglich wurde. Es sind Drusen,
auf denen kleine Fassaite in regelloser Gruppirung grosse
Krystalle zusammensetzen , deren For-
men nicht ganz sicher wegen Unregel-
mässigkeit der Flächen zu erkennen
waren und deshalb, wenngleich mit
einiger Unsicherheit, gleichfalls als Fas-
saite gedeutet wurden. Sehr anschau-
lich werden diese Pseudomorphosen in
der verdienstvollen Schrift: die Miner.
Tyrols von Liebener und Vorhauser,
1852 geschildert, p. 24T: ,,Ganz eigen-
tümliche bis 3 Zoll im Durchmesser
haltende Krystalle nach Fassait, zusammengesetzt aus ganz
kleinen, selten eine Linie breiten, oft unverhältnissmässig in
die Länge gezogenen , ebenfalls nach Fassait krystallisirten
Serpentin-Pseudomorphosen. Eine deutliche Vorstellung dieser
in jeder Hinsicht höchst merkwürdigen Krystalle kann man
sich dadurch machen, wenn man annimmt, es wäre mit den
kleineren Krystallen ein Teich gemacht, dieser dünn und platt
gewalzt, dann zusammengerollt und daraus die grossen Kry-
stalle mit einem schneidigen Werkzeug geschnitzelt worden ;
denn es lassen sich die einzelnen Blätter des aufgerollten und
zur Bildung der Krystallflächen durchschnittenen Teiges an
vielen derselben und selbst an der derben Masse deutlich
wahrnehmen. Die kleineren Krystalle, die an der Oberfläche
oder in den nicht selten vorkommenden Hohlräumen der grossen
sitzen, erscheinen vollständig ausgebildet, lagenweise gelegt
und oft fest zusammengepresst ; sodass wenn einer mit seiner
Länge über eine Kante der grösseren Krystalle hätte vorstehen
wollen, er um diese umgebogen ist. Die Oberfläche ist daher
rauh; aber die Krystallwinkel und Kanten vollkommen regelrecht."
384
Diese Pseudomorphosen erreichen zuweilen eine ausser-
ordentliche Grösse: im Ferdinandeum zu Innspruck sah ich
(1862) einen solchen pseudomorphen Riesenkrystall von etwa
12 Cm. Grösse, dessen Oberfläche, rauh und löcherig, ein
Aggregat aus zahllosen kleinen frischen Fassaiten erkennen
liess, während das Innere theilweise hohl war.
Die Pesmeda - Fundstätte hat ausser den eben erwähnten,
aus kleinen Fassaiten aufgebauten Krystallen auch andere von
identischer Form geliefert, welche aus Serpentin bestehen.
Diese letzteren Gebilde sind im Jahre 1873 in grösserer Voll-
kommenheit vorgekommen als früher; auch haben sich an beiden
Enden ausgebildete Krystalle gefunden , welche sogleich er-
kennen Hessen , dass ihre Form mit derjenigen des Augits un-
vereinbar sei. Diese Serpentin-Pseudomorphosen werden zu-
nächst den Gegenstand unserer Untersuchung bilden ; an die-
selben werden sich jene räthselhaften Gebilde reihen, welche
den Fassait in einer ihm fremden Krystallform darbieten.
Das Muttergestein der Serpentin-Pseudomorphosen ist ein
Gemenge von schwärzlichgrünem Spinell, welcher zum grossen
Theil bereits in Serpentin umgeändert ist, von lichtgrünem
Fassait und Kalkspath, welcher in den Drusen auch zierlich in
spitzen Formen auskrystallisirt erscheint. Die neuen Krystalle
welche eine Grösse bis 6 Cm. er-
reichen, gehören dem rhombischen
Systeme an und stehen der Form des
Olivins nahe. Aus ihrer chemischen
Zusammensetzung wurde die Ueber-
zeugung gewonnen, dass sie ehemals
Monticellit (Batrachit) waren, welchen
wir in seinem derben Vorkommen im
Toal dei Rizzoni kennen lernten.
Die Combination der Monticellit-
krystalle ist gewöhnlich einfach ; die
grösseren sind oft flächenreicher. An
denselben wurden beobachtet: zwei
Pyramiden, zwei Prismen, zweiBrachy-
domen, ein Makrodoma und das Bra-
chypinakoid. Wählen wir zur Grund-
wie es auch in meiner Mittheilung über
form die Pyramide f,
*) Siehe die Anmerkung 1 am Ende dieses Abschnitts.
385
den Monticellit vom Vesuv (s. Pogg. Ann., Ergänzungsbd. V.
pag. 434) geschehen, so erhalten wir folgende Formeln:
(a:b:c), P"
(a:2b:c), P2
(a : b : gcc), oc P
(a:|b:occ), qp P 2
(ooa:b:c), P co
(oo a : 2b : c), j P oo
(oo a : b : oo c), oc P oo
Trotz der Aehnlichkeit der Formen mit denjenigen des
Olivins, konnte doch sogleich eine wesentliche Verschiedenheit
in den Winkeln der Prismenzone nachgewiesen werden. Die
matte Oberfläche der Krystalle hinderte zwar eine unmittel-
bare Messung am Reflexionsgoniometer; doch wurde mittelst
vielfach wiederholter Messungen durch aufgelegte Glastäfelchen
die brachydiagonale Endkante des Prismas s : s' gemessen —
98°, während dieselbe beim Olivin 94° 3' beträgt. Dieser
Unterschied ist so bedeutend, dass man ihn sogleich auch mit
dem Anlegegoniometer wahrnehmen kann. Weniger bedeu-
tende Differenzen stellen sich in den Werthen der Kanten e : e'
oder h : h' heraus. Nachdem nun die chemische Analyse dieser
veränderten Krystalle zwar im Allgemeinen die Zusammen-
setzung des Serpentins, doch neben der Magnesia und dem
Eisenoxydul einen ansehnlichen konstanten Gehalt an Kalk-
erde" nachwies , wurde ich darauf geführt, die Formen dieser
merkwürdigen Krystalle mit derjenigen des Monticellit vom
Vesuv zu vergleichen, welchen ich
früher (s. Pogg. Ann. a. a. O.) be-
schrieben habe. Es zeigte sich nun
alsbald , dass die an dem Krystalle
vom Monzoni auftretenden Flächen
genau dieselben sind, wie diejenigen
des vesuvischen Monticellits (s. Fig.),
und dass die Winkel beider Vor-
kommnisse so genau übereinstimmen,
wie es nur die Messungen der matten
I
386
Monzoni - Krystalle nachzuweisen gestatten. Mit Hülfe feiner
Deekgläschen wurden folgende Kanten an den Krystallen des
Monzoni gemessen:
s : s' (brachydiagonal) = 98°. Beim Monticellit) 98° 7f
s:b = 131°. vom Vesuv J 130 56j
Diese Uebereinstimmung ergab sich auch für alle übrigen
Kanten , sodass wir den Krystallen vom Monzoni dieselben
Axen zu Grunde legen können, wie jenem Monticellit vom
Vesuv: a (Brachyaxe); b (Makroaxe); c (Verticalaxe)
= 0,867378:1:1,15138.
Aus denselben berechnen sich folgende Winkel:
e:e = 141° 47'
(brachydiagonal)
e:e = 82 0
n:n' = 133° 6{'
(brachydiagonal)
s:s' = 98 7|
(brachydiagonal)
n : s' = 162 30|-
n:b = 113 26f
s:b = 130 56J-
d : d' == 73 59
h:h' = 120 8|
k :k' = 81 57
(in Axe c)
(makrodiagonal)
e:n = 145 21
f:f = 110 43f
(brachydiagonal)
f:.'f = 97 55^
(makrodiagonal)
f:s === 150
e:s = 141 41
e:k = 128 19
211
Wie bereits oben angedeutet, wurden unsere Krystalle
früher, als man nur unvollkommene und nur an einem Ende
ausgebildete Exemplare kannte, für Fassait-
zwillinge gehalten. Um die Aehnlichkeit
resp. Verschiedenheit beider Mineralien zu
übersehen, habe ich in nebenstehender Fi-
gur einen der mit den Monticellitkrystallen
vorkommenden, aufgewachsenen, meist nur
mit einem Ende frei ausgebildeten Fassait-
zwilling in derjenigen Stellung gezeichnet,
in welcher eine gewisse Vergleichbarkeit
mit unsern Krystallen hervortritt. Es wurde
zu dem Zwecke der Zwillingsebene die
Stellung einer sogen. Längsflache (Axen-
ebene a c) gegeben. Der Krystall ist eine
Combination folgender Formen:
\i x
i
m ;
\ ' -
387
ra = (a : b : qo c), co P
o i ({a':{b:c), 2P
z = (ooa:jb:c), (2Poo)
a — (a : qo b : X) c), ooPco
Die Winkel des Fassait- resp. Augitzwillings betragen :
m:m = 92° 5' . z : z' = 82° 42' . z:z = 159° 14'
entsprechend den Winkeln des Monticellits:
s:s' - 98 7£ . e:e' = 82 0 . e:e' ~ 141 47
Während also die flächenarmen Monticellite eine gewisse
Vergleichbarkeit mit dem oberen Ende eines Fassaitzwillings
darbieten, verschwindet dieselbe alsbald bei den flächenreicheren
Krystallen oder bei denjenigen , welche an beiden Enden aus-
gebildet sind.
Die Härte der Monticellite ist nur gering, gleich derje-
nigen des Serpentins. Die Farbe lichtbräunlich, gelblich, zu-
weilen weiss. Die Oberfläche ist bisweilen mit einer dünnen
Haut von kohlensaurem Kalk bedeckt. Betrachtet man das
Innere der Krystalle mit der Lupe, so bietet sich nicht selten
ein feinkörniges Gemenge dar, indem durchscheinende härtere
grünliche oder bräunliche Körnchen von einer weissen, wei-
cheren Substanz umschlossen werden. Man erhält den Eindruck
einer noch nicht ganz vollendeten fortschreitenden Umwandlung.
Diese Wahrnehmung wird nun durch die mikroskopische Be-
trachtung bestätigt und in interessanter Weise erweitert. Die
beiden Figuren der Tafel X. geben ein mikroskopisches Bild
einer düungeschliffenen Platte, Fig. 1 bei einer Vergrösserung
von 70 , Fig. 2 von 220. Bei geringer Vergrösserung stellt
sich eine gelblichweisse, zerklüftete, unreine Masse dar, welche
von zahlreichen, tbeils geradlinigen, theils gebogenen, zuweilen
netzförmig verzweigten grünen Adern durchzogen wird. Bei
stärkerer Vergrösserung erscheint die (irundmasse als ein höchst
feinkörniges Aggregat, welches bei Anwendung von polarisir-
tem Lichte durchaus Farben giebt und sich als krystallinisch
erweist. Schon bei schwächerer, noch weit deutlicher indess
bei stärkerer Vergrösserung bemerken wir, dass jene grünen
Adern aus kleinen Kugeln bestehen , welche vereinzelt an
einander gereiht oder zu Haufen vereinigt auftreten. Während
die gelbe Hauptmasse als ein eisenarmer Serpentin zu be_
388
trachten ist, gehören jene grünen Kränze und Bänder einer
eisenreicheren Verbindung an. Die Gesteinsmasse wird von
zahllosen verlängerten Gebilden , ausgezeichnet durch ihre
Querfaserung, durchsetzt. Es sind Trennungen, Zerspaltungen
des Steins, deren Ränder die dargestellte, überaus zierliche
Fransung oder Faserbildung zeigt. Meist sind diese Faser-
spalten geradlinig, zuweilen gekrümmt, oft ziehen mehrere
parallel; sehr häufig bemerkt man von einer Mittellinie meh-
rere Querstreifen sich abzweigen. Der Zusammenhang der
gefaserten Spalten mit den grünen Kränzen ist vielfach auf
das deutlichste wahrzunehmen. Erst tritt die grüne eisen-
reiche Serpentinmasse in vereinzelten Körnchen auf, welche
sich in anderen perlschnurähnlich an einander reihen, um
endlich zusammenhängende Stränge und Haufen zu bilden. In
dem Maasse als die grüne Substanz in den Spalten zunimmt,
verschwindet die Querfaserung. Ausser dem lichtgelben und
dem in Adern eindringenden grünen Serpentin bemerkt man
in den Bildern auch einzelne krystallinische Körner, bald
von gerundetem, bald von polygonalem Umriss, olfenbar noch
unveränderter Monticellit. Diese Körner haben ein feinpunk-
tirtes Ansehen, an Olivin erinnernd , sie sind häufig zerklüftet
und zeigen theils im Innern, theils an ihrer Peripherie die
Bildung jener grünen Substanz.
Das mikroskopische Bild des aus Monticellit entstandenen
und in dessen Formen auftretenden Serpentins entspricht fast
genau der Serpentinbildung aus Olivin, wie dieselbe durch
Hrn. Prof. Rosenbüsch (Mikrosk. Physiographie der Mineralien
pag. 371) vortrefflich dargestellt wurde. — Das spec. Gew.
der veränderten Monticellitkrystalle = 2,617 (bei 20° C.);
spec. Gew. des Monticellits vom Vesuv = 3,119 — 3,245; des
derben Monticellits (Batrachits) vom Monzoni, aus dem Toal
dei Rizzoni, nach Breithaupt — 3,033, nach meiner Wägung
= 3,054. Ich führte drei Analysen mit Krystallbrucbstücken
verschiedener Drusen aus. Das zur Untersuchung verwandte
Material war frei von kohlensaurem Kalk.
389
Umgewandelter Monticellit von Pesmeda, Mon-
z o n i :
1.
TT
11.
TTT
III.
Kieselsäure . .
39,51
43,31
39,67
Thonerde . . .
o',81
1,34
1^99
Eisenoxydul .
6,79
5,73
6,08
Kalk
6,25
6,47
6,59
Magnesia . . .
. nicht best
33,08
34,42
: n,87
12,35
12,36
100,28
101,11
Die vorstehenden Analysen beweisen, dass die Zusammen-
setzung verschiedener Krystalle derselben Fundstätte etwas
verschieden ist: wie begreiflich — bei einer Substanz, deren
Umwandlung noch nicht ganz beendet ist. Offenbar sind die
untersuchten Ps-eudomorphosen ein Gemenge ungleichartiger
Verbindungen, weshalb wir auch von einer Berechnung der
Analysen abseben. Der ansehnliche Kalkgehalt unterscheidet
unsere Gebilde von allen bisher untersuchten Serpentinen und
beweist — auch abgesehen von der obigen krystallographischen
Bestimmung — dass das ursprüngliche Mineral kein normaler
Olivin könne gewesen sein. Es würde unter dieser Voraus-
setzung der ansehnliche Kalkgehalt unerklärlich sein. Die
chemischen Veränderungen, deren Resultate in unseren pseu-
domorphen Krystallen vorliegen , ergeben sich bei einer Ver-
gleichung der oben gegeben Zahlen mit der Zusammensetzung
des derben Monticellits aus Toal dei Rizzoni s. pag. 370.
Die Umänderung bestand demnach vorzugsweise in der
Ausscheidung des Kalks und dem Eintritt von Wasser. Der
Kalk schied sich unzweifelhaft als Carbonat aus. Wir finden
ihn theils als krystallinische Rinden auf den pseudomorphen
Krystallen, theils in unmittelbarer Nähe auf denselben Drusen.
Die Krystalle von Pesmeda bieten eine interessante Analogie
dar zu den berühmten Olivin - Pseudomorphosen von Snarum,
welche eine so wichtige Rolle in der Geschichte der Wissen-
schaft gespielt haben. Unveränderte Monticellit -Krystalle
sind bisher am Monzoni noch nicht gefunden worden, doch
wird es bei genauerer Durchforschung der Fundstätte des
„Batrachits" wohl gelingen, deutliche Krystalle zu entdecken;
sie werden die Formen der Pseudomorphosen von Pesmeda
Zeits. d. D. geol. Ges. XXVII. i. 26
390
besitzen. Was ich von Umrissen der in körnigem Kalke ein-
gewachsenen gelben Batrachitkörner bisher wahrnehmen konnte,
stimmt recht wohl mit jenen Formen überein.
Während die Serpentinbildung aus Monticellit sich anderen
bereits bekannten Bildungsweisen des Serpentins anreiht, bietet
uns dieselbe Fundstätte auf der Pesmeda-Alpe jene noch weit
überraschendere Thatsache dar, dass grosse Krystalle , welche
auf das Deutlichste die Monticellitform zeigen, gänzlich in
ein Aggregat kleiner Fassaite umgewandelt sind.
Diese Umänderung, welche Liebener und Vorhauser bereits
so treffend schilderten (s. oben pag. 373), findet sich nicht
nur auf derselben Fundstätte wie die Serpentin - Pseudornor-
phosen; ihre Spur ist sogar in denselben Drusen wahrnehmbar.
Die Umänderung des Monticellits in Fassait liegt mir in
zahlreichen Handstücken vor. Eine etwa 20 Cm. grosse
Stufe unserer Universitätssammlung besteht fast gänzlich aus
Fassait, eine Druse bildend, welche ursprünglich wohl theil-
weise oder gänzlich mit Kalkspath erfüllt war. Der Fassait
erscheint hier in zweifacher Ausbildung, zunächst in selbst-
ständigen 10 — 30 Mm. grossen Krystallen , ausschliesslich
Zwillingen, an denen man fast nur das durch die Flächen z
gebildete Ende wahrnimmt. Ausser diesen grossen Krystallen
sind kleine, nur 1 — 3 Mm. messende Fassaite vorhanden; es
sind vorzugsweise einfache Individuen , umschlossen von den
Flächen m und o. Diese kleinen, bisweilen gerstenkornähn-
lichen Fassaite bilden theils deutliche, bis 3 Cm. grosse Pseu-
domorphosen nach Monticellit, theils durchbrochene Hohl-
formen, ruinenähnliche Gestalten, in denen man, einmal darauf
aufmerksam, leicht die Monticellitform wiedereikennt. — In
anderen Drusen fehlen die selbstständigen grossen Fassaite,
sie besteben ausschliesslich aus Pseudomorphosen von Fassait
nach grossen Monticelliten. In einer Druse beträgt ihre Grösse
sogar 5 Cm. Die Form dieser in Fassait umgewandelten Monti-
cellite ist trotz der durch die vorragenden kleinen neugebil-
deten Krystalle bedingten Rauhheit der Flächen deutlich er-
kennbar, eine Combiuation von e = P 2, s = xP und, mehr
untergeordnet, b = oo P oc , k — P oc. Die Figur pag. 373
versucht, die seltsame Oberfläche dieser Krystalle darzustellen,
welche aus einem regellosen Aggregat kleiner Fassaite bestehen.
Durchbricht man diese seltsamen pseudomorphen Krystalle,
391
so bemerkt man, dass sie eine schalen- oder rindenäbnliche
Zusammensetzung haben. Es sind kluftähnliche Hohlräume
vorhanden , welche annähernd den äusseren Contouren des
grossen ursprünglichen Monticellits parallel gehen. Der Kern
dieser Pseudomorphosen besteht häufig aus Serpentin, welcher
auch vielfach das Fassaitaggregat durchdringt. Zuweilen stellt
das Innere der Krystalle eine mit körnigem Kalk erfüllte
kleine Druse dar. Monticellit war in all diesen Drusen die
älteste Bildung, später bildete sich Fassait theils in grossen
selbstständigen Krystallen , theils in den Formen des Monti-
cellits. Die Fassaite sind ganz frisch in und neben den um-
gewandelten und ruinenartig zerstörten Monticelliten. Offenbar
liegen hier an derselben Fundstätte zwei Erscheinungen ver-
schiedener Art vor. Die Bildung des Serpentins ist ein all-
mälig fortschreitender durch Verwitterung und Wasseraufnabme
bedingter Prozess. Den Augit (Fassait) aber kennen wir nicht
auf Lagerstätten, welche die Anuahme einer secundären Bil-
dung auf nassem Wege gestatten. Die Zusammensetzung des
in der Form des Monticellit' s auftretenden Fassait' s
lehrt folgende Analyse:
Spec. Gew. 2,960 (bei 13° C).
Kieselsäure . . 47,69
Thonerde . . . 7,01
Eisenoxydul . . 3,62
Kalk 24,57
Magnesia . . . 16,10
Glühverlust . . 1,05
99,94
Dieser Fassait stimmt demnach am nächsten überein mit
demjenigen aus dem Zillerthal, für welchen Barthb (s. Dana,
Mineralogy) folgende Zusammensetzung fand:
Kieselsäure 48,47. Thonerde 8,22. Eisenoxydul 4,30.
Kalk 21,96. Magnesia 15,59. Glühverlust 0,73.
Eine gewisse Aehnlichkeit der chemischen Zusammen-
setzung des Monticellits und des Fassaits ist unverkennbar:
beide sind wesentlich Silikate der Magnesia und des Kalks,
jener ein Halbsilicat, der Fassait ein normales Silicat. Das
26 *
392
Vorkommen des Anorthits auf der Pesmeda-Alp, sowie im
Toal Rizzoni verdient insofern ein besonderes Interesse, als
dies Mineral in ausgebildeten Krystallen früher in den Alpen
noch nicht beobachtet wurde*), auch sein Auftreten in Contact-
Lagerstätten bisher nur auf wenige Punkte beschränkt war
(z.B. als sogen. Amphodelit zu Lojo in Finland). Der Anor-
thit findet sich theils in demselben kleinen Schürfe, welcher
die Monticel Ii tkry stalle liefert, theils, und zwar in noch aus-
gezeichneterer Weise, wenige hundert Meter weiter gegen Nor-
den , auf demselben , die Schluchten Pesmeda und della Foia
trennenden, schmalen Kamme.
Der Anorthit von Pesmeda besitzt ein